8. Kapitel

»Verdammt noch mal, warum wehrt Ihr Euch eigentlich nicht?«

»Wehren?« Oliviane murmelte das Wort, als würde sie seinen Sinn nicht richtig verstehen.

»Warum Ihr ihm keinen Widerstand leistet, frage ich Euch!«, wiederholte der Schwarze Landry seinen wütenden Vorwurf. »Warum lasst Ihr Euch wie das Lamm behandeln, das am Dreikönigstag geschlachtet werden soll?«

Er hatte seinen Augen nicht getraut, als sie im Dämmerlicht des sinkenden Silvestertages vor ihm auf den Zinnen von Cado erschienen war.

Die großen braungoldenen Augen, die sich halb verständnislos, halb flehentlich auf ihn hefteten, machten seine Bemühungen um Selbstbeherrschung mit einem Schlag zunichte. Wusste sie nicht, wie es auf einen Mann wirkte, wenn ihre Lippen so anrührend bebten und ungeweinte Tränen die Augen wie Sterne aufleuchten ließen?

»Warum nehmt Ihr alles so geduldig hin?«, warf er Oliviane voller Groll vor.

»Ich weiß nicht, wovon Ihr redet!«

»Wovon schon? Von der Art, wie er Euch behandelt!«, knurrte er.

Oliviane schnappte empört nach Luft. »Was maßt Ihr Euch an?«

»Beruhigt Euch und dämpft Euren Ton«, knurrte Landry. »Aber habt Ihr vergessen, dass Ihr etwas besitzt, das er unbedingt haben will und mit dem Ihr handeln könnt? Er ist hinter dem Kreuz von Ys her, und er wird nicht ruhen, bis es sich komplett in seinem Besitz befindet. Eure Person ist nur die Zugabe. Ihr entsprecht zufälligerweise auch noch seinen ehrgeizigen Anforderungen an eine passende Gemahlin. Wie ist es Euch nur gelungen, den Stern von Armor bisher vor ihm zu verbergen?«

»Was erwartet Ihr?«, flüsterte Oliviane tonlos. »Dass ich Euch verrate, was sonst niemand weiß? Für wie dumm haltet Ihr mich?«

»Für dumm genug, um Euch selbst zu schaden«, entgegnete Landry brüsk. »Warum wollt Ihr unbedingt eine Märtyrerin aus Euch machen? Haben Euch die Nonnen in Sainte Anne den Kopf vernebelt mit frommen Geschichten darüber? Lasst Euch versichert sein: Die Wirklichkeit sieht anders aus!«

Oliviane schluckte und zog den wärmenden Umhang enger um ihren Körper. »Ihr wisst nicht, wovon Ihr redet! Lasst mich gehen.«

»Ich denke nicht daran!« Landry, ohnehin nicht der Gelassenste, packte sie heftig an den Schultern. Immerhin besaß er aber noch so viel Verstand, sie zwischen die Mauern einer breiten Pechnase zu drängen, so dass man ihre Gestalten vom Hof aus nicht sehen konnte. »In sechs Tagen sollt Ihr Frau Herzogin werden! Seid Ihr so betört von der Aussicht auf diesen Titel, dass jede Vorsicht und Vernunft aus Eurem ehrgeizigen kleinen Schädel verschwunden ist? Gebt ihm diesen verdammten Stein, und erkauft Euch damit Eure Freiheit und Eure Unversehrtheit!«

Oliviane schluckte verblüfft und ließ sich von dem flammenden Blick des Mannes noch mehr beeindrucken als von seinem starken Griff. »Meine Freiheit? Ihr seid verrückt, Landry! Mein Großvater hat diese Ehe arrangiert, und ich habe mein Wort gegeben, dass ich ihm keine Schande machen werde!«

»Gütiger Himmel!« Landry verdrehte in wütender Ungeduld die Augen. »Macht Euch nicht lächerlich! Kein Mensch von Verstand kann verlangen, dass ein Fräulein von Rang einen Wahnsinnigen wie St. Cado zum Manne nimmt, schon gar nicht ein Verwandter. Falls Ihr die erste Woche Eurer Ehe überlebt, habt Ihr gute Chancen, bei der Eroberung von Cado von den Truppen Jean de Montforts massakriert zu werden. Gibt es denn keinen Funken von Scharfsinn in Eurem bildschönen Kopf!«

»Aber Ihr habt mich doch selbst in diese Festung gebracht«, erinnerte ihn Oliviane, die nicht verstand, was ihn zu diesem unkontrollierten Ausbruch trieb.

