Siebtes Kapitel

Ich kam bis zur Brücke, ehe ich gegen eine Mauer taumelte. Die Straße drehte sich um mich herum, und ich sackte zu Boden.

Etwas Kaltes berührte meinen Kopf. Ich blickte auf, und der gewohnte Nachmittagsregen pochte an meine Stirn. Nur ein Nieselregen. Die Krokodilstränen der Heiligen Saea.

Was, wenn der Fischer den Schmerz nicht aushalten konnte, bis neues Pynvium eintraf? Was, wenn er starb? Was, wenn ich ihn getötet hatte? Der Gedanke schnürte mir den Atem ab.

Ich kniff die Augen zu. Er hatte mich angefleht, es zu tun. Er hatte die Risiken gekannt und war bereit gewesen, sie auf sich zu nehmen, um seine Familie durchzubringen.

Allzu viel Mühe hast du dir mit deinen Einwänden nicht gegeben, dachte ich.

Ich hielt mir die Ohren zu. Ich hatte es ihm gesagt. Ich hatte gesagt, dass das nicht richtig ist. Ich hatte nein gesagt. Sie hatten mir nicht zugehört. Und er hatte mich angefleht!

War es das wert?

Um Tali zu finden? Ja! Ich schniefte, wischte mir mit einem feuchten Ärmel die Nase ab. Jeatar hatte steif und fest behauptet, die neue Pynvium-Lieferung wäre unterwegs. Der Fischer würde geheilt werden, wenn es erst hier war. Jeder bekam, was er wollte. Niemand wurde zu irgendetwas gezwungen.

Aber wenn jemand gar keine Wahl hat?

Ich schüttelte den Gedanken ab. Er hatte mich angefleht. Sie hatten mich angefleht...

Kälte schüttelte meinen Körper, dann Hitze, dann Schwärze. Wieder Kälte, Härte, etwas Raues an meiner Hüfte und meiner Schulter. Ich schlug die Augen auf. Die Welt war zur Seite gekippt.

Nein, ich war zur Seite gesackt. War ich ohnmächtig geworden? Ich war noch nie ohnmächtig geworden, nicht einmal vor Hunger. Ich setzte mich auf. Mein Körper fühlte sich wund an, meine Haut klamm. Die Regentropfen waren wie kleine Nadelstiche.

Leute musterten mich, während sie vorübergingen, manche mitfühlend, andere voller Widerwillen. Eine Frau, deren runzliges Gesicht Sorge ausdrückte, machte Anstalten, sich mir zu nähern, doch da schritten drei Baseeri-Soldaten über die Brücke, und sie hastete mit eingezogenem Kopf davon. Die Soldaten würdigten mich keines Blickes.

Niemand würde mir helfen aufzustehen, ganz zu schweigen davon, Tali zu finden. Ganz bestimmt kein Baseeri und auch keiner von meinen eigenen Leuten. Sie hatten alle viel zu viel Angst aufzufallen, zu viel Angst, Aufmerksamkeit zu erregen, und sei sie noch so klein. Leute, die auffällig wurden, verschwanden. So war das nun einmal.

Wir hatten die gleichen Geschichten von denjenigen gehört, die aus Sorille entkommen waren, ehe der Herzog es niedergebrannt hatte, und wenn der Herzog erst mit Verlatta fertig wäre, würden die Verlattaner es auch begriffen haben.

Ich atmete ein paarmal tief durch, und die Welt kam zur Ruhe. Ich konnte das allein schaffen. Ich würde Tali finden, und gemeinsam würden wir den Fischer retten. Ich kämpfte mich auf die Beine und machte mich wieder auf den Weg zum Tempel. Ich hatte ihn fast schon erreicht, als eine Hand auf meiner Schulter landete.

Ich schrie auf, drehte mich um, gefasst darauf, einen Soldaten vor mir zu sehen. Oder schlimmer.

Aylin stieß einen kurzen Schrei aus und riss die Hände vor das Gesicht.

»Bei allen Heiligen, Nya! Ich dachte, ich hätte dir gesagt, du sollst dich verstecken.«

»Aylin, ich bin so ein schlechter Mensch.« Ich klammerte mich an sie, schluchzte auf ihre so oder so schon feuchten Federn.

