Siebzehntes Kapitel

»Wie sind Sie eigentlich an meine Nummer gekommen?«, fragte Thorne.

Alison Kelly stellte ihr Glas ab und strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr. »Steht sie auf Ihrer Karte?«

Thorne schüttelte lächelnd den Kopf. Wie seine Kollegen hatte er eine Karte von der Metropolitan Police. Darauf standen die Adresse des Becke House sowie Telefon- und Faxnummer im Büro. Das Ganze garniert mit einem blauen Schriftzug: »Working for a safer London«. Daneben war noch Platz, um eine Handy- oder andere Nummer zu notieren.

»Ich schreibe nie meine Telefonnummer auf«, sagte Thorne. »Und aus dem Telefonbuch können Sie sie auch nicht haben.«

Sie gab nichts preis.

»Sie haben meine Nummer über denselben Weg herausgefunden wie den Rest, stimmt’s?«

Sie saßen in einer Ecke des Spice of Life am Cambridge Circus. Alison hatte einen großen Gin Tonic vor sich stehen, Thorne ein Guinness, das ihm schmeckte. Die Kneipe war mit Unmengen rotem Samt ausgeschlagen und voll gepfropft mit Messing und nervtötend gesund aussehenden skandinavischen Touristen.

Thorne riss ein Päckchen Chips auf und nahm eine Hand voll. »Ich bekomme wohl keine direkte Antwort?«

»Ich war bis zu meinem vierzehnten Lebensjahr die Tochter eines Gangsters«, sagte sie. »Dann änderte sich alles. Alles. Dad ließ das alles hinter sich und nahm uns zusammen mit einem Riesensack seines geschmacklosen Geldes mit. Verbrachte den Rest seines Lebens damit, Golf zu spielen und im Wintergarten Kreuzworträtsel zu lösen. Ein paar Jahre später waren Billy und ich zusammen, aber als die Ehe vorbei war, war ich vollkommen draußen. Ich war ganz aus diesem Leben draußen, so wollte ich es. Die Mafia kannten Mum und ich nur vom Fernsehen, und ich war nur eine einfache Rechtsanwaltsgehilfin mit einem Privatschulakzent und einem Pferd. Jetzt bin ich eine etwas besser bezahlte Rechtsanwaltsgehilfin mit einem nicht mehr ganz so hörbaren Akzent, und ein Pferd besitze ich nicht mehr. Und ich bin noch immer draußen. Aber …«

»Aber?«

Lächelnd griff sie nach ihrem Drink. »Ich habe noch immer ein paar Freundinnen, die absolut drinnen sind.« Sie leerte ihr Glas. »Ein paar Mal im Jahr treffen wir Mädels uns und machen uns einen netten Abend. Sie wissen, wie das läuft – nettes Restaurant, jede Menge Alkohol, und ich jammere über die Arbeit, und sie jammern darüber, wie lange ihre Männer und Freunde im Knast sitzen.«

»Klingt ja richtig gemütlich …«

»Eine oder zwei kennen vielleicht den einen oder anderen Polizeibeamten ganz gut und können um einen Gefallen bitten. Es gibt Schwierigeres, als die Telefonnummer eines Bullen rauszufinden.«

»Das sollte mich schockieren«, sagte Thorne, »aber ich muss ständig an die nächste Runde denken.«

Sie griff nach Thornes leerem Glas und schob den Stuhl zurück. »Dasselbe noch mal?«

Während der nächsten Stunde redeten sie darüber, wie schwer es sei, die Erwartungen anderer zu erfüllen oder nicht zu erfüllen – ein Thema, über das sie beide etwas zu sagen wussten.

Thorne gestand ihr, dass er, wenn er der Typ wäre, der tat, was man von ihm erwartete, oder wenigstens, wozu man ihn ermutigte, nicht hier mit ihr bei einem Glas säße.

Alison erzählte Thorne von ihrer Weigerung, nichts zu arbeiten und sich mit dem Geld ihres Vaters ein schönes Leben zu machen. Sie erzählte ihm, wie sie ihre Mutter auf die Palme gebracht hatte, weil sie sich von ihr keinen Laden kaufen lassen wollte.

