19
Die Flederfalken brausten auf die verfolgenden Vibroäxte zu, hinter denen die TIE-Jäger der Schläger herjagten. Die Vribroäxte eröffneten das Feuer aus ihrer wild zusammengewürfelten Ansammlung von Waffen, und die Flederfalken und die feindlichen TIEs stürzten sich in diesen Hagel zerstörerischer Energie hinein, als wollten sie Selbstmord begehen.
Wedges Magenpartie fühlte sich an, als ob dort eine Kühleinheit auf Höchstleistung geschaltet worden wäre. Als sie ihren Feinden praktisch auf Kollisionskurs entgegengeflogen waren, war das bei weitem nicht so gefährlich gewesen wie jetzt im massiven Beschuß dieser Piraten, die zwar theoretisch die Sensorpunkte der Flederfalken von denen der anderen unterscheiden konnten… aber offenbar weder über das Geschick noch über genügend genaues Gerät verfügten, um dieser Differenzierung Rechnung zu tragen. Laserstrahlen, rot und grün, die Blitze von Ionenkanonen und die blauen Bahnen von Protonentorpedos fegten zwischen ihnen hin und her.
Die Flederfalken passierten die vorderste Front der Vibroaxt-Formation und bogen ab, drei Flügelpaare, die drei verschiedene Vektoren einnahmen. Einige der sie verfolgenden TIEs brachen die Verfolgung ab, um der Wolke von Uglies auszuweichen, andere stürzten sich in die Wolke hinein, wieder andere fegten an ihrem Rand entlang. Wedges TIE wurde von der Detonation eines Torpedos in der Nähe zum Trudeln gebracht; er warf einen Blick auf sein Display und stellte fest, daß Dia immer noch da war, in Flügelposition, immer noch intakt.
Plötzlich war ein Gewirr von Kommsprüchen zu hören, ein völliges Durcheinander ohne jede Ordnung. »Staffel zwei, Kurs auf Primärziel fortsetzen.«
»Flederfalken Fünf, hier Zwölf, empfehle Steigflug.«
»Ich bin getroffen, getroffen, ich…«
»Kann ihn nicht abschütteln.«
»Ich habe ihn, Bantha.«
»Archer, hier Vau Prima. Schick ein paar Torpedos zu dem Baby hinüber, hinter dem ist eine ganze Staffel her.«
»Das – bei der Nase des Imperators, das ist ein Ewok! Die haben einen Ewok-Piloten!«
Wedge drückte den Schalter seines Kommlink, das immer noch auf die von Castin vorgenommene Ewokstimm-Modifikation geschaltet war, und sagte: »Blute und stirb, ha, ha« und ließ sich dann nach Steuerbord abkippen, als er die Staffel entdeckte, die auf den neuen Supersternenzerstörer zujagte. Sie hatte die Gefechtszone umflogen, und die zehn übriggebliebenen Maschinen begannen Formation anzunehmen. Noch bevor sein Bildschirm ganz leer war, eröffnete er das Feuer und traf einen TIE-Jäger mit allen vier Strahlen an der Antriebskapsel, ein herrlicher Schuß. Der Jäger ging hoch wie ein Feuerwerkskörper, und seine Explosionswolke hüllte seinen Flügelmann ein, der die Wolke jedoch unversehrt wieder verließ.
Dias begleitender Schuß traf den Backbord-Solarflügel eines anderen TIE, riß aber nur ein sauberes Loch in die Fläche, ohne das Fahrzeug nennenswert zu beschädigen. Dann hatten er und Dia die Gefechtszone verlassen und setzten ihren Flug hinter den neun verbliebenen TIEs fort.
Shalla sah etwas vor sich, eine Bewegung dicht über dem Rumpf, und lenkte ihren Interceptor hinter ein großes Wrackteil der Raumstation. Sie schaltete alle Antriebsaggregate ab.
Das hatte zwar auch zur Folge, daß die neuen Lichtpunkte von ihrem Sensorschirm verschwanden, aber dafür konnte sie jetzt durch ihre Sichtluke erkennen, was diese Punkte erzeugt hatte: eine halbe Staffel Interceptors, die praktisch auf Kollisionskurs auf sie zukamen. Je näher sie kamen, um so deutlicher war zu erkennen, daß ihre Solarflügel mit den horizontalen roten Streifen der hunderteinundachtzigsten Jägergruppe gekennzeichnet waren – der Einheit von Baron Soontir Fei. Sie hielt den Atem an.
Die Interceptors brausten in einer Entfernung von weniger als hundert Metern an ihr vorbei. Keiner verließ die Formation, um Kurs auf sie zu nehmen, keiner zögerte. Ihre verkrampften Muskeln lockerten sich. Ohne Zweifel hatten die Interceptors den Auftrag, die Außenhaut der Razor’s Kiss zu inspizieren, um sich zu vergewissern, daß bei dem gewaltsamen Verlassen der Werftstation kein ernsthafter Schaden entstanden war.
