Textbeginn

Stille.

Ein Baum fiel krachend zu Boden. Erneut warfen die Männer ihre Motorsäge an. Ein Schrei. Das Kreischen dehnte und blähte sich, die Säge grub ihre Zähne in die nächste Kiefer. Ich wagte nicht, mich umzudrehen. Mein Herz zog sich zusammen. Ich hörte, wie die Wurzeln des hundertjährigen Riesen langsam aus dem Boden gerissen wurden, wie im Fallen sein Widerstand brach.

Ich saß auf einem Pfeiler aus rotem Klinkerstein am Eingang unseres neuen Hauses. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite reihten sich die frisch lackierten Holzzäune in der Morgensonne aneinander, dahinter kläfften Hunde in die Vorstadtidylle. In meinem Rücken, im kniehohen Gras eines verwunschenen Gartens, wie ihn sich jedes Kind erträumt, acht tote Kiefern. Acht. Ich hatte mitgezählt. Nun stand nur noch der kleine, verwachsene Baum. Den durften sie nicht fällen. Mein Vater hatte es mir versprochen. Vorsichtig drehte ich mich in der Grabesstille um.

Ich verlor das Gleichgewicht. Ein Sturz wie ein Schreck. Ich stemmte mich mit aller Kraft gegen den Uhrzeigersinn. Noch während ich fiel, oder schwebte, noch bevor mein sechsjähriger Kopf auf die Steinplatten schlug, sah ich ihn in seiner schlichten Schönheit. Die Sonne schoss durch seine Blätter, seine Früchte blitzten auf. Er stand noch. Allein. Gar nicht verloren. Trotzig. Mein Apfelbaum.