»Ich hatte keine andere Wahl«, entgegnete er kurz angebunden.

»Ich habe sie auch nicht«, wisperte sie traurig. »Ich musste meinem Großvater bei meiner Ehre schwören, dass ich diesen Mann zu meinem Gemahl nehme.«

»Narretei!«, zürnte Landry, packte sie an den Schultern und schüttelte sie. »Seit wann hat der Schwur einer Frau Bedeutung? Haltet Ihr Euch für einen Ritter? Macht Euch nicht lächerlich, kleine Dame!«

Er brachte es fertig, mit drei simplen Sätzen eine solche Erbitterung in ihr zu entfachen, dass sie sich gewaltsam von ihm losriss und mit dem Fuß aufstampfte.

»Man kann natürlich von einem Halunken wie Euch nicht verlangen, dass er von Dingen der Ehre und des Gewissens weiß. Lasst Euch eines gesagt sein, Herr Söldner: Das Wort einer Oliviane de Rospordon ist vom gleichen Wert wie das eines Herzogs – eines richtigen Herzogs aus edlem Geblüt! Wenn es einmal gegeben wurde, kann man es nicht zurücknehmen – und gelte es das eigene Leben!«

»Weshalb?«, fragte er ungehalten. Ihr Ton brachte ihn mindestens so auf wie ihre Worte. »Weil dich die vermeintliche Macht reizt, die er unter Umständen einmal haben wird? Vielleicht verrechnest du dich, noch ist das Fell des Bären nicht verteilt, auch wenn man über Frieden in der Bretagne spricht! Jean de Montfort gehört keineswegs zu den Männern, die man so einfach besiegt.«

»Redet keinen Unsinn«, gab sie ebenso heftig zurück. »Hätte ich die Wahl, ich würde lieber in der unwohnlichen Burg meines Großvaters als alte Jungfer enden, als mich die Herzogin von St. Cado nennen!«

»Warum zum Teufel verkaufst du dann diese Jungfernschaft an den Herrn dieser Festung?«

»Ich habe es Euch gesagt«, erklärte Oliviane erschöpft. Ihr Zorn war ebenso schnell in sich zusammengefallen, wie er aufgeflammt war. »Weil ich dazu gezwungen wurde, mein Wort zu geben. Weil ich nicht anders kann, als dieses Wort zu halten. Meine Ehre ist alles, was ich besitze. Lasst mich in Ruhe, wenn Ihr es nicht versteht!«

»Bei Gott, ich wollte, ich könnte dir diesen Wunsch erfüllen«, knurrte er mühsam beherrscht. »Ich habe mich redlich darum bemüht!«

Er strich ihr eine vorwitzige Haarsträhne hinter das Ohr. Es war eine Geste von so unerwarteter Zartheit, dass sie kaum eine Berührung spürte. Trotzdem erbebte sie vom Kopf bis zu den Zehenspitzen. Sie vergaß zu atmen.

»Du hast mein Blut vergiftet, Oliviane de Rospordon!«, hörte sie seine Stimme so dicht an ihrem Ohr, dass sie die Bewegung seiner Lippen spürte. »Ich kann nicht essen, nicht trinken, nicht schlafen, nicht kämpfen und nicht denken, ohne dass ich deine Augen vor mir sehe. Ohne dass ich mich frage, wie sich deine seidige Haut unter meinen Fingern anfühlen wird. Ich will mich in dir verlieren, dich mit Haut und Haaren besitzen!«

Oliviane erstarrte unter der unverhüllten, leidenschaftlichen Glut dieses Geständnisses. In der zunehmenden Dämmerung ragte Landrys Gestalt in der kleinen Mauernische gleich einem dunklen Koloss vor ihr auf. Schwarz, gefährlich und so unendlich verheißungsvoll, dass sie gar nicht auf den Gedanken kam, gegen die Tatsache zu protestieren, dass er so ausschließlich von Besitz und Leidenschaft gesprochen hatte und gar nicht von Liebe.

»Ihr seid verrückt«, erwiderte sie tonlos. »Ihr dürft das nicht zu mir sagen!«

»Ich bin verrückt! Verrückt nach dir!«, stimmte er zu und griff nach ihr.