Sie fuhr ihre Aggregate wieder hoch, nahm einen abgekürzten Check-up vor und setzte ihren Interceptor wieder in Bewegung.
Von hier aus mußte sie rumpfaufwärts fliegen, in Richtung auf den Kommandoturm des Supersternenzerstörers. Das war wesentlich schwieriger, da der aus der Ferne einigermaßen glatt aussehende Schiffsrumpf in der Umgebung des Kommandoturms aus einer Vielzahl kompliziert übereinander angeordneter Terrassen bestand.
Aber sie hatte eine gute Ausbildung im bodennahen Flug durchgemacht, und so dauerte es nur wenige Augenblicke, bis sie ihre Maschine mit großer Sorgfalt und ebensolchem Geschick zwischen den Deflektorschild-Kuppeln des Kommandoturms aufgesetzt hatte.
Sie schaltete sämtliche Systeme mit Ausnahme der Lebenserhaltung ihres Schutzanzuges und der Kommanlage des Sternenjägers ab. Dann ging sie auf Breitfrequenz, atmete tief durch und sagte drei Worte: »Parasit Zwei, los.«
Sie würden die Sendung natürlich auffangen. Deshalb bemühte sie sich, ihre Stimme zu verstellen, sie männlich, grollend klingen zu lassen, und fuhr dann fort: »Kuat-Zentralbehörde, bitte melden. Hier Ingenieursmaat Vula an Bord der Razor’s Kiss. Dieses Schiff ist von Rebellen oder Piraten gekapert worden. Ich glaube, wir haben Fahrt aufgenommen. Erbitte Anweisungen.«
Ein Zischen, dann eine von Störgeräuschen überlagerte Stimme. »Vula, hier Schläger Kontrolle. Wir haben die Lage erfaßt. Wo sind Sie?«
»Das kann ich nicht sagen. Ich sende offen. Die hören vermutlich zu.«
»Dann sehen Sie zu, daß Sie eine Fluchtkapsel finden, und starten Sie. Sie haben Ihre Pflicht getan.«
»Bestätigt. Ende.« Sie seufzte. Sehen Sie zu, daß Sie eine Fluchtkapsel finden. Seltsam, von einem Feind eine Anweisung zu erhalten, die sie bereits eindeutig nicht befolgt hatte. Sie konnte nur hoffen, daß der kurze Wortwechsel Raslans Crew getäuscht hatte. Sie versuchte sich zu entspannen.
Dia hatte gerade einen der Jäger vaporisiert, hatte ihn an der Oberseite mit einer Schußfolge getroffen, die das Innere der Maschine in grelles Licht getaucht und den Jäger dann hatte zerplatzen lassen, als Wedge die Sendung hörte: »Parasit Zwei, los.«
Verblüfft sah er auf sein Display. Der Code bedeutete, daß es einem der Flederfalken gelungen war, den Anschein eines Absturzes auf den Rumpf des Supersternenzerstörers zu erwecken, und daß der Betreffende sich jetzt an einem Ort befand, der es ihm erlaubte, dessen Deflektorschild-Kuppeln zu zerstören. Aber er hatte doch sämtliche Flederfalken auf seinem Bildschirm?
Es war eine weibliche Stimme gewesen. Das mußte Shalla sein. Er spürte, wie das eisige Gefühl in seinem Magen sich aufzulösen begann.
Gut, das war sehr gut, und nicht nur, weil das bedeutete, daß Shalla ihren Einsatz überlebt hatte. Jetzt brauchten sie das Parasitenmanöver ihrer Operation nur einmal zu inszenieren. Wenn sie das zweimal taten, selbst wenn sie es schafften, würde das wahrscheinlich Argwohn erwecken.
Vor ihm schlugen zwei TIE-Jäger einen weiten Bogen, um Wedge und Dia erneut anzugreifen. Eine Verzögerungstaktik – der Kommandeur jener Staffel wußte, daß seine Jäger flugtechnisch Interceptors unterlegen waren, also opferte er zwei Piloten, um den anderen die Chance zu verschaffen, ihr Ziel, den Supersternenzerstörer, zu erreichen. Die von ihm geopferten TIEs flogen eine weite Schleife nach rechts, ehe sie zurückkamen; auf diese Weise würden sie, sofern die Flederfalken ihren Kurs fortsetzten, schließlich hinter ihnen eintreffen.
