Arvans Fall
In diesem Augenblick vollführte Brogandas eine schnelle Bewegung. Er richtete seine Hände in Arvans Richtung und murmelte dabei eine Formel. Blitze aus Schwarzlicht schossen aus seinen Fingerspitzen heraus. Sie fächerten sich auf, verzweigten sich innerhalb eines Augenblicks zu einem pulsierenden Netz. Arvan wollte diesem Netz ausweichen. Aber er war unfähig, sich zu bewegen. Aus den Augenwinkeln heraus bemerkte er nur, wie Zalea von ihm fortgeschleudert wurde, hart gegen die Wand prallte und daran herabrutschte.
Gleichzeitig spürte Arvan einen schier unwiderstehlichen Sog. Eine Kraft erfasste ihn und zog ihn hinab. Der Boden unter seinen Füßen begann sich aufzulösen. Er verwirbelte wie ein Strudel. Alles begann sich zu drehen und verschwamm vor Arvans Augen zu einem Gemisch aus ineinanderfließenden Farben und Formen. Einen Augenblick lang hatte er das Gefühl, ins Bodenlose zu fallen. Er schrie auf. Sein Schrei wirkte eigenartig gedehnt. Ein unnatürlicher Widerhall ließ ihn zu einem dröhnenden, völlig verfremdeten Laut werden, dessen Klang nichts mehr mit seiner Stimme gemein hatte.
Für einen kurzen Moment schien es Arvan, als würden zwei widerstreitende Kräfte an ihm zerren, und ein furchtbarer Schmerz durchraste ihn.
Dann war alles dunkel um ihn herum. Er fiel auf einen harten Untergrund, versuchte sich notdürftig abzurollen. Nur Schwärze umgab ihn. Ein Blinder hätte nicht weniger sehen können. Arvan rappelte sich auf. Er hörte ein Knurren und griff instinktiv nach dem Beschützer. Seine Hand legte sich um den Griff, aber er zog die Waffe noch nicht. Die Lederscheide, die seine Ziehmutter Brongelle ihm dafür gefertigt hatte, konnte man sowohl über den Rücken schnallen als auch um die Hüften gürten. Letzteres tat er recht häufig, seit sie in Gaa weilten und er dies bei den Rittern aus Beiderland häufig gesehen hatte. So trug er es nun links, um es mit der Rechten ziehen zu können. Sein nach Art der Halblinge gefertigtes Langmesser hatte er deshalb auf die linke Seite verschoben. Arvan hörte erneut Geräusche. Schritte, Stiefel auf hartem, steinigem Grund, rasselnder Atem.
Orkatem!
Er vernahm gewisperte Worte in einer Sprache, von der er nicht ein einziges Wort verstand, die er aber sofort wiedererkannte.
Zu oft hatte er inzwischen gegen Orks gekämpft und dabei ihrer Verständigung gelauscht, als dass er diese Sprache nicht sofort wiedererkannt hätte.
Er riss den Beschützer heraus. Die Klinge begann zu schimmern. Ein metallisches Leuchten strahlte von ihr ab. Arvan stutzte. Wo immer ich auch hingelangt sein mag, es muss ein Ort sein, an dem starke Magie wirksam ist, erkannte er. Oft genug hatte er die Geschichte gehört, die man sich unter den Halblingen darüber erzählte, dass Magie eine solche Wirkung auf Metalle haben konnte. Selbst dann, wenn es sich nur um ganz gewöhnlichen Stahl handelte, aus dem man Klingen oder Äxte schmiedete. Und Arvan hatte keinen Grund anzunehmen, dass sein Schwert irgendetwas Besonderes an sich hatte. Es handelte sich um eine gewöhnliche Klinge, auch wenn er ihr inzwischen eine ganz besondere Bedeutung beimaß, weil sie ihm schon oft das Leben gerettet hatte.
Das Leuchten wurde stärker. Es erhellte schließlich einen Teil des dunklen Raums, in den er gelangt war. Der Raum war kahl, und die Wände bestanden aus grauem, feuchtem Gestein. Eine Höhle, kein Verlies oder Keller, erkannte Arvan. An den Wänden waren Bilder zu sehen, aufgetragen mit Farben, die im Licht des leuchtenden Schwertes erstaunlich lebensecht wirkten. Der Maler hatte die Struktur des Gesteins, seine zahllosen Unebenheiten, Abbrüche, Erhebungen und Vertiefungen in die Bilder integriert. Arvan sah detailreich dargestellte Herden von großen Hornechsen.
Und dazwischen Gruppen von – Orks!
Die Formen der eigenartigen Schwerter, der mit Obsidianspitzen besetzten Keulen und monströs großen Streitäxte waren exakt getroffen. Auch die ungeschlachten Körperformen waren mehr oder weniger deutlich erkennbar, selbst wenn manche dieser Gestalten nur im Schattenriss gezeichnet waren. Bei einigen traten allerdings selbst die Hauer so deutlich hervor, dass kaum ein Zweifel daran bestehen konnte, wer auf diesen Höhlenfelsen dargestellt war.
