Kapitel 8


 Y-Quadrant, Karrx7

Im Haus von Kordan

13. Tag des Monats Manao im Jahr 7067 Federationszeit


Charly und Amano waren für ein paar Tage zu Besuch bei Lory und Kordan. Während die beiden Männer auf die Jagd gegangen waren, hatten die beiden Frauen es sich auf der Terrasse des großen Hauses gemütlich gemacht. Charly freute sich, wieder ein wenig mit Lory plaudern zu können. Seit der Nacht, in der sie mit Amano das erste Mal geschlafen hatte, waren sie beide beinahe ununterbrochen zusammen gewesen. Er hatte ihr alle seine Lieblingsplätze gezeigt. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal so glücklich und entspannt gewesen war. Wahrscheinlich niemals. Amano war stets aufmerksam, bereit, ihr jeden Wunsch von den Augen abzulesen, und er war ein zärtlicher und leidenschaftlicher Liebhaber. All ihre Ängste waren verschwunden, als hätten sie nie existiert. Sie kam langsam zu der Erkenntnis, dass ihre Entführung durch Aliens das Beste gewesen war, was ihr jemals hätte passieren können. Sie bezweifelte, dass irgendein Mann auf der Erde in der Lage gewesen wäre, sie von ihren Ängsten zu heilen und ihr eine solche Liebe zu schenken. Es gab nur eine Sache, die ihr ein wenig Sorgen bereitete, und das war das Thema Kinder. Amano hatte ganz eindeutig Pläne für Kinder und auch wenn sie Kinder liebte, machte sie sich Gedanken, was dabei herauskommen würde. Immerhin war er ein Alien und nicht nur das. Er war ein Gepard, ein Gestaltwandler, wie sie mittlerweile herausgefunden hatte. Es war in ihrer zweiten gemeinsamen Nacht gewesen, dass er ihr seine wahre Natur offenbart hatte. Obwohl sie sich mittlerweile sicher war, dass sie ihn liebte, tat sie sich noch immer ein wenig schwer mit der Idee, dass ihr Lover eine tierische Seite hatte.


„Ich finde es toll, dass ihr uns besuchen kommt“, sagte Lory und schenkte ihnen noch etwas von dem Tajaka ein.

„Ja, ich freu mich auf ein paar ruhige Tage“, sagte Charly lächelnd. „Es ist ganz schön hektisch bei uns zu Hause. Amano lässt das ganze Haus umbauen. Er will mir ein größeres Bad bauen, als ob das Bad, das wir haben, nicht schon riesig wäre. Dann will er eine eigene Medizineinheit, für den Fall, dass mir was passiert, und natürlich einen Trakt für unsere zahlreichen Kinder, zu denen ich noch nicht einmal Ja gesagt habe.“ 

Charly lachte und hoffte, dass ihre Freundin ihr nicht ansehen würde, dass sie der Gedanke an Kinder beunruhigte.

„Ich bin ja mal gespannt, womit die Männer nach Hause kommen“, sagte Lory.

„Ja, vielleicht so ein großes, haariges Vieh mit langen, spitzen Zähnen und roten Augen. Oder irgendetwas Grünes, Schleimiges. Hoffentlich keine Riesenechse“, antwortete Charly lachend. „Ich glaube, ich hab zu viele Science-Fiction-Filme gesehen. Amano sagt das auch, nachdem ich gesagt hab, dass ...“

„Dass was?“, hakte Lory nach, als Charly sich nicht anschickte weiterzureden.

„Na ja, ich fürchte mich ein wenig davor, was dabei herauskommt, wenn ich von ihm schwanger werde. Ich meine, in Filmen kommen die Frauen meistens nicht gut weg, wenn sie mit einem Alienbaby schwanger sind.“

Lory schüttelte den Kopf. Offensichtlich teilte sie Charlys Bedenken nicht.