»Vier, bei mir bleiben«, sagte Wedge, »und dann abbiegen, wenn wir an denen vorbei sind.« Dann steuerte er auf die näher kommenden Maschinen zu. Die beiden TIEs schossen völlig ungezielt, wie mit einem Gartenschlauch. Wedge konzentrierte sich auf Ausweichmanöver und erwiderte das Feuer erst, als seine Zieloptik ihm anzeigte, daß er eine Trefferchance hatte, trotzdem verfehlten seine Laserstrahlen ihr Ziel. Dann begegneten sich die beiden TIE-Paare und setzten zu einem zweiten Looping an.
Wedge biß die Zähne zusammen und steuerte seinen Interceptor in den engsten Looping, den er fliegen konnte. Sein Schwerkraftkompensator schaffte es nicht ganz, die Fliehkraft auszugleichen, so daß er mit einiger Wucht in den Pilotensessel gepreßt und ihm das Blut in den Kopf gedrückt wurde; er spürte, wie um ihn herum alles grau wurde, und nahm den Knüppel etwas zurück. Aber die feindliche Maschine, die er sich als Ziel gewählt hatte, hatte kein so ehrgeiziges Manöver versucht, und so war Wedge plötzlich beinahe instinktiv hinter den Feind gelangt. Der versuchte, ihn abzuschütteln, aber Wedge blieb hinter ihm, zielte, wartete, bis die grünen Klammern seiner Zieloptik das Bild des Gegners erfaßt hatten, und feuerte dann. Der TIE explodierte in einem Regen von leuchtendem Gas und Trümmerteilen. Wedge drückte den Knüppel zur Seite, um nicht durch die Trümmerwolke fliegen zu müssen.
Er entdeckte Dias Sensorsignal auf seinem Bildschirm und kippte etwas zur Seite, um besser sehen zu können. Sie hatte sich ebenfalls hinter ihren Gegner geklemmt und feuerte ihre zwillingsgekoppelten Laser auf ihn ab; Wedge konnte sehen, wie ihre Laserstrahlen sich in die Ionenmotoren und Flügelpylonen des Gegners fraßen. Jetzt riß einer der Pylonen ab, zu Schlacke zerschmolzen, und der rechte der beiden Zwillingsmotoren setzte aus.
Der gegnerische Pilot schaltete den Motor aus und versuchte weiterhin, Dia zu entkommen.
Sie ließ ihn, gestattete es dem waidwund geschossenen TIE, sich in Sicherheit zu bringen, schlug einen Bogen und schloß sich wieder Wedge an.
Er nahm Kurs auf ihr ursprüngliches Ziel und überlegte. Die alte Dia hätte jenes Ziel vaporisiert, ohne auch nur einen Augenblick zu zögern. Die neue Dia schien damit zufrieden zu sein, ihr Ziel erreicht zu haben, statt einen Abschuß zu verbuchen. Er konnte nur hoffen, daß die Änderung, die sich in ihr vollzogen hatte, sich nicht eines Tages nachteilig für sie auswirken würde. Aber er sagte nur: »Gut gemacht, Vier.«
»Ha, ha, Eins.«
Vor ihnen, dicht vor dem neuen Supersternenzerstörer, entdeckte Wedge Lichtblitze.
Sein Sensordisplay zeigte an, daß aus den sechs TIEs jetzt zwölf geworden waren – aber die Neuankömmlinge waren blaue Punkte, und ihre Transponder zeigten an, daß sie Verbündete von der Eisernen Faust waren. Die sechs roten Punkte wurden zu fünf, dann vier, dann zwei, und dann war gar keiner mehr zu sehen. Wedge verlangsamte seine Fahrt, und Dia tat es ihm gleich.
Die Neuankömmlinge flogen weiter in derselben Richtung.
Wedge öffnete seine Kommverbindung. »Anführer, erbitte Anweisung?«
»Hier ist es noch recht brenzlig, Eins. Komm wieder rein.«
Eine neue Stimme, abgehackt und militärisch knapp. »Spreche ich mit den Ewok-Piloten?« Das war die Stimme Fels, und Wedge spürte, wie es in seiner Magengrube plötzlich wieder kalt wurde.
Auf dem Display war zu sehen, daß die Sendung von einem der sich nähernden TIE-Interceptors kam. Wedge sagte: »Ha, ha. Hier Kettch. Wer spricht?«
»Mein Name Fei. Fei will mit Kettch fliegen.« Die gepflegte Stimme und die simplifizierte Sprache paßten nicht zueinander.
Wedge schüttelte unwillkürlich den Kopf und steuerte seinen Interceptor wieder in die Kampfzone. Dia folgte ihm, unterließ es aber, sich in das Gespräch einzuschalten. »Ja«, sagte Wedge. »Mitfliegen. Sie sehen, Kettch bester Pilot.«
»Nun, jedenfalls bester Ewok.«
»Kettch nicht wirklich Ewok.«
»Nein?« Feis Stimme klang überrascht.