Oliviane sah, wie er die Arme ausstreckte. Sie musste nur zurücktreten, die Nische verlassen. Ihr Herz schlug zum Zerspringen; sie kam sich vor, als stünde sie neben sich selbst. Sie wusste, was sie tun sollte, was sie tun musste, und sie beobachtete sich dabei, wie sie es nicht tat. Wie sie sich in Landrys Arme schmiegte und das Gesicht fragend zu ihm erhob. Wie sie sich selbst, ihr Leben und ihre Sicherheit in seine Hände gab. Wer von ihnen beiden hatte nun den Verstand verloren?

Im Zwielicht des provisorischen Verstecks schimmerte ihr schönes Antlitz wie zartes Elfenbein, und ihre Augen erinnerten an dunkle, verheißungsvolle Teiche. Landry begehrte sie. Er verlangte so sehr nach ihr, dass sein ganzer Körper vor Anspannung schmerzte. Je mehr er dagegen ankämpfte, desto schlimmer wurde es. Er beugte sich über den bebenden Mund, und sein leidenschaftlicher Kuss besiegelte ihre Niederlage.

Ja, Oliviane kapitulierte. Die überwältigenden Empfindungen, die sie bei diesem Kuss überfielen, entlockten ihr unter seinem Mund ein unterdrücktes heiseres Stöhnen, das Landrys Sinne erst recht betörte. Da war keine Auflehnung mehr in der zärtlich biegsamen Gestalt, die er in den Armen hielt.

»Komm!«

Oliviane begriff nicht, was er von ihr wollte. Seine Küsse machten sie willenlos. Oliviane wollte nichts mehr sehen als den Blick seiner Augen, sie wollte nichts mehr spüren als die Berührung seiner Arme. Sie wurde zu Wachs in seinen Händen.

»Komm mit!«, wiederholte er noch eindringlicher und zog sie durch den sinkenden Nebel und die Dunkelheit die Zinnen entlang zum nächsten Turm.

»Wohin ...«

»Schscht! Gleich ...«

Oliviane stolperte über einen vorstehenden Stein und wäre gefallen, hätte Landry sie nicht festgehalten. In ihrem Kopf drehte sich alles, und die Nacht tat ein Übriges, um ihr die Orientierung zu rauben. Sie merkte nicht, dass er sich mit misstrauischen Augen umsah. Sie wusste nichts von dem Stoßgebet, mit dem er den Himmel anflehte, ihnen nicht ausgerechnet jetzt einen der Wachposten über den Weg zu schicken, die auch in dieser Nacht ihren Dienst versahen,

Oliviane hatte erst ein einziges Mal den Wachgang auf den Zinnen betreten. Sie hatte keine Ahnung, wohin sie der Weg führte, den sie hastig entlanggezogen wurde, geschweige denn wusste sie, was sie von dieser unverhofften Entführung halten sollte, die ebenso jäh, wie sie begonnen hatte, mit einem Mal in undurchdringlicher Finsternis endete. Sie spürte die Mauern, die sie umgaben, ohne sie zu sehen. Die dumpfe Feuchtigkeit alter Steine und der Moderhauch vergessenen Strohs waren unverkennbar.

»Wo sind wir hier?«, wisperte sie erschrocken und klammerte sich Halt suchend an Landrys Arm, der ihr wie der einzige Fixpunkt in einer fremden Welt erschien, in der sie nur noch fühlen konnte.

»Im Söller der ehemaligen Burgherrin«, erhielt sie zur Antwort. »Warte einen Augenblick, es gibt hier irgendwo einen Leuchter mit Kerzen. Ich muss nur den Feuerstein finden!«

Olivianes Herz überschlug sich. Was hatte das alles zu bedeuten? Ava würde sie vermissen, wenn sie zu lange ausblieb! Sie hatte nur ein paar Augenblicke auf den Zinnen allein sein wollen, allein in der frischen Luft, den endlosen weiten Himmel über sich und nicht von den Wänden ihrer Kammer eingeschlossen, die von Blut und Jagd erzählten.

»Dort oben ist um diese Zeit keine Seele«, hatte Ava ihr versprochen. »Die Wachen sind über dem Haupttor postiert, denn in diesem Nebel würde nicht einmal ein Feind den Weg finden. Ihr könnt unbesorgt ein paar Schritte tun, ich werde auf Euch warten ...« Wie unbesorgt, das merkte sie erst jetzt.

»Was soll das? Was wollt Ihr von mir?«, versuchte sie, zu ihrer alten Selbstsicherheit zurückzufinden.

