Sechzehntes Kapitel

Ein einziges Wort war mit Filzstift auf das weiße Brett geschrieben.

UMIT.

»Das bedeutet Hoffnung«, sagte Tughan. »Auf Türkisch …«

Rundum verlegene Blicke und Fußscharren. Thorne dachte an die Leute, die in diesem Anhänger gewesen waren. Wenn die sich nun in Billy Ryans Händen befanden, waren sie mit ihrer Hoffnung am Ende, das war so gut wie sicher.

Es war Samstagvormittag, der Tag, nachdem sie den verlassenen Lastwagen entdeckt hatten. Das SO7-Team hatte sich im Becke House eingefunden, um sich mit dieser jüngsten Entwicklung auseinander zu setzen. Dabei wurde das Gefühl von Frustration immer stärker.

»Die Zollbehörde ist bereits an der Sache dran«, sagte Tughan. »Sie wissen noch nicht, was dabei alles für sie rauskommt, wahrscheinlich wesentlich mehr als für uns.«

Thorne stand mit Russell Brigstocke und den anderen aus seinem Kernteam – Kitson, Stone, Holland und ihren SO7-Kollegen – in einer Ecke der Einsatzzentrale. Sie sahen Tughan dabei zu, wie er ein Loch in den Teppich vor seinem Schreibtisch zu laufen schien.

Wochenende hin oder her, es gab immer Leute, die zu keinen Zugeständnissen im Kleidungsstil bereit waren. Aber trotz des schicken Anzugs wirkte Tughan nach Thornes Meinung etwas müde. Vielleicht nicht so müde wie Thorne selbst, aber allmählich kam er dahin.

»Meinen Sie, was die Zarif-Brüder angeht?«, fragte Thorne.

Holland hob abwehrend die Hände. »Es muss doch was geben, um sie damit in Verbindung zu bringen? Zumindest etwas, das uns eine Entschuldigung gibt, ihnen das Leben schwer zu machen.«

Tughan stellte seinen Kaffee weg und blätterte in dem eilig geschriebenen Bericht über den Diebstahl des Lastwagens. »Es gibt ja diese Theorie, dass jeder Mensch auf der Welt mit jedem anderen über eine Kette von höchstens zwölf Bekanntschaften verbunden ist. So ungefähr ist das hier auch«, sagte er. »Zwischen diesem Lastwagen und den Zarifs sind eine Unmenge von Transportfirmen, Leasingfirmen und Frachtunternehmern geschaltet. Das Fahrzeug gehört ihnen theoretisch, aber wenn wir uns reinhängen, um sie mit der Fracht in Verbindung zu bringen, machen wir uns selbst das Leben schwer.«

»Die lachen sich wahrscheinlich krank«, sagte Holland. »Die und die verdammten Ryans.«

Thorne zuckte die Achseln. »Ohne Leichen, ohne die Leute, die im Lastwagen waren, ist es ein Griff ins Klo.«

»Ich kann mir nicht vorstellen, dass die keine Lücke gelassen haben.« Holland blickte sich nach Rückendeckung um, und es gab auch einiges zustimmendes Kopfnicken und Gemurmel.

»Ich hab da eine Idee«, sagte Brigstocke. Alle Augen richteten sich auf ihn. »Haben wir überprüft, ob die Steuermarke des Lastwagens in Ordnung ist?«

Der Witz kam gut an und war auch dringend nötig, selbst wenn ein Teil des Gelächters im Gähnen unterging.

»Wissen wir, was sich in dem Lastwagen befand?«, fragte Kitson. »Ich meine, wissen wir es genau? Oder werden wir nie erfahren, wie viele es waren?«

Tughan schüttelte den Kopf. »Zwischen einem Dutzend und, ich weiß nicht … fünfzig ist alles drin?«

»So viele fand man doch tot in dem Lastwagen in Dover?«, sagte Holland.

»Es waren mehr«, sagte Thorne. Ihm hing noch der Geruch von gestern Abend in der Nase, als er in diesen Container geklettert war. Wie das wohl für denjenigen gewesen war, der vor ein paar Jahren die Lastwagentüren aufgemacht und auf einen Berg ausgemergelter Leichen geblickt hatte? Achtundfünfzig chinesische Immigranten, die wie Sardinen in einen versiegelten Lastwagen gepfercht waren und erstickt aufgefunden wurden, als dieser an einem drückend heißen Sommernachmittag geöffnet wurde. Ihre zusammengelegten Kleider ordentlich gestapelt. Ihre Leichen weitaus weniger …

Natürlich hatte es damals einen gewaltigen Aufschrei gegeben. Rufe nach härteren Kontrollen waren laut geworden, nach neuen Ansätzen, diesem barbarischen Gewerbe Einhalt zu gebieten. Thorne war sich darüber im Klaren, dass mehr hätte erreicht werden können, wenn es sich bei den Leichen um tote Esel oder Welpen oder Kätzchen gehandelt hätte …

