Kapitel 12


„Jetzt bin ich aber gespannt, was du dazu sagst“, sagte Lory mit einem Lächeln.

Sie saßen bei Burger King, jeder ein Tablett voll mit Burgern, Pommes und Cola vor sich. Nachdem Lorys Freund Luke Amano und Kordan mit Hosen, Shirts und Lederjacken in Übergröße ausgestattet hatte, waren sie direkt hierhergefahren. Luke war Coach der Steel Brothers, dreier hünenhafter Wrestler, und er hatte mit ihnen die Outfits der Brüder durchgesehen, bis sie etwas Passendes gefunden hatten. Durch Lorys Erzählung glaubte Luke, dass Amano und Kordan russische MMA Fighter wären, die ihr Gepäck auf dem Flug verloren hätten. Luke war happy, ihnen helfen zu können, und hatte die beiden Carthianer mit großem Interesse begutachtet. Er war sogar so weit gegangen, Lory zu fragen, ob sie nicht daran interessiert wären, nach Amerika zu ziehen und zum Wrestling zu wechseln, um für ihn zu kämpfen.

„Ich bin auch gespannt“, sagte Kordan und musterte den Double Whopper in seinen Händen. „Es sieht nicht schlecht aus und es riecht auch gut. Aber es ist ganz schön dick. Wie schaffst du es mit deinem kleinen Mund, da reinzubeißen?“

„Na, ganz einfach. So!“, sagte Lory und biss herzhaft in ihren Burger.

Charly nahm einen großen Zug von ihrer Cola und seufzte. Wie sehr sie so einfache Dinge wie eine eisgekühlte Cola vermisst hatte, wurde ihr erst jetzt bewusst.

„Ist das gut“, schwärmte sie und lächelte glücklich.

Amano und Kordan sahen sich an, zuckten mit den Schultern und bissen entschlossen in ihren Burger. Sie kauten, schluckten und nahmen noch einen Bissen. Charly grinste.

„Gut“, nuschelte Amano mit vollem Mund.

„Hmmpf“, machte Kordan und spülte seinen Bissen mit Cola hinunter.

„Ich mag schnelles Essen“, sagte Amano und nahm ebenfalls einen Schluck Cola.

Charly und Lory lachten, dann stimmten die Männer mit ein.

„Und morgen gehen wir zum Italiener. Dann essen wir Pizza“, schlug Charly vor.

„Prima Idee“, stimmte Lory zu. „Und wir gehen eislaufen.“

„Eislaufen?“, fragte Amano skeptisch. „Was soll denn das sein?“

„Ein Heidenspaß, das wird es sein. Ein Heidenspaß!“, rief Charly begeistert. „Euch beide auf Schlittschuhen zu sehen, wird sicher lustig. Ich frag mich nur, ob die im Schlittschuhverleih eure Größe haben.“

„Notfalls haben die so Kufen“, sagte Lory, „die man unter die eigenen Schuhe schnallen kann. Wir werden das schon irgendwie hinkriegen. Den Spaß will ich mir nicht entgehen lassen. Wir haben nur wenige Wochen Zeit, um euch Jungs hier alles zu zeigen, also macht euch auf was gefasst.“

„Solange dein Plan auch ein paar nächtliche Aktivitäten zu zweit beinhaltet, habe ich kein Problem damit“, sagte Kordan und sah Lory verlangend in die Augen.

„Oh, für nächtliche Aktivitäten habe ich eine Menge Ideen“, raunte Lory verführerisch. „Aber erst einmal gehen wir tanzen.“

Amano legte seinen Arm um Charly und sie lehnte den Kopf an seine Schulter. Sie fühlte sich so gut wie schon lange nicht mehr. Wie hatte sie nur jemals an Amanos Absichten zweifeln können? Er hatte sie von den Schrecken ihrer Vergangenheit geheilt und ihr so viel Liebe und Leidenschaft gegeben, dass es all die schlimmen Jahre davor mehr als wettmachte.

„Wir sollten uns erst einmal ein Hotel suchen und noch ein paar Sachen shoppen gehen“, meinte Lory.