»Muß nicht sein. Ewoks dumm. Nicht ver-stehen Astronavigation. Nicht ver-stehen Check-liste. Dumm.«
»Traurig.« Die sechs Interceptors mit den roten Streifen bezogen neben Wedge und Dia Position.
»Traurig. Kettch keine Gefährtin haben. Ewok-Frauen zu dumm.«
»Noch trauriger.«
»Fei Gefährtin haben?« Das war es, das war die Frage, die Wedge stellen wollte, stellen mußte. Was war aus Feis Frau geworden, aus Wedges Schwester Syal?
»Oh, Fei Gefährtin haben.«
»Kluge Gefährtin?«
»Kluge Gefährtin. Schauspielerin. Du verstehen Schauspielerin?«
»Wie Geschichtenerzähler. Sie gute Gefährtin?«
»Gute Gefährtin.«
»Mit dir fliegen auf großem Inselschiff?«
»Nein, sie eigene Projekte. Du verstehen Projekte?«
»Ver-stehe. Bomben machen, Sternen-jäger richten, Menschen erstechen.«
»So etwas Ähnliches.«
Inzwischen hatten sie den äußeren Rand der Gefechtszone erreicht. Wedge konnte erkennen, daß die Vibroäxte ziemliche Verluste erlitten hatten, ihre Zahl war inzwischen auf sechs aktive Gefechtsteilnehmer zusammengeschrumpft; sie und die vier Flederfalken sahen sich immer noch fünfzehn TIEs gegenüber.
Wedge sagte: »Bei Kettch bleiben. Kettch guter Lehrer.« Er kippte seitwärts ab und tauchte mitten in das Gefecht hinein, wo drei TIE-Paare gegen Face, Kell und das Kommandofahrzeug der Vibroäxte, ein schwergepanzertes Kampfshuttle, kämpften.
»Fei braucht Kettch nicht als Lehrer. Fei ist bester menschlicher Pilot.«
»Nein. Andere Menschen sagen, anderer Name Bester.« Ihn provozieren; vielleicht wird er wütend und damit unvorsichtig und verplappert sich. Wedge wartete noch mit Feuern. Die feindlichen TIEs hatten noch nicht auf ihr Eintreffen reagiert, und jede Sekunde brachte ihn näher an sein Ziel und verbesserte damit seine Trefferchancen.
»Dann eben Luke Skywalker. Rebellengesindel, aber guter Flieger.«
Jetzt meldete sich endlich Dia zu Wort, sie sprach in ihrer seidigen Sekustimme: »Eigentlich haben wir ihm von Wedge Antilles und der Sonderstaffel erzählt.«
Brüllendes Gelächter von Fei. »Antilles? Oh, der ist wirklich ein Glückspilz, aber fliegen – nein, als Flieger taugt er überhaupt nichts.«
Ohne das zu wollen, spürte Wedge, wie er wütend wurde. Auf optimaler Distanz angelangt, eröffnete er das Feuer auf die ihm am nächsten befindlichen TIEs, diejenigen, die Kell verfolgten.
Fei eröffnete im gleichen Augenblick das Feuer. Ihre Salve traf beide TIEs und ließ sie nur Millisekunden hintereinander explodieren.
Wedge bog ab, um sich von hinten an Faces Gegner heranzupirschen. Fei hielt mit ihm Schritt. Die beiden flogen ein schwieriges Kreismanöver, wie winzige Planeten auf Orbit um eine unsichtbare Sonne, und feuerten auf die Feinde von Face, vernichteten sie mit ähnlich unbarmherziger Effizienz.
Antilles und Fei, Schwäger, die zum erstenmal seit Jahren, seit dem Verschwinden von Fei, wieder miteinander flogen. Aber es war kein Anlaß zur Freude. Fei schien sich in seiner Rolle als Verbündeter Zsinjs wohl zu fühlen und hatte in den Jahren, die vergangen waren, offenbar jeden Respekt für Wedge verloren.
Sie wandten sich dem Vibroaxt-Shuttle zu, aber es war von Gas- und Splitterwolken umgeben, und Dia und Feis Flügelmann hatten inzwischen Kurs auf sie genommen.
Das Display zeigte, wie die verbliebenen feindlichen TIEs sich einem anderen imperialen Sternenzerstörer zuwandten. Nicht der Schläger, jenes Schiff hatte die Gefechtszone in einiger Distanz passiert und war inzwischen in Reichweite der Eisernen Faust gekommen, wo es einen Schußwechsel mit dem größeren Schiff begonnen hatte. Die Schläger drehte sich jetzt steuerlos langsam um ihre Längsachse, aus einem halben Dutzend Trefferstellen an ihrem Rumpf loderten Flammen. Fluchtkapseln waren keine zu sehen; ohne Zweifel glaubte der Kommandant des Schiffes, er könne den Schaden unter Kontrolle bringen.
