Kapitel 11


Kanavirius System

Im Orbit von Moron2

21. Tag des Monats Manao im Jahr 7067 Federationszeit


Charly sah auf den unter ihnen liegenden Planeten hinab. Moron2 war ein Eisplanet. Alles, was sie sehen konnte, waren schneebedeckte Berge und Täler.

„Das sieht aber nicht sehr einladend aus“, meinte Lory schaudernd. „Wie viel Grad sind es dort unten?“

„Ich kenne eure Maßeinheiten nicht, was Temperaturen betrifft, aber es ist eindeutig zu kalt, um länger als einige Minuten an der Oberfläche zu sein“, antwortete Amano.

„Wie sollen wir dann deinen Astronomen finden?“, fragte Charly.

„Unter der Oberfläche natürlich“, erwiderte Amano.

Charly sah ihn zweifelnd an.

„Natürlich“, meinte Lory sarkastisch. „Willst du sagen, dass die Leute hier in Höhlen unter der Erde leben? Ohne Sonnenlicht?“

„So ähnlich“, erwiderte Kordan. „Kommt, wir müssen uns umziehen. So können wir unmöglich hinunter.“

Charly folgte Amano in ihre Kabine. Sie war so aufgeregt. So viel hing von ihrem Besuch auf diesem Eisplaneten ab. Wenn sie es tatsächlich schafften, die Koordinaten der Erde zu erfahren, dann konnten sie zur Erde fliegen. Sie konnten noch mehr Frauen für die Carthianer finden, Keelas Freundin eine Nachricht übermitteln und Charly konnte ein paar Dinge aus ihrer Wohnung holen, die ihr wichtig waren. Wenn sie es nur schafften, herauszufinden, wo die Erde lag.


Kanavirius System

22. Tag des Monats Manao im Jahr 7067 Federationszeit


„Ich kann es noch gar nicht glauben!“, rief Charly begeistert aus. 

„Was willst du als Erstes machen, wenn wir da sind?“, fragte Lory ebenso aufgeregt.

„Oh, ich weiß nicht. Jede Menge ungesundes Fast Food essen, ins Kino gehen und ich muss noch unbedingt etwas aus meiner Wohnung holen. Das heißt, wenn mein Zeug noch da ist. Ist immerhin schon Monate her.“

„Was ist es?“, wollte Lory wissen. „Was willst du holen?“

„Ich habe eine kleine Kiste voll mit Dingen von meiner Mutter. Ich würde sie gern mit nach Karrx7 nehmen“, erklärte Charly. „Und du? Was willst du machen?“

„Also Fast Food steht auch ganz oben auf meiner Liste. Gegen Kino habe ich auch nichts einzuwenden. Aber auf jeden Fall möchte ich in meinen Lieblingsklub gehen. Den Mädels dort werden die Augen ausfallen, wenn sie unsere Männer sehen.“

Charly kicherte.

„Ja, ich denke, sie sind recht gutes Material zum Angeben. Und ich wette, dass sich die Kerle alle in die Hosen machen, wenn Kordan da auftaucht. Gegen seine zwei Meter zwanzig sind alle Türsteher nur kleine Zwerge.“

Lory grinste.

„Ja“, seufzte sie. „Er ist wahrlich ein Bild von einem Mann.“

„Das ist er“, stimmte Charly zu. Natürlich mochte sie ihren Amano lieber, doch seitdem sie Kordan besser kennengelernt hatte und wusste, dass er nicht so kalt war, wie es den Anschein hatte, war er ihr langsam sympathischer geworden. 

„Er war beeindruckend in diesem Labyrinth“, sagte Charly, als sie sich an die Geschehnisse auf Moron2 erinnerte.

Durch ein kleines Missverständnis wegen der recht seltsamen Gesetze in der Höhlengesellschaft des Eisplaneten war Kordan dazu verurteilt worden, sein Leben in einem Labyrinth voller gefährlicher Kreaturen und Fallen zu verteidigen. Der Mann, der vor ihm durch das Labyrinth musste, war von fiesen Biestern zerfleischt worden und Lory und sie hatten tausend Ängste ausgestanden, als Kordan an der Reihe gewesen war. Doch er hatte es geschafft und sie hatten ihren Besuch vorzeitig abbrechen müssen, da sie nicht länger erwünscht gewesen waren. Zum Glück hatte aber der Astronom noch in letzter Minute herausgefunden, wo die Erde lag, und ihnen eine Sternenkarte überlassen. Jetzt waren sie auf dem Weg und während die Männer die Route besprachen, hatten Charly und Lory sich in Lorys Kabine zurückgezogen, um ihre Begeisterung über die Reise zur Erde zu feiern.

