Kanavirius System
An Bord der Cordelia
31. Tag des Monats Jakus im Jahr 7067 Federationszeit
Charly öffnete blinzelnd die Augen. Es war dämmrig, doch ein grünliches Licht warf leichte Schatten an die Decke über ihr.
Grün? Wir haben doch kein grünes Licht in unserer Suite.
Sie wollte sich aufsetzen, doch sofort stach ihr ein scharfer Schmerz in den Schädel und sie stöhnte auf. Was war das? Warum hatte sie Kopfschmerzen? Wo war sie? Sie wandte den Kopf zur Seite und erschrak so sehr, dass sie sich schreiend aufsetzte, ohne auf die Schmerzen zu achten. Neben ihr lag ein Mann. Ein Hüne von einem Mann mit Muskeln überall und langen schwarzen Haaren. Er öffnete die Augen und starrte sie an. Sofort fiel ihr alles wieder ein. Der Überfall der beiden Männer, Lory, durchbohrt von einer Scherbe, und dann war es schwarz um sie herum geworden. Was hatte der Kerl mit ihr angestellt, während sie bewusstlos gewesen war?
Schreiend sprang sie aus dem Bett, auf dem sie lag, und rannte die wenigen Schritte bis zur Tür des kleinen Raumes. Doch dort blieb sie ratlos und panisch stehen. Die Tür hatte keine Klinke.
Natürlich nicht, dumme Kuh!, schalt sie sich. Du bist wahrscheinlich auf einem verdammten Raumschiff!
Sie hörte Schritte hinter sich und wandte sich um. Ihr Herz klopfte zum Zerspringen, als sie sich mit dem Rücken gegen die Tür drückte. Der Kerl war wirklich riesig, stellte sie mit einer Mischung aus Angst und Faszination fest. Sie ging ihm wahrscheinlich nur bis zur Brust. Ein Wunder, dass sie es überhaupt geschafft hatte, mit der Flasche seinen verdammten Schädel zu treffen. Wie lächerlich sie sich gemacht hatte. Wie war ihr nur in den Sinn gekommen, solch einen Hünen erfolgreich angreifen zu können.
„Beruhige dich“, sagte der Mann in ruhigem Tonfall. „Es geschieht dir nichts. Du bist in Sicherheit.“
„Erlaube mir bitte, das zu bezweifeln“, sagte Charly und musterte ihn misstrauisch. Er war etwa zwei Schritte vor ihr stehen geblieben und wirkte locker und entspannt. Doch allein seine Größe und diese verdammten Muskeln ließen ihn bedrohlich wirken. Es war so offensichtlich, dass sie keine Chance gegen ihn hatte. Höchstens vielleicht, wenn sie eine Pistole hätte und mehr Abstand. Natürlich müsste er auch noch stillhalten und sie ihre zitternden Finger unter Kontrolle bekommen. Wovon nicht auszugehen war. Mit anderen Worten: Sie hatte KEINE Chance!
Verdammt!
„Ich hätte dir längst Gewalt antun können, wenn ich das gewollt hätte“, sagte er mit einer kühlen Logik, die ihre Gedanken nur bestätigte. Ja, er hatte recht. Sie war ihm ausgeliefert. Und sie war ohne Bewusstsein gewesen. Verdammt! Verdammt!
„Wer sagt mir, dass du meine Bewusstlosigkeit nicht schon ausgenutzt hast, um ... um ... Di-dinge mit mir zu tun?“, gab sie misstrauisch zurück.
„Was sollte ich davon haben?“, fragte er offensichtlich verärgert. „Denkst du, dass ich so einer bin? Ich kann dich beruhigen, meine Süße. Wenn ich mit dir schlafe, dann wirst du dabei nicht leblos unter mir liegen.“
Charly schnaubte. So einer war er. Er mochte es, wenn seine Opfer sich wehrten und schrien. Ihr wurde übel.
„Also gibst du zu, dass du ... dass du mit mir ... dass du mich ...“
„Früher oder später“, erwiderte er gelassen und schenkte ihr ein sinnliches Lächeln, das sehr zu Charlys Verwirrung seine Wirkung nicht vollends verfehlte. Ein aufgeregtes Kribbeln breitete sich in ihrem Leib aus.
Sie schluckte schwer und versuchte, nicht darüber nachzudenken, was er ihr alles antun könnte. Dieses Kribbeln in ihrem Inneren war vollkommen unangebracht. Er würde ihr wehtun! Ihr unaussprechliche Dinge antun! Sie erniedrigen.