Die erste Kerze flammte auf, eine zweite folgte, die ebenso nervös flackerte. Schatten tanzten über grobe Steine, in deren Fugen grünlicher Schimmel wuchs. In den undefinierbaren Resten von Stroh und Unrat zu ihren Füßen raschelten aufgestörte, tierische Bewohner, von denen Oliviane lieber nichts Näheres wissen wollte. Neben den länglichen, engen Fensterhöhlen standen ein schwerer Eichentisch und ein dreibeiniger Hocker. Bis auf ein grobes Bettgestell aus gehobelten Brettern, auf dem ein durchgelegener Strohsack lag, war der runde Raum, der sich genau der Form des Turmes anpasste, leer.

Fröstelnd kuschelte sich Oliviane enger in ihren wärmenden Umhang. Sie hatte Angst. Es war eine andere Angst als jene, die sie vor Paskal Cocherel und der Zukunft empfand, aber doch eine Bangigkeit, die ihr Denken und Handeln auf seltsame Art lähmte. Sie begann sich selbst zu misstrauen.

Ein Geräusch aus den Dachsparren ließ sie nach oben sehen. Ein paar Tauben drängten sich dort aneinander und gaben leise, missbilligende Laute von sich. Trotz aller Sorge rümpfte sie die Nase über die Kotflecken, die überall im Raum davon Zeugnis ablegten, dass dies seit langem nur mehr das angestammte Zuhause der Vögel war.

»Der Söller der Burgherrin?«, wiederholte sie argwöhnisch. »Was ist aus der Dame geworden? Hat der Herzog sie mitsamt ihren Damen in Tauben verwandelt?«

»Sie fand den Tod wie alle anderen, als Paskal Cocherel diese Festung vor einem guten Dutzend Jahren eroberte«, berichtete der Schwarze Landry, ohne auf ihren spöttischen Ton einzugehen. »Die Leute aus dem Dorf glauben immer noch, dass die fromme Dame in hellen Nächten hier oben spukt. Deswegen wagt sich auch niemand herauf. Du kannst unbesorgt sein, wir sind in Sicherheit.

Unbesorgt? Jäher Zweifel stieg in Oliviane auf, während sie im unruhigen Kerzenschein den Mann musterte, der vor ihr aufragte. Dass er sie mit der ungenierten Vertrautheit eines guten Freundes duzte, verringerte den natürlichen Abstand zwischen Edelfrau und Abenteurer auf gefährliche Weise. Er kam ihr in Worten und Taten zu nahe. Viel zu nahe!

Sie versuchte, ihn wie einen völlig Fremden zu taxieren. Ihre Augen wanderten von den Reitstiefeln bis hinauf zu dem dichten, schwarzen Schopf, der so aussah, als wäre er aus lockigem nachtdunklen Fell gemacht. Sein wild wuchernder Bart, der die Hälfte seines Gesichts bedeckte, faszinierte sie ebenso, wie er sie beunruhigte. Oliviane wurde das Gefühl nicht los, dass er wie ein Jäger auf den richtigen Moment lauerte, an dem seine Beute die erste Schwäche zeigte – eine Schwäche, wie eben auf dem Wehrgang.

Ohne dass ihr die Bewegung bewusst wurde, wich sie an die Wand zurück, bis ihre Schultern die feuchten Quader berührten.

»Was wollt Ihr von mir?«, flüsterte sie mit bebenden Lippen.

»Das fragst du noch?«, wunderte er sich und kam zu ihr. Er stemmte die muskulösen Arme links und rechts neben ihrem Kopf gegen die Wand, so dass sie zwischen den Steinen und seinem Körper ausweglos gefangen war. Als er sprach, streifte sein Atem ihre Wangen. »Dich will ich!«

Olivianes Protest erstickte in einem Kuss. Sie konnte sich nicht einmal mehr darüber wundern, welch verheerende Magie seine Lippen auf sie ausübten. Die Berührung machte sie ganz und gar wehrlos und erweckte gleichzeitig all ihre Sinne. Sie drängte sich suchend an ihn, schlang die Arme um seinen Nacken und stellte sich auf die Zehenspitzen, um so eng mit ihm zu verschmelzen, dass sie nicht mehr wusste, wo sein Körper aufhörte und der ihre begann.

Ein sehnendes Fieber, das das Blut in ihren Adern erhitzte, erfasste mit solcher Gewalt ihren Körper, dass sie leise aufstöhnte. Instinktiv wusste sie, dass dieses Verlangen nur von Landry gestillt werden konnte. Dass er die Medizin war, die die quälende Sehnsucht in Wonne verwandeln würde.

