Y-Quadrant
An Bord der Karragon
15. Tag des Monats Manao im Jahr 7067 Federationszeit
Sie waren seit zwei Tagen an Bord der Karragon. In dieser Zeit hatten sie mit Ellyods Steuermann unzählige Sternenkarten studiert, um herauszufinden, wo die Erde lag. Leider ohne Erfolg. Wie sollte man die Erde auch finden, wenn man nicht wusste, wo man sich überhaupt befand? Charly wollte es sich nicht eingestehen, doch sie hatte nicht viel Hoffnung, dass es möglich war.
Sie flogen jetzt erst einmal Richtung Xevus3, denn dies war der Punkt, von dem ihr Ziel einen Monat entfernt lag. Sie würden also von dort aus erneut beginnen, die mögliche Richtung auszuloten. Zumindest hatte Ellyod es ihnen so erklärt. Er war sehr freundlich zu ihnen, doch Charly beunruhigte trotz allem ein ungutes Gefühl. Dass Amano ein Schurke sein sollte, wollte sie nicht glauben. Das konnte doch nicht alles nur eine Lüge gewesen sein. Und selbst wenn, sie war glücklich gewesen. Würde sie nicht besser glücklich mit einer Lüge leben, als zu ihrem alten, beschissenen Leben zurückzukehren? Sie musste ständig an Amano denken.
„Ich vermisse Amano immer noch“, jammerte sie. „Wann lässt diese blöde Droge bloß nach? Ich hab das Gefühl, dass es immer schlimmer wird statt besser.“
Lory seufzte.
„Geht mir auch so. Aber ich bin auch echt sauer. Das war das erste und letzte Mal, dass ich einen Mann so nah an mich herangelassen habe. Verdammt! Ich wusste, der Bastard würde mir wehtun. Typen, die so verdammt gut aussehen wie er, haben meistens einen Haken.“
„Mir ist zum Heulen zumute“, sagte Charly. „Aber ich bin froh, dass ich jetzt keine fünf Junge mehr bekommen kann, die mich bei der Geburt umbringen.“
Wenn es wirklich stimmt, sagte eine Stimme in ihrem Kopf. Einer lügt. Entweder Ellyod oder Amano. Verdammt!
„Also“, sagte Lory, „was ich von dem Part halten soll, weiß ich noch nicht so recht. Vielleicht hat Ellyod da doch ein wenig übertrieben. Ich kann mir das nicht vorstellen. Vor allem hat Marruk doch nur eine Tochter und nicht vier oder fünf.“
„Ja, aber wo ist ihre Mutter, hm?“, wandte Charly ein. „Sie ist gestorben. Das hat niemand abgestritten, nicht wahr?“
Charly wusste einfach nicht mehr, wem oder was sie glauben sollte.
„Aber Moreena ist nicht tot“, gab Lory zu bedenken. „Und auch sie hat nur zwei Jungs bekommen, die unterschiedlich alt sind. Also, bei ihr trifft die Beschreibung dann auch nicht zu.“
„Keine Ahnung“, erwiderte Charly, „aber ich hatte gleich so ein ungutes Gefühl, was das Bekommen von Alienbabys angeht. Instinkt, sag ich dir. Nein, sosehr es mich im Moment schmerzt, es war besser so. Und ich freu mich irgendwie auch auf zu Hause.“
Lüge!, sagte ihre innere Stimme. Das ist eine verdammte Lüge, Mädchen, und das weißt du ganz genau!
Plötzlich dröhnte eine laute Sirene durch den Raum und die roten Lampen über der Tür fingen an zu blinken. Charly und Lory sahen sich erschrocken an.
„Ich glaube, wir werden angegriffen“, meinte Lory.
„Aber von wem? Piraten?“, fragte Charly erschrocken.
Ihr Herz raste wie verrückt und sie hatte ein unangenehmes Gefühl in den Eingeweiden.
Lory hatte eine grimmige Miene aufgesetzt und schüttelte den Kopf.
„Ich glaube kaum.“
„Du meinst doch nicht etwa …? Meinst du, Amano und Kordan sind hinter uns her?“ Charlys Stimme schwankte zwischen Hoffnung und Panik. Konnte es sein? Und wenn ja, was würde Amano mit ihr tun? Was waren seine Absichten?
„Ja, ich denke, sie haben nicht vor, uns so einfach gehen zu lassen“, meinte Lory nachdenklich.
Eine Erschütterung ging durch das Schiff, es waren Explosionen zu hören und immer wieder wurde die Karragon von Geschossen getroffen. Lory ging zur Tür und drückte auf die Tasten, um sie zu öffnen, doch nichts tat sich.
„Mist!“, fluchte sie.
„Was ist denn?“, fragte Charly besorgt.
„Wir sind eingeschlossen.“
Charly schluckte nervös.
„Aber das ist doch gut, oder nicht?“, sagte sie unsicher. „Ich meine, dann kann keiner von den … Wer auch immer uns angreift, kann hier nicht rein. Wir sind hier sicher.“
„Sicher?“ Lory schnaubte. „Wir sitzen hier wie die Maus in der Falle. Wir wären besser dran, wenn wir uns frei durch das Schiff bewegen könnten. Und glaub ja nicht, dass die nicht hier reinkönnen. Die haben Laserpistolen. Damit können die bestimmt irgendwie den Mechanismus lahmlegen. Nein! Ich würde mich wohler fühlen, wenn wir hier rauskönnten. Ich werde versuchen, die Tür kurzzuschließen.“
Lory untersuchte den kleinen Kasten mit dem Keypad neben der Tür.