„Ja, das klingt gut“, pflichtete ihr Charly bei. „Die Jungs könnten auch noch ein paar Sachen gebrauchen. Wir sollten zu dem Schneider fahren, den Luke uns empfohlen hat, damit er ein paar Dinge anfertigt. Shirts und Schuhe bekommen wir bei Uncle Sam, aber Hosen wird schwierig.“

„Okay!“, sagte Lory. „Hier ist der Plan. Wir suchen uns jetzt ein Hotel und wenn wir eingecheckt haben, dann fahren wir zu Uncle Sam und zu diesem Schneider. Danach gehen wir ins Kino, weil es für den Klub noch zu früh ist. Nach dem Kino gehen wir dann ins Glashouse. Kennst du den Klub?“

„Nein“, antwortete Charly, „aber ich hab schon davon gehört. Okay, klingt nach einem guten Plan. Was sagt ihr, Jungs?“

„Geht klar mit mir“, meinte Amano.

„Ihr kennt euch hier aus, also tun wir, was ihr sagt“, gab Kordan schulterzuckend von sich.

„Fein!“, riefen Charly und Lory wie aus einem Mund.


„Das war ein interessanter Film“, meinte Amano, als sie aus dem CinePalace traten. „Für ein Volk, das es noch nie weiter als bis zu einem der Nachbarplaneten geschafft hat, habt ihr interessante Ideen, was die Raumfahrt anbelangt.“

Lory lachte.

„Ja. Ich denke, euch Männer hat diese Maschine, in der Mann sich eine Frau modeln kann, besonders gut gefallen, he?“

Kordan schnaubte.

„Unser Planet mag an Frauenmangel leiden, aber ich bezweifle, dass es einen Carthianer gibt, der eine Frau haben will, die nur Brüste, aber kein Gehirn hat.“

„Für mich wäre das auch nichts“, meinte Amano. „Aber der Kampfroboter war schon stark.“

Charly winkte ein Taxi herbei und sie fuhren zum Glashouse, wo schon eine lange Schlange vor dem Eingang auf Einlass wartete.

„Wow, da stehen wir bestimmt eine Stunde an“, meinte Charly.

„Ach was“, sagte Lory. „Wir gehen durch den Hintereingang. Kommt!“

Charly warf Lory einen erstaunten Blick zu.

„Wie oft warst du in diesem Klub?“, fragte sie.

„Och“, meinte Lory. „Ziemlich oft. Meist beruflich natürlich. Undercover.“ Sie grinste.

„Ich hätte FBI-Agentin werden sollen“, scherzte Charly.

„Besser nicht“, mischte sich Amano grinsend ein. „Ich hab es lieber, wenn du keine Tricks draufhast, um mich auf den Boden zu schmeißen.“

Kordan brummte.

„Das war nur, weil ich nicht damit gerechnet habe“, verteidigte er seine Ehre. „Jetzt würde sie das nicht mehr schaffen.“

„Wollen wir es versuchen?“, fragte Lory herausfordernd.

„Also gehen wir nun da rein, oder was?“, wechselte Kordan das Thema und Amano lachte leise, was ihm einen warnenden Blick von seinem Cousin einbrachte.

„Ja, gehen wir“, sagte Charly und hakte sich schnell bei Amano ein.

Lory führte sie zum Hintereingang. In der schweren Metalltür war ein kleines, verschließbares Fenster eingelassen. Als Lory an die Tür klopfte, öffnete sich die Klappe und jemand sah hindurch, ehe er das Fenster wieder schloss und die Tür öffnete. 

Charly musterte den Mann kritisch. Er sah nicht sehr vertrauenswürdig aus. Sein ganzer Körper war tätowiert. Selbst der kahl rasierte Kopf war nicht von Tattoos verschont geblieben. Er trug eine schwarze Lederhose und ein Muskelshirt. Nahezu zwei Meter groß und beinahe so breit wie Amano, war er kein Mann, mit dem sie sich anlegen würde.

„Hey, Mädchen“, sagte er und schenkte Lory ein Zahnlückenlächeln.