Verzaubert, aber auch ein wenig verblüfft über ihr leidenschaftliches Entgegenkommen, spürte der Schwarze Landry, dass sie ihn immer tiefer in den Strudel dieser Leidenschaft hineinzog. Es war eine Sache, aus der Distanz die kühle Geschäftsmäßigkeit dieser Frau zu rügen, mit der sie eine Ehe einging, aber eine ganz andere, dieses betörende Geschöpf warm und lebendig in den Armen zu halten. Der sinnliche Druck ihrer festen Brüste und die seidigen, vollkommenen Lippen wirkten auf Landrys Sinne wie ein Gift, das jede Vernunft auslöschte.

Sachte drängte er sie auf den einfachen Strohsack, der zwar nicht bequem, aber doch leidlich sauber war, weil Landry von Fall zu Fall die Einsamkeit dieser Zuflucht schätzte. Anmutig und geschmeidig sank Oliviane auf das grobe Lager. Ihr Umhang klaffte auf, und darunter wurde ein mit Pelz abgesetztes, königsblaues Samtkleid sichtbar, das sie über einem Untergewand aus hellblauer, silberbestickter Seide trug.

Der herzförmige Ausschnitt enthüllte den Ansatz ihres vollkommenen Busens, dessen blasse Haut im Kerzenschein lockend schimmerte. Landrys sehnige Hände streichelten begehrlich ihre festen Brüste, und der kaum hörbare Seufzer, mit dem Oliviane auf diese kühne Zärtlichkeit antwortete, verriet Hingabe und Sehnsucht.

»Wie schön du bist, meine Kleine!«, raunte der Schwarze Landry bewundernd.

Oliviane kam sich in seinen Armen tatsächlich klein und schutzbedürftig vor. Das Blut rauschte in ihren Adern, und ihre Brüste schienen unter der Berührung seiner Hand größer zu werden. Die empfindsamen Spitzen verhärteten sich, und Oliviane hatte das Gefühl, als strömte von dort aus reines Feuer in einem tosenden Fluss durch ihren Körper. Um so mehr, als sie spürte, dass plötzlich kein Stoff mehr zwischen seinen Händen und ihrer Haut war.

Landrys kräftige Finger lagen rau und gleichzeitig erregend fest um ihren Busen. Die Schwielen auf seinen Handflächen, die vom Gebrauch der Zügel und des Schwertes herrührten, rieben über die Knospen ihrer Brüste und riefen in Oliviane süße, nie gekannte Empfindungen wach, die sie nach einer Steigerung fiebern ließen. Leise und sehnsüchtig seufzte sie auf.

»Lass dir helfen, komm ...«

Oliviane wehrte sich nicht, als er die Schlaufen und Bänder ihres Gewandes löste. Die Geschicklichkeit, mit der er dabei vorging, verriet, dass er über eine reiche Erfahrung auf diesem Gebiet verfügte, doch dieser Gedanke kam Oliviane nicht. Sie war viel zu verstört über den eigenen Wunsch, dass es schneller gehen sollte, viel zu verwirrt von ihrem Hunger nach seinen Berührungen, nach seiner Nähe. Schon glitt das Gewand über ihre Schultern, Hemd und Strümpfe folgten.

Die alabasterfarbenen Linien ihres makellosen Körpers, dessen erregende Konturen sich hell von dem seidenweichen Biberpelz abhoben, wurden durch das Futter des Umhangs noch betont. Die Kerzenflammen warfen zudem schimmernde Reflexe auf ihre samtige Haut. Wäre da nicht die rötliche, fingerbreite Narbe zwischen ihren herrlichen Brüsten gewesen, Landry hätte Oliviane für eine jener künstlerisch vollkommenen Statuen gehalten, welche man manchmal an Orten fand, an denen vor Hunderten von Jahren die Villen römischer Besatzer gestanden hatten.

Doch was Landry am meisten berührte, waren ihre Augen, in denen er ein scheues unschuldiges Staunen las. Er hatte sie überrumpelt, aber er fühlte nicht die geringste Reue. In dieser Nacht zwischen den Jahren hatte er das Gefühl, auch zwischen die Fronten und die Zeiten geraten zu sein. Der Nebel umgab den Söller und verbarg ihn vor der Welt. Sie waren allein.