„Hast du eine Nagelfeile?“, fragte sie.
Charly überlegte.
„Ja, im Bad hab ich eine gesehen.“
Sie erhob sich und eilte dorthin. Sie fand das Gesuchte und kehrte mit der Nagelfeile zu Lory zurück. Fasziniert sah sie zu, wie ihre Freundin die Feile als Schraubenzieher benutzte, um den Kasten aufzukriegen. Immer wieder wurde das Schiff erschüttert und Lory rutschte ab und stach sich die Feile in die Hand.
„Au! Verdammte Scheiße!“, schimpfte sie und steckte die verletzte Seite in den Mund, um den Blutfluss zu stoppen. Charly wollte ihr helfen, doch Lory winkte ab.
Unter leisem Fluchen und Gemurmel schaffte sie es schließlich, den Deckel abzuschrauben und die Drähte freizulegen.
„Jetzt kommt der knifflige Teil“, sagte Lory. „Entweder wird sich die Tür gleich öffnen oder ...“
„Oder was?“, wollte Charly wissen.
„Oder sie ist richtig zu!“, knurrte Lory und machte sich an die Arbeit.
Charlys Gedanken kreisten die ganze Zeit nur um die eine Frage. Wer hatte recht? Amano oder Ellyod? Wer war der Gute, wer der Böse. Konnte sie in dieser Frage auf ihr Herz hören?
„Bingo!“, rief Lory triumphierend, als die Tür sich öffnete. „Jetzt nichts wie raus hier!“
Sie liefen den Gang entlang. Überall blinkten die roten Lampen. Die Sirene tönte schrill in Charlys Ohren und zerrte an ihren ohnehin schon bis zum Zerreißen gespannten Nerven. Sie bekam Kopfschmerzen, doch sie ignorierte sie. Sie mussten ein sicheres Versteck finden und das schnell. Dann kam ihr plötzlich eine Möglichkeit in den Sinn.
„Ich weiß, wo wir hingehen“, sagte sie atemlos. „Komm!“
„Verdammt, was hast du vor?“, rief Lory hinter ihr.
Charly blieb stehen und wandte sich um.
„Na los! Komm schon. Vertrau mir einfach mal, okay?“
Lory brummte missmutig, doch sie setzte sich in Bewegung und folgte ihr durch die Gänge. Am Ziel angelangt, blieb Charly stehen. Sie sah sich nach rechts und links um und öffnete dann die Tür zu einer kleinen Kammer. Lory zögerte, doch Charly ergriff ihre Hand und zog sie ins Innere des dunklen Raumes. Hastig schloss sie die Tür und es wurde stockdunkel um sie herum.
„Wo verdammt noch mal sind wir?“, knurrte Lory missmutig.
„Es ist eine Art Besenkammer. Aber sie hat ...“
„Besenkammer? Ich bring uns aus unserer Kabine raus, weil wir dort in der Falle gesessen hätten, und du bringst uns in eine Besenkammer?“
„Warte doch ab, bis ich dir erklärt habe“, antwortete Charly beleidigt.
„Hmpf.“
„Dieser Raum hat zwei Türen“, erklärte sie leise. „Die erste Tür ist die, durch die wir gekommen sind. Die andere Tür ist hier hinter mir und sie führt auf einen anderen Gang. Dieser Raum ist sozusagen eine Verbindung der zwei Gänge. Wenn also Gefahr von deiner Seite aus kommt, dann verschwinden wir hier durch die Tür hinter mir. Wenn von meiner Seite aus ...“
„Ja, ja! Ich hab schon verstanden. Okay! Ist vielleicht keine so schlechte Idee“, gab Lory zu.
Charly spürte Wut in sich aufsteigen.
„Keine so schlechte Idee?“, raunte sie ärgerlich. „Ich hab vielleicht unseren Arsch gerettet mit meiner nicht so schlechten Idee!“
„Still!“, zischte Lory. „Wenn jemand da draußen vorbeikommt, kann er uns sicher hören.“
„Okay, du hast recht. Sitzen wir es aus und hoffen das Beste.“
Schweigend warteten sie in der Dunkelheit.
***
Amano tigerte nervös hin und her. Wenn nur Charly nichts zugestoßen war. Bei allem, was sie schon durchgemacht hatte, musste dies ein weiteres traumatisches Ereignis für sie sein. Wenn dieser Hurensohn von einem Piraten ihr nur ein Haar gekrümmt hatte, dann würde er ...
„Wir haben ihre Schutzschilde erledigt. Ihre acht Triebwerke sind beschädigt. Fünf davon fatal. Gehen wir an Bord?“, meldete sich Palic zu Wort.
„Ja“, sagte Kordan. „Lass die Fighter bemannen.“ Er wandte sich zu Amano um. „Wir beide gehen mit dem ersten Fighter.“
„Mit dem größten Vergnügen!“, knurrte Amano finster. Er konnte es nicht erwarten, Hand an Ellyod zu legen.
„Gut, dann lass uns keine Zeit verlieren“, mahnte Kordan zur Eile. Der Hüne war cool wie immer, doch Amano, der seinen Cousin bestens kannte, sah die Furcht in seinen Augen. Furcht vor dem, was sie vielleicht zu sehen bekommen würden. Auch Amano verspürte diese Furcht. Er hatte gesehen, was der Verlust seiner Gefährtin mit seinem Vater gemacht hatte, und er war sich sicher, dass es ihm in so einem Fall genauso ergehen würde. Lieber würde er selbst sterben, als Charly zu verlieren.