„Wa...“, brachte sie stockend hervor.
„Du bist meine Gefährtin“, sagte er eindringlich und überwand die kurze Distanz zwischen ihnen, sodass sie nur noch wenige Zentimeter trennten. Seine Hand wanderte zu ihren roten Locken und nahm eine Strähne zwischen die Finger. „Du gehörst zu mir“, raunte er nah an ihrem Ohr und sie erschauerte unwillkürlich.
„Nein!“, sagte sie abwehrend. Sie spürte, wie Panik in ihr aufstieg, und Tränen sammelten sich in ihren Augen. „Bitte nicht“, flüsterte sie entsetzt.
Er rückte ein wenig von ihr ab, um sie zu mustern.
„Warum hast du solche Angst vor mir?“, fragte er und klang dabei ehrlich erstaunt. „Ich habe dir doch nichts getan. Ich ...“
„Ni-nichts getan?“, sagte sie mit einem Anflug von Hysterie in der Stimme. „Du meinst, außer gewaltsam in meine Suite einzudringen, mich zusammenzuschlagen und zu entführen?“
„Du warst hysterisch. Ich musste dich kurzfristig außer Gefecht setzen, damit ich dich sicher hierherbringen konnte. Außerdem ...“
„Kurzfristig außer Gefecht setzen, ja?“, fragte sie aufgebracht. „Wie ... wie viel Zeit ist seit dem Schlag vergangen?“
„Fünfzehn Stunden“, sagte der Hüne. „Aber was hat das ...“
„Du musst schon ganz schön fest zugeschlagen haben, dass ich fünfzehn Stunden ohne Bewusstsein war“, sagte sie anklagend.
„Du warst nicht länger bewusstlos als ein paar Minuten. Wir haben euch an Bord gebeamt und dann hast du eine Spritze bekommen, damit ...“
„Aha!“, sagte sie wütend. „Mit Drogen vollgepumpt hast du mich!“
„Es war nur ein mildes Schlafmittel“, verteidigte er sich. „Damit du dich ausruhen kannst.“
Charly versuchte, ihre wirren Gedanken und Gefühle zu sortieren. Es beruhigte sie ein wenig, dass er mit ihr diskutierte, anstatt sie einfach zu greifen, wie ihr Peiniger es damals getan hatte. Vielleicht konnte sie ihn dazu überreden, sie gehen zu lassen. Er erschien ihr nicht bösartig. Eher vielleicht ein wenig verrückt, von wegen Gefährtin und so ʼn Quatsch.
Jetzt, wo sie sich nicht mehr ganz so akut bedroht fühlte, hatte sie genug Luft, um wieder einigermaßen rational zu denken. Sofort kamen schreckliche Bilder in ihr Bewusstsein. Lory in ihrem Blut liegend, eine Scherbe aus ihrem Bauch ragend.
„Was ist mit Lory?“, brachte sie atemlos hervor. „Ist sie etwa ...“
„Es geht ihr gut“, beruhigte der Hüne sie. „Sie schläft.“
„Das glaube ich dir nicht“, sagte sie und schüttelte benommen den Kopf. „Sie hatte eine riesige Scherbe mitten durch ihren Unterleib und all das Blut. Sie kann das unmöglich überlebt haben. Niemand kann so etwas überleben.“
Sie war so sehr in ihrem Entsetzen über das schreckliche Schicksal ihrer Freundin gefangen, dass sie zuerst gar nicht wahrnahm, wie zwei starke Arme sie umfingen und sie sanft an eine breite Brust drückten. Tränen liefen über ihre Wangen und sie schmiegte sich an den warmen Körper vor sich, ohne darüber nachzudenken.
„Es ist alles in Ordnung“, drang die sanfte Stimme des Mannes an ihr Ohr. „Du kannst sie besuchen, doch sie ist noch ohne Bewusstsein. Möchtest du sie sehen?“
Charly rückte hastig von ihm ab. Wie hatte das passieren können, dass sie sich von diesem Kerl so vertraulich berühren ließ? Sie war zu aufgeregt, um sich einzugestehen, dass es sich gut angefühlt hatte, von ihm gehalten zu werden. Viel zu gut! Sie hatte sich in trügerischer Sicherheit gewiegt. Sie durfte das nie wieder zulassen, dass er sie einlullte. Vielleicht hatten diese verdammten Aliens auch hypnotische Fähigkeiten, irgendeine Art von Supermacht, die sie willenlos machen konnte. Wer wusste das schon?