„Magst du noch einen Schluck?“, fragte Lory und hielt Charly die beinahe leere Karaffe mit Gejee entgegen.

„Ja, ich nehm noch einen“, sagte Charly und hielt Lory ihr Glas entgegen.

„Auf unsere wunderbaren Männer!“, sagte sie, als Lory ihnen beiden eingeschenkt hatte.

„Ja, auf die besten Männer von Karrx7!“, stimmte Lory mit ein.

„Nur von Karrx7?“, erklang eine amüsierte Stimme und Charly errötete, als sie den Blick auf ihren Gefährten richtete, der grinsend mit Kordan in der Tür stand.

„Wirklich“, mischte sich auch Kordan ein. „Nur die besten unter ein paar Millionen Männern? Womöglich hofft ihr, woanders noch was Besseres zu finden.“

Kordans Miene war, im Gegensatz zu Amanos, ohne Regung, doch Charly kannte den Mann jetzt gut genug, um das amüsierte Funkeln in seinen blauen Augen zu erkennen.

„Nun ja“, sagte sie. „Vielleicht müssen wir das noch einmal überdenken.“

Amano hatte den Raum durchquert und hob sie aus dem Sessel, um sie sich über die Schulter zu werfen.

„Hey!“, schrie sie protestierend. „Was hast du vor?“

„Dir einen Grund geben, dass du deine Aussage noch einmal überdenkst!“, knurrte er und tätschelte vertraulich ihr Hinterteil. „Vielleicht brauchst du eine kleine Auffrischung deiner Erinnerung, damit du weißt, wie gut ich wirklich bin.“

Ihr wurde auf einmal verdammt heiß und ihre unteren Regionen fingen an, erwartungsvoll zu prickeln. Sie hörte Lory kichern und leise gemurmelte Worte von Kordan. Offensichtlich hatte er ebenfalls vor, das Gedächtnis seiner Gefährtin aufzufrischen.


Erde,  USA

New York

05. Tag des Monats Lumino im Jahr 7067 Federationszeit


Sie nutzten die Dunkelheit der Nacht, um sich zum Central Park hinabzubeamen. 

„Iiihhh“, sagte Amano und schüttelte sich. Dicke Regentropfen fielen auf sie hinab.

„Ja, ich weiß“, sagte Charly entschuldigend. „Das Wetter hier kann nicht mit dem auf Karrx7 mithalten. Besonders nicht um diese Jahreszeit. Moment! Was für einen Monat haben wir jetzt?“ 

Sie sah Lory an. Beide rechneten im Stillen.

„Es ist Ende September“, sagte Lory schließlich.

„Ja, zu dem Ergebnis bin ich auch gekommen. Na, dann ist es kein Wunder. September ist schon Herbst. Im Sommer ist es hier ganz schön. Auch im Frühling. Aber Herbst. Brrr.“

„Zumindest ist es hier wärmer als auf Moron2“, sagte Kordan.

„Nun ja, Schnee und Eis bekommen wir hier im Winter auch, aber es ist nicht so kalt wie auf diesem verfluchten Eisplaneten“, sagte Lory.

„Wir sollten erst einmal Geld besorgen gehen“, meinte Charly. „Ich weiß, wo wir das Gold eintauschen können.“

„Du meinst einen Hehler?“, fragte Lory mit hochgezogener Braue.

„Was sonst?“, meinte Charly. „Ein Juwelier würde zu viele Fragen stellen.“

Lory nickte.

„Okay, Jungs, dann kommt.“


Sie hatten für ihr Gold fast fünftausend Dollar bekommen und verließen zufrieden die schmutzige  Hinterhofwerkstatt, in der der Hehler sein Büro hatte.

Lory musterte Kordan und Amano kritisch.

„Wir sollten euch erst einmal was zum Anziehen besorgen. Ihr fallt zu sehr auf in diesen Klamotten.“

„Was ist falsch an den Sachen?“, fragte Amano und strich sich über sein eng anliegendes Uniform-Shirt.

„Vielleicht wegen dieses Abzeichens hier“, antwortete ihm Charly, mit dem Zeigefinger darauf tippend, „und dass hier eine vollkommen unbekannte Schrift draufsteht?“

„Ich weiß, wo wir was kriegen“, sagte Lory. „Kommt.“

Lory rief ein Taxi herbei und nannte eine Adresse. Sie fuhren eine gute halbe Stunde durch die Stadt, ehe sie schließlich vor einem Fitnessstudio anhielten. Lory bezahlte den Fahrer und sie stiegen aus. Es hatte aufgehört zu regnen und die Wolkendecke schien aufzubrechen.