„Ich glaube, du hast wirklich zu viele Filme gesehen“, sagte sie. „Es wird ein ganz normales Baby. Amano ist doch keiner von diesen Aliens aus dem Film mit Sigourney Weaver.“

„Ich weiß“, erwiderte Charly seufzend. „Aber er ist ein Gepard. Was, wenn das Kind haarig mit Krallen und Reißzähnen auf die Welt kommt?“

Charly wusste, dass sie sich wahrscheinlich albern benahm, doch sie bekam diese Gedanken nicht aus dem Kopf.

„Ich habe von Kordan erfahren, dass die Kinder erst mit etwa drei Jahren die Fähigkeit erhalten, sich zu verwandeln. Bis dahin sind sie ganz normale Kids“, erklärte Lory.

„Oh, das hat mir Amano nicht gesagt. Na ja, ich hab ihm ja von dem Fell und so nichts gesagt, nur dass ich Angst habe, was dabei rauskommt.“

Ein plötzlicher Schatten verdunkelte die Terrasse und die beiden Frauen sahen nach oben.

„O. Mein. Gott!“, rief Lory aus. 

Charly schrie erschrocken auf.

„Was ist das?“, fragte sie panisch. Sie hatte kein gutes Gefühl. Etwas lief hier ganz gewaltig falsch.

„Ein Raumschiff!“, stieß Lory aus. „Und es sieht nicht aus wie die Cordelia.“

Plötzlich kam ein Strahl von dem über ihnen schwebenden Raumschiff herunter und ehe sie es sich versahen, standen sie auf einer Plattform im Transporterraum des Schiffes. Vor ihnen, an einem Bedienpult stand eine echsenartige Kreatur und zwei Männer, die am ganzen Körper behaart waren, kamen auf sie zu.

„Was geht hier vor sich?“, verlangte Lory zu wissen. 

Charly bewunderte die Ruhe, die ihre Freundin ausstrahlte. Die beiden haarigen Biester gaben nur unverständliche Knurrlaute von sich und einer fasste nach ihrem Arm, während der andere seine klauenbewährte Hand um Lorys Kehle legte. Charly sah, wie Lory um Atem kämpfte, und Panik stieg in ihr auf. Würde das Biest ihre Freundin töten? Aber wozu? Was wollten diese Viecher von ihnen?

Doch plötzlich ließ die Kreatur von Lorys Kehle ab und sie wäre beinahe umgekippt, wenn dieses Monster sie nicht fest am Arm ergriffen hätte, um sie mit sich zu zerren.

Sie wurden zu einem Aufzug geschleift und unsanft hineingestoßen. Charly prallte schmerzhaft gegen die Metallwand und ihr blieb vor Schock kurzfristig die Luft weg. Die beiden haarigen Aliens betraten nach ihnen die enge Kabine und bauten sich breitbeinig vor der Tür auf, bis sie in einem der oberen Etagen angekommen waren und die Türen sich mit einem zischenden Geräusch öffneten. Abermalig wurden sie unsanft gepackt und durch einen engen Gang gezerrt. Schließlich blieben sie vor einer breiten Tür stehen und einer der beiden Aliens drückte ein paar Tasten neben der Tür, um sie zu öffnen.

„Ah! Da seid ihr ja, meine Schönen“, begrüßte sie ein bis über beide Ohren grinsender Ellyod Allegrass. „Kommt herein und macht es euch bequem. Ich freu mich, dass ihr meiner Einladung gefolgt seid.“

Die beiden Aliens stießen sie in den Raum, bevor sich die Türen hinter ihnen schlossen. Charlys Herz klopfte zum Zerspringen. Noch immer hatte sie den Gestank der Biester in der Nase. Wahrscheinlich standen sie noch immer hinter ihnen, doch sie wagte nicht, sich umzusehen. Das Herz schlug ihr bis zum Hals.

„Einladung?“, sagte Lory lachend. „Ja, so kann man es auch nennen. Großartig. Selten so gelacht.“

Charly spürte, wie Wut in ihr aufstieg. Diese ganze Aktion war barbarisch. Langsam hatte sie aber wirklich genug von diesen ständigen Entführungen.