»Nein, das bist du nicht. Was ist passiert?« Sie bog den Kopf zurück und zog die Nase kraus. »Hast du gekotzt?«

Ich bedeckte meinen Mund und nickte. »Ich habe etwas Schreckliches getan. Ich...« Ich konnte es ihr nicht sagen, ohne ihr zu erzählen, dass ich eine Schifterin war. Nicht, ohne sie noch mehr in diese Sache mit hineinzuziehen, als sie ohnehin schon drinsteckte. Ich wusste immer noch nicht, wer Tali in der Gewalt hatte, und ich durfte nicht riskieren, dass Aylin auch entführt wurde. »Ich habe zehn Oppa aus der Almosenbüchse des Tempels gestohlen.«

Ihr besorgtes Stirnrunzeln geriet in Zuckungen. »Du brauchst es mehr als irgendjemand sonst. Du bist kein böser Mensch.«

Doch, das war ich. Monströs böse. Aber Geld und Informationen konnten mir helfen, Tali zu finden, und ich brauchte beides. »Hast du irgendwas rausgefunden?«

»Ein bisschen, aber ich glaube nicht, dass es sehr hilfreich ist.« Sie blickte sich um. »Hier kann uns jeder zuhören. Komm, gehen wir ins Tannifs, dann kannst du uns mit deinem geklauten Reichtum einen Kaffee kaufen, während wir uns unterhalten.«

 

Das Tannifs war berstend voll. Die Hocker und die Bänke an den Wänden waren meist von Einheimischen und Flüchtlingen besetzt, die gepolsterten Stühle an den größeren Tischen von Baseeris. Aylin schaffte es, uns einen kleinen Tisch ganz hinten neben der Tür zur Küche zu ergattern. Jedesmal, wenn ein Schankmädchen vorüberhuschte, wehte der Geruch von Kaffee und gebratenem Fisch heraus.

»Erzähl mir alles«, sagte ich, die Hände fest um meinen Kaffeebecher gelegt. Gleich hinter mir in der Küche wurde meine erste warme Mahlzeit seit Monaten zubereitet. Das Geld in meinem Beutel machte mir Unbehagen, aber ich konnte Tali nicht finden, wenn ich halb verhungert war. Der gesunde Menschenverstand rettet mehr Leben als Schwerter, wie Großmama zu sagen pflegte. Und Lügner und Diebe sind niemals glücklich. Ich schob diesen letzten Gedanken beiseite.

»Mein Freund sagt, die Ältesten hätten einen Haufen Leute aus den Hauptbehandlungsräumen wegschaffen lassen. In irgendein höheres Stockwerk; er konnte nicht genau sehen, wohin die Treppe führte.« Sie beugte sich über den Tisch. »Nya, er schwört, dass alle, die nach oben getragen wurden, soweit er es sehen konnte, Grün getragen hätten.«

»Das Grün der Lehrlinge?«

Sie zuckte mit den Schultern. »Er war nicht sicher, aber er glaubt schon.«

»Hast du mit einem der Ältesten gesprochen?«

Sie schnaubte verächtlich. »Als würden die mit mir reden! Aber ich habe ein paar Vierlitzer aufgetrieben, die gesagt haben, Tali hätte das Handtuch geworfen, weil die Ausbildung zu schwer sei. Sie haben gesagt, sie sei nach Hause gegangen.«

Furcht raubte mir den Hunger. »Das ist eine Lüge.«

»Ich weiß, aber sie haben es geglaubt, also muss es ihnen jemand erzählt haben, dem sie vertrauen.« Aylin sah sich in dem Kaffeehaus um. »Nya, ich habe den Sohn eines der Stammgäste des Lusthauses nach den Leuten gefragt, die nach oben getragen wurden. Er ist Wachmann bei der Gilde, und er wirkte nicht sonderlich besorgt. Er hat gesagt, der Erhabene persönlich hätte ihm erzählt, sie seien nur erschöpft von den zahlreichen Heilungen nach dem Fährenunglück. Man habe sie weggebracht, damit sie sich erholen könnten.«

Der Erhabene log? Es hätte mich nicht verwundern sollen, aber es überraschte mich doch. Nun ja, er hatte eine Menge zu verbergen. Kein Pynvium, so viele Verletzte, Lehrlinge, die nach oben getragen wurden und nicht mehr herunterkamen. Meine Hände spannten sich noch fester um den Becher. Kaffee schwappte über den Rand.