»Wie ist es möglich, dass so viele durchkommen?«, fragte Stone. »Werden diese Lastwagen denn nicht durchsucht?«

»Manchmal schon«, sagte Tughan. »Sie verstecken sich in verborgenen Abteilen oder hinter Paletten mit falscher Ladung.«

Stone schüttelte den Kopf. »Man könnte meinen, nach der Sache in Dover würden sie diese Transporte etwas gründlicher durchsuchen.«

Thorne wusste, dass die Durchsuchung nicht einmal so gründlich hätte sein müssen, um diese chinesischen Immigranten zu finden. Ihnen das Leben zu retten. Sie hatten versucht, sich hinter ein paar Kisten Tomaten zu verstecken …

»Die Schmuggler sind nicht dumm«, sagte Tughan. »Sie versuchen die Häfen zu umgehen, die mit Scannern ausgestattet sind, aber selbst die mit Scannern sind zu überlaufen.

Sie können unmöglich mehr als eine Hand voll überprüfen, wenn sie nicht fünfzig Kilometer lange Schlangen vor den Fähren haben wollen.«

Natürlich hatte Tughan Recht. Thorne hatte, als er gestern Abend nicht schlafen konnte, seinen selten benutzten Computer eingeschaltet und ein paar Stunden im Internet gesurft. Er war auf der Seite des NCIS, des National Criminal Intelligence Service, gewesen – ein Crashkurs in Sachen türkische Mafia. Er hatte sich angesehen, wie die Gangs und Familien in Großbritannien und der Türkei arbeiteten, zusammenarbeiteten, und war dem Link des NCIS auf die Seiten über Menschenschmuggel gefolgt.

Eine harte Lektüre, die seinem Schlaf nicht gerade förderlich war.

Die Zollbehörde war immer noch mehr mit dem Aufspüren geschmuggelter Alkohol- und Tabakwaren beschäftigt als mit Menschenschmuggel und, schlimmer noch, Menschenhandel. Zwar waren ein paar Scanner installiert worden, doch das reichte an den meisten Häfen nicht für mehr als ein paar kleine Stichproben. Siebentausend Lastwagen passierten täglich Dover. An einem guten Tag wurden höchstens fünf Prozent davon durchsucht. Daher überraschte es nicht, dass man sich meist gar nicht die Mühe machte, die geschmuggelten Menschen zu verstecken. Die Schmuggler wussten sehr wohl, dass sie darauf keine Rücksicht zu nehmen brauchten.

Tughan redete noch über das hoffnungslose Unterfangen, den zunehmenden Handel mit verzweifelten Menschen eindämmen zu wollen; er unterstrich die tatkräftigen Anstrengungen seitens der Polizei, der Einwanderungsbehörden, des NCIS und der Zollbehörde; er beschrieb ein Projekt, dessen Ergebnisse noch abgewartet werden müssten, bei dem MI5- und MI6-Agenten in die entsprechenden Firmen eingeschleust würden …

Thorne hörte zu und überlegte, ob er ihn bei seinen Ausführungen unterstützen sollte. Schließlich hatte er nicht oft Fakten und Zahlen parat. Hausaufgaben zu machen war nicht seine Sache. Doch dann entschied er sich, es dabei zu belassen. Für einige hier wäre es einfach zu früh am Morgen, um mit dem Schock fertig zu werden.

Yvonne Kitson hatte eine Thermosflasche Earl Grey dabei. Sie schenkte sich eine Tasse ein. »Solange wir also diese Leute nicht finden und nicht wissen, was Ryan mit ihnen gemacht hat, werden wir nicht wissen, wer sie sind oder wie sie hierher kamen.«

Brigstocke deutete auf das weiße Brett, auf das ein einziges Wort mit rotem Stift gekritzelt worden war: Hoffnung.

»Na ja, wir können ziemlich sicher davon ausgehen, dass zumindest einige von ihnen Türken sind«, sagte Brigstocke. »Wahrscheinlich Kurden.«

Thorne ergänzte: »Wahrscheinlich ging die Route von der Türkei und dem Mittleren Osten durch den Balkan.« Er ignorierte Brigstockes überraschten und Tughans erstaunten oder entsetzten Blick und fuhr fort: »Weiter über die Adria nach Italien.«

Tughan übernahm. »Die Schmuggler haben eine Reihe von Optionen. Sie ändern die Routen, um sich die Einwanderungsbehörden vom Hals zu halten, doch es gibt ein paar Knotenpunkte – Moskau, Budapest, Sarajevo gehören zu den zentralen Nexus.«

Thorne lächelte. Die zentralen Nexus! Nick Tughan war nicht der Typ, der sich mit dem zweiten Platz zufrieden gab. Thorne wäre nicht überrascht gewesen, wenn er zum weißen Brett marschiert wäre und die Worte wie ein Lehrer angeschrieben hätte.