Sie eilten zur Dockstation, wo Techniker die Fighter startklar machten. Die kleinen, wendigen Raumschiffe waren für maximal sechs Personen ausgelegt. Amano und Kordan nahmen den ersten Fighter zusammen mit vier weiteren Männern. Kordan setzte sich sofort hinter das Steuer. Die Gurte verschlossen sich automatisch, sobald die Männer in ihren Sitzen saßen. Der Start der Fighter war immer sehr kraftvoll und ohne Gurt konnte es zu tödlichen Verletzungen kommen. Amano schloss die Augen. Er hörte, wie das Blut in seinen Ohren rauschte.
Kordan zählte von zehn rückwärts: „... drei … zwei … Start!“
Der Fighter schoss mit einer starken Beschleunigung vorwärts, sodass die Männer in ihre Sitze gepresst wurden und ihre Körper bebten. Das schnelle Miniraumschiff wurde in die Weite des Universums hinauskatapultiert. Als die extreme Beschleunigung sich zu normaler Fluggeschwindigkeit reduzierte, entspannten sich die Männer und Amano öffnete die Augen. Kordan flog einen Frontalangriff auf den Hauptlaser des Piratenschiffes. Geschickt manövrierte er den Fighter und entging einer Serie von Schüssen. Mit eiskalter Präzision feuerte er auf die Laserkanone, bis sie in alle Einzelteile zerbarst. Die Wrackteile wurden durch die Gegend geschleudert, doch Kordan wich ihnen gekonnt aus. Es bedeutete möglicherweise ihren Untergang, wenn eines der größeren Teile sie treffen würde. Durch den Druck der Explosion hatten sie eine hohe Geschwindigkeit erreicht und konnten dem Fighter Schäden zufügen, die im schlimmsten Falle fatal wären.
Auch die anderen Fighter flogen mittlerweile neben ihnen. Drei von ihnen nahmen die Luke zur Dockstation unter Beschuss.
„Die Dockstation ist passierbar. Alles klar zum Boarden“, befahl Kordan über Funk.
„Endlich“, murmelte Amano und ballte die Fäuste.
***
Charly lauschte. Außer den Sirenen war alles ruhig geworden.
„Scheint so, als ob die Schüsse aufgehört hätten. Meinst du, die Angreifer sind geschlagen worden?“, fragte sie.
„Entweder das oder sie boarden uns jetzt“, erwiderte Lory. „Wir sollten noch eine Weile hierbleiben und abwarten.“
Die Sirenen verstummten. Charly atmete angestrengt ein und aus. Beide Frauen lauschten, doch es war totenstill auf dem Schiff. Sie befanden sich weit entfernt von Brücke und Dockstation. Es war unwahrscheinlich, dass sie mitbekamen, wenn dort Kämpfe stattfinden würden.
„Verflixt!“, murmelte Lory.
„Was ist?“, wollte Charly wissen.
„Nichts. Ich hasse nur dieses Warten und Nichtstun.“
Charly hörte, wie Lory in der Dunkelheit umhertastete.
„Was machst du da?“, fragte sie.
„Ich suche nach Licht.“
„Bist du wahnsinnig? Willst du, dass die uns hier finden?“
„Natürlich nicht. Ich will nur kurz sehen, was hier drin ist. Vielleicht gibt es irgendetwas, das wir als Waffe benutzen können. Und außerdem glaube ich nicht, dass man von draußen was sehen kann. Da ist kein Spalt unter der Tür, wo Licht durchscheinen könnte, und ein Schlüsselloch gibt es ja auch nicht.“
„Bingo!“, jubelte Lory leise, als eine Lampe an der Decke flackernd zum Leben erwachte.
Sie sahen sich beide in den Regalen um.
Charly fand eine Spraydose.
„Ich hab irgendein Spray“, sagte sie. „Wenn man das in die Augen sprüht, ist es vielleicht wirksam.“
„Ja, das ist schon mal was. Such aber trotzdem weiter.“
„Skalpelle!“, rief Lory plötzlich erfreut aus.
„Wow!“, machte Charly. „Was machen die hier mit Skalpellen? Sei vorsichtig! Die sehen verdammt scharf aus.“
Lory grinste.
„Das sollen sie ja auch. Keine Panik, ich weiß, wie man mit so was umgeht.“
Charly sah sich unsicher um.
„Wir sollten das Licht wieder löschen. Meinst du nicht?“
„Okay“, stimmte Lory zu und verstaute das Etui in ihrem Gürtel. Sie betätigte den Schalter und sie saßen erneut in der Dunkelheit.
***
Amano kämpfte mit zwei Piraten. Einer von ihnen, ein haariges Biest mit üblem Mundgeruch, zog eine Laserkanone, doch Amano schaffte es, ihm die Waffe aus der Hand zu treten, ehe er einen Schuss abgeben konnte. Sein Schwert durchbohrte den dicken Pelz und er hatte Mühe, es wieder herauszubekommen, ehe die Axt des zweiten Piraten ihm den Schädel spalten konnte. Ihm blieb nur noch, sich zur Seite zu rollen. Während sein Gegner erneut ausholte, versuchte er mit zusammengebissenen Zähnen, seine Waffe aus dem dicken Pelz des toten Piraten zu ziehen.
„Verflixt noch mal, du dämliches Biest. Lass mein Schwert los!“, knurrte er ärgerlich.
Buchstäblich in letzter Minute gelang es ihm, die Klinge zu befreien, und er stieß aufwärts in die Brust seines Angreifers. Der Mann mit der blauen Haut und den gelben Augen eines Nuruaners stieß einen wütenden Schrei aus, dann fiel er nach vorne und begrub Amano, der noch immer am Boden kniete, unter sich.