„Tu das nie wieder!“, fuhr sie ihn an.
„Was?“, fragte er offensichtlich verwirrt.
„Mich anfassen!“, schrie sie. „Ich werde nicht ... Du wirst nicht ...“
„Okay!“, unterbrach er sie. „Ich habe verstanden.“
Charly atmete schwer. Sie umschlang ihren Oberkörper mit den Armen und starrte ihn an. Er starrte zurück.
„Was ist nun mit deiner Freundin?“, fragte er ruhig. „Willst du sie sehen?“
Charly reckte das Kinn. „Ja!“
„Dann komm.“
Er wollte Charly am Arm fassen, doch sie entzog sich ihm und funkelte ihn aufgebracht an. Er seufzte leise, dann zuckte er mit den Schultern.
„Tür auf!“, sagte er und die Tür öffnete sich.
Tatsächlich glitt die Tür mit einem leisen Zischen auf. Charly stand sprachlos da und rührte sich nicht, als der Hüne durch die geöffnete Tür ging.
„Das ist alles?“, fragte sie ungläubig, daran denkend, wie sie ratlos vor der verschlossenen Tür gestanden hatte. „Bloß Tür auf?“
Der Mann stoppte und drehte sich zu ihr um, ihr ein amüsiertes Lächeln schenkend.
„Versuch es!“
„Die Tür ist ja schon auf“, sagte sie verärgert über die Wärme, die sein Lächeln in ihr auslöste.
„Tür schließen!“, sagte er und die Tür schloss sich zwischen ihnen.
Charly starrte unschlüssig auf die Tür.
„Tür auf!“, sagte sie schließlich und wartete gespannt, doch es tat sich nichts. Sie stapfte verärgert mit dem Fuß auf. „Och!“
Sie hörte ein amüsiertes Lachen von der anderen Seite der Tür und sie hasste ihn dafür. Er sollte nicht lachen. Er sollte keinen Humor haben! Er sollte nicht so verdammt sympathisch wirken, als wäre er der nette Typ von nebenan, der sie ein wenig neckte.
„Tür auf!“, hörte sie ihn sagen und die Tür öffnete sich erneut.
Wütend starrte sie in sein amüsiertes Gesicht. Seine braunen Augen sollten nicht so funkeln und sein verdammtes Grübchen nicht so sexy wirken.
Mann, Charly, du bist echt kaputt!, schalt sie sich. Sexy! Der Typ ist nicht sexy! Er ist ein Psycho!
„Ich finde das nicht komisch!“, erwiderte sie bissig.
„Du wirst die Ermächtigung noch bekommen, wenn ich dir vertrauen kann“, sagte er ungerührt.
„Du mir vertrauen?“, rief sie und lachte freudlos. „Hab ich dich entführt und mit Drogen vollgepumpt oder was?“
„Du wirst es verstehen, wenn du dich so weit beruhigt hast, um klar zu denken“, sagte er nur und wandte sich um. „Komm.“
Charly war versucht, sich seinem Befehl zu widersetzen und einfach stehen zu bleiben, doch sie wollte Lory sehen; also folgte sie ihm schließlich missmutig.
Sie blieben vor einer Tür stehen.
„Öffnen!“, sagte der Hüne.
Die Tür öffnete sich und Charly stellte fest, dass es offenbar keinen einheitlichen Befehlstext zum Öffnen gab. Unmittelbar hinter dem Hünen betrat sie einen abgedunkelten Raum von bescheidener Größe. Ein Mann in weißer Kleidung saß an einem kleinen Pult. Hinter ihm befanden sich drei große Fenster mit jeweils einer Tür daneben. Als Charly näher kam, sah sie Lory in einer der kleinen Kammern liegen, die sich hinter den Fenstern befanden. Die Krankenpritsche, auf der Lory lag, und technische Geräte füllten den Raum fast vollkommen aus. Lediglich ein Stuhl, auf dem der blonde Hüne, der mit Lory gekämpft hatte, saß, passte noch hinein.
„Oh, Captain Amano“, grüßte der Mann an dem Pult, der offensichtlich so etwas wie ein Arzt war.
Charly starrte auf ihren Begleiter. Captain? Er war der Captain dieses Raumschiffs? Captain Amano.
„Wie geht es ihr?“, fragte Amano.