„Was soll das?“, fuhr sie den Piraten an. „Wieso haben Sie uns entführt?“

„Aber, aber“, erwiderte dieser. „Jetzt setzt euch doch erst einmal. Ich habe etwas zu trinken für euch und später werden wir zusammen essen. Ich habe meinem Koch gesagt, dass er etwas Besonderes für meine Gäste zubereiten soll. Kein Essen aus dem Essensgenerator. Nur das Beste für meine Schönen.“

„Ich will wissen, was hier gespielt wird“, verlangte Lory zu wissen. Sie sah ziemlich angepisst aus, wie Charly mit Genugtuung feststellte.

„Setzen wir uns, dann unterhält es sich besser“, sagte Ellyod. „Kommt hier entlang.“

Er führte sie zu einer Sitzecke, bestehend aus sechs großen Sesseln mit hohen, nach oben spitz zulaufenden Rückenlehnen und giftgrünen glatten Bezügen. Die beiden Frauen folgten ihm etwas widerstrebend. Als sie sich gesetzt hatten, schenkte er ihnen ein orangefarbenes Getränk in hohe, schlanke Gläser. Charly starrte unentschlossen auf das Getränk vor sich.

„Trink das nicht“, warnte Lory sie. „Es könnten Drogen drin sein.“

„Aber nicht doch!“, wehrte Ellyod ab. „Ich hab mir doch auch aus der Flasche eingeschenkt. Es ist nichts. Seht ihr?“ Er setzte sein Glas an die Lippen und trank ein paar Schlucke, dann lehnte er sich entspannt zurück und sah sie abwartend an.

Lory nahm ihr Glas und beäugte die Flüssigkeit skeptisch. Nachdem sie vorsichtig daran genippt hatte, nahm sie einen weiteren Schluck. Charly tat es ihrer Freundin gleich und trank ebenfalls. Überrascht stellte sie fest, dass es wunderbar schmeckte. Ein wenig nach Orange und Melone mit einem etwas scharfen, doch angenehmen Nachgeschmack. 

„Gut?“, fragte Ellyod, der sie aufmerksam beobachtet hatte.

„Ja, nicht übel“, sagte Lory. „Aber was ist jetzt der Grund für all das hier? Warum haben Sie uns entführt?“

„Hast du es denn vergessen?“, erwiderte Ellyod. „Wir hatten eine Vereinbarung. Ich war außer mir vor Sorge, als ich feststellen musste, dass ihr entführt worden wart.“

„Nun, wenn es so wäre“, sagte Lory, „dann kann ich Sie beruhigen. Wir sind höchst freiwillig auf Karrx7. Sie können uns also unverzüglich zurück auf die Oberfläche beamen.“

Charly bezweifelte, dass dieser Pirat ehrlich zu ihnen war. Nach allem, was sie von Amano über den Mann gehört hatte, war er skrupellos und durchtrieben.

„Sie haben doch gar nicht vor, uns zur Erde zu bringen, richtig?“, mischte sie sich ein. „Wir wissen jetzt, was Sie sind.“

Ellyod lächelte träge.

„Und was bin ich, meine kleine Feuerlady?“

„Ein Pirat!“, fuhr sie ihn an. „Sie wollen uns als Sklavinnen verkaufen.“

Ellyod lachte. Er warf den Kopf in den Nacken und lachte so sehr, dass ihm die Tränen kamen. Die beiden Frauen wechselten einen Blick und zuckten beide mit den Schultern.

„Ich? Ein Pirat? Das ist zu köstlich“, sagte er, als er sich wieder beruhigt hatte. „Sagt, haben diese Katzen euch gebissen?“

„Was geht Sie das an?“, fragte Lory finster.