Szenen aus dem alltäglichen Leben der Orks waren dort offenbar zusammengetragen worden. Sie suhlten sich in der Schlammgrube, spalteten die Schädel ihrer Feinde und aßen das Hirn (wobei nicht zu erkennen war, ob es sich bei diesen Feinden ebenfalls um Orks oder um Angehörige anderer Völker handelte). Arvan ging ein Stück an der Höhlenwand entlang. Auf den Bildern waren nun Orks zu sehen, die mit bloßen Pranken in Schwärmen aus insektenartigem fliegenden Getier griffen. Das mussten die ungefähr ellenbogenlangen Riesenschrecken sein, die in den Sümpfen von Transsydien schlüpften und dann in großen Schwärmen in Richtung des West-Orkreichs zogen. Diese gefräßigen Wesen galten überall als Sinnbild für Tod, Verderben und Unreinheit, zumal sie von Getreide über Aas bis hin zu Exkrementen buchstäblich alles vertilgten. Wenn sie nichts anderes fanden, zernagten sie sogar Holz, und bei ungünstigen Winden gelangten sie bis in den Halblingwald am Langen See. Arvan hatte seinen Ziehvater Gomlo oft dabei begleitet, wenn der sich einmal im Jahr auf den Weg machte, um die übel riechenden, mit der magischen Essenz des Baumsaftes getränkten Schwarzmoose auszulegen, die die Schwärme fernhalten sollten.
Gerade diese Kreaturen aber, die Menschen, Elben und Halblingen so sehr zuwider waren wie kaum etwas anderes, galten als eine der Hauptnahrungsquellen der Orks.
Wie eine Fackel hielt Arvan das Schwert vor sich und suchte nach dem Ursprung der Geräusche, die er gehört hatte. Fast erschien es ihm, als kämen sie aus den Bildern und würden zu den dargestellten Szenen gehören.
Bei allen Waldgöttern, wohin bin ich nur verschlagen worden?, fragte er sich. Und gleichzeitig versuchte er seine Gedanken zu ordnen und sich daran zu erinnern, was eigentlich genau geschehen war. Brogandas’ Worte fielen ihm ein. Der Dunkelalb hatte darauf hingewiesen, dass er, Arvan, Held der gegen Ghool verbündeten Reiche und Sieger über den monströsen Zarton, von nun an sicherlich eine besondere Zielscheibe für Ghools unendlichen Hass sei.
Hatte sich die Warnung des Dunkelalben etwa schon so schnell bewahrheitet? Und welche Rolle spielte Brogandas eigentlich selbst bei dem Ereignis, das ihn an diesen unbekannten Ort verschlagen hatte? Hat er mich mit seiner schwarzen Magie zu retten versucht – oder genau das Gegenteil getan und mich erst in diesen dunklen Schlund hineingeworfen, durch den ich hierhergelangte?, fragte sich Arvan. Die Gedanken rasten nur so in seinem Kopf. Er konnte sich auf all das einfach keinen Reim machen.
Die Stimmen der Orks wurden unterdessen lauter. Ihre Worte und ihr rasselnder Atem wurde durch höhnisches Gelächter und raue Rufe unterbrochen. Und dann bemerkte Arvan, dass sich etwas auf dem Fresko bewegte.
Er zuckte zurück und dachte zunächst, dass es sich um ein Spinnentier oder den Schatten irgendeiner anderen Kreatur handelte, die zwischen den Spalten dieser feuchten Höhle beheimatet sein mochte.
Aber dann stellte er fest, dass das Bild selbst sich teilweise zu bewegen begann, so als ob die darauf abgebildeten Gestalten und Geschöpfe auf magische Weise zum Leben erweckt worden waren. Eine Gruppe von Orks, die gerade noch an ihrem Feuer gesessen und den Inhalt eines Schädels auf ganz unorkisch-brüderliche Weise untereinander geteilt hatten, sprang jetzt wie auf ein geheimes Zeichen hin auf. Und gleichzeitig vergrößerte sich die Flamme des Feuers, um das sie sich bis dahin gruppiert hatten.
Arvan starrte wie gebannt darauf.
Einer der Orks warf den geöffneten Schädel in die lodernden Flammen, woraufhin sie noch ein Stück weiter emporzüngelten. Dazu schrie er Worte, die vielleicht einer magischen Beschwörungsformel entstammten.
Die Gruppe der Orks stürmte Arvan jetzt entgegen, so als wollten sie das Bild verlassen. Unwillkürlich machte Arvan einen Schritt zurück. Der erste der Orks sprang nun aus dem Fresko. Er wuchs dabei auf Lebensgröße.
Ohne zu zögern, stürzte sich der Ork auf Arvan. Die sensenartige, leicht gebogene und sehr breite Klinge, die er mit der Linken führte, fuhr dicht an Arvans Kopf vorbei, der diesem furchtbaren Schlag gerade noch ausweichen konnte. In der anderen Hand hielt der Angreifer eine einhändig geführte Streitaxt mit Doppelklinge.