„Hi, Ink. Lange nicht gesehen. Alles cool?“

„Ja, Sweetheart. Alles cool. Kommt rein.“

Sie folgten dem Mann in den dunklen Flur und er schloss die Tür hinter ihnen. Charly entgingen nicht die abschätzenden Blicke von Amano und Kordan. Auch ihnen schien der Typ nicht geheuer zu sein. Doch Charly vertraute Lory. Wenn sie meinte, dass der Typ keine Bedrohung für sie war, dann ging das schon in Ordnung. Sie griff nach Amanos Hand und drückte sie.


Im Inneren des Klubs war es voll und laut. Es war außerdem ziemlich dunkel und das zuckende Licht ließ jede Bewegung wie abgehackt erscheinen.

Lory führte sie zielstrebig durch die Menge, hier und da einigen Leuten zunickend oder zuwinkend.

„Wie viele Kerle kennst du hier?“, hörte sie Kordan knurren.

„Eifersüchtig, Miezekatze?“, erwiderte Lory mit einem leicht spöttischen Unterton.

Lory führte sie zu einer Bar und drehte sich zu ihnen um.

„Was wollt ihr trinken?“

„Bier“, antwortete Charly.

„Ich nehme, was sie hat“, sagte Amano. „Ich kenn eure Drinks hier eh nicht.“

Lory drehte sich zu dem Mädchen hinter dem Tresen um.

„Vier Bud.“

Das Mädchen nahm vier Gläser aus dem Regal und begann zu zapfen.

„Ist heute was am Laufen?“, fragte Lory.

Das Mädchen nickte. Sie zapfte die Biere fertig und stellte sie vor ihnen hin. Lory schob das Geld über den Tresen und reichte das Bier an Charly, Amano und Kordan weiter.

Charly nahm einen tiefen Zug. Es ging doch nichts über ein frisch gezapftes, kühles Bier. Sie lächelte Amano zu, der sein Glas auf einen Zug geleert hatte und sich jetzt den Schaum von der Oberlippe leckte.

„Gut“, sagte er grinsend.

Auch Kordan hatte sein Glas geleert.

„Nicht übel“, urteilte er.

„Gene, mach noch zwei!“, rief Lory über die Schulter und das Mädchen zapfte zwei neue Biere an.

„Was soll heute laufen?“, fragte Charly neugierig.

Lory grinste. Sie nahm die zwei Bier von der Bedienung entgegen, reichte sie Amano und Kordan und bezahlte erst in aller Seelenruhe die Drinks, ehe sie sich wieder zu ihnen umdrehte.

„Das …“, sagte sie mit einem fiesen Grinsen. „... ist eine kleine Überraschung. Aber erst trinken wir noch das Bier aus.“ Sie sah auf ihr Handy, das sie zuvor gekauft hatte. „Es ist noch zu früh. Kurz vor elf gehen wir runter.“

„Runter?“, fragte Charly neugierig. „Runter, wie in: in den Keller?“

„Kurz vor elf“, erwiderte Lory nur und nahm einen Schluck von ihrem Bier.


„Da steht KEIN ZUTRITT drauf“, sagte Charly, als Lory die Hand nach der Tür ausstreckte.

„Ich kann lesen, Charly“, erwiderte Lory amüsiert.

Sie klopfte und wenig später öffnete sich die Tür. Ein Mann mit einem blonden Zopf und in Military-Klamotten ließ sie wortlos passieren. Lory ging als Erstes, gefolgt von Kordan, danach Charly und Amano. Sie stiegen eine steile, dunkle Treppe hinab und landeten in einem noch dunkleren Flur.

„Gibt es hier kein Licht?“, fluchte Charly, als sie durch die Finsternis stolperten.

„Sind gleich da“, sagte Lory.