„Uuffff!“, machte Amano, als die Luft aus seinem Brustkorb wich. Er schob die schwere Last von sich und schüttelte den Kopf.
„Verdammt“, schimpfte er. „Was hast du gegessen, Kumpel? Steine?“
Er blickte sich nach einem neuen Gegner um und sah seinen Cousin mit einem widerlichen Gallert-Typen kämpfen. Als Kordan sein Schwert in die schwabbelige Figur vor sich stieß, bespritzte ihn sein Gegner mit grünem Gallert.
„Du bist wirklich eklig, Bruder!“, stieß sein Cousin angewidert aus. „Wird Zeit, deiner traurigen Existenz ein Ende zu bereiten.“
Er holte aus und schlug den Kopf des Wesens von dem wabbeligen Leib. Noch mehr Gallert spritzte und Kordan fluchte laut.
Amano sah eine echsenartige Kreatur auf Kordan zukommen.
„Achtung!“, schrie er. „Hinter dir!“
Im Umdrehen zog Kordan seine Laserpistole und schoss dem Angreifer mitten zwischen die Augen. Das Biest gab ein wütendes Knurren von sich und stürmte auf ihn zu. Offenbar war ihm nicht so leicht beizukommen und sein Cousin musste sich etwas einfallen lassen.
Kordan senkte seine Waffe und schoss in den Bauch des Echsenmannes. Die Bestie schrie auf, als graugrünes Blut aus der tiefen Wunde schoss.
„Lasst mindestens einen am Leben!“, brüllte Kordan seinen Männern zu.
Amano wandte sich ab und hob sein Schwert, um einen weiteren Nuruaner zu köpfen, dann half er einem der Männer mit einem sechsarmigen Kerl, der mit seinen drei Schwertern wild um sich schlug.
Es dauerte nicht lange und die Männer hatten das Schiff und die Überreste der Crew unter Kontrolle. Kordan ließ die Überlebenden in einer Ecke zusammentreiben. Zwei waren schwerstverwundet und würden es nicht mehr lange machen. Die anderen drei waren nur leicht verletzt. Mit ausdrucksloser Miene trat er an die zusammengekauerten Männer heran. Amano folgte direkt hinter ihm.
„Wo ist Ellyod?“, wollte Kordan wissen.
„Wir kennen keinen Ellyod“, sagte einer der Männer. „Wir wissen gar nicht, warum ihr uns angegriffen habt.“
Kordan nahm sein Schwert und stieß es dem Mann in den Unterleib. Und zwar so, dass er nicht sofort sterben würde, sondern Zeit hatte, über seine Dummheit nachzudenken. Und die anderen Männer würden jetzt wissen, dass er keine Lügen duldete.
„Ich frage noch ein Mal und ich will eine korrekte Antwort. Wo ist Ellyod Allegrass?“
„Er ist geflohen“, antwortete ein anderer Gefangener.
„Geflohen?“, fragte Kordan mit gefährlich ruhiger Stimme. „Wann und wie?“
„Während des Angriffs“, antwortete der Mann. „Er hat seinen Tarnfighter genommen.“
„Tarnfighter?“, fragte Kordan. „Du meinst, er ist unsichtbar mit diesem Tarnfighter?“
„Ja“, sagte der Gefangene „Er ist nur während des Starts sichtbar, sobald er aber den Start hinter sich hat, kann er den Tarnschild aktivieren.“
„Wie kommt es“, fragte Kordan, „dass ein Fighter, der über keine großen Energiereserven verfügt, einen Tarnschild aufrechterhalten kann?“
„Den Tarnschild haben die Reganer entwickelt“, antwortete der Mann. „Allegrass hat sich erst kürzlich einen Tarnschild zugelegt. Er plante, auch das Mutterschiff mit einem Tarnschild zu versehen.“
Amano ballte frustriert die Fäuste. Er hatte diesen Hurensohn erledigen wollen. Langsam und schmerzhaft. Er konnte nicht glauben, dass der Bastard ihnen wirklich entkommen war.
„Scheiße!“, fluchte er. „Marruk bringt uns um, wenn er erfährt, dass dieser Hurensohn uns durch die Lappen gegangen ist.“
„Ich krieg den Bastard noch. Früher oder später!“, versprach Kordan grimmig.
„Das will ich hoffen!“, knurrte Amano. „Aber jetzt sollten wir nach unseren Gefährtinnen sehen. Ich vermisse Charly.“
„Wo sind die Frauen?“, fragte Kordan.
„Sie sind in ihrer Kabine“, erwiderte ein anderer Gefangener.
Kordan deutete mit seiner Laserpistole auf den Mann.
„Du wirst uns zu ihnen führen. Aber ich rate dir! Wenn du auch nur einmal falsch blinzelst, wirst du deinen letzten Atemzug getan haben. Ist das klar?“
Der Mann nickte.
Amano und Kordan ließen sich durch das Schiff zur Kabine führen, wo man Charly und Lory gefangen hielt. Als sie die Kabine erreicht hatten, mussten sie feststellen, dass die Tür offen stand. Amano unterdrückte den Impuls, mit den Fäusten an die verdammte Wand zu schlagen. Er hörte Kordan leise fluchen. Sein Cousin wirkte wirklich angepisst.
„Maron“, sprach er in das Funkgerät an seinem Handgelenk.
„General“, kam die Antwort des Offiziers zurück.