Die Klingen seiner beiden Waffen schimmerten auf ähnliche Weise, wie es bei Arvans Beschützer der Fall war, sodass es in der Höhle jetzt vergleichsweise hell wurde. Schatten tanzten an den Wänden, und es wurde für Arvan erkennbar, welche gewaltigen Ausmaße das Höhlengewölbe hatte, in das er durch irgendeinen finsteren Zauber versetzt worden war. Sämtliche Wände waren nahezu lückenlos mit ähnlichen Malereien versehen, und selbst die kuppelartige Höhlendecke war von diesen Fresken nahezu vollkommen bedeckt. Keine Unebenheit, kein Riss im Gestein, kein Vorsprung und keine Vertiefung war ungenutzt geblieben; sämtliche Flächen waren in die Fresken einbezogen worden.
Und überall begannen sich die Bilder zu bewegen.
Der Ork holte mit seinem Schwert zu einem erneuten Hieb aus, Arvan parierte den Schlag mit knapper Not. Die Klingen trafen mit solcher Wucht aufeinander, dass Arvan zurücktaumelte und beinahe das Gleichgewicht verloren hätte. Der Ork schleuderte ihm seine Axt entgegen. Mit einer instinktiven Aufwärtsbewegung des Beschützers lenkte er den Wurf ab. Er traf die Axt genau unterhalb der Doppelklinge. Sie wurde emporgeschleudert und prallte gegen die Wand. Die Klinge leuchtete grell auf, als sie den Stein berührte. Etwas von der Farbe blätterte ab, das eigentlich zu dem massigen Rücken einer großen Hornechse gehört hatte. Ein durchdringendes, tierisches Brüllen durchdrang nun in ohrenbetäubender Lautstärke die Höhle. Der Ork fasste sein Schwert mit beiden Händen und ließ es erneut durch die Luft schwingen.
Mit einer Folge von mehreren dicht aufeinanderfolgenden Hieben wurde Arvan ein weiteres Stück zurückgetrieben, ehe er dann einem dieser Hiebe auswich, den Beschützer blitzschnell auf die Kehle des Orks zuschnellen ließ und sie ihm mit einem kräftigen Stoß in den Hals rammte. Ein gurgelnder Laut drang aus dem tierhaften Maul. Blut strömte ihm sowohl aus der Wunde als auch aus dem Rachen und rann ihm von den Hauern herab. Arvans nächster Hieb trennte ihm den Kopf vom Rumpf. Als der Schädel bereits über den Boden rollte, holte der Ork noch zu einem letzten Schlag aus, der aber ins Leere ging. Er brach in sich zusammen.
Drei weitere Orks waren unterdessen aus den Fresken hervorgekommen. Und ein vierter sprang gerade aus dem Fels heraus. Das Metall ihrer Waffen leuchtete so stark, dass die Höhle jetzt bereits heller erleuchtet war, als wenn ein Dutzend Fackeln Licht gespendet hätten.
Die Orks knurrten etwas. Sie sprachen in ihrer Sprache, und Arvan ahnte nur, dass es dabei wohl um ihn ging. Vermutlich berieten sie, wer von ihnen Arvan als Nächster angreifen sollte.
Ein fünfter Ork trat aus der gegenüberliegenden Seite der Höhle aus dem Fresko hervor. Er landete mit einem Satz auf seinen stämmigen Beinen und deutete mit seiner Streitaxt in Richtung des Scheusals, das Arvan erschlagen hatte. Dabei stieß er einen lauten Wutschrei aus. Und stürzte sich von hinten auf Arvan.
Dieser wirbelte herum, parierte den ersten, mit der Streitaxt ausgeführten Hieb und ließ dann den Beschützer tief in das Fleisch seines Gegners hineinfahren. Blut spritzte. Der Ork sank röchelnd in sich zusammen. Im selben Moment griffen Arvan zwei weitere Orks von hinten an. Einer schleuderte einen Wurfdolch. Arvan wirbelte herum, riss das Schwert empor. Der Dolch streifte ihn nur am Hals, aber das war schlimm genug. Blut spritzte aus seiner Schlagader. Arvan wehrte den Hieb des zweiten Gegners ab, der mit einer mit messerscharfen Obsidiansplittern besetzten Keule auf ihn eindrosch. Mit seiner Linken hielt er sich den Hals. Das Blut rann in Strömen zwischen seinen Fingern hindurch. Er presste den Handballen so stark er konnte auf die Wunde, obwohl er wusste, dass es unmöglich war, eine derartige Verletzung auf diese Art zu schließen. Mit jedem Herzschlag spritzte das Leben aus ihm heraus. Alles begann sich vor seinen Augen zu drehen. Er schlug um sich, verfehlte seinen Gegner und wurde im nächsten Augenblick auch noch von der Obsidiankeule an der Schulter getroffen. Die Spitzen aus dem scharfen Vulkangestein drangen mühelos durch sein Wams in seine Haut und rissen beides auf. Arvan taumelte zu Boden.
Doch ehe sich der andere Ork auf ihn stürzen und ihm mit seinem sensenartigen, gebogenen Breitschwert den Kopf abschlagen konnte, hatte Arvan den Beschützer herumfahren lassen. Er biss die Zähne zusammen und stieß einen lauten Schrei aus – halb vor Schmerz, halb vor Wut.