»Aber Istanbul ist der wichtigste. Es liegt genau auf der direkten Route von den meisten Ausgangsländern in den Westen.«

»Und die Zarif-Brüder haben eine Menge Freunde und Kontakte dort«, warf Brigstocke ein.

Holland rieb sich die Augen. »Und wenn wir da einsteigen?«

»Ich sagte bereits«, erklärte Tughan, »die Schmuggler sind nicht dumm.«

Und ich auch nicht, dachte Thorne. »Und sie haben auch die Wahl«, sagte er. »Sie können es über einen der wichtigen Häfen riskieren oder über eine Hintertür, zum Beispiel Irland. Noch eine Route ist zurzeit beliebt – über Holland und Dänemark, dann hinüber zu den Färöer Inseln, die Shetlands und rein nach Schottland.« Thorne war sich nicht sicher, ob die kurze Pause, die sich an seine Ausführung anschloss, vom Nachdenken oder vom Staunen herrührte.

Yvonne Kitson brach das Schweigen. »Alles klar«, attackierte sie ihn mit gespielter Aggressivität. »Von welchem Planeten kommen Sie, und was haben Sie mit Tom Thorne gemacht?«

DC Richards – der walisische Langweiler, der es so genossen hatte, seine Rede über die »konzentrischen Kreise« zu halten – würgte das Gelächter ab, bevor es richtig begonnen hatte. »Wie gehen wir nun vor, Sir? Betreffend die Zarifs und Billy Ryan?«

Tughan schenkte ihm ein schmales Lächeln. Er war dankbar, dass einer der seinen den Stab an ihn zurückgegeben hatte. Denn da gehörte er hin. »Das ist nicht einfach. Denn beide Seiten haben Grund genug, sich die nächste Zeit bedeckt zu halten. Die Zarifs wissen, dass wir ihren Schmuggel unter die Lupe nehmen werden, und die Ryans haben jede Menge Immigranten, die sie loswerden müssen.«

»Ich kann mir nicht vorstellen, dass Memet Zarif und seine Brüder sich lange bedeckt halten«, warf Thorne ein. »Das wollen die Ryan heimzahlen. Ihn treffen, und zwar richtig …«

Tughan dachte kurz darüber nach. »Vielleicht, aber ich glaube, wir haben etwas Zeit. Ich möchte ihnen richtig auf die Füße treten. Machen wir es ihnen schwer, ihren Geschäften nachzugehen.« Er deutete auf Holland und griff dessen Formulierung auf. »Machen wir ihnen das Leben schwer …«

Thorne wusste, dass »auf die Füße treten« im Wesentlichen Festnahmen bedeutete, oder zumindest Schikanen, die sich auf die kleinen Fische konzentrierten: die Drogendealer, Schuldeneintreiber – diejenigen, die sich in DC Richards’ äußeren Kreisen bewegten. Das kostete Zeit, Leute, und vor allem, fand Thorne, traf es nicht die, auf die sie es eigentlich abgesehen hatten. Die Strategie konnte unter bestimmten Umständen zum gewünschten Erfolg führen, aber in diesem Fall gab es einfach schon zu viele Tote. Außerdem kam er sich vor wie der König der Steuereintreiber, und das gefiel ihm nicht. Er wollte Billy Ryan und den Zarifs wehtun, nicht nur ihrer Brieftasche.

»Sie sind nicht überzeugt, Tom?«, fragte Tughan. Offensichtlich verriet ihn seine Miene, wie üblich.

Thorne hasste es, wenn alle Augen auf ihm ruhten und sich der eine oder andere, dem es selbst am nötigen Mumm oder Verstand fehlte, sich zu Wort zu melden, kaum die Mühe machte, einen Seufzer zu unterdrücken. »Wir wollen einen Mörder fassen«, sagte er, »aber alles, was wir tun, ist, seine Kreditkarten zu zerschneiden, während wir darauf warten, dass er erneut zuschlägt. Ihm ein paar Kröten abnehmen …«

Tughan reagierte bemerkenswert ruhig, ja geradezu sanft. »Wir haben es hier nicht mit normalen Verbrechern zu tun, Tom. Diese Männer sind keine gewöhnlichen Mörder.«

Thorne tauschte mit Brigstocke ein Achselzucken und mit Dave Holland einen bedeutungsvollen Blick aus. »Zum Teufel damit.« Natürlich hatte Tughan Recht, aber deswegen war er keinen Deut glücklicher.

Thorne hätte niemals geglaubt, dass der Tag kommen würde, aber er begann sich langsam nach einem anständigen, ehrlichen Psychopathen zu sehnen …

 

Thorne hatte eine SMS von Phil Hendricks erhalten. Er wolle die Nacht bei Brendan bleiben. Thorne schrieb ihm zurück und entschuldigte sich für sein Verhalten am vorigen Abend. Er hoffe, das sei nicht der Grund, warum Hendricks woanders schlafe.

»Was wird Ryan mit ihnen machen?«, fragte Kitson.