Heilige Saea, hab Erbarmen. Sie konnten doch nicht ... Nein, das war undenkbar ... aber ...

Was, wenn sie ohne Pynvium heilten? Wenn es noch mehr Verwundungen wie die des kleinen Mädchens gegeben hatte, Leute, die dem Tod so nahe waren, dass der Schmerz regelrecht aus ihnen hervorstürzte, sodass die Lehrlinge nicht mehr imstande wären, ihn aufzuhalten. Ich bezweifelte sogar, dass der Erhabene selbst imstande war, solch einen Schmerz zu bändigen. War das der Grund, warum sie so dringlich nach Lösern suchten? Weil sie kein Pynvium bekommen konnten und mehr Schmerzträger brauchten ?

Wie konnte die Gilde ihnen das antun ? Die Lehrlinge hatten keine Ahnung davon. Keiner von ihnen hätte sich wissentlich damit einverstanden erklärt.

Der Fischer hat es getan.

Nicht Tali. Sie würde sich nicht opfern, um einem adligen Baseeri zu helfen.

»Aylin, ich glaube, der Erhabene benutzt die Lehrlinge anstelle von Pynvium«, flüsterte ich, obwohl ich kaum glauben konnte, dass irgendjemand so abscheulich sein konnte. »Wenn sie nicht mehr heilen können, werden sie nach oben und außer Sichtweite gebracht.«

Aylins Augen weiteten sich. »Wovon sprichst du?«

Ich erzählte ihr, was ich bei Zertanik erfahren hatte, und ihre Augen wurden noch größer.

»Ich muss Tali da rausholen. Ich habe keine Ahnung, wie viel Schmerz sie auf sich genommen hat oder wie lange sie ihn schon trägt. Mindestens einen Tag. Vermutlich seit dem Fährenunglück.«

Das Schankmädchen kam herbei und knallte unseren Fisch und unsere Süßkartoffeln vor uns auf den Tisch. Ich gab ihr einen meiner Oppa, und sie gab mir das Wechselgeld zurück. Es war nicht viel, aber es würde mir für ein weiteres Essen reichen. Ehe sie fortging, bedachte sie Aylin noch mit einem finsteren Blick. Aylin sammelte ein paar Kartoffelstücke ein, die heruntergefallen waren, und legte sie zurück auf ihren Teller. Es schien ihr nie etwas auszumachen, wenn Leute sie schlecht behandelten, weil sie für einen Baseeri arbeitete.

»Ich muss gehen«, sagte ich und stand auf.

Aylin packte meinen Arm und hielt mich fest. »Nein, du musst dich wieder hinsetzen und essen. Du kannst die Heilergilde nicht ohne etwas zu essen im Bauch belagern. Iss. Sofort.«

»Aber ...«

»Nein, sei vernünftig.«

Ich aß schnell und sprach zwischen den einzelnen Bissen. »Kann dein Freund mich da reinbringen?« Ich bezweifelte, dass mir genug Zeit blieb, darauf zu warten, dass sich Jeatar bei mir meldete.

»Ich weiß nicht ... Ich kann ihn fragen. Aber, Nya, du brauchst einen besseren Plan, um zu Tali durchzudringen.«

»Ich denk mir schon was aus, wenn ich erst drin bin.«

»Nein, das reicht nicht. Sie werden dich erwischen und rauswerfen - wenn du Glück hast. Wenn nicht, nehmen sie dich gefangen. Oder schlimmer.« Sie senkte die Stimme, obwohl es recht laut im Raum war. »Denkst du, es würde ihnen gefallen, wenn die Leute wüssten, dass es kein Pynvium mehr gibt ?«

»Nein. Das gäbe eine Panik.«

Aylin nickte. »So schlimm wie im Krieg. Vielleicht sogar noch schlimmer.«

»Aber ich muss da irgendwie rein.«

»Wenn sie wirklich so etwas tun, werden sie dich nie reinlassen. Es ist ein Wunder, dass ich reingekommen bin. Sie haben gerade angefangen, Leute wegzuschicken, als ich gegangen bin. Hast du den Massenauflauf auf dem Gildeplatz gesehen?«