Der Beschützer fuhr seinem Gegner mit unglaublicher Wucht durch beide Knie. Der Schwertstreich des Orks wurde dadurch verrissen; die Klinge glitt dicht über Arvans Kopf hinweg. Der Ork verlor das Gleichgewicht und schrie auf, als er zu Boden ging.
Arvan rollte sich herum. Das Blut schoss ihm immer noch pulsierend aus der Wunde am Hals. Er versuchte aufzustehen. Für einen Moment drohte ihm schwarz vor Augen zu werden. Er schlug deshalb mit weit ausholenden Bewegungen um sich und ließ den Beschützer durch die Luft wirbeln, um die Orks auf Abstand zu halten.
Diese wichen tatsächlich zurück.
Der am Boden liegende Krieger, dem Arvan mit einem Schwertstreich die Unterschenkel abgetrennt hatte, schrie noch immer laut und schrill. Einer der anderen Orks gab ihm mit der flachen Seite seiner Streitaxt einen Schlag auf den Kopf, woraufhin der Schrei erstarb. Ehe er sich von diesem Schlag würde erholen können, war der verletzte Ork vermutlich ohnehin längst ausgeblutet.
Arvans Blick wurde wieder klarer.
Noch einmal ließ er den Beschützer durch die Luft kreisen – aber dann bemerkte er, dass dies wohl nicht der einzige Grund war, aus dem die Orks vor ihm zurückgewichen waren.
Arvan starrte zu dem Fresko. Das Lagerfeuer, um das die Gruppe von Orks gesessen hatte, die sich anschließend auf magische Weise verstofflicht hatten und aus dem Höhlengemälde herausgesprungen waren, hatte sich abermals verändert. Schon zuvor war die Flamme um ein Vielfaches aufgelodert und emporgewachsen. Jetzt hatte sie die Form einer beinahe menschenähnlichen Gestalt angenommen.
Einer Gestalt, die aus purer Glut zu bestehen schien, nur unterbrochen von einigen dunklen Flecken, die sich genau dort befanden, wo man von den Proportionen her die Augen vermutet hätte. Als ob das Gestein selbst zu schmelzen beginnt, ging es Arvan schauernd durch den Kopf, und für einen Augenblick spürte er nicht einmal mehr den unangenehm pulsierenden Schlag seines Herzens, der ihm das Blut aus der Wunde herauszutreiben schien.
Er hatte das Gefühl, als ob sich eine eisige Hand auf seine Schulter gelegt hätte.
Die Gestalt veränderte sich noch immer. Vor allem die Länge ihrer Arme schien variabel zu sein. Eine Waffe in Form einer Axt wuchs aus dem rechten Arm heraus, während der linke etwas ausbildete, das wie eine Peitsche wirkte. Eine Flammenpeitsche.
»Dämon!«, stieß einer der Orks hervor und benutzte dabei das in den meisten Menschenreichen gebräuchliche Relinga. »Dämon aus Feuer!«, fuhr er fort und stieß einen glucksenden Laut aus, der wahrscheinlich die orkische Variante eines irren, gehässigen Kicherns war. »Tötet dich!«
Ein dröhnender Laut hallte im nächsten Moment durch die Höhle. Er war so laut, dass Arvan für einen Augenblick dachte, er würde taub werden und nie wieder in der Lage sein, irgendetwas zu hören. Die tiefen, dröhnenden Untertöne, die in diesem Laut mitschwangen, verursachten einen unangenehmen Druck in der Magengegend. Selbst der Höhlenboden schien darunter zu erzittern. Hier und da bildeten sich kleine Risse und verzweigten sich über das Gestein. Diese Risse blitzten kurz auf; so stark war offenbar die magische Aura, die von diesem Flammendämon ausging.
Die Orks verstummten, wichen zur Seite und schienen von dem Dämon ziemlich eingeschüchtert zu sein.
Der Dämon trat mit einem weiten Schritt aus dem Fresko heraus und wuchs dabei um das Zweieinhalbfache seiner bisherigen Größe. Arvan reichte ihm gerade bis zur Körpermitte. Er wich noch einen weiteren Schritt zurück. Gleichzeitig begannen nun überall auf den Fresken weitere Orks sich zu bewegen und sich dem Geschehen zuzuwenden. Sie schrien durcheinander, und Arvan hatte fast den Eindruck, als wollten sie den Dämon anfeuern. Die aus den Gemälden herausgetretenen und verstofflichten Orks waren da deutlich zurückhaltender. Und das hatte seinen Grund. Der Dämon vollführte eine ruckartige Bewegung. Er ließ die Flammenpeitsche emporschnellen. Sein ganzer Körper glühte dabei auf. Die Peitsche traf einen der Orks und hinterließ zischend eine schwarze Brandspur, die sich von der Stirn über das Orkmaul mit den vier Hauern und den Oberkörper zog. Aufschreiend wich der Ork noch etwas weiter zurück und drückte sich gegen die bemalte Felswand, mit er dann verschmolz, sodass er wieder Teil des Freskos wurde.