Sie waren beide wieder in ihrem Büro und arbeiteten sich durch ihren Papierberg, während Tughan und Brigstocke am Ende des Ganges Pläne schmiedeten, wie sie den Zarifs und Ryans »auf die Füße treten« konnten. Thorne legte das Telefon weg und sah auf die Uhr. Noch fünfzehn Minuten, bevor er nach Hause fuhr.

»Wahrscheinlich dasselbe, was die Zarifs mit ihnen gemacht hätten«, sagte er. »Er wird sie ausbeuten. Die armen Kerle geben ihren letzten Pfennig, und wenn sie hier ankommen, erfahren sie, dass sie diesen ›Geschäftsleuten‹ noch weitaus mehr schulden. Wenn sie Leute nach Großbritannien schmuggeln, arbeiten sie mit kriminellen Organisationen in einem halben Dutzend Ländern zusammen. Das kann Monate, ja Jahre dauern, und den Schmugglern entstehen dabei neue Kosten. Überall entlang der Route wird die Hand aufgehalten. Und diese Kosten werden an die Leute hinten im Lastwagen weitergereicht.«

Kitson schüttelte den Kopf. »Also selbst wenn sie die Strecke in einem Stück zurücklegen, stecken sie bis zum Hals in Schulden …«

»Genau. Aber glücklicherweise haben Typen wie der nette Mr. Zarif eine Menge Jobs, mit denen sie ihre Schulden abstottern können. Bei einem Pfund fünfzig in der Stunde bräuchten sie dafür nur ein paar Jährchen …«

»Und sie können nichts dagegen tun. Sie können keinen großen Wirbel machen.«

»Außer sie möchten gewaltsam daran erinnert werden, mit wem sie es zu tun haben. Schließlich laufen so viele von denen bei uns rum. Nehmen uns unsere Jobs weg oder leben von unseren Steuern. Wer achtet da schon drauf, wenn ein paar davon verschwinden?« Thornes Stimme wurde leiser, verlor den ironischen Unterton. »Oder schlimmer. Vergessen Sie nicht, die Schmuggler haben dort, wo diese Leute herkommen, eine Menge Freunde, die genau wissen, wo ihre Familien leben.«

Kitson seufzte resigniert. »Ein wunderbares neues Leben …«

Thorne dachte an all die Klischees. Es war schwer, sich Hoffnung als ewigen Quell vorzustellen, aber leicht, sie zerschlagen und zerstört zu sehen. Hoffnung starb gewalttätig. Sie wurde niedergetrampelt und verbrannt.

Hoffnung war etwas, das blutete.

Er ließ einige der Unterlagen, auf die er keinen Blick geworfen hatte, in eine Schublade fallen und schob diese mit einem Knall zu. Das lenkte ihn von dem Gesicht der Frau aus der U-Bahn ab. Das Geräusch übertönte das Klimpern der nicht vorhandenen Münzen in ihrem abgeknabberten Styroporbecher.

Gestern Nacht hatte Thorne eine Menge über Menschenhandel gelesen. Er wusste, dass Frauen entführt, heroinsüchtig gemacht und zur Prostitution gezwungen wurden. Er vermutete, dass die Zarifs in dieses besonders lukrative Geschäft verwickelt waren.

Er wusste, es gab Schlimmeres als Betteln …

Als er laute Stimmen vor der Tür hörte, sah Thorne auf. Holland klopfte und steckte den Kopf ins Zimmer. »Sie haben den Lastwagenfahrer gefunden«, sagte er. Er schob die Tür weiter auf und trat ins Büro. »In einem Wäldchen hinter einem Parkplatz an der A7.«

»Wie?«, fragte Thorne.

»Mit einem Kopfschuss …«

»Schön …«

»Aber vorher haben sie ihn noch mit einem dreckigen Ast halb zu Brei geschlagen.«

»Die A7«, sagte Kitson. »Das ist die Hauptverbindung zwischen Edinburgh und Carlisle. Mein Ex hatte Verwandte da oben.«

Holland hielt sein Notizbuch in der Hand und fing an, darin zu blättern.

Thorne hatte bei der morgendlichen Besprechung absolut richtig gelegen. Der Lastwagen war gestohlen worden, als er auf der von ihm beschriebenen Route nach Schottland unterwegs war. Die Ladung hatte man wohl in einen anderen Wagen umgeladen und den gestohlenen Lastwagen anschließend nach Süden gefahren und bei Chieveley stehen lassen.

Holland fand, was er gesucht hatte. »Genau«, sagte er. »Der Parkplatz war nördlich von Galashiels. Die Jungs von Lothian and Borders haben die Toten gefunden.«

»Was haben sie gefunden?«, fragte Thorne.

»Da waren noch zwei weitere Leichen. Insgesamt drei.« Holland sah von Thorne zu Kitson. »Keine Ausweispapiere. Schusswunden am Kopf.«

Kitson stieß die Luft aus ihren Lungen, als sei diese plötzlich schlecht geworden. Sie rang um Atem. »Gab es vielleicht einen Kampf?« Sie sah zu Thorne.

