7

 

Wenn das eine Belohnung ist, dachte Face, dann sollte ich besser aufhören, mir Belohnungen zu verdienen.

Er saß im gewichtslosen Zustand angeschnallt auf dem Pilotensitz eines der gekaperten Interceptors und blickte durch die Sichtluke des Jägers auf den Sternenhimmel und eine winzige, weit entfernte Sonne hinaus. Das Bild hatte sich eine Stunde lang nicht verändert, und die Musik, die er über die Lautsprecheranlage seiner Maschine abspielte, lief jetzt zum achten Mal und fing an, ihm auf die Nerven zu gehen. Er beschloß, bei künftigen Einsätzen mehr für seine Unterhaltung mitzunehmen, ganz besonders für Einsätze, bei denen Kommstille angeordnet war.

Face war es gewesen, der in einer Bar in Hullis den Frachternavigator entdeckt hatte, dessen Hände so auffällig gezittert hatten, als er nach seinem ersten Drink des Abends gegriffen hatte. Er war es auch gewesen, der den Mann so betrunken gemacht hatte, daß der jede Diskretion vergessen hatte, und er hatte sich dann auch die endlosen