Im nächsten Moment machte der Dämon einen Ausfallschritt – so schnell, wie Arvan es dieser riesenhaften, sich bislang eher gravitätisch bewegenden Gestalt gar nicht zugetraut hätte. Glühende Tropfen aus geschmolzenem Gestein rannen dabei zu Boden und brannten sich dort zischend ein. Mit einer aus seinem Arm herausgewachsenen glühenden Streitaxt schlug der Dämon nach Arvan.
Dieser wich dem ersten Schlag aus.
Gleich darauf wickelte sich die Flammenpeitsche wie eine Schlange um sein Schwert.
Die ohnehin ja bereits durch die Magie dieses Ortes leuchtende Klinge glühte nun auf. Arvan fasste den Schwertgriff mit beiden Händen. Ob ihm das Blut dabei aus dem Hals spritzte, war ihm in diesem Moment gleichgültig. Er wollte sich das Schwert auf keinen Fall aus der Hand reißen lassen. Um keinen Preis.
Arvan krallte sich fest und spürte dabei, wie ein grausamer Schmerz seine Arme durchfuhr und seinen gesamten Körper erfasste. Durch eine schwungvolle Bewegung der Flammenpeitsche wurde er emporgeschleudert, flog durch den Raum und schlug hart gegen eine der bemalten Felswände.
Die Orks und sogar die Hornechsen, die darauf abgebildet waren, bewegten sich fort, so als würden sie vor dem auf sie zukommenden Körper zurückweichen.
Arvan rappelte sich auf. Schon im nächsten Moment stand er wieder auf den Beinen.
Der Beschützer war nach wie vor in seiner Hand. Das war im Moment das Wichtigste.
Aber Arvan blieb keine Zeit, um zu verschnaufen. Der Dämon stürmte auf ihn zu. Er war kaum aufgestanden, da senkte sich von oben bereits die glühende Klinge der monströsen Streitaxt des Dämons. Arvan duckte sich zur Seite. Glut tropfte dicht neben ihn, und Funken sprühten, während die Axt einfach durch das Gestein der Felswand hindurchging. Die Orks im Fresko wichen noch weiter zurück.
Arvan stieß mit dem Beschützer zu. Mit aller Kraft rammte er das Schwert in den Körper des Dämons. Seine Klinge glühte dabei auf.
Der Dämon stieß einen durchdringenden Schrei aus. Arvan zog die Klinge hervor, schlug dem Dämon den Kopf ab. Er rollte über den Boden, zerfloss dabei wie flüssige Lava und erstarrte schließlich zu einem unförmigen Klumpen. Ein weiterer Hieb trennte den Axtarm vom Körper. Er fiel zu Boden. Arvans Beschützer durchdrang den Körper des Dämons mit großer Leichtigkeit.
Die Flammenpeitsche zuckte plötzlich vor und schloss sich um Arvans Hals. Zischend brannte sich die Peitsche in seinen Hals. Arvan konnte nicht einmal schreien, denn er bekam keine Luft mehr.
Ein aufwärts gerichteter Hieb mit dem Schwert trennte die glühende Peitsche durch. Hastig streifte er das Ende, das sich um seinen Hals gewunden hatte, ab und verbrannte sich dabei die Hand. Dass die aufgerissene Halsschlagader nun nicht mehr blutete, nahm er nur beiläufig war. Zu übermächtig waren der Schmerz und die Wut.
Der Dämon veränderte seine Körperform. Der abgeschlagene Kopf wuchs von Neuem aus seinem Körper heraus. Ebenso der abgetrennte Axtarm. Ihm schienen die Schläge, die Arvan ihm beigebracht hatte, nichts auszumachen. Ein dröhnendes Gelächter kam jetzt von den Orks. Für sie schien das keine Überraschung zu sein, aber anscheinend hatte es für sie einen gewissen Unterhaltungswert, Arvans Fassungslosigkeit beobachten zu können. Einige ließen schnalzende Geräusche hören, mit denen sie Arvan ironisch anfeuerten.
Arvan wich vor seinem Gegner zurück. Aber schon nach wenigen Schritten kam er den Orks zu nahe. Einer von ihnen richtete bereits seinen Speer in Arvans Richtung. Den Speer einfach zu schleudern, schien er nicht zu wagen, um nicht dem Dämon in die Quere zu kommen.
Dieser streckte den Arm aus, der zu wachsen begann und eine neue, schlangengleiche Flammenpeitsche ausformte. Als sie auf Arvan zuschnellte, reagierte dieser mit einem schnellen Hieb und trennte ein Stück davon ab. Die Glut tropfte zu Boden und erstarrte dort. Mit weiteren Hieben drang er auf den Dämon ein, schlug weitere Stücke der Flammenpeitsche ab und schließlich sogar einen Teil des Arms.
Der wuchs jedoch abermals nach.
Diesen Gegner konnte er offenbar nicht so einfach töten. Vermutlich war Magie dazu nötig.