Er nickte. »Oder versuchten sie zu fliehen?«

»Das vermutet man, glaub ich«, sagte Holland.

Sofort sah Thorne es vor sich. Zwei Männer, die sich im Dunkeln verzweifelt durch das Unterholz kämpften. Atemlos durch nasses Laub liefen und über modrige Baumstümpfe stolperten. Er sah sie stürzen, bevor das Echo der Schüsse erstarb. Was immer sie als Letztes dachten, bevor die Kugel sie traf, es war sicher nicht Umit. Man hatte ihm einen türkischen Trinkspruch beigebracht, vielleicht sollte er zurückgehen und ein paar türkische Gebete lernen.

Die Tür ging weiter auf, und Holland trat zur Seite, als Brigstocke und Tughan hereinmarschierten.

»Das sind jetzt zehn Tote«, sagte Tughan. »Eine zweistellige Zahl. Das muss ein Ende haben.«

Eine zweistellige Zahl? Das klang bei Tughan, als habe der Bandenkrieg zwischen den Ryans und Zarifs soeben eine unausgesprochene Quote annehmbarer Opfer überschritten. Es gab Merkwürdigeres, aber aus welchem Grund auch immer: Thorne hatte den Eindruck, als habe Tughan in Anbetracht der Neuigkeiten seinen Plan, »den Ryans und Zarifs auf die Füße zu treten«, ad acta gelegt. Er sah ganz so aus, als habe er nun eine direktere Vorgehensweise im Sinn.

Brigstocke fuhr sich mit der Hand durch die dichten schwarzen Haare und rückte sich die Brille zurecht. »Zehn Tote, und allmählich sind mehr Zivilisten darunter als Soldaten.«

»Dann hören wir endlich damit auf, uns mit den Affen rumzuschlagen«, sagte Thorne. »Kümmern wir uns lieber um die Männer am Leierkasten …«

Tughan hob die Hand. »Genau das machen wir.«

»Gut so«, bemerkte Thorne dazu und dachte: Ich hab später ein Date, aber ich hab noch genug Zeit. Ich muss mich nicht ewig dort aufhalten. Finchley ist ein bisschen mühsam. Einfach reinschneien geht da nicht. Doch Green Lanes ist kein allzu großer Umweg …

»Wir werden Billy Ryan einlochen«, sagte Tughan. »Wir kriegen ihn mit dem Rooker-Fall dran, und früher oder später kriegen wir auch die Zarif-Brüder. Im Augenblick jedoch ist das oberste Ziel, weitere Morde zu verhindern.«

»Früher oder später« war ein Ausdruck, den Thorne in diesem Zusammenhang nicht hören wollte.

»Ich gehe damit zunächst zum Detective Chief Superintendent. Gut möglich, dass es von da an noch weiter nach oben geht. Wir werden Ryan offiziell begegnen. Höchstwahrscheinlich über seinen Rechtsanwalt. Und dasselbe werden wir bei der Zarif-Familie machen. Hier wahrscheinlich über jemanden aus der Gemeinde oder einen Priester.« Tughan nickte vor sich hin, als wolle er sich selbst von etwas überzeugen. »Die Situation hat einen Punkt erreicht, wo uns vielleicht eine Intervention ebenso viel bringt wie die Ermittlung. Uns mit diesen Leuten an einen Tisch zu setzen gehört nicht zu unseren üblichen Vorgehensweisen, aber wenn uns das hilft, dieses Chaos Herr zu werden, dann mach ich das gerne.«

Thorne überlegte kurz, bevor er das Wort ergriff. Es überraschte ihn nicht allzu sehr, dass Tughan nicht gerade vorschlug, diesen Typen die Tür einzutreten.

»Müssen wir noch für die Verpflegung sorgen?«, sagte er.

 

»Wo wollen Sie denn hin?« Der Mann hinter der soliden Holztheke stellte die Frage, wobei er die Augen nur kurz von der Zeitung nahm. Der starke Akzent ließ die fünf Wörter zu einem schrumpfen: »Wowollensdennhin?«

»Ich will gar nirgends hin«, entgegnete Thorne. »Aber Sie gehen nach hinten und sagen Ihrem Chef, dass jemand sich kurz mit ihm unterhalten möchte.« Dabei fixierte er den Mann hinter der Theke, der ihm nun seine volle Aufmerksamkeit schenkte, und deutete über seine Schulter auf den kaum erhellten Raum dahinter. Er wusste, dass ihn ein zweiter Aufpasser, der auf einem verschlissenen Sessel in der Ecke links hinten saß, ebenfalls nicht aus den Augen ließ.

Thorne zog seinen Polizeiausweis heraus. »So schnell Sie können.«

Der Mann klatschte seine Zeitung auf den Tresen, überwand seine Faulheit und verschwand im Halbdunkel.