»Dann verkleide ich mich eben. Ich klau mir ein paar Sachen. Irgendwas Grünes, damit ich aussehe wie ein Lehrling.«

Aylin zögerte nur einen Herzschlag lang, dann drückte sie meine Hand. »Komm mit zu mir. Ich weiß, was wir machen.«

 

Ich hatte schon vergessen, wie schön es war zu baden. Als Aylin damit fertig war, mich mit der blumig riechenden Seife zu schrubben, von der sie so großzügig Gebrauch machte, sah ich beinahe respektabel aus. Ihr Zimmer lag direkt neben dem Waschraum, und ein Teil des Dampfes kroch durch die winzigen Risse in den Wänden.

»Ich bin dir dankbar für deine Hilfe, aber was ist mit deiner Arbeit?«, fragte ich, während ich mein nasses Haar kämmte. »Du kannst doch nicht immer noch Mittagspause machen.«

»Ich habe ihnen erzählt, es gäbe einen Notfall in meiner Familie.«

»Und was, wenn sie dich feuern?«

»Dann such ich mir was anderes.«

Vielleicht war das einfach ihre Art. Wir hatten uns vor ein paar Jahren kennengelernt, als wir beide die Bilge einer Baseeri-Skiff geleert hatten. Für einen Baseeri zu arbeiten hatte mir mehr zu schaffen gemacht als der Gestank, der an mir klebte, aber Aylin hatte lächelnd die dreckige Arbeit erledigt und sogar dafür gesorgt, dass wir Spaß dabei hatten. Der Eigentümer hatte so einen Narren an ihr gefressen, dass er sie weiterempfahl. Mir blieb diese Gunst versagt, allerdings hatte ich auch ziemlich deutlich gemacht, was ich von Baseeris hielt.

»Hier, zieh das an.« Sie nahm ein schlichtes, aber hübsches weißes Kleid von einer Leine, die sie in einer Ecke des Zimmers gespannt hatte, und warf es mir zu. Sechs weitere Kleider federten auf der Leine hin und her, und auf dem Boden darunter standen zwei Kleiderkörbe. »Ich habe kein grünes Leibchen, aber das sollte reichen, um dich reinzubringen.«

»Sie werden mich nicht einfach die Treppe hinaufsteigen lassen, nur weil ich sauber bin«, sagte ich, während ich mir das Kleid über den Kopf zog. Der Stoff dämpfte den Laut meiner Stimme.

»Merkst du das auch schon?«

Ich verzog das Gesicht, aber sie hatte recht. Ich hatte keine Ahnung, was ich tat. Aber in meinem Kopf köchelte ein Plan, und ich brauchte nur noch ein paar weitere Zutaten, um ihn schmackhaft zu machen.

»Ich kann dein Haar so weit herrichten«, sagte sie und öffnete ein Schmuckkästchen auf einem kleinen Tisch neben ihrem Bett, dem sie eine Halskette aus grünen Perlen entnahm. Sie zerriss die Kette und ließ die Perlen in ihre Handfläche gleiten. »Hmm, nicht exakt Gildegrün, aber es ist ähnlich genug. Außerdem wird sich das sowieso niemand so genau ansehen.«

Die Perlen funkelten wie pure Hoffnung. »Tali hat drei Uniformen. Wenn ich es bis in ihr Zimmer schaffe, kann ich eine davon anziehen; dann sehe ich aus wie jeder andere weibliche Lehrling auch. Ich geh kurz nach Unterrichtsende hin, dann kann ich mich unauffällig unter die anderen mischen.«

»Und dann kannst du gehen, wohin du willst! Eine gute Idee. Aber hoff lieber, dass sie dich nicht auffordern zu heilen.« Sie verzog das Gesicht, als bedauere sie ihre Worte. Ich hatte einmal ihr gegenüber erwähnt, wie eifersüchtig ich auf Tali gewesen war, dass sie in die Gilde hatte gehen können und ich nicht, und sie dachte sich wohl, dass diese Sache für mich deswegen um so schwerer war. Sie griff zu dem Haareisen, das sie auf dem Ofen erhitzt hatte. »Glätten wir mal diese Locken, einverstanden?«