Der Ausfall der Schläger war ein Grund zum Feiern… aber dafür kamen jetzt ein rundes Dutzend imperialer Sternenzerstörer auf sie zu.
»Flederfalken, Vibroaxt, Hunderteinundachtzigste.« Das war die Stimme Melvars. »Zurückfallen, zurückfallen. Nähern uns Startzone.«
»Hat Spaß gemacht, mit dir zu fliegen, Kettch.« Fei bog plötzlich ab, um sich wieder seiner Einheit anzuschließen. »Das müssen wir wieder einmal tun.«
»Ha, ha.« Wedge legte mehr Begeisterung in diese Ewok laute, als er eigentlich empfand.
Es klang ganz danach, als würde Fei sich in Zsinjs Diensten wohl fühlen. Und das bedeutete, daß Wedge ihn möglicherweise würde töten müssen, wenn sich ihre Wege das nächstemal kreuzten.
Die Eiserne Faust, die jetzt in beträchtlichem Abstand hinter der Razor’s Kiss flog und das Zentrum ihres Verteidigungsschirms bildete, war heftigen Angriffen ausgesetzt, als die Flederfalken sich der Sungrass näherten. Der mächtige Supersternenzerstörer hatte an der Backbordseite einige Schäden davongetragen. Die waidwund getroffene Schläger und die brennenden Überreste des imperialen Sternenzerstörers Goldene Klaue, ein paar tausend Kilometer hinter der Eisernen Faust, legten ein stummes Zeugnis für die Herkunft jener Schäden ab. Die Eiserne Faust sah sich immer noch den Angriffen der TIE-Staffeln der Goldenen Klaue ausgesetzt.
»Führer, Zwölf. Ich habe nicht genug Abschüsse.« Piggy nahm in seinem Jäger Kurs auf die Eiserne Faust.
Face atmete tief durch. Es war der Code, und Piggy tat damit das, was dem Einsatz entsprach; dies war die erste Chance, die einer von ihnen hatte, sich der Eisernen Faust zu nähern, ohne Argwohn zu erwecken. Trotzdem verlangte die Form eine Kommdurchsage: »Zwölf, Anführer. Negativ. Zur Sungrass zurückkehren.«
»Ich kann Sie nicht verstehen, Anführer.«
»Zwölf, verdammt… Elf, begleiten Sie ihn.«
»Verstanden, Anführer.« Tyrias Jäger brauste hinter Piggy her.
Face war jetzt völlig damit beschäftigt, an der Sungrass anzudocken und seine Sensoren und sein Kommsystem zu überwachen. Das Display zeigte, daß Piggy und Tyria einen einsamen TIE-Jäger verfolgten, der dicht an den oberen Decks des Kommandoturms der Eisernen Faust entlangflog. Ihre Kommdurchsagen ließen erkennen, daß sie ihm dicht auf den Fersen waren, und dann trennten sie sich, umflogen den Turm auf entgegengesetztem Kurs… und plötzlich hatte Piggy die Spitze übernommen, wurde von dem Jäger verfolgt, den ihrerseits Tyria verfolgte…
Face spürte, wie seine Bauchmuskeln sich verkrampften. Das war ein tollkühnes und zugleich verrücktes Manöver – Piggy setzte sich bewußt feindlichem Feuer aus, um damit die Sensorcrew der Eisernen Faust zu dem Schluß zu veranlassen, den ihre Taktik erforderte. Piggy mußte sich in jenen wenigen Sekunden ganz auf Tyrias Schießkunst verlassen.
Ein wildes Kreischen kam über das Kommlink, Tyrias Stimme zwischen siegestrunkenem Triumph und Schrecken, den sie in eine einzige Silbe preßte, dann verlosch Piggys Signal und das des ihn verfolgenden TIE auf dem Display.
Und dann wieder Tyrias Stimme, gedämpft und gequält. »Führer, ich muß berichten, daß Zwölf von uns gegangen ist. Unser Freund Morrt ist eins mit dem Universum geworden.«
Morrt. Ein gamorreanischer Parasit. Das bedeutete, daß Piggy lebte und sein Ziel erreicht hatte, offiziell aber tot war; und Tyria verwendete diesen Namen, um die anderen davon zu unterrichten, ohne das Wort »Parasit« zu gebrauchen. Face seufzte erleichtert auf und fühlte sich plötzlich zehn Jahre älter und todmüde. »Tut mir leid, Elf. Sie haben Ihr Bestes getan. Aber Sie haben weniger als eine Minute zum Andocken, ehe wir starten. Wir werden heute abend unsere Gläser zum Andenken an Morrt heben.«
Piggy lag auf der Seite, nur die Gurte seines Pilotensessels verhinderten, daß er auf die Steuerbordseite des Cockpits fiel.