Das Minicab-Büro bestand aus nicht mehr als einem schrankgroßen Wartezimmer. Eine ungestrichene Tür rechts von dem Durchgang führte zu weiteren Räumen dahinter. Thorne vermutete, dass die Fahrer selbst nicht weit weg in ihren alten Vauxhalls und Toyotas saßen oder vielleicht in Zarifs Café nebenan warteten. Er wandte sich um und sah sich in dem über der Eingangstür montierten Fernsehgerät ein paar Sekunden lang einen Film an, den er nicht erkannte. Vielleicht liefen die Lokalnachrichten auf dem anderen Kanal und zeigten die drei Tore, die die Spurs gegen Everton in Führung gebracht hatten. Sein Blick wanderte zu dem Mann in dem Sessel. Dieser hob eine Augenbraue, als wären sie beide frustrierte Kunden, die auf ihr Taxi nach Hause warteten. Er hielt Thornes Blick länger stand, als nötig gewesen wäre, dann stand er auf und ging durch die Seitentür in den rückwärtigen Teil des Büros.

Kaum hatte sich die Tür geschlossen, öffnete sie sich erneut, und Memet Zarif trat in das Wartezimmer. Gleichzeitig bemerkte Thorne, dass der andere Mann, mit dem er zuerst gesprochen hatte, wieder seinen Platz hinter der Theke einnahm. Ein paar Meter weiter hinten stand der Mann im Halbschatten, der zuvor im Sessel gesessen hatte.

»Sie möchten ein Taxi, Mr. Thorne?«, fragte Memet. Er trug ein einfaches weißes Button-down-Hemd, dazu eine schwarze Hose und Schuhe mit Quasten.

Thorne lächelte. »Nein, danke. Ich ziehe es vor, heil zu Hause anzukommen. Als ich das letzte Mal ein Minicab nahm, wusste der Fahrer nicht, dass man an einer roten Ampel normalerweise anhält.«

»Meine Fahrer wissen, was sie tun.«

»Sicher?«

»Klar.«

»Sie wissen also, wie man die Versicherungsformulare ausfüllt?«

Memet lachte, warf den beiden hinter der Theke einen Blick zu und nickte Richtung Thorne. Der Kerl, der zuvor im Sessel gesessen hatte, kam vor und stellte sich neben den Mann am Empfang. Er spuckte ein paar türkische Ausdrücke in Thornes Richtung.

Thorne drehte sich um und sagte grinsend: »Dasselbe gilt für Sie.« Noch immer lächelnd wandte er sich wieder Memet zu. Sie amüsierten sich alle ganz großartig hier. »Sie glauben also, es lohnt sich nicht, ein paar Beamte hierher zu schicken, um zu überprüfen, ob alle Ihre Autos und Ihre vorbildlichen Fahrer auch versichert sind?« Gegen den Lärm aus dem Fernseher ankämpfend wurde Thorne lauter. »Das wäre nur Zeitverschwendung?«

Unvermittelt fiel der Lärm aus dem Fernseher so weit ab, dass Thorne Memet seufzen hörte. »Halten Sie uns für blöd?«

Allmählich gewann Thorne den Eindruck, als seien Gott und die Welt versessen darauf, ihm zu sagen, dass Memet Zarif, Billy Ryan und Konsorten alles andere als blöd waren. Er bezweifelte nicht, dass sie vorsichtig waren, aber er weigerte sich einfach, dem Mythos aufzusitzen, dass er und sein Team es mit der Gangsterabteilung des Mensa-Clubs zu tun hatten. Thorne hatte genug angeblich schlaue Schurken gefasst, und er wusste einfach, dass viele davon saublöd waren und damit ziemlich weit kamen. Ihm war klar, dass die meisten erfolgreichen Ganoven sich einfach auf ihren Instinkt verließen wie viele derer, die ihnen auf den Fersen waren.

Doch der Instinkt war unzuverlässig, wie Thorne nur zu gut wusste.

Halten Sie uns für blöd?

Auf alle Fälle war Memet klug genug, eine einfache Frage mit Bedeutung aufzuladen. Er sprach nicht mehr über das Minicab-Geschäft.

Thorne ging an Memet vorbei durch die Holztür und trat in den kärglich beleuchteten Flur. »Schön, wie Sie das hergerichtet haben.« Durch die dünne Wand hörte er, wie die beiden hinter der Theke sich anschickten, ihm den Weg abzuschneiden.

Memet folgte Thorne, während dieser ruhig über das schmuddelige Linoleum schritt. Unter seinen Schuhen knirschte abgeblätterte Ölfarbe.

»Haben Sie das selbst gemacht oder eine Firma damit beauftragt?«

»Was wollen Sie, Mr. Thorne?«

Sie gingen an dem Durchgang vorbei, der zur Rezeption führte. Die zwei Aufpasser starrten Thorne an und sahen dann fragend zu Memet. Am Ende des Ganges befand sich ein kleines, düsteres Wohnzimmer. Die drei Männer am Tisch legten ihre Spielkarten weg und sahen auf, als Thorne kam. Hassan Zarif machte Anstalten aufzustehen, entspannte sich jedoch, als er seinen älteren Bruder hinter Thorne auftauchen sah.