Aus dem anderen Arm hatte sich erneut eine Waffe in Form einer Streitaxt herausgebildet. Diese Streitaxt glühte zunächst, wurde dann aber vollkommen schwarz. Der Dämon ließ sie durch die Luft wirbeln. Arvan konnte nicht zurückweichen, wollte er nicht den Orks in die blankgezogenen Klingen laufen. So parierte er den ersten Hieb. Anders als der glühende Körper des Dämons war die Axt hart und undurchdringlich. Klirrend traf Arvans Beschützer mit dem Stiel zusammen und hatte dabei das Gefühl, gegen Stein zu schlagen. Funken sprühten. Gewöhnliche Funken – und solche aus Schwarzlicht, die dem dunklen Material entsprangen.
Schon dem nächsten Hieb konnte Arvan kaum noch standhalten. Ein weiterer Schlag riss ihm das Schwert aus der Hand. Es rutschte über den Boden – unerreichbar für ihn. Die neu gewachsene Flammenpeitsche schlang sich um seine Füße. Arvan verlor das Gleichgewicht, kam hart auf den Boden, während die dunkle Axt auf ihn niedersauste, um seinen Schädel zu spalten.
In diesem Augenblick entstand in der Höhlendecke eine Öffnung, die von wirbelnden Blitzen erfüllt war, die einen Strudel aus Licht bildeten.
Der Axthieb des Dämons ging ins Leere, denn eine gewaltige Kraft riss ihn zurück. Er taumelte, und mit der um Arvans Füße geschlungenen Flammenpeitsche zog er diesen hinter sich her.
Eine dunkle, nur als Schattenriss sichtbare Gestalt sprang aus dem Lichtstrudel an der Höhlendecke herab, landete federnd auf den Füßen und befreite Arvan mit einem Schwerthieb, der die Flammenpeitsche durchtrennte.
Der Dämon brüllte auf. In seinem nur aus zwei schwarzen Augen und dunkelroter Glut bestehenden Gesicht öffnete sich nun ein Mund, erfüllt von gelblichem Feuer. In einem breiten Strahl schossen die Flammen hervor.
Die dunkle Gestalt hob eine Hand. Die Flammen aus dem sich immer weiter öffnenden Dämonenrachen prallten gegen eine unsichtbare Wand, von der sie zurückgeworfen wurden. Die dunkle Gestalt murmelte dabei mit dröhnender Stimme eine Beschwörungsformel. Der Dämon taumelte jetzt – getroffen von seiner eigenen, auf ihn zurückgeworfenen Glut, die seinen Kopf und den Oberkörper erfasste. Die Farbe veränderte sich dort von einem dunklen Rot zu einem grellen Gelbton. Für einen Moment schien er die Form zu verlieren und auseinanderzufließen.
Einer der Orks griff die dunkle Gestalt von hinten an. Der Angegriffene wirbelte herum, spaltete mit einem Schwertstreich den Schädel des Orks in der Horizontalen. Die Kapuze der dunklen Kutte, die er trug und die das Gesicht im Schatten ließ, glitt dabei zurück.
»Brogandas!«, entfuhr es Arvan, der sich aufrappelte.
»Nimm das!«, rief Brogandas.
Der Dunkelalb murmelte eine Formel und bewegte dabei seine Hand. Arvans Schwert erhob sich wie von unsichtbarer Hand gefasst vom Boden. Die Waffe flog durch die Luft, drehte sich dabei mehrfach um ihren Schwerpunkt, und Arvan fing sie auf – gerade noch rechtzeitig, um sich gegen einen der Orks zu wehren, der sich jetzt auf ihn stürzte.
Der Feuerdämon griff jetzt ebenfalls noch einmal an. Er hatte seine Form wiedergefunden und stürmte auf Brogandas zu.
Brogandas stieß einen Schrei aus. Ein Strahl aus purem Schwarzlicht drang aus seiner Handfläche, erfasste den Dämon vollkommen und schleuderte ihn gegen die Höhlenwand. Schreiend verschmolz er mit der Wand, und im nächsten Moment sah man ihn nur noch als erstarrte Gestalt, als Teil des Freskos.
Arvan wehrte sich inzwischen gegen mehrere Orks gleichzeitig. Aber noch ehe er einen von ihnen erschlagen konnte, begannen grelle Lichtstrahlen aus den Wandfresken herauszudringen. Sie erfassten die Orks und sogen sie wieder in die Bildwelt der Wandmalereien hinein. Es dauerte nur Augenblicke, bis sich keiner von ihnen mehr in der Höhle befand. Sie waren wieder Teil jener magischen Fresken, denen sie entsprungen waren. Manche bewegten sich noch etwas, erstarrten aber schließlich mitten in der Bewegung.
Für einige Augenblicke leuchteten die Farben der Fresken auf eine Weise, die die gesamte Höhle erhellte. Dann verlosch dieses Licht, und es wurde ziemlich dunkel.
So dunkel wie zu Anfang, als Arvan so plötzlich und durch unbekannte Mächte an diesen geheimnisvollen Ort gelangt war.
Nur die Klinge des Beschützers leuchtete noch – ebenso wie Brogandas’ Schwert.
»Ich hoffe, du bist nicht allzu sehr zu Schaden gekommen«, sagte Brogandas. Er hielt sein Schwert wie eine Fackel empor.