Seine Kollision mit dem Rumpf der Eisernen Faust war nur zur Hälfte vorgetäuscht gewesen. Der letzte Laserschuß seines Verfolgers hatte sein Cockpit irgendwo oberhalb der Zwillingsionen-Motoren getroffen und die Elektronikanlage seines Jägers beschädigt; sein Schadensdiagnose-Display hatte aufgeleuchtet wie die Festbeleuchtung einer Stadt am Lichterfest, ehe er seine Aggregate heruntergefahren hatte.
Vor sich, hinter dem künstlichen Hügel, den der Kommandoturm der Eisernen Faust bildete, konnte er die Oberseite einer der beiden Schildprojektorkuppeln des Schiffes sehen.
Aber das würde warten müssen. Für den Augenblick fing er an, komplizierte Astronautikformeln zu lösen, wunderschöne numerische Strukturen, die die Beziehung zwischen dem Echtraum und dem Hyperraum beschrieben.
Die Sterne, die er aus seiner unnatürlichen Lage sehen konnte, zogen sich plötzlich in die Länge, als Zsinjs Flotte in den Hyperraum eintrat.
Im Haupthangar der Eisernen Faust stieg Face aus der Luftschleuse der Sungrass.
Ein umfangreiches Empfangskomitee erwartete ihn, darunter auch die Vertreter der verschiedenen Piratengruppen. Melvar stand umgeben von einer Phalanx aus Sturmtrupplern in der Mitte der größten offenen Fläche. Er schüttelte verwegen gekleideten Piloten und Offizieren die Hände und übergab dem einen oder anderen nagelneu aussehende Datapads.
Als Face näher trat, konnte er erkennen, daß ganz besonders einer der Piraten auf Melvar einschimpfte; er drohte ihm mit der Faust und gestikulierte heftig in einer Art, die Face durchaus ernst gemeint und nicht etwa simuliert vorkam. Es war ein Devaronianer, noch dazu einer, der offenbar großen Wert auf Schmuck legte; seine Stirnhörner waren vergoldet, und seine scharfen Zähne blitzten so, daß die Vermutung nahelag, daß sie mit irgend etwas beschichtet waren. Seine Kleidung ähnelte im Schnitt der Uniform eines imperialen Admirals, aber sie war aus rotem Tuch und Leder gefertigt, und er trug darüber einen rotgesäumten goldenen Umhang.
Als Face herantrat, konnte er die Stimme des Devaronianers hören; es war die von Vibroaxt Prima. »… bösartige Lügen. Das ist keine Art, mit Alliierten umzuspringen, Melvar.«
Zsinjs General zuckte die Achseln. »Die Lüge war aus Sicherheitsgründen erforderlich. Die feindliche Kampfstärke habe ich richtig wiedergegeben.«
»Ja, das haben Sie! Meine Flotte hätte gegen Y-Flügler und X-Flügler bessere Ergebnisse erzielt. Wir haben Simulatoreinsätze gegen diese Typen geübt, und die Zeit hätten wir besser damit verbracht, gegen simulierte TIEs zu üben. Das war vergeudete Zeit. Ich habe achtzig Prozent Fahrzeugverluste und fast fünfzig Prozent Pilotenverluste erlitten!«
Melvars Stimme klang jetzt besänftigend. »Und Sie werden in der zweiten Zahlungsrunde die von uns versprochenen Prämien erhalten.«
»Es wird keine zweite Runde geben! Ich will jetzt alles. Und keine Überweisungen – Material, Edelsteine, Ladung. Nichts von Ihrem Datapadschwindel.«
Face drängte sich nach vorn und fragte mit finsterer Miene: »Was höre ich hier von Schwindel, Melvar?«
»Ah, General Kargin.« Melvar griff hinter sich, und einer seiner Adjutanten reichte ihm ein Datapad. »Achtundzwanzig Prozent Verluste und eine beeindruckende Abschußquote. Allein schon dafür steht Ihnen in der zweiten Runde eine Prämie zu. Aber zunächst, wie versprochen, Ihre erste Rate.« Er reichte ihm das Datapad.