Thorne erfasste rasch die Situation. Die zwei anderen Männer am Tisch waren Tan, der jüngere Bruder, und der untersetzte Mann, den er im Café zusammen mit Hassan gesehen hatte, als er mit Holland dort gewesen war. Es war nichts zu hören als ein paar Geräuschfetzen von dem Fernseher im Wartezimmer und das Blubbern des Filters in einem großen Aquarium mit tropischen Fischen, das auf einer Eichenkommode stand.

Thorne deutete auf den Tisch. Ein Stapel zerknitterter Fünf- und Zehn-Pfund-Noten drohte jeden Augenblick auf den Boden zu fallen. »Soll ich den vierten Mann beim Bridge machen?«

Memet schob ihn beiseite und setzte sich auf den leeren Platz am Tisch. »Sagen Sie einfach, weshalb Sie gekommen sind.«

»Schon witzig, dass Sie vorher ausgerechnet über Fahrer geredet haben. Dabei fällt mir ein: Man hat den Fahrer Ihres Lastwagens gefunden.«

Memet zuckte verwirrt die Achseln. »Unseres Lastwagens?«

Hassan beugte sich zu ihm und sagte etwas auf Türkisch. Memet nickte.

»Die Polizei von Thames Valley hat mich deshalb gestern Morgen angerufen«, sagte Hassan. Er sprach mit Memet und Tan, als informiere er sie über ein unbedeutendes geschäftliches Problem. »Der Lastwagen war nicht beschädigt, und der Spediteur wird sich wegen der verlorenen Ladung melden, daher hab ich die Versicherung erst gar nicht benachrichtigt.« Er sah zu Thorne auf. »Ich hatte noch keine Gelegenheit, mit meinen Brüdern darüber zu reden, aber es ist keine große Sache.«

»Sagen Sie dem Polizisten, der den Lastwagen gefunden hat, dass wir uns bei ihm bedanken möchten«, erklärte Memet.

Thorne musste zugeben, ihre Vorstellung war nicht ohne. »Für den Fahrer war es allerdings eine große Sache«, sagte er. »Ihm fehlte der halbe Kopf, als sie ihn fanden.«

Dem vierschrötigen Schrank entwischte ein Lächeln. Er blickte nach unten und begann die Geldscheine zu ordnen, als er merkte, dass Thorne dieser Ausrutscher nicht entgangen war.

Hassan rieb sich mit der Hand über das vorstehende Kinn. Die Stoppeln ratschten an seiner Handfläche. »Damit ist zumindest eines klar«, meinte er. »Wir können jetzt davon ausgehen, dass der Fahrer mit den Dieben nicht unter einer Decke steckte.«

Memet gab überzeugend den Schockierten und Trauernden, doch Thorne wusste sehr gut, dass die Neuigkeit für ihn eine Erleichterung brachte. Ein toter Fahrer konnte der Polizei nichts erzählen. »Sie haben ihn umgebracht?«, sagte er und drehte sich zu Hassan. »Warum? Was hatte dieser Lastwagen geladen?«

Eine sehr gute Vorstellung. Alles andere als blöd …

»Die Polizei geht von CD-Spielern aus«, sagte Hassan.

Thorne korrigierte ihn. »DVD-Spieler, um genau zu sein. Die gute Nachricht ist, die Diebe haben nicht die ganze Ladung.«

Der Schrank fuhr fort, die Banknoten zu ordnen, aber die drei Brüder schauten Thorne nun direkt an. Memets Gesicht war ausdruckslos, Hassan gab sich zu große Mühe, unschuldig-neugierig dreinzuschauen, Tan kultivierte weiter seinen Harter-Kerl-Blick.

»Tatsächlich«, sagte Thorne. »Offensichtlich wurden ein paar DVD-Spieler erschossen, als sie zu fliehen versuchten.«

Nur Memet Zarif behielt seinen Gesichtsausdruck bei und wich Thornes Blick nicht aus.

»Keine Bange, ich melde mich sofort, wenn wir weitere finden«, sagte Thorne. »Ich dachte nur, es interessiert Sie vielleicht, was wir bisher rausgefunden haben.«

Im Aquarium blubberte es weiter vor sich hin. Aus dem Fernseher drangen Stimmen.

Als sich Thorne umwandte, um zu gehen, bemerkte er eine weitere Gestalt in der Ecke rechts hinten. Er starrte den Mann an, bis dieser sich langsam vorbeugte und sein Gesicht im Licht zu sehen war. Thorne erkannte den Sohn von Muslum und Hanya Izzigil.

Er tat einen Schritt auf den Jungen zu. »Yusuf …«

Vielleicht lag es nur an dem Licht, aber die Augen des Jungen schienen verändert. Vor einem Monat, als seine Eltern tot im Zimmer nebenan lagen, waren sie voller Tränen gewesen. Doch das war nicht der einzige Unterschied, der Thorne auffiel. Da war eine trotzige Herausforderung in seinem leblosen Blick und in der Schulterhaltung, als er den Mann fixierte, der bisher daran gescheitert war, ihm Gerechtigkeit zu verschaffen.

Es hatte augenscheinlich andere gegeben, die ihm Versprechungen gemacht hatten und diese besser halten konnten.

»Wir kümmern uns jetzt um Yusuf«, sagte Hassan.

Thorne konnte den Blick nicht sofort von dem Jungen wenden, suchte nach einem Hinweis, dass er nicht ganz zu ihnen gehörte. Doch der Junge war verloren. Er wandte sich um und ging langsam den Weg zurück, auf dem er hereingekommen war. »Spielen Sie ruhig weiter …«

»Sind Sie sicher, dass Sie kein Taxi wollen?«, fragte Memet.

Thorne antwortete nichts darauf, zeigte ihnen nur den Rücken.

Tan Zarif meldete sich zum ersten Mal zu Wort. »Wir machen Ihnen einen guten Preis«, sagte er. »Von Green Lanes nach Kentish Town für einen Fünfer. Was meinen Sie?«

Thornes Magen verkrampfte sich bei dieser Routenbeschreibung, der darin enthaltenen Enthüllung. Er wandte sich zu Tan und blickte ihm tief in die Augen, versuchte seinen Schrecken zu überspielen und souverän zu wirken. »Ich dachte, wir hätten das bereits geklärt. Lassen Sie diesen ›Wir wissen wo Sie wohnen‹-Scheiß, oder ändern Sie Ihren Look.« Er zog mit dem Finger eine Linie über sein Kinn, an der Stelle, an der Tans strichdünner Bart wuchs. »Dieses George-Michael-Ding macht wirklich niemandem Angst …«

Thorne holte tief Luft und hielt den Atem an, während er den Flur entlang durch den leeren Empfang und hinaus auf die Straße ging. Erst draußen atmete er aus und wandte sich um. In diesem Moment fiel sein Blick auf Arkan Zarif, der von der Tür seines Cafés aus auf die Straße sah.

Der Alte hob die Hand, als Thorne auf ihn zukam, und legte sie an den Mund. »Kommen Sie auf Kaffee rein? Vielleicht ein Suklak …?«

Thorne lief langsamer, ging aber weiter zu seinem Auto. »Keine Zeit. Muss noch wohin …«

Ihm blieb tatsächlich nur weniger als eine Stunde, um nach Hause zu fahren, zu duschen und sich umzuziehen. Doch das war nicht der einzige Grund, warum er die Einladung des Alten ablehnte. Selbst wenn er die Zeit dafür gehabt hätte, hätte der Kaffee noch bitterer als sonst geschmeckt.

 

Wenn er über das brennende Mädchen nachdachte, dachte er auch oft an die anderen. An seine Freundinnen.

Sie bemerkten es natürlich als Erste, entdeckten die Flammen vor allen anderen. Die eine, die am nächsten gestanden hatte, die wirkliche Alison Kelly, schrie, als wäre sie es, die brannte. Er zuckte etwas zusammen, schrie vielleicht sogar auf, als ihr Schrei wie eine Klinge durch ihn hindurchging. Dann blickte er in die Richtung, aus der der Lärm kam, und sah die Flammen gespiegelt in den Augen des Mädchens. Sie waren dunkelbraun und weit aufgerissen, und die Flammen, die immer größer wurden und das Mädchen erfassten, das inzwischen richtig brannte, schienen winzig, wie sie in den Augen ihrer Freundin tanzten. In dieser Sekunde, bevor sie sich umwandte und davonrannte. Er erinnerte sich noch daran, wie klein sie ihm erschienen waren, diese Flammen in dem dunklen Braun. Wie weit entfernt.

Als er diesen steilen Hügel hinunterrannte, auf sein Auto zurannte, verfolgte ihn dieser Schrei. Er spürte den Widerhall in seinem Nacken, spürte, wie er hinter ihm den Hügel hinunterrollte und ihn beinah umstieß. Dann waren die Schreie lauter geworden, und hysterischer, und hatten ihn noch schneller den Hügel hinuntergejagt.

Ein oder zwei Sekunden stand er ruhig da, bevor er in das Auto sprang. An diesen Moment konnte er sich ganz lebhaft erinnern. Wie außer Atem er war und an dieses Bild im Inneren seiner Augenlider. Er schloss die Augen, und da waren die Flammen, sie waren ihm tief eingeprägt. Golden und rot flackernd vor dem Schwarz.

Ein Schnappschuss der Flammen. Der Flammen, die er in den Augen des Mädchens flackern sah, das er töten sollte.