„Hier?“, fragte Charly.

„Ja, wenn wir für meinen Großen was kriegen, dann hier“, antwortete Lory und lief die Treppen zum Eingang hinauf.

Charly, Amano und Kordan folgten ihr in das Gebäude. Lory ging zielstrebig auf den Empfangstresen zu, wo ein gut gebauter junger Mann mit Rastalocken saß und auf einem Zahnstocher herumkaute. Bei Lorys Anblick erhellte sich sein Gesicht.

„Süße!“, rief er und schenkte Lory ein breites Zahnpastalächeln. „Wo hast du gesteckt? Wir haben dich schon vermisst. Nein! Sag nichts. Sicher eine streng geheime Undercoveraktion.“

„So könnte man sagen“, antwortete Lory lachend und umarmte den Mann über den Tresen hinweg.

Kordan stieß ein warnendes Knurren aus und der Rastamann löste sich von  Lory, um sie erschrocken anzustarren.

„Hat der eben geknurrt?“, fragte er.

Lory lachte.

„Keine Panik, Lamin. Er ist zahm“, sagte sie beruhigend. „Nicht wahr, Kordan? Jetzt guck nicht so grimmig. Sei artig, damit ich euch bekannt machen kann. Das hier ist mein guter Freund Lamin. Er arbeitet hier. Lamin, der Große hier ist Kordan, mein Mann, dann haben wir meine Freundin Charly und ihren Mann Amano.“

„Hi“, grüßte Charly mit einem Grinsen. Es war offensichtlich, dass Lamin schwul war, aber Kordan würde das wohl kaum bemerken, da es auf Karrx7 keine gleichgeschlechtlichen Paare gab.

„Hi“, grüßte Amano. Da Lamin keinen Übersetzer trug, konnte er nur Charlys Gruß nachsprechen. Alles andere würde Lamin ohnehin nicht verstehen.

Nur Kordan schwieg aus Prinzip und schenkte Lamin einen eiskalten Killerblick.

„Nett, euch kennenzulernen“, sagte Lamin, der inzwischen hinter dem Tresen hervorgekommen war, jedoch geflissentlich Kordans Nähe vermied.

Er umarmte Charly, um ihr links und rechts einen Kuss auf die Wange zu pflanzen, dann streckte er Amano die Hand entgegen. Amano schien zunächst ein wenig unsicher darüber zu sein, was er mit Lamins Hand anstellen sollte, dann ergriff er sie kurz und zog seine schnell wieder zurück.

„Homophobie?“, flüsterte Lamin Charly ins Ohr.

„Nein“, sagte sie kopfschüttelnd. „Die wissen gar nicht, was das ist. Die beiden sind nicht von hier.“

„Offensichtlich“, erwiderte Lamin mit einem Seufzen. „Solche Prachtexemplare gibt es hier nicht.“

Charly kicherte und sah zu Lory und Kordan hinüber, die eine leise, aber hitzige Diskussion führten.

„Lamin ist mein Freund!“, zischte Lory. „Ein guter Freund, nicht mehr. Also schraub dein verdammtes Testosteron runter, okay?“

„Kein Mann außer mir hat dich anzufassen!“, knurrte Kordan.

Lamin beugte sich zu Charly, eine Augenbraue hochziehend.

„Denkt Goliath, ich und Lory würden ... hmhmhm?“, flüsterte er.

„Sieht so aus“, kicherte Charly. 

„Lamin!“, rief Lory. „Würdest du bitte mal kommen?“

„Denkst du, dass der mich ...?“, raunte Lamin Charly zu.

„Keine Angst. Lory hat ihn ... unter Kontrolle, denk ich.“

„Wenn du das sagst. Nun ja.“ Er seufzte, setzte sich aber in Bewegung.

„Komm“, sagte Charly und fasste Amano am Arm, um ihn mit sich zu ziehen. „Du musst einschreiten, falls Kordan irgendwas Dummes versucht. Okay?“

„Ich versteh zwar nicht, was hier los ist, aber okay“, brummte er und sie gingen zu den anderen hinüber.