„Oh, sie macht Fortschritte“, antwortete der Heiler. „Sie wird heute Abend wahrscheinlich auf die normale Station verlegt.
„Dies hier ist ihre Freundin. Lady ...“ Er sah sie fragend an, bis es Charly dämmerte, dass er ihren Namen wissen wollte.
„Charly“, antwortete sie und schenkte dem Arzt ein Lächeln. Ein Mann, der Wunden heilte und Leben rettete, war ihr bedeutend sympathischer als ein Krieger, der genau das Gegenteil tat.
„Erfreut, Euch kennenzulernen, Lady Charly“, sagte der Arzt freundlich. „Wollt Ihr Eure Freundin sehen?“
„Bitte.“
„Kommt.“
Der Arzt öffnete die Tür zu der kleinen Kammer und der blonde Hüne erhob sich. Sein Gesicht wirkte müde und sorgenvoll. Er musterte Charly kurz, dann blickte er den Arzt an.
„Sollte sie nicht schon längst stabil sein?“, fragte er besorgt.
Der Arzt lächelte nachsichtig.
„Sie wird sich erholen, General. Keine Sorge.“
„Aber sie ist so blass.“
„Sie hat eine Menge Blut verloren, General“, antwortete der Arzt. „Lady Charly hier möchte sie gern besuchen. Bitte, General. Könntet Ihr kurz ...?“
Der General starrte Charly an. Er schien wenig begeistert zu sein, doch er nickte. Charly wusste nicht, was sie von dem General halten sollte. Er mochte zwar gefährlich sein, doch die Sorge, die in sein Gesicht geschrieben stand, war echt. Widerwillig kam er aus der kleinen Kammer heraus und der Captain schob Charly sanft hinein.
Lory wirkte blass, doch ihre Gesichtszüge waren friedlich. Das weiße Laken, das ihren Körper bedeckte, ließ keinen Blick auf ihre Wunde zu, doch Charly wollte sie auch gar nicht sehen. Bestimmt bot sie einen furchtbaren Anblick.
„Wird sie wirklich wieder gesund?“, fragte sie besorgt.
„Ja“, versicherte der Arzt. „Die Wunde ist beinahe verschlossen und ihr Körper hat genug Blut nachproduziert. Sie wird die Medizineinheit bald verlassen können.“
„Wie kann das sein?“ Charly drehte sich um und starrte den Arzt ungläubig an. So eine Wunde wird sicher lange dauern, bis sie heilt. Sie ...“
„Die Medizineinheit“, erklärte Armano, „vermag Wunden weitaus schneller zu heilen, als das im Normalfall möglich wäre. Sieh selbst nach, wenn du mir nicht glaubst.“
Charly wandte sich wieder Lory zu und starrte auf das weiße Laken, ehe sie genug Mut gefasst hatte, um das Stück Stoff langsam anzuheben. Lory trug nur ihre Unterwäsche, sodass Charly sich darum bemühte, nicht zu viel vom Körper ihrer Freundin zu enthüllen. Doch sie konnte genug sehen, um festzustellen, dass Amano recht hatte. Dort, wo eigentlich eine furchtbare Wunde hätte klaffen müssen, war nur eine blasslilafarbene gezackte Narbe zu sehen.
„Heilige Scheiße“, murmelte sie erstaunt.
Charly deckte Lory vorsichtig wieder zu, eine Träne lief ihre Wange hinab, tropfte auf das weiße Laken und formte einen kleinen blassen Fleck. Das Herz war ihr schwer. In was für eine Lage war sie da geraten? Entführt, entflohen, nur um erneut entführt zu werden. Ihre Freundin schwer verwundet und zu allem Übel kam noch ein Schiff voller muskelbepackter Aliens, die wer weiß was mit ihnen vorhatten.
Sie spürte eine Hand auf ihrer Schulter und zuckte zusammen. Sie wusste, es war dieser Captain. Amano. Der sich in den Kopf gesetzt zu haben schien, dass sie ihm gehörte. Sie straffte die Schultern und schüttelte seine Hand ab. Nie wieder würde sie einem Mann gehören, den sie nicht selbst erwählt hatte. Nie wieder würde sie erlauben, dass irgendein Kerl die Macht besaß, sie nach seinen Launen zu missbrauchen und zu quälen. Mochte dieser Amano vielleicht auch nicht so grausam sein wie ihr Entführer von einst, so würde er sich dennoch nicht davon abhalten lassen, sich ihr aufzudrängen, so viel schien sicher.