Oliviane begriff nicht, was hinter Landrys Stirn vorging, aber sie erkannte die grenzenlose Bewunderung in seinem Blick. Sie fühlte die Sanftheit seiner Berührungen und genoss die Küsse, unter denen sie seufzend erbebte. Seine Zunge zeichnete die Kurven ihrer Wangenknochen nach, umschmeichelte den feinen Schwung ihrer Lippen und berührte spielerisch die harten Brustwarzen, die sich ihm sehnsuchtsvoll entgegenreckten.

Die junge Frau vergaß unter dem erregenden Spiel seines Mundes und seiner Hände alles um sich herum. Sie nahm weder das leise Gurren der Tauben noch das Rascheln des Strohs wahr. Alles verlor an Bedeutung, es gab nur noch Landry und seine Zärtlichkeiten, die ihren Körper in einen Rausch versetzten und in ihr ein nie gekanntes Begehren weckten. Denn wie von selbst fanden Landrys Lippen und Hände jene Stellen, die am meisten nach seinen Berührungen verlangten und die beinahe vor Sehnsucht schmerzten.

»Ah, wie wundervoll samtig du bist, meine stolze Kleine!«

Landrys Fingerspitzen suchten sich einen Weg durch das weiche Nest blonder Löckchen zwischen ihren Schenkeln. Sie war so sehnsüchtig leidenschaftlich, wie er es von einer Jungfrau nie erwartet hätte. Denn dass sie dies war, hatte Paskal Cocherel triumphierend und lautstark selbst dem letzten Knecht in dieser Festung verkündet. Eine adelige Jungfrau in Cado, das rechnete er sich als persönliches Verdienst an.

Der unvermittelte Gedanke an den Herzog von St. Cado riss den Schwarzen Landry gewaltsam aus seinem zärtlichen Traum. Für einen Moment richtete er sich auf und sah auf das bezaubernde, atemlose Mädchen hinab, das sich ihm in ungezügelter Leidenschaft entgegendrängte. Nein, er sollte sie nicht bekommen!

»Er wird dich nicht bekommen, zumindest nicht so, wie er sich das erhofft!«, flüsterte Landry, und in seine Begierde mischte sich die sonst so sorgsam gebändigte Wut, die er auf Paskal Cocherel empfand. »Du gehörst mir! Hörst du?«

Mit einem einzigen mächtigen Stoß drang er in sie ein, so unvermutet und heftig, dass Oliviane leise aufschrie und der scharfe Schmerz, den sie verspürte, in der Verblüffung über diesen unerwarteten Überfall beinahe unterging.

Oliviane rang nach Luft und riss die Augen weit auf, als sie etwas spürte, was sie den kurzen Schmerz sofort vergessen ließ. Sie fühlte ihn in sich, groß, kraftvoll und heiß, und sie konnte nichts tun – und wollte es auch gar nicht –, als sich ihm und dem, was er mit ihr vorhatte, ganz zu überlassen.

Erschrocken über die eigene Eile, verharrte er einen Moment in der Bewegung, und dieses Zögern machte sie so unruhig, dass sie sich unter ihm sacht zu bewegen versuchte, bis Landry ihr nachgab, sich halb entfernte und dann erneut in sie eindrang.

»Oh!«, murmelte Oliviane, und es klang ebenso verwundert wie erstaunt.

Sie merkte, wie sich die seidigen Muskeln ihres Schoßes unter dem neuerlichen Reiz ganz von selbst zusammenzogen, um ihn zu umfangen und tiefer und tiefer in sich aufzunehmen. Instinktiv fand auch sie den Rhythmus der Liebe, und jede Bewegung trug sie höher, weiter weg von der Realität, hin zur Glückseligkeit. Schweißperlen glitzerten auf ihrer Haut, während sie sich an seine breiten Schultern klammerte und eine Welle höchster Sinnenlust ihren Körper erzittern ließ – pure, unbändige Lust, die ihr Echo in den heftigen Zuckungen des Mannes fand, der seinen Samen in sie ergoss.

Ich sterbe! waren die letzten zusammenhängenden Worte, die Oliviane denken konnte, dann riss die Woge der Verzückung sie mit sich fort. Sie gab sich ganz dieser wundervollen Ekstase hin und wusste nicht, dass sie auch ihm einen Rausch schenkte, der ihn für immer in ihre Hand gab.

Der Schwarze Landry sank über ihr zusammen. Erschöpft und bis in die Tiefen seiner Seele berührt, deren Existenz er bisher höchst erfolgreich verleugnet hatte.