»Hört sich ganz so an, als ob Sie versuchten, sich zu distanzieren«, sagte Thorne. »Von dem Geld. Als glaubten Sie, es sei dafür verantwortlich, was mit Jessica geschah.«

Eine leichte Röte überzog ihr blasses Gesicht. »Wäre mein Dad nicht der gewesen, der er war, das gewesen, was er war, dann wäre das nicht passiert. Das ist eine Tatsache …«

Sie nahmen beide einen Schluck, um die kurze Pause zu überspielen, die sich daran anschloss. Inzwischen trank sie Weißwein. Thorne trank ein weiteres Guinness.

»Warum haben Sie Billy Ryan geheiratet?«, fragte er.

Sie dachte kurz darüber nach. Die Stimmen der neuesten Boygroup aus der Jukebox in der Bar nebenan überlagerten die üblichen Pubgeräusche, das Geplauder und Gelächter.

»Das hört sich an wie ein Scherz«, sagte sie. »Aber damals schien es eine gute Idee.«

»War er … Mitte dreißig?«

»Älter. Ich war erst achtzehn.«

»Wer zum Teufel hat das dann für eine ›gute Idee‹ gehalten?«

Sie lächelte. »Meine Mum schon mal nicht. Sie fand, der Altersunterschied sei zu groß. Billys Sohn war schließlich nur zehn Jahre jünger als ich. Aber Dad war ganz dafür. Ich glaube, es gab mehr Leute, die das für eine prima Idee hielten, ein paar von den alten Jungs, die schon länger dabei waren. Obwohl Dad damals schon einige Jahre draußen war und Billy den Laden schmiss, glaubten einige, das sei eine gute Möglichkeit, um … eine Brücke zu bauen oder was in der Richtung. Die alte Garde und die neue Garde.«

»Das hört sich an, als sei das arrangiert gewesen.«

Sie schüttelte den Kopf. »Ich wünschte, ich hätte diese Entschuldigung. Ich würde gerne sagen, ich heiratete ihn, um alle glücklich zu machen. Mir war klar, dass das bis zu einem gewissen Grad auch so war. Aber die Wahrheit ist einfach, ich liebte ihn.« Sie hielt inne, schien aber noch etwas sagen zu wollen. Sie suchte nach den richtigen Worten. »Er hatte etwas Beeindruckendes damals.«

Thorne dachte an den Billy Ryan, den er erst vor kurzem gesehen hatte. Nicht wenige würden ihn noch immer als beeindruckend beschreiben, aber als liebenswert?

»Was ging schief?«

Sie nahm einen großen Schluck Wein. »Nichts … eine Weile. Na ja, ich meine, ich kam nie klar mit Stephen, der schon damals ein richtiger kleiner Mistkerl war, aber das war nicht das Problem. Das Problem war Billy. Er hatte zwei Seiten …«

Thorne nickte. Er kannte eine Menge Leute mit ungeahnten Seiten …

»Da war eine Seite«, sagte sie, »die wollte nur Spaß haben. Er mochte es, wenn uns Freunde besuchten oder wir auf Partys gingen. Er nahm mich in die ganzen Clubs mit. Es gefiel ihm, sich schick anzuziehen und sich in der Gesellschaft von Schauspielern und Popstars zu brüsten. Er liebte es …«

»Ich wette, die Schauspieler und Popstars standen genauso drauf.«

»Doch wenn wir allein waren, konnte er vollkommen anders sein. Wenn niemand dabei war, nur er und ich und eine Flasche Wein oder was auch immer, dann ging er auf mich los. Vielleicht hatte er auch da Spaß, keine Ahnung …«

Ein Schatten legte sich über ihre Augen, und Thorne wusste, was sie meinte. Ihm fielen die Füße ein, die so zierlich wirkten in den auf Hochglanz polierten Schuhen, aber auch Ryans gewaltige Schultern unter dem Blazer.

Zwei Seiten. Der Tänzer und der Boxer.

»Nicht der dümmste Grund, um jemanden zu verlassen«, meinte er.

»Er hat mich verlassen.«

»Stimmt …«

»Er sagte, er könne nicht mit den ganzen Problemen umgehen, die ich mit mir rumschleppe. Der Kram mit Jess, über den ich nicht hinwegkam.«

Thorne musste bewusst an sich halten, dass ihm die Kinnlade nicht nach unten klappte. Probleme? Kram? Das war alles eine direkte Folge dessen, was ihr Ehemann getan hatte.