Dampf erhob sich zischend in die Luft, als Aylin mein Haar in Form brachte. Ich versuchte mich zu erinnern, wie ich am schnellsten zu Talis Zimmer gelangen konnte. Erst durch das Nordtor - oder besser nicht, der dürre Wachposten könnte mich erkennen und meinen Betrug durchschauen. Also das Westtor. Dort könnte ich mich unter die Leute mischen, die nach Heilung verlangten. Ich konnte das schaffen. Ich konnte es bis in Talis Zimmer schaffen. Und dann? Ich brauchte einen Plan, aber mir fiel nichts ein.

Aylin hielt mir einen Spiegel vor die Nase. »So müsste es gehen.«

Ich sah aus wie Tali. Tränen verschleierten mir den Blick, aber ich fing mich wieder, ehe ich mir die Augen mit meinem - Aylins - Ärmel abwischen konnte. Sie band ein weißes Tuch um meinen perlengeschmückten falschen Heilerpferdeschwanz.

»Danke, Aylin.«

Sie ließ ein Grinsen aufblitzen, ehe sie mit feierlichem Ernst die beiden Armreife von ihren Handgelenken abstreifte. »Nimm das.«

»Ich brauche keinen Schmuck. Ich sehe gut genug aus.«

Sie umfasste meine Hände mit festem Griff. »Sie enthalten Pynviumperlen. Ich hab sie angemalt, damit sie aussehen wie gewöhnliche Perlen, aber sie werden aktiviert, wenn irgendjemand dein Handgelenk zu hart anfasst. Sie werden nicht viel Schmerz freisetzen - solche, die ausreichen, jemandem das Bewusstsein zu rauben, konnte ich mir nicht leisten -, aber es beißt genug, dass derjenige loslassen wird und du weglaufen kannst.«

»Aylin, ich ...«

»Nimm sie.« Sie streifte mir einen Armreif über jedes Handgelenk. »Heilen bringt eine Menge Geld ein. Leute sind bereit zu morden, wenn es darum geht, einen Haufen Geld zu verteidigen. Wenn du mit deiner Vermutung über die Lehrlinge richtigliegst, dann überleg dir mal, was die tun werden, um dich zum Schweigen zu bringen.«

Ich gab mein Bestes, um nicht darüber nachzudenken. Ich umarmte sie und konzentrierte mich auf die dürftig gerahmten Landschaftsbilder, die überall an den Wänden hingen, um nicht zu heulen. »Danke, Aylin! Ich bin dir so dankbar.«

Sie klammerte sich an mich; ich merkte, wie sie zitterte. »Sei vorsichtig. Du bist die einzige echte Freundin, die ich habe, das weißt du doch, oder?«

Ich wusste es nicht, aber vermutlich hätte ich es wissen müssen. »Ich werde achtgeben.«

Sie wischte sich die Augen und schmierte dunkle Streifen über ihre Wangen. »Gut. Gehen wir.«

»Was? Nein, du gehst nicht mit.«

»Und wer stellt dich dann meinem Freund bei der Wache vor?«

»Nein, ich habe es mir anders überlegt. Du hast recht, es ist gefährlich, und ich werde nicht riskieren, noch jemanden in Schwierigkeiten zu bringen, sollte ich erwischt werden. Ich muss allein gehen.«

Sie biss sich auf die Lippe, nickte aber. »Viel Glück! Möge die Heilige Moed mit dir sein.«

»Danke!« Ich brauchte jede Ermutigung, die ich bekommen konnte. »Ich bin bald wieder da - mit Tali.«

Sie lächelte, aber das Lächeln war gezwungen. So, als rechne sie nicht damit, mich je wiederzusehen, wolle aber nicht darüber nachdenken.

Ich wandte mich ab, ehe mir wieder die Tränen kommen konnten, und machte mich auf zur Gilde.

Sieben Schwestern, hört meine Gebete, denn ich brauche jede Einzelne von euch, um meine Schwester zurückzubekommen.