»Was soll das? Das sind keine imperialen Credits.«
»Das ist die Information, die Sie brauchen, um sich Zugang zu einem Nummernkonto zu verschaffen, auf das wir Ihr Honorar einbezahlt haben. Auf Halmad. Wir dachten, das wäre Ihnen angenehm.«
»Das wäre es.« Er warf einen zweifelnden Blick auf das Datapad. »Und wenn ich wie Vibroaxt Zahlungen in Naturalien haben möchte?«
»Dann bekommen Sie die auch. Die Hälfte des vereinbarten Betrages. Wenn wir uns die Mühe machen müssen, harte Währung und Ware mitzuführen, nehmen wir einen Abschlag. Das ist nicht verhandelbar.«
Face zuckte die Achseln und nahm das Datapad entgegen. »Ich vertraue Zsinj«, erklärte er. »Einfach, weil es sich für ihn gar nicht lohnt, uns zu verraten. Jede Piratengruppe im imperialen Weltraum und den von den Rebellen kontrollierten Sektoren würde das erfahren. Dann könnte er sehen, wo er noch Verbündete bekommt.«
Melvar lächelte. »Die Flederfalken treffen wie immer eine kluge Wahl. Ich darf Ihnen mein Beileid für Ihre Verluste aussprechen. Besonders Qatya hat uns gute Dienste geleistet.«
»Ich hoffe, daß man sich lange an sie erinnern wird. Bis zur zweiten Zahlung, Melvar.« Face salutierte mit dem Datapad in der Hand gespielt zackig und ging zur Sungrass zurück. Hinter ihm nahmen Vibroaxt Prima und andere Piratenführer jetzt etwas ernüchtert ihre Datapads entgegen oder verhandelten die Abschläge, die sie für Zahlungen in Sachwerten hinnehmen mußten.
Der erste Hyperraumsprung der Sungrass führte schnurstracks in Richtung auf Halmad, war aber nur ein Lichtjahr lang. Der zweite Sprung trug den Frachter geradewegs zu dem Tiefraumtreffpunkt, an dem die Mon Remonda wartete.
Nicht nur die Mon Remonda. Auch andere Teile der Flotte General Solos waren dort versammelt, darunter eine Fregatte der Nebulon-B-Klasse, ein zu einem leichten Sternenjägerträger umgebauter Kreuzer der Quasar-Fire-Klasse und eine ziemlich heruntergekommen wirkende Corvette der Marauder-Klasse, ein Kriegsschiff, wie man es gewöhnlich im Kommerzsektor zu finden pflegte. Wedge zog daraus für sich den Schluß, daß Han Solo seine Streitmacht mit einiger Mühe zusammengeschustert hatte.
Als Wedge auf der Brücke des Mon-Calamari-Kreuzers eintraf, erwartete ihn General Solo dort mit lächelnder Miene. Er schüttelte ihm die Hand.
»Irgendwelche Nachrichten von dem Supersternenzerstörer?« fragte Wedge.
»Mir geht es gut, danke«, sagte Solo. »Und dir?« Wedge grinste. »Entschuldigung. Wie geht es dir?«
»Nein, keine Nachrichten.« Han deutete auf das holoprojizierte Sternenfeld, das den Innenraum der Brücke einnahm. Um die Holoprojektion herum hatte sich eine Anzahl Schiffsoffiziere verteilt, hauptsächlich Mon Calamari, die, ohne sich um die Menschen zu kümmern, ihrer Arbeit nachgingen. »Sei nicht so angespannt. Deine Piloten könnten ein wenig Zeit zum Ausruhen gebrauchen.«
»Piggys Jäger hat nur beschränkte Luftvorräte, selbst wenn man die zusätzlichen Lebenserhaltungseinheiten dazurechnet, die er mit an Bord genommen hat«, sagte Wedge. »Wenn ihm die Luft ausgeht, muß er sich entscheiden, ob er versucht, in die Freiheit zu fliegen – was ihm natürlich nichts nützt, wenn er sich in einem unbewohnten Weltraumsektor befindet, denn die Reichweite seines TIE-Jägers ist nicht sehr groß, immer vorausgesetzt, er kann den Traktorstrahlen und Kanonen der Eisernen Faust entkommen. Er kann sich stellen – was sehr schlecht wäre, aus den üblichen Gründen und noch ein paar anderen obendrein, oder vielleicht versuchen, sich an Bord des Zerstörers zu schleichen, aber das ist ziemlich kompliziert. Und wir haben keine Ahnung, wie es um Shalla Nelprin steht. Und aus all diesen Gründen steht für den Teil unseres Programms, den wir als ›Parasit‹ bezeichnet haben, nur sehr wenig Zeit zur Verfügung, selbst wenn unsere Kommsoftware korrekt eingespielt ist.«
»Nun… trotzdem. Beruhige dich zunächst einmal. Die Eiserne Faust und der andere Zerstörer springen möglicherweise zuerst eine Weile hin und her, und es kann durchaus möglich sein, daß es eine ganze Weile dauert, bis sie in den Normalraum zurückkehren und ihr Hyperkommsystem in Betrieb nehmen. Immer vorausgesetzt natürlich, daß euer Softwareprogramm funktioniert…«
Der Mon-Calamari-Kapitän, Onoma, fuhr in seinem Kommandosessel herum und bewegte ihn auf seinen Luftkissen auf Solo und Wedge zu. Seine Reibeisenstimme klang erregt: »Zentrale meldet Signal aus dem Donn-Programm«, meldete er. »Wir haben Koordinaten für das Zielschiff, nur Minuten alt.«
»Weißt du, in letzter Zeit habe ich fast nie mehr recht«, sagte Solo leise. Dann hob er die Stimme. »Koordinaten einprojizieren.«
Mitten in dem projizierten Sternenfeld blinkte es jetzt gelb.