„Sorge dafür, dass die Gefangenen gefesselt und unter Bewachung zur Cordelia gebracht werden. Alle anderen verfügbaren Männer durchkämmen systematisch das Schiff und suchen Lady Lory und Lady Charly. Die Frauen sind möglicherweise verängstigt und könnten versuchen, sich zu wehren. Wendet, wenn erforderlich, Gewalt an. Aber verletzt sie mir nicht. Ihr könnt notfalls den Laser auf niedrigste Stufe einsetzen. Wenn ihr die Frauen gefunden habt, möchte ich sofort Meldung erhalten. Captain Amano und ich durchsuchen Deck C, wo die Frauen einquartiert gewesen waren.“
„Waren, General?“
„Sie sind offensichtlich aus ihrem Quartier geflohen und irren hier irgendwo herum!“, knurrte Kordan. „Ich möchte, dass sie so schnell wie möglich gefunden werden.“
„Aye, General. Wir fangen sofort an.“
„Gut. Ende.“
„Verstanden. Ende.“
„Komm, fangen wir an“, sagte Kordan. „Als Erstes durchsuchen wir diesen Raum und das Bad.“
„Warum?“, wollte der Mann, der sie hierhergeführt hatte, wissen. „Offensichtlich sind sie geflohen, warum sucht Ihr sie dann hier?“
„Weil es ein Trick sein könnte“, erklärte Kordan missmutig. „Es wäre möglich, dass sie nur den Anschein erwecken wollten, sie wären geflohen, damit niemand hier sucht.“
„Was machen wir mit unserem Freund hier?“, fragte Amano mit einem Seitenblick auf den Gefangenen.
Kordan musterte den Mann aus zusammengekniffenen Augen.
„Wirst du uns Ärger machen?“, fragte er drohend.
Der Mann schüttelte heftig den Kopf.
„Nein! Nein! Ganz bestimmt nicht, General. Ich bin ohnehin nicht freiwillig auf diesem Schiff. Ich verspüre keine Loyalität zu Allegrass. Er hat mich zum Dienst für ihn gezwungen. Ich werde Euch helfen, General. Ich schwöre!“
Kordan nickte.
„Wie heißt du?“
„Loomo, General.“
„Was für einen Nutzen hast du für Allegrass gehabt, Loomo? Sicher bist du kein Soldat.“
Loomo schüttelte den Kopf.
„Nein, nicht für Kampf. Ich bin der Koch.“
„Der Koch?“, fragte Amano erstaunt. „Wozu braucht Allegrass einen Koch? Er hat doch Essensgeneratoren.“
„Er mochte frisch gekochtes Essen. Ich bin ein Meisterkoch. Vielleicht haben die Herren eine Verwendung für jemanden wie mich?“
„Hilf uns, unsere Gefährtinnen zu finden, dann sehen wir weiter“, erwiderte Kordan.
„Ja, ich helfe.“
Sie durchkämmten die ganze Kabine und das angrenzende Bad. Danach suchten sie systematisch den ganzen Flur ab. Zimmer für Zimmer.
***
Charlys Herz klopfte wild in ihrer Brust. Was würde jetzt mit ihnen geschehen?
„Ich höre was“, flüsterte Lory.
Charly lauschte in die Dunkelheit.
„Ja, ich auch“, gab sie leise zurück. „Sie kommen näher, aber ich kann nicht ausmachen, ob auf deiner oder meiner Seite.“
„Sie sind auf meiner Seite“, meinte Lory. „Sie durchkämmen die Räume. Offensichtlich suchen sie nach uns. Ich weiß nur nicht, ob es Kordans oder Ellyods Männer sind.“
„Und wir wissen immer noch nicht sicher, wer jetzt die bösen Jungs sind“, gab Charly zu bedenken.
„Ich wünschte, diese ganze scheiß Alienentführung hätte nie stattgefunden“, schimpfte Lory. „Ich würde gern weiterhin glauben, dass es Aliens nur in Science-Fiction-Filmen gibt, und einfach nur meinen Job machen. Fuck! Wenn ich schon dabei bin, mir etwas zu wünschen, dann wünsch ich mir auch, dass meine letzte Nacht auf der Erde anders verlaufen wäre und meine Kollegen noch lebten.“
„Das Leben kann manchmal echt beschissen sein“, gab Charly leise zurück.
Wenn es jemanden gibt, der damit genug Erfahrung hat, dann ich, dachte sie frustriert.
Eine Weile schwiegen sie. Das Warten zerrte an Charlys Nerven. Die Zeit schien nicht zu vergehen. Waren erst Minuten vorüber oder eine Stunde? Sie konnte es nicht sagen. Dann hörte sie etwas. Und es näherte sich beständig.
„Sie kommen“, raunte sie aufgeregt. „Sollten wir auf meiner Seite raus und uns woanders verstecken?“
„Kannst du mal ganz vorsichtig öffnen und nachsehen, ob jemand da ist?“
„Ich versuch's. Ist verdammt eng hier.“
Charly öffnete vorsichtig die Tür hinter ihr und späte in den Flur. Sofort verschloss sie die Tür wieder und fluchte leise.
„Was ist?“
„Da sind drei Männer. Mindestens einen kenn ich von der Cordelia. Jetzt wissen wir zumindest, wer den Kampf gewonnen hat und jetzt hinter uns her ist.“
„Ich kann nicht mal sagen, ob das jetzt gut oder schlecht ist. Verdammt!“, fluchte Lory.
„Sie kommen näher“, flüsterte Charly panisch. „Und zwar von beiden Seiten.“
„Ich hör's“, knurrte Lory. „Verfluchte Scheiße!“
Die Tür wurde aufgerissen und drei Männer starrten in die Kammer. Nur Augenblicke später ging auch die zweite Tür auf. Sie saßen in der Falle.