Instinktiv griff Arvan sich jetzt an den Hals. Es tat höllisch weh, als er ihn berührte. Die Haut musste völlig verbrannt sein, als sich die Flammenpeitsche um seinen Hals gelegt hatte. Aber die aufgerissene Ader, aus der das Blut geströmt war, hatte sich geschlossen. Arvan spürte eine Kruste.
»Finger weg!«, sagte Brogandas.
»Aber …«
»Deine Selbstheilungskräfte mögen erstaunlich sein, wobei das Erstaunlichste daran vielleicht ist, dass dieses elbische Heilritual, dem du als Säugling unterzogen wurdest, überhaupt bei einem Menschen so gut wirkt, wie das offenbar bei dir der Fall ist! Aber du solltest das Schicksal nicht zu sehr herausfordern.«
Arvan versuchte zu schlucken und etwas zu erwidern. Aber ein dicker Kloß saß ihm im Hals. Im Schein der beiden Schwerter sah er, dass auch seine Stiefel Brandspuren der Flammenpeitsche trugen.
Brogandas hob den Kopf. Die Runen in seinem Gesicht waren in steter Bewegung. Er schloss die Augen, so als wollte er sich dadurch besser auf seine anderen Sinne konzentrieren. »Komm jetzt!«, forderte er.
»Wo sind wir hier eigentlich?«, brachte Arvan jetzt heraus. »Und was ist überhaupt geschehen? Im ersten Augenblick hatte ich den Eindruck, dass Ihr mich …«
»Ja?«
Der Dunkelalb öffnete die Augen. Der Blick, mit dem er Arvan bedachte, war schwer zu deuten. Aber Arvan spürte sehr deutlich den Willen seines Gegenübers. Er wollte unbedingt, dass Arvan ihm jetzt folgte. Arvan dachte daran, wie er selbst mit bloßer Willenskraft Baumschafe und Rankpflanzen beeinflusst und ihnen seinen Willen aufgezwungen hatte. Etwas, was er so gut beherrschte wie kaum einer der Halblinge, bei denen er aufgewachsen war. Aber ich bin kein Baumschaf, dachte er. Und auch keiner jener Menschen und Halblinge, die in Eurem Reich als leicht beeinflussbare Untertanen leben … Seinen eigenen Willen würde er sich von niemandem nehmen lassen.
»Wenn Ihr mich mit Eurer Dunkelalbenmagie in den Schlund gestoßen hättet, dann wüsste ich nicht, warum Ihr mich anschließend gerettet habt«, sagte Arvan.
»Du hast also die widerstreitenden Kräfte gespürt … Sehr interessant.«
»Brogandas, erklärt es mir!«
»Das habe ich bereits.«
»Wie bitte?«
»Bevor du hierhergelangt bist, habe ich dir gesagt, dass du für Ghool jetzt kein Niemand mehr bist. Dass er mit Sicherheit weiß, wer seinen Feldherrn getötet hat, und dass er dich nun mit der ganzen Kraft seines Hasses verfolgen wird!«
»Und das ist geschehen?«
»Was glaubst du denn, wer diesen Dämon geschickt hat?« Brogandas seufzte. »Ach, du bist so einfältig, und dein Verhalten ist so leicht vorherzusehen. Es wird schwer für dich werden.«
»Was wird schwer werden?«
»Das Überleben, Arvan! Wenn du geglaubt hast, dass deine Tat ohne Folgen bleibt, dann hast du dich geirrt. Das Wesen, das versucht hat, dich umzubringen, war ein Feuerdämon der Erde. Das sind weitläufige Verwandte der Trolle, die ja bekanntlich nach ihrem Tod versteinern.« Brogandas trat mit der Stiefelspitze gegen eines der erstarrten Gesteinsstücke, die von der Gestalt des Dämons herabgetropft waren. »Mal-Kantii nennen wir diese Kreaturen bei uns in Albanoy. Sie kommen aus dem Inneren der Erde. Im Gegensatz zu den Trollen können sie sich allerdings nur für kurze Zeit an der Oberfläche aufhalten, dann erstarren sie. Mächtige Magie ist notwendig, um die Mal-Kantii zu rufen und sie sich untertan zu machen. Magie, die so mächtig ist, dass nur wenige diese Praktiken wirklich beherrschen. Einer der wenigen, die das vermögen, ist Ghool.«
»Und was habt Ihr gerade mit ihm getan?«
»Ich habe ihn nur vertrieben. Und schon das hat mich so viel Kraft gekostet, dass wir jetzt nicht einfach auf dem Weg zurück in die Burg des Statthalters von Gaa gelangen können, auf dem wir hierhergelangt sind.« Brogandas verzog das Gesicht. Seine Zähne blitzten im Schein des Lichtes, das von seinem Schwert ausging. Die Runen auf seinem Gesicht hatten inzwischen wieder weitgehend ihre ursprüngliche Form angenommen. Arvan hielt das für ein gutes Zeichen, soweit er das beurteilen konnte.
»Und wie kommen wir dann wieder zurück?«, fragte Arvan.