Han, Wedge und Onoma traten näher, und Solo meinte: »Anscheinend haben die einen Kurs senkrecht zum schnellsten Weg in die von ihm kontrollierten Raumbereiche genommen. Und das ist gut für uns. Die Mon Remonda ist das nächstgelegene Schiff.«
»Hast du vor, diese Koordinaten unmittelbar anzuspringen?« fragte Wedge.
Han schüttelte den Kopf. »Nein, ich möchte, daß wir uns ein wenig verteilen. Es wäre gut, wenn wir an seinen sämtlichen Fluchtvektoren Schiffe hätten. Er ist draußen im Tiefraum, weit entfernt von allen bekannten Schwerefeldern – wenn wir ihn nicht erledigen, kann er ziemlich schnell in den Hyperraum zurückspringen. Hast du eine Ahnung, wie er sich im Echtraum verhalten wird, ich meine vor seinem nächsten Sprung?«
»Er wird einige Zeit bleiben, wo er ist, und die Hyperantriebsaggregate des neuen Zerstörers von seinen Mechanikern überprüfen lassen.« Wedge überlegte. »Und das bedeutet, daß er völlig stoppt oder sich langsam treiben läßt. Nach seinem ersten Sprung aus dem Kuat-System ist er in Bewegung geblieben, und jetzt hat er sich in derselben Richtung wie der Hyperraumsprung bewegt… kann man seinen Kurs von Kuat zu seiner augenblickliche Position anzeigen?«
Eine dünne weiße Linie erschien, die den blinkenden gelben Punkt mit einem ein paar Handbreit entfernten Stern verband.
»So hatte ich mir das vorgestellt«, nickte Wedge. »Er wird auf diesem Kurs bleiben und sich treiben lassen, bis wieder Zeit zum nächsten Sprung ist.«
»Vergrößern«, sagte Han, und das holoprojizierte Bild dehnte sich aus, bis die weiße Linie, die den Hyperraumsprung der Eisernen Faust darstellte, den größten Teil des Bildes dominierte; innerhalb des Vergrößerungsbereichs waren jetzt nur noch ein paar Dutzend Sterne zu sehen.
Han deutete auf einen Punkt ein Stück vor dem projizierten Kurs der Zerstörer. »Also gut. Zeit für einen Sprung zu diesem Punkt berechnen. Mit der normalen Fahrtgeschwindigkeit der Eisernen Faust vergleichen. Wahrscheinlichen Standort auf Basis dieser Berechnung projizieren. Das wird die Ankunftszone der Mon Remonda. So, und jetzt werden wir – davon ausgehend, daß er in seinen eigenen Raumbereich zurückkehren will – die beiden für ihn wahrscheinlichsten Kurse ermitteln und die Tedevium auf den einen und den Rest dieser Gruppe auf den anderen Kurs setzen.«
»Tedevium?« Wedge blickte entsetzt durch die vorderen Sichtluken auf die Fregatte. »Das ist ein Trainingsschiff, keine kampfstarke Fregatte.«
Han zuckte die Achseln – wie es schien nicht deshalb, weil ihm das gleichgültig war, sondern weil er keine andere Wahl hatte. »Meine Flotte besteht aus drei Teilen mit einigermaßen gleicher Kampfstärke. Wir müssen einsetzen, was wir haben. Die Tedevium hat eine Abschlußklasse von Y-Flügler-Piloten und einen Kommandanten an Bord, der sich noch in jedem Gefecht gut geschlagen hat.«
»Stimmt. Trotzdem… sie sind noch in der Ausbildung.« Wedge unterdrückte ein Schaudern.
Han streckte ihm die Hand hin. »Viel Glück, Commander. Tut mir leid, ich hätte deinen Leuten ein wenig Entspannung gegönnt.«
Wedge griff nach Han Solos Hand. »Wie auch immer, wir werden ja bald zum Ausruhen kommen.«