***
„General“, erklang eine Stimme aus Kordans Funkgerät.
Amanos Herzschlag beschleunigte sich. Er sah zu seinem Cousin rüber. Gab es Neuigkeiten von den Frauen? Ging es ihnen gut?
„Ja? Was gibt's Neues?“, fragte Kordan.
„Wir haben sie.“
Amano eilte zu seinem Cousin, um dem Gespräch besser lauschen zu können. Er fühlte sich rastlos und wollte Charly endlich in die Arme schließen.
„Wo seid ihr jetzt?“, wollte Kordan wissen.
„Auf der Krankenstation.“
„Sind die Frauen verletzt?“, fragte Kordan.
Amano lief unruhig auf und ab. Er fuhr sich frustriert durch das zerzauste Haar und fluchte leise vor sich hin.
„Nicht die Frauen, aber mehrere unserer Männer. Lady Lory hatte ein Skalpell und Lady Charly hat zwei Männern eine Enteisungssubstanz in die Augen gesprüht.“
Amano hielt inne. Das klang nicht gut. Was war mit den beiden Frauen passiert, dass sie so reagierten?
„Ich hab das Gefühl, unsere Gefährtinnen wollen gar nicht gerettet werden“, sagte er frustriert. „Es ist wie verflixt mit den beiden. Ob alle Frauen ihres Planeten so sind?“
„Keine Ahnung, aber wir werden sie schon wieder beruhigt kriegen. Sicher stehen sie nur unter Stress.“
Kordan klang nicht sehr überzeugt und auch Amano hatte seine Zweifel, dass sich die Dinge schnell beruhigen würden.
„Wir kommen“, sagte Kordan.
„Okay. Ende.“
„Ende.“
Amano, Kordan und Loomo liefen zur Krankenstation auf Deck F. Amano blieb im Eingang stehen und sein Herz sank. Die beiden Frauen waren gefesselt und geknebelt. Was ging hier vor sich? Er fühlte Wut in sich aufsteigen und stieß einen Fluch aus. Er wollte gerade auf Charly zueilen, die mit Tränen in den Augen neben Lory saß, doch Kordan hielt ihn zurück.
„Warte. Lass uns erst die Lage abklären, ehe du voreilige Schlüsse ziehst.“
„Ich kille jeden, der Charly ein Haar gekrümmt hat!“, knurrte Amano finster. Sein Blut kochte heiß in seinen Adern und er musste die Zähne fest aufeinanderbeißen, um nicht laut aufzubrüllen.
„Du wist jetzt erst einmal stillhalten!“, sagte Kordan. „Das ist ein Befehl!“
Amano knurrte leise, doch er blieb, wo er war. Vorerst! Er sah sich um. Alle vier Medizineinheiten waren mit verwundeten Männern belegt. Ein paar andere saßen auf Liegen und warteten, dass sie an die Reihe kamen, während der Schiffsheiler hektisch Erste Hilfe leistete.
Maron erblickte seine Vorgesetzten und grüßte respektvoll, indem er seine rechte Hand zur Faust ballte und an die linke Brust über seinem Herzen legte.
„General. Captain.“
„War das notwendig?“, fragte Kordan mit einem Kopfnicken in Richtung der beiden gefesselten Frauen.
Lory wollte anscheinend etwas sagen, doch der Knebel im Mund machte ihre Worte undeutlich. Es war aber sicher nichts Nettes, was sie zu sagen hatte, denn ihre Augen schrien Mord. Sein Cousin konnte ihm leidtun. Lory lieferte ihm sicherlich einen schönen Kampf, sobald er ihre Fesseln lösen würde. Amano hoffte, dass Charly etwas friedlicher sein würde. Sie wirkte eher verängstigt als wütend.
„Leider ja, General“, beantwortete Maron Kordans Frage. Wie Ihr sehen könnt, haben sie viele Männer verletzt. Zum Teil schwer. Wir hatten sie erst nur gefesselt, doch sie hörten nicht auf, uns mit den übelsten Beschimpfungen zu bedenken, und sie stießen unaussprechliche Drohungen aus.“
Amano konnte sich schon denken, um was für Drohungen es sich handelte, und er musste trotz seines Ärgers grinsen.
„Willst du die beiden immer noch befreien?“, fragte Kordan an ihn gewandt.
Amano schüttelte den Kopf und musterte die beiden Frauen. Nein, vorerst sollten sie vielleicht doch lieber gefesselt bleiben.
„Macht alles bereit zum Verlassen des Schiffes“, befahl Kordan. „Maron, du bleibst hier, bis die Männer aus den Medizineinheiten kommen, dann kehrt umgehend zurück zum Schiff. Wie lange dauert die Behandlung noch?“
„Eine Stunde“, antwortete der Schiffsheiler.
„Kandu, du programmierst die Selbstzerstörung des Schiffes auf eine Stunde und zwanzig Minuten“, befahl Kordan dem Offizier. „Die Extrazeit dürfte ausreichen, um zurück zur Cordelia zu gelangen.“
„Und was ist mit mir?“, meldete sich Loomo zu Wort.
„Du kommst mit mir.“
Loomo nickte eifrig.
Als Amano und Kordan auf die Frauen zugingen, zerrte Lory wie wild an ihren Fesseln. Sie wand sich, als Kordan sie ergriff und sie sich über die Schulter warf. Amano seufzte, doch er tat es seinem Cousin gleich und hievte sich Charly über die Schulter. Seine Gefährtin zappelte und wandte sich wie ein Aal. Amano versetzte ihrem Hinterteil einen Klaps mit der flachen Hand und sie schrie hinter ihrem Knebel empört auf.
Sie gingen mit den sich wehrenden Frauen zurück zur Dockstation, wo ihre Fighter auf sie warteten. Amano ließ Charly in einen der Sitze fallen und schnallte sie fest.
Als alle Männer Platz genommen hatten und angeschnallt waren, startete Kordan das kleine Raumschiff. Er zählte von zehn rückwärts und das Schiff schoss aus der Dockstation hinaus ins unendliche Weltall.
***
Charly war ruhig während des Fluges. Zumindest äußerlich. In ihrem Inneren tobte ein Krieg. Ihr Herz gegen ihren Verstand. Wem sollte sie glauben? Sie liebte Amano. Aber er war ein verdammter Alien und weil das nicht schon genug war, musste er auch noch halb Tier sein. Raubtier natürlich. Was sonst? Einem Raubtier konnte man nie wirklich vertrauen. Oder? Wie viel Gepard steckte in ihm? Wer kontrollierte seine Handlungen? Der Mann oder der Gepard?
Sie war so in Gedanken versunken, dass sie erst bemerkte, dass sie gelandet waren, als ihre Gurte sich lösten. Eine Hand griff nach ihrem Arm, um ihr aus dem Sitz zu helfen. Es war Amano. Sein Gesicht wirkte emotionslos, unlesbar. Es war unmöglich, zu erkennen, was in ihm vorging. Warum verhielt er sich so? Wenn alles in Ordnung wäre, dann würde er doch nicht so merkwürdig reagieren. Vielleicht stimmte es doch, was Ellyod ihnen erzählt hatte. Zumindest teilweise. Vielleicht war es nur dieses verdammte Hormon gewesen.
Amano führte sie durch das Schiff bis zu ihrer Kabine. Schweigend betraten sie den Raum und die Tür schloss sich hinter ihnen. Jetzt waren sie allein. Nervös sah sie auf ihre Füße. Was würde er jetzt tun? Sie hörte ihn seufzen, dann entfernten sich seine Schritte. Wenig später kam er zurück und drückte ihr ein Glas in die Hand.
„Hier“, sagte er. „Trink das.“
Sie beäugte das Glas misstrauisch.
„Was ist das?“, fragte sie.
„Branntwein“, antwortete er. „Wir müssen reden und ich denke, du könntest einen Drink vertragen. – Nach all dem, was passiert ist.“
„Was ... was ist passiert?“, fragte Charly und nahm einen Schluck von dem Branntwein. Er hatte recht. Sie konnte jetzt einen Drink vertragen.
„Du wurdest entführt“, erinnerte er sie in einem Tonfall, als befürchtete er, dass sie verrückt geworden wäre. „Geht es dir gut? Hat ... hat dieser Hurensohn dich angefasst?“
Sie schüttelte den Kopf.
„Ist das jetzt eine Antwort auf meine erste Frage oder die zweite?“, fragte er und sah sie besorgt an.
„Er ... er hat mich nicht ...“, sagte sie leise und nahm noch einen Schluck. „Und es geht mir beschissen“, fügte sie hinzu, nachdem sie das Glas abgesetzt hatte. „Ich bin verwirrt.“
„Komm. Setzen wir uns. Dann redet es sich besser.“
Sie ließ sich von ihm zu den Sesseln führen und sie setzten sich. Charly war ganz froh darüber, denn ihre Beine fühlten sich wie Wackelpudding an und sie hatte schon befürchtet zusammenzubrechen.
„Warum bist du verwirrt?“, fragte Amano sanft. „Sag mir, was dich beunruhigt. Du hast nichts mehr zu befürchten. Du bist jetzt in Sicherheit.“
„Das ... das Hormon. Wofür ist es?“
„Ich dachte, das sei offensichtlich“, antwortete Amano und sah sie verwirrt an. „Zur Luststeigerung.“
„Könnten wir darauf verzichten?“
Er zog fragend eine Augenbraue in die Höhe.
„Es gefällt dir nicht?“
„Ich will wissen, ob das Hormon notwendig ist.“
„Nun, außer der ersten Dosis ist es nicht notwendig. Nein“, antwortete er vorsichtig. „Ich bin mir nicht sicher, worauf du hinauswillst, Charly. Warum solltest du darauf verzichten wollen, wenn es dir einen höheren Lustgewinn verschafft?“
„So, das ... das erste Mal ist also notwendig?“, hakte sie nach.
„Ich hab es dir doch erklärt. Es hätte mich vergiftet, wenn ich es dir nicht injiziert hätte.“
„Und es bewirkt etwas bei mir, nicht wahr? Ich meine, es ist mehr als ein Mittel zur Luststeigerung, oder? Bewirkt es, dass ich mich in dich verliebe. Bindet es mich an dich? Macht es mich abhängig?“
Charly musterte Amano genau. Sie sah Verwirrung, Verzweiflung, aber auch Ärger in seiner Miene.