„Lamin“, sagte Lory mit einem Blick auf Kordan. „Sag doch meinem Dickschädel von einem Mann hier, wann du das letzte Mal etwas mit einer Frau gehabt hast.“

„Was?“, quiekte Lamin entsetzt. „Ich? Mit ... mit einer Frau?“

„Ja!“, knurrte Lory ungeduldig. „Also, wann?“

„Noch nie, das weißt du doch.“

„Ich ja, aber er nicht. Und wann gedenkst du, dass du das nächste Mal etwas mit einer Frau haben wirst?“

„Was soll das Ganze?“, fragte Lamin. „Du weißt, dass ich schwul bin. Und vor allem, warum soll ich ihm etwas erzählen, wenn er unsere Sprache nicht versteht?“

„Er versteht“, sagte Charly. „Er kann sie nur nicht sprechen.“

„Lory!“, knurrte Kordan. „Was geht hier verdammt noch mal vor sich? Warum sind wir hier und wer ist dieser Mann?“

„Wir sind hier, damit ihr Klamotten bekommt, das weißt du“, erklärte Lory genervt. „Und dieser Mann ist Lamin, ein Freund, wie ich dir schon erzählt habe! Und er ist schwul. Das heißt, dass er nicht auf Frauen steht, okay? Er hat keinerlei sexuelles Interesse an Frauen.“

„Jeder Mann hat ein sexuelles Interesse!“, knurrte Kordan finster.

„Lamin liebt Männer, du Hornochse! Kapiert?“

Charly musste lachen, als Kordans Gesichtszüge entgleisten. Sie hatte noch nie erlebt, dass der beherrschte, eiskalte General irgendein Gefühl so deutlich zeigte wie in diesem Moment. Verblüffung, Unglauben und Unbehagen glitten über seine sonst so reservierten Züge.

„Von wo kommen die, wenn die noch nie was von Homos gehört haben?“, fragte Lamin und schüttelte den Kopf. „Ich dachte nicht, dass es noch einen Ort auf diesem Planeten geben würde, wo ...“

Lamin starrte Charly mit offenem Mund an. Dann schüttelte er erneut den Kopf. Sein Blick glitt über Kordans Gestalt, dann über Amanos und schließlich zurück zu Charly.

„Nein!“

„Nun ja“, sagte Charly unbehaglich. Sie sah hilflos zu Lory.

Lory zuckte mit den Schultern.

„Wir können ihm vertrauen. Ich kenne ihn. Er wird schweigen.“

Eine Gruppe junger Mädchen betrat die Empfangshalle. Sie starrten Kordan und Amano mit offenkundigem Interesse an und Lamin setzte ein strahlendes Lächeln auf, als er auf die sie zuging.

„Ladys. Schön, euch zu sehen. Die Step Aerobic ist heute in Halle 3.“

Er verschwand hinter dem Tresen und händigte den Mädchen die Spintschlüssel aus. Sie verschwanden kichernd durch eine der Türen, doch nicht ohne Amano und Kordan noch einmal interessierte Blicke zuzuwerfen.

„Lamin“, sagte Lory. „Wir sind gekommen, weil wir Hilfe brauchen. Ist Luke in seinem Büro? Wir brauchen ein paar Sachen für Kordan und Amano. Damit sie nicht so auffallen.“

Lamin lachte beinahe hysterisch.

„Nicht so auffallen? Baby, ist dir mal aufgefallen, dass Goliath hier beinahe zweieinhalb Meter groß ist?“

„Zwei Meter zwanzig“, korrigierte ihn Lory.

„Süße, eure Männer werden hier immer auffallen, egal, was sie an ihren geilen ... ähm ... an ihren wohlproportionierten Hintern tragen.“

Kordan knurrte und Lory warf ihm einen bösen Blick zu.

„Also, was ist nun mit Luke?“, hakte Lory nach.

„Ja, er ist da“, antwortete Lamin. „Aber zurück zum Thema. Wo kommen die nun her? Was ist das für ein Abzeichen auf ihren Shirts?“ Er lachte. „Raumschiff Enterprise?“

„Nicht Enterprise, aber nah dran“, sagte Lory und Lamin fiel die Kinnlade runter. 

„Heilige Scheiße! Ich meine ... Wow! Das ist ...“

„Niemand ...“, sagte Lory leise und eindringlich. „... niemand darf etwas wissen. Okay? Auch Luke nicht. Und was alle anderen angeht, sind die beiden russische MMA Fighter. Verstanden?“

Lamin nickte. Sein Blick wanderte zu Amano, dann zu Charly.

„Ist sie auch ...?“

Charly lachte. „Nein, ich bin Amerikanerin.“

Lamin schüttelte noch immer fassungslos den Kopf.

„Ich ... ich ruf dann mal schnell Luke an, dass ... dass ihr auf dem Weg seid.“

„Das wäre lieb“, sagte Lory.