Alison sah Thornes Miene und hielt es für einen Ausdruck milder Überraschung. »Ich hatte immer wieder ziemlich extreme Stimmungsschwankungen. Billy war nicht gerade eine Stütze. Er sagte immer nur, ich sei neurotisch, bräuchte Hilfe. Er meinte, ich würde mich selbst hassen und man könne es nicht mit mir aushalten. Ich müsste unbedingt darüber hinwegkommen, was damals auf dem Schulhof passierte.«

Als ein von Billy Ryan bezahlter Mörder zu ihrer Schule gekommen war, um sie umzubringen. Als ihre beste Freundin vor ihren Augen in Flammen aufging.

»Nein«, sagte Thorne. »Nicht gerade eine Stütze.«

Sie schwenkte den letzten Schluck Wein im Glas. »Er hatte natürlich Recht damit, dass ich Hilfe brauchte. Aber nach den paar Jahren mit Billy brauchte ich noch viel mehr Hilfe. Dafür ging ein Teil des Geldes drauf, das mir meine Mum damals gab. Ich schmiss eine Menge Geld aus dem Fenster, um fremde Leute dafür zu bezahlen, mir zuzuhören. So viele Enttäuschungen für fünfzig Pfund die Stunde.«

Thorne starrte sie an.

Ihre Augen wurden groß, als sich ihre Blicke trafen. »Aber jetzt geht es mir gut«, sagte sie.

»Das ist schön.«

Sie leerte ihr Glas und schnitt eine Grimasse. Das war zwar nicht sonderlich komisch, aber Thorne lachte dennoch.

Sie stellte das Glas auf den Tisch zurück und fasste nach ihrer Handtasche. »Gehen wir etwas essen …«

 

Rooker starrte hoch zu der Spinne an der Decke und wünschte sich, es wäre lauter. Es war immer laut im Gefängnis, immer. Fünfhundert Männer machten selbst im Schlaf einen Heidenlärm. Tagsüber konnte das die Schmerzgrenze überschreiten. Das Getrampel in den Gängen und auf den Treppen, das Klirren von Metalleimern und Schlüsseln, das Stimmengehall von Zelle zu Zelle, von Stockwerk zu Stockwerk. Selbst das winzigste Geräusch – eine Gabel auf einem Teller, ein Stöhnen in der Nacht – klang laut und aggressiv. Als hätte die Wut, die überall zu spüren war, irgendwie die Luft selbst verändert, sodass sie durchlässiger wurde für den Lärm, ihn besser trug. Verzerrt, ohrenbetäubend. Man gewöhnte sich daran. Rooker hatte sich daran gewöhnt.

Doch hier war es totenstill.

Selbst die relative Ruhe im Trakt für gefährdete Häftlinge war eine Kakophonie gegen das hier. Die Neuankömmlinge dort machten einen ganz eigenen Lärm. Und die alten Knacker, die sie am Hals hatten, genauso. Sie steckten die alten Typen immer in den Gefährdeten-Trakt. Die mit den Schlaganfällen und die Alzheimerkandidaten, die nicht mehr allein zurechtkamen. Die stellten kein Problem dar, zumindest die meisten nicht, aber wehe, wenn es dunkel wurde. Dann fing das Räuspern und Husten an, und er hätte ihnen am liebsten ein Kissen auf ihre teigigen, schiefmäuligen Gesichter gedrückt.

Doch nun fehlte ihm genau das. Die Stille hielt ihn wach.

Er musste lächeln. In ein paar Wochen, wenn er rauskam, würde es Lärm genug geben. Wenn alles vorbei und er zu Hause war, wo immer das sein würde. Es würde still sein, wenn ihm danach war, und er würde Geräusche hören, die er sehr lange nicht gehört hatte. Den Lärm von Verkehr, Pubs und Fußballstadien.

Wenn alles vorbei war …

Die Gespräche mit Thorne und den anderen machten ihn fertig. Vor allem Thorne hatte so eine Art, ihn anzugehen, ihn ständig zu bedrängen, bis dieses ganze Erinnern und ständige Wiederholen ihn elend machte. Klar gehörte das dazu und war die Mühe wert, aber er hatte vergessen, wie sehr er sie hasste. Selbst wenn man ihr half, auf ihrer Seite stand, verhielt sich die Polizei wie ein Haufen Halbaffen.

Da war ein mittlerweile vertrautes Flattern im Magen, das er immer spürte, wenn er über das Leben draußen nachdachte. Fühlte sich an wie aufsteigende Panik. Er hatte sich so lange ausgemalt, draußen zu sein, und jetzt, da es in greifbarer Nähe war, merkte er, dass er sich deshalb beinahe in die Hosen machte. Er kannte eine Menge Knastbrüder, die weitaus kürzer gesessen hatten als er und sich draußen nicht mehr zurechtfanden. Die meisten waren nach einem Jahr kaputt vom Alkohol oder anderen Drogen. Manche bettelten geradezu darum, wieder ins Gefängnis zu dürfen, und sorgten schließlich dafür, dass ihr Wunsch Wirklichkeit wurde.

Es würde nicht einfach werden, das war ihm klar, aber wenn er Ryan vom Hals hatte, hatte er zumindest eine Chance. Hatte er die Zeit, sich wieder einzuleben.

Wenn ihn einmal Zweifel plagten und er sich Gedanken darüber machte, ob er seine Meinung nicht ändern und Thorne und die anderen zum Teufel wünschen sollte, dann brauchte er nur an den Abend im Epping Forest zu denken, eines der letzten Male, als ihm Ryan über den Weg gelaufen war. Er brauchte sich nur an Ryans Blick zu erinnern.

Er hatte Angst davor, rauszukommen, aber vor Billy Ryan hatte er noch mehr Angst.

Rooker drehte sich auf die Seite zur Wand und krümmte sich dabei vor Schmerz. Seine Bauchwunde war noch immer nicht abgeheilt. Wenn er es sich überlegte, zog er den Schmerz der Panik vor. Trotz allem beschloss er, ein bisschen zu telefonieren, wenn er draußen war und der Wirbel sich gelegt hatte. Er würde ein, zwei Gefallen einfordern und diesen Scheißer Fisher erledigen lassen.

 

Thorne sah hinüber zu dem Wecker auf seinem Nachtkästchen. Zehn Minuten nach fünf Uhr früh. Nur zehn Minuten waren vergangen, seit er das letzte Mal geguckt hatte.

Er drehte sich auf die andere Seite und betrachtete Alison Kelly, wie sie schlief.

Sie bekam nichts mit von der Welt und hatte sich kaum bewegt, seit sie das zweite Mal weggedöst war. Das Glück würde ihm verwehrt bleiben. Er hatte kaum ein Auge zugetan, seit ihn das Schluchzen vor drei Stunden geweckt hatte.

Er betrachtete, wie sie schlief, und dachte darüber nach, was er ihr gesagt hatte.

Eine Weile lang hatte er kein Wort aus ihr herausgebracht. Jeder Versuch, etwas zu sagen, wurde erstickt durch ein Beben in ihrer Brust, das ihren ganzen Körper erfasste. Er hatte sie in die Arme genommen, bis sie sich etwas beruhigte, und ihr zugehört, als es draußen hell zu werden begann und die Tränen auf seinen Armen und seinem Hals trockneten.

Sie hatte einige der Fragen gestellt, die er bereits kannte, und andere, die er in ihren Augen gesehen hatte, als sie von ihrer Vergangenheit erzählte. Ihr Flüstern und ihre Schluchzer verrieten eine Verzweiflung, wie er sie nur von Menschen kannte, die um jemanden trauerten, oder von den Eltern vermisster Kinder.

Was hätte sie anders machen können?

Warum brannte Jessica?

Wann würde sie je dieses Gefühl los, selbst zu brennen?

Also hatte Thorne sie festgehalten und ihr schließlich die einzige Antwort gegeben, die er darauf hatte, in der Hoffnung, dass sie ihr als Antwort auf all ihre Fragen genügte.

Die Tränen waren danach schnell ausgeblieben, und sie schien plötzlich so müde zu sein, dass sie nicht einmal mehr den Kopf halten konnte. Langsam war sie auf das Kopfkissen gesunken. Sie hatte das Gesicht von ihm abgewandt, und Thorne hatte keine Ahnung, wie lange sie so dalag und seine Schlafzimmerwand anstarrte. Es wäre falsch gewesen, sie zu fragen, selbst flüsternd zu fragen, ob sie noch wach war.

Jetzt lag er da, starrte seine billige Lampe an und war sich nicht einmal sicher, warum er es ihr gesagt hatte. Vielleicht lag es daran, wie sie im Pub über Ryan gesprochen hatte. Vielleicht aus einem einfachen Wunsch heraus, ihr etwas zu geben. Oder aus dem Glauben an die positive Wirkung des Faktischen, seine Kraft, die Flammen von Zweifel und Schuld zu ersticken. Was immer der Grund dafür war, er hatte es getan. Thorne war klar, er hatte sich in fremdes Terrain vorgewagt, und er war sich nicht sicher, was er davon halten sollte.

Da er ohnehin nicht mehr einschlafen konnte, stand er auf und ging zur Tür. Er stand an Alisons Seite und sah hinunter auf ihr Gesicht. Nur das halbe Gesicht war zu sehen, blass in einem Keil trüben Lichts, das durch den Spalt zwischen den Vorhängen ins Zimmer floss. Die andere Hälfte lag im Dunkel, Schatten fiel darüber, einer Narbe gleich.

 

6. Juni 1986

Heute sind wir alle zusammen zu einem Pub auf dem Land gefahren. Das Wetter war so schön, dass man draußen sitzen konnte. War eine super Idee. Drinnen war es ohnehin proppenvoll, und ich wollte niemandem den Appetit verderben. Ich glaube nicht, dass ich in größerer Gesellschaft je der Hit sein werde.

Mum und Dad erlaubten mir, ein kleines Bier zu trinken. Noch ein Grund, draußen zu sitzen!

Die Wespen waren die Pest. Das Essen lockte sie an, und jeder war angenervt. Ich verhielt mich ganz still, weil ich wollte, dass sich eine auf mich setzt. Auf die Narbe setzt. Ich wollte wissen, wie sich das anfühlt und ob ich es überhaupt spüre. Aber Dad fuchtelte herum und fluchte, und keine kam in meine Nähe.

Dad hatte seine neue Kamera dabei und war nicht davon abzuhalten, ständig zu fotografieren. Wir lächelten beide wie immer, als ob alles ganz normal wäre, und ich tat so, als ob ich kein Problem damit hätte, um es Dad nicht zu vermiesen. Später machte ich einen Witz über die Frau in der Drogerie, dass sie sicher einen Schock bekommt, wenn sie die Fotos entwickelt. Mum hat das nicht so gut verkraftet.

Ali rief später an. Erzählte, dass sie sich aufbrezeln muss, um bei so einer schnöseligen Party ihrer Eltern mitzuhelfen. Sie sagte, ihr graut richtig davor. Sie sagte, wahrscheinlich sitzt ein Haufen abgebrühter Verbrecher herum und versucht, Konversation zu machen und Salzstangen zu knabbern. Ich musste lachen und hätte es gern jemandem erzählt, aber Mum und vor allem Dad haben noch immer ein echtes Problem mit allem, was Ali und ihre Familie angeht. Ich erzähle ihnen nicht einmal, wenn ich mich mit Ali außerhalb der Schule treffe.

Beschissener Moment des Tages

In dem Garten vor dem Pub saß ein paar Meter von uns eine Familie an einem dieser Holztische mit angeschraubten Bänken. Sie hatten einen Jungen in meinem Alter dabei und ein vier oder fünf Jahre altes Mädchen.

Die Kleine starrte mich an, konnte gar nicht mehr wegschauen. Ich schnitt Grimassen. Ich rollte die Augen und steckte die Zunge hinter die Unterlippe. Ich versuchte sie zum Lachen zu bringen, aber sie hatte nur Angst.

Glücksmoment des Tages

Ich war nach dem Abendessen in der Küche, und das Radio lief. Mum war draußen im Garten und rauchte eine, Dad trocknete das Geschirr ab. Sie brachten die neue Single von den Smiths, und ich sang mit. Ich fuchtelte mit den Armen wie Morrissey und wimmerte mit einer dämlich hohen Stimme und alberte einfach so rum. Als die Stelle mit Joan of Arc kam und ich meinte, dass ich weiß, wie sie sich fühlte, sah Dad zu mir herüber mit dem Geschirrtuch in der Hand. Einen kurzen Augenblick lang sagte keiner was, und dann prusteten wir beide los.