„Ich bringe dich jetzt zurück“, sagte er leise und sie versteifte sich.
„Nein!“, entschied sie. „Ich gehe nicht mit dir zurück in deine Kabine. Wenn ihr so etwas wie eine Gefängniszelle auf diesem verdammten Raumschiff habt, dann bring mich dorthin.“
Sie hörte ihn hinter sich seufzen. Er fasste nach ihrem Arm, doch sie schüttelte ihn erneut ab.
„Ich bringe dich in meine Kabine und wir reden!“, sagte er fest entschlossen. „Ich fasse dich nicht an, solange du freiwillig mitkommst. Tust du das nicht, dann muss ich dich zwingen.“
„Reden?“, fragte sie spöttisch. „Nur reden? Und das soll ich dir glauben?“
„Ich schwöre es bei meiner Ehre.“
Sie lachte freudlos.
„Woher soll ich wissen, dass du so etwas wie Ehre besitzt?“
„Ich bin dir körperlich überlegen. Ich kann dich einfach ergreifen und in mein Quartier bringen. Was sollte deine Weigerung dir also nutzen? Warum gibst du mir nicht die Möglichkeit, dir zu beweisen, dass ich die Wahrheit sage, indem du jetzt freiwillig mitkommst und uns beiden das ersparst, was wir beide nicht wollen. Denn dir Gewalt anzutun, ist das Letzte, was ich will.“
Charly wusste, dass er recht hatte. Er könnte sie zwingen und sie hätte nicht die geringste Chance, etwas dagegen zu tun.
„Nun?“
„Ich komme mit“, sagte sie leise. „Aber nur reden!“
Charly zitterte kaum merklich, als sie vor Amano die Kabine betrat. Seine Nähe machte sie nervös. Er hatte ihr bisher zwar noch nichts angetan, doch das konnte sich schließlich jederzeit ändern. Und es gab keine Polizei, die ihn dafür in den Bau stecken würde. Hier in den Weiten des Universums hatte sie keine Rechte.
„Setz dich bitte“, sagte er und deutete auf eine kleine Sitzgruppe.
Mit gemischten Gefühlen nahm sie auf einem der Sessel Platz, war jedoch bereit, jeden Moment aufzuspringen. Zu ihrer Erleichterung setzte er sich in den Sessel gegenüber und so hatten sie den kleinen Tisch zwischen sich.
„Du bist nervös“, stellte er fest. „Das brauchst du nicht. Ich weiß nicht, was dir passiert ist, doch ich möchte, dass du lernst, mir zu vertrauen. Ich werde dir niemals wehtun.“
Charly schwieg. Was sollte sie darauf antworten? Die Erinnerungen an ihr Martyrium waren zurückgekehrt. Sie hatte sie lange Zeit sorgsam in einem Tresor eingeschlossen und nun war er plötzlich aufgesprungen und all das Böse, was darin verborgen lag, drohte herauszukommen. Eine Träne rollte über ihre Wange und sie wischte sie hastig fort.
„Willst du mir erzählen, was dir passiert ist?“, fragte er sanft.
Sie schüttelte den Kopf.
„Es ist okay. Ich zwinge dich zu nichts. Ich wollte mit dir reden, um dir ein Angebot zu machen.“
Sie hob den Blick. Er sah besorgt aus. Entweder war er ein guter Schauspieler oder ihre Sinne spielten ihr einen Streich.
„Angebot?“, fragte sie, unsicher, was sie davon halten sollte.
Er nickte.
„Ja, ein Angebot. Ich möchte dir meine Kabine überlassen. Ich selbst werde mich woanders einquartieren. Alles, was ich von dir will, ist, dass wir tagsüber Zeit miteinander verbringen und uns kennenlernen. Ich verspreche dir, dich nicht anzufassen. Ich möchte nur mit dir reden. Mehr nicht. Was hältst du davon?“
„O-kay“, sagte sie vorsichtig.
Wo ist der verdammte Haken?
„Gut“, erwiderte er zufrieden. „Willst du was essen?“
Sie nickte. Tatsächlich tat ihr schon der Magen weh vor Hunger.
„Dann lass uns etwas essen. Hier oder in der Kantine?“
Charly überlegte. In der Kantine wäre sie nicht mit ihm allein. Andererseits war ihr auch nicht nach einer ganzen Horde hünenhafter Aliens zumute.
„Hier“, entschied sie schließlich.
Amano erhob sich.
„Okay, ich besorge uns etwas.“