„Es ist kein Mittel, mit dem ich einfach losgehen und irgendeine Frau in mich verliebt machen kann, wenn es das ist, was du vermutest“, sagte er erregt. „Es ist nur für eine Frau bestimmt. Für meine Gefährtin. Es würde bei dir nichts bewirken, wenn du nicht die Richtige wärst.“
„Aber es bindet mich irgendwie an dich, oder nicht?“, schrie sie ihn an. „Also hat Ellyod doch recht gehabt!“
„Ellyod!“, knurrte er finster und ballte die Fäuste. „Was hat dieser Bastard dir für Lügengeschichten in deinen hübschen Kopf gesetzt?“
„Er sagte, dass ihr Carthianer ein Mittel habt, das die Frauen von euch abhängig macht. Und dass ihr auf Frauen anderer Rassen angewiesen seid, weil euch die Frauen wegsterben. Weil ... weil sie bei der Geburt eurer ... eurer Jungen ...“
„Charly!“, unterbrach Amano sie und griff über den Tisch hinweg nach ihrem Arm. „Vergiss alles, was der Mann dir erzählt hat! Er lügt. Beruhige dich jetzt erst einmal und lass mich dir die Dinge in Ruhe erklären. Es ist alles anders, als du denkst.“
„Woher soll ich wissen, was ich denken soll?“, schrie sie ihn an.
„Ich kann nicht glauben, dass du ihm mehr glaubst als mir“, sagte er bitter.
Charly riss sich von ihm los und schmiss dabei ihr Glas auf den Boden. Sie sprang aus dem Sessel auf. Auch Amano stand auf und funkelte sie wütend an.
„Ich weiß nicht, was oder wem ich glauben soll“, schrie sie. „Ich weiß nur, dass ich nicht von irgendeiner Droge kontrolliert werden möchte und ...“
„Baby, du wirst doch nicht ...“
„Und ich will keine fünf Junge kriegen und dabei verrecken wie eure anderen Frauen. Ich hab dir vertraut und jetzt ... jetzt ist alles ...“
„Was für fünf Junge?“, brüllte er. „Ich versteh kein ...“
„Es stimmt, dass diese ... diese Droge mich verändert hat!“, schrie sie und begann, in der Kabine auf und ab zu laufen, sich dabei die Haare raufend. „Du brauchst das gar nicht abzustreiten. Ich bin nicht ...“
„Verdammt, Charly, hör mir doch endlich einmal in Ruhe zu. Lass mich dir ...“
„Ich hab diese Befürchtung die ganze Zeit gehabt“, fuhr sie wütend fort. „Du hast mich ausgelacht, dabei war meine Angst begründet. Menschen und Aliens können keine Kinder bekommen. Das geht nie gut. Das ist ...“
„Fängst du schon wieder mit diesem Unsinn an!“, brüllte er und schlug mit der Faust gegen einen Pfeiler. „Verdammt noch mal. Ich glaub das nicht.“
Charly fing an zu schluchzen und schlug die Hände vor das Gesicht.
„Charly, Süße. Lass uns wieder hinsetzen und in Ruhe reden. Du bist aufgeregt und ich versteh das. Diese Entführung muss furchtbar für ...“
„Lass mich!“, schrie sie ihn an, als sie seine Hand auf ihrer Schulter spürte. „Fass mich nicht an!“
„Okay“, sagte Amano und wich ein Stück von ihr zurück. „Ich geh jetzt, damit du Zeit hast, dich zu beruhigen. Ich sehe ein, dass eine Unterhaltung zwischen uns im Moment nicht möglich zu sein scheint. Ich ... ich bin schon weg.“
Mit diesen Worten floh er aus der Kabine und Charly warf sich schluchzend auf das Bett. Sie war so durcheinander, dass sie nicht mehr wusste, wo vorn und hinten war. Ihr Leben war ein einziges Desaster.
***
Amano sah seinen Cousin etwas weiter vorne im Gang.
„Hey, Kordan!“, rief er.
Kordan drehte sich um und wartete, bis er zu ihm aufgeschlossen hatte.
„Gehst du mit mir einen trinken?“, fragte Amano.
„Klar“, erwiderte Kordan und sah ihn prüfend an. „Hat sie dir auch die Hölle heißgemacht?“
„Ja ...“, seufzte Amano. „... und sie faselt so unverständliches Zeug, von wegen sie will keine fünf Junge, die sie umbringen, und so. Ich hab kein Wort von dem kapiert, was sie mir alles an den Kopf geschmissen hat. Ich hab versucht, sie zu beruhigen, doch sie lässt mich gar nicht zu Wort kommen. Da hab ich sie erst einmal allein gelassen. Soll sie sich erst mal abreagieren. Ich schlaf heute in einem der Offiziersquartiere.“
„Hatte ich auch vor. Lory hat mich bespuckt und bedroht. Ich musste sie in meinem Zimmer an die Kette legen.“
Amano starrte seinen Cousin ungläubig an. Hatte er sich verhört? Er musste sich verhört haben.
„Du hast sie an die Kette gelegt?“, fragte er entsetzt. „Warum?“
„Wenn sie frei in meinem Quartier rumläuft, schließt sie nur wieder die Tür kurz und haut mir ab. Mit der Kette kann sie nur bis ins Bad, aber nicht bis zur Tür.“
„Verstehe“, murmelte Amano. „Sie war wohl nicht gerade glücklich darüber, oder?“
Kordan lachte bitter.
„Das ist noch eine Untertreibung, Cousin. Sie hat mich erst mit allen Schimpfwörtern bedacht, die ihr eingefallen sind, mir alles Mögliche angedroht und dann nur noch geschwiegen und mich so anklagend angesehen. Das war schlimmer als alle Schimpfworte und Drohungen zusammengenommen. Da bin ich geflohen.“
„Dann lass uns einen Doppelten nehmen. Ich hätte große Lust, mich heute besinnungslos zu trinken. Dann müsste ich nicht ständig an sie denken“, sagte Amano seufzend.
Kordan nickte und die beiden Männer machten sich auf den Weg zur schiffseigenen Bar.