»Na, zu Fuß natürlich! Keine Sorge, es ist kein weiter Weg. Allenfalls etwas schwer zu finden, aber du hast das Glück, mich begleiten zu dürfen. Meine feinen Sinne ermöglichen es mir, mich in diesem Höhlenlabyrinth zu orientieren. Ich höre die unterirdischen Wasserströme und auch den nahen Fluss …«
»Den Fluss?«
»Und das Meer. Diese Höhle befindet sich tief in der Erde, genau unter den Mauern der Burg von Gaa.«
»Aber … die Orks …!«
Brogandas lachte. »Sie lebten vor langer Zeit in diesen Höhlen, als es hier noch keine Burg und keine Stadt gab. Es gibt viele solcher Höhlen, überall in Athranor. Die Orks haben hier vor langer Zeit zu ihren Göttern gebetet und ihre Ungeborenen verehrt.«
»Ihre Ungeborenen?«
»Ja, wusstest du das nicht? Ihre Toten beachten sie kaum und betrauern sie auch nicht – geschweige denn, dass sie sie verehren, wie es bei anderen Völkern der Fall ist. Nur die Ungeborenen sind wichtig, denn sie sichern die Zukunft des Orkvolkes.«
»Ihr scheint Euch gut mit den Orks auszukennen«, meinte Arvan.
»Lange nicht so gut wie dein spezieller Freund Lirandil«, erwiderte Brogandas. »Aber nun sollten wir diesen Ort langsam wirklich verlassen. Es ist so viel Magie hier gebunden …« Er hob den Kopf, seine Nasenflügel bebten, und er sog die Luft auf eine Weise ein, die den Eindruck vermittelte, als könnte er die Kreaturen, von denen er sprach, tatsächlich riechen. Dass das wirklich der Fall war, glaubte Arvan nicht. Zumindest hatte er nie davon gehört, dass Dunkelalben das gekonnt hätten. Dass Brogandas jedoch magische Kräfte auf irgendeine Weise zu spüren vermochte, daran bestand kein Zweifel.
Arvans Blick wurde ein letztes Mal von den Wandmalereien gefangen genommen. Dann folgte er Brogandas.
Der Dunkelalb führte Arvan zu einem Durchgang, der so niedrig war, dass man sich bücken musste. Ein kurzes Stück mussten sie sogar kriechend hinter sich bringen. Dann gelangten sie in einen von Tropfsteinen erfüllten Höhlengang. Hier gab es keine Malereien, dafür waren Haufen von Schädeln zu sehen. Schädel von Menschen, Tieren und vielleicht auch von Halblingen waren darunter. Außerdem Haufen von Knochen, bei denen sich Arvan nicht so ganz klar darüber war, ob es sich einfach nur um die Überreste von Mahlzeiten handelte oder ob sie vor Urzeiten irgendwelchen magischen Ritualen gedient hatten.
Sie erreichten anschließend einen schmalen Höhlengang, der sich schließlich verzweigte und endlich in einen etwas breiteren Gang mündete. Arvan bemerkte, dass das Leuchten seines Schwertes deutlich schwächer wurde – und dasselbe war bei Brogandas’ Klinge der Fall.
»Die Magie wird schwächer«, stellte der Dunkelalb dazu fest. »Aber das ist nicht verwunderlich. Schließlich entfernen wir uns von dem heiligen Ort, der von Ghool benutzt wurde, um den magischen Tunnel auszurichten.«
»Und wie lange bleibt uns noch etwas Licht?«
»Schwer zu sagen. Aber selbst falls das Licht unserer Klingen erlischt, bevor wir dieses Höhlenlabyrinth verlassen haben, ist das nicht allzu schlimm.«
»Ihr habt vielleicht noch andere Sinne, um Euch zu orientieren …«
»Sehr richtig!«
»Aber ich nicht!«
Brogandas hob die Schulter. »Du brauchst nichts weiter zu tun, als mir zu folgen. Dass du dabei etwas siehst, ist nicht so wesentlich, Arvan!«
Das Leuchten von Arvans Schwert war beinahe erloschen, als sie endlich einen Höhlenausgang erreichten. Dieser Ausgang mündete an einem steilen, felsigen Hang an einem Meeresarm. In der Ferne war eine Flussmündung zu sehen – und die Mauern und Türme von Gaa, deren Silhouette Arvan inzwischen vertraut war.
»Es ist so, wie ich vermutet hatte«, stellte Brogandas fest. »Aber die wenigen Meilen werden wir ja wohl ohne Schwierigkeiten auch noch hinter uns bringen.« Brogandas atmete schwer. Seine letzten Worte hatte er bereits etwas schwerfällig über die Lippen gebracht. Jetzt setzte sich der Dunkelalb auf einen Felsbrocken, stützte die Arme auf sein Schwert und schloss dabei die Augen.
»Was ist mit Euch, Brogandas?«, fragte Arvan.
»Anscheinend hat mich deine Rettung doch noch etwas mehr Kraft gekostet, als ich ursprünglich erwartet hatte«, murmelte er. »Das sollte nicht zur Gewohnheit werden.«
»Ich werde in Zukunft versuchen, auf mich selbst aufzupassen!«
Brogandas lachte heiser auf. »Ich möchte nicht wissen, wem du das alles schon versprochen hast, Arvan!«