Sie öffnete ohne Vorwarnung eine Tür und Charly wurde von der plötzlichen Helligkeit und dem Lärm völlig erschlagen. Sie sah jetzt, dass es sich um eine dicke, schalldichte Tür gehandelt hatte, und sie betraten eine große Arena, die voll von Leuten war. Drei Seiten waren mit Sitzreihen gefüllt, die in Stufen abwärtsführten. Auf der anderen Seite befand sich eine Galerie mit Bars und an der nach unten abfallenden Wand war ein riesengroßer Bildschirm angebracht. Doch noch interessanter war, was sich ganz unten befand.

„Ein Käfig?“, fragte Charly und sah Lory verblüfft an. „Was ist das hier?“

Lory zog spöttisch eine Augenbraue in die Höhe.

„Wonach sieht es denn aus, Süße? Nach dem örtlichen Taubenzüchterverein?“

„Was sind Taubenzüchter?“, wollte Kordan wissen.

„Ach nichts“, winkte Lory ab.

„Also, was ist es dann?“, mischte sich Amano ein.

„In gut ...“, Lory sah auf ihr Handy. „... in gut einer Viertelstunde beginnt hier eine Underground-MMA-Veranstaltung.“

„MMA?“, rief Charly begeistert aus.

„Sshhhht“, machte Lory und sah sich um, doch niemand schien von Charlys Ausbruch Notiz genommen zu haben. „Ja, Mixed Martial Arts. Ganz genau. Inoffiziell natürlich. Nur Eingeweihte wissen von diesen Kämpfen hier.“

„Wie aufregend“, flüsterte Charly und sah sich staunend um. „Wow!“

„Du meinst, hier werden Kämpfe gezeigt?“, fragte Amano.

„Ja. Ganz recht. Wie der Name schon sagt, bedienen sich die Kämpfer verschiedener Kampftechniken. Nahezu alles ist erlaubt.“

„Und Frauen gefällt so was?“, fragte Kordan zweifelnd. „Ich meine, Männern liegt das im Blut, aber Frauen sind doch viel empfindsamer und ... Au!“

Kordan sah Lory irritiert an.

„Empfindsamer?“, fragte sie mit hochgezogener Augenbraue. „Soll ich dir noch einmal vors Schienbein treten? Oder wie wäre es mit einem Freiflug die Treppe hinab?“

Kordan riss Lory mit einer schnellen Bewegung seines Arms an sich und küsste sie hart. Charly grinste Amano an, der grinste zurück.

„Könntet ihr euren kleinen Nahkampf mal unterbrechen?“, fragte Charly.

Kordan und Lory lösten sich voneinander und grinsten.

„Okay, Leute. Folgt mir!“

Sie folgten Lory die Treppe hinab zu einer stark geschminkten älteren Frau. Sie schien Lory zu kennen und wies ihnen vier der begehrten Plätze in der ersten Reihe zu.

„Wow! Erste Reihe“, strahlte Charly.

Die Musik verstummte und ein Mann mit einem Headset betrat den Käfig.

„Herzlich willkommen, liebe Freunde des MMA, hier in unserer bescheidenen Arena im Glashouse“, grüßte er und die Leute applaudierten und jubelten. „Ich habe heute wieder ganz fantastische Kämpfe für euch. Als Erstes eine Titelverteidigung im Mittelgewicht. Begrüßt mit mir den Champion in der Underground MMA League. Hier kommt Jaaason, The Snaaake, Baaakerrrrr!“

Die Leute jubelten, als der Star den Käfig betrat, bekleidet mit einem roten Mantel, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Er hüpfte leicht auf der Stelle, ehe er stehen blieb und seine Kapuze lüftete. Die Leute tobten, als der gut aussehende Blonde Kusshände in die Menge warf. Frauen brüllten eindeutige Angebote und Charly warf Amano einen grinsenden Blick zu.

„Ist das normal, dass die Frauen sich hier alle um einen einzigen Mann schlagen?“, fragte er.

Sie lachte.

„Ja, diese MMA Fighter sind schon ziemlich beliebt bei den Frauen. Viele nutzen das aus und haben jede Nacht eine andere im Bett.“

Amano und Kordan schnaubten.

„An dem Kerl ist nicht einmal viel dran“, wunderte sich Amano.

„Das ist Mittelgewicht. Warte, bis die Schwergewichte kommen.“