„Nun“, fuhr Ellyod fort. „... diese falschen hinterhältigen Biester haben eine Droge in ihren niedlichen kleinen Beißerchen. Ihr wolltet wissen, ob ich euch mit einem harmlosen Fruchtsaft betäuben wollte, dabei habt ihr euch von den ruchlosesten Kreaturen der gesamten Galaxie unter Drogen setzen lassen. Es ist eine Liebesdroge, wusstet ihr das nicht? Habt ihr nicht gefühlt, wie die Droge in euren Blutkreislauf gedrungen ist, wie sie euer Empfinden verändert hat?“

„Unsinn!“, wehrte Charly ab. „Ich hab mich zu Amano schon hingezogen gefühlt, ehe er mich gebissen hat.“

Gegen ihren Willen verspürte Charly, wie sich trotz ihrer Worte leise Zweifel in ihr einnisteten. Tatsächlich hatte er sie vor dem eigentlichen Akt gebissen und es hatte verrückte Dinge mit ihr angestellt, daran gab es keinen Zweifel.

„Ja“, erwiderte Ellyod, „sie sind gut aussehende Teufel und haben Charme. Aber ist es nicht so, dass ihr trotzdem erst nicht bei ihnen bleiben wolltet? Und hat sich nichts verändert, seitdem ihr gebissen worden seid?“

Charly errötete. 

„Es tut mir leid“, sagte Ellyod mit einem Anflug von Hohn in der Stimme, „wenn ich euch eure Illusion von der großen Liebe nehmen musste, Mädels. Aber diese Gestaltwandler sind dafür bekannt, dass sie Frauen entführen. Sie haben selbst zu wenige, weil ihnen die Frauen wegsterben wie die Fliegen. Die Geburten bringen sie um. Das liegt daran, dass sie meist gleich vier oder fünf Junge bekommen.“

Charly fasste sich an die Brust und stieß einen leisen Entsetzenslaut aus. Hatte sie doch recht gehabt? Sie fühlte Lorys Blick auf sich. 

„Tut mir leid“, meinte Ellyod, „aber ihr werdet darüber hinwegkommen. Je länger ihr ohne Biss gewesen seid, desto schwächer wird diese Abhängigkeit. Ich bringe euch nach Hause, wie ich es euch versprochen habe.“


***


„Verdammt, das gibt es doch nicht!“, rief Amano aus, als ein Raumschiff am Himmel auftauchte. Eine plötzliche Angst packte ihn und er ballte die Hände zu Fäusten.

Neben ihm stieß Kordan ein Knurren aus. Das Raumschiff schwebte direkt über seinem Haus. Auch Amano war klar, was das zu bedeuten hatte.

„Die Frauen!“, rief Kordan aus und sah Amano an.

„Wir müssen zurück! Schnell!“, knurrte er. 

Sie nahmen ihre Geparden-Gestalt an, da sie die Strecke als Katzen schneller zurücklegen konnten. Immer wieder sah Amano besorgt zum Himmel. Als ein Beamstrahl zu Boden fuhr, stieß Kordan ein markerschütterndes Brüllen aus. Amano stimmte in seinen wilden Schrei mit ein. 

Nur zehn Minuten später erreichten sie Kordans Haus, doch es kam ihnen wie eine Ewigkeit vor. Sie waren zu spät, und das Wissen darum brachte Amano fast um den Verstand. Es war klar, wem das Schiff gehörte. Ellyod Allegrass, dem berüchtigten Piraten. Auf Kordans Anwesen waren alle in hektischer Aufruhr. Die Männer, die sie zurückgelassen hatten, und die Bediensteten liefen aufgeregt hin und her. Frauen weinten und rangen die Hände. Kordan und Amano verwandelten sich zurück in ihre humanoide Form.

„Warro, Spurka und Nanek, macht den Gleiter klar, wir fliegen umgehend zum Palast!“, rief Kordan seinen Männern zu. Er wandte sich an Amano. „Wir bekommen sie zurück und wir erledigen endlich diesen Hurensohn von einem Piraten!“

„Ich breche ihm jeden Knochen einzeln“, gab Amano knurrend zurück. „Ich will sein Blut!“

„Das will ich auch“, knurrte Kordan finster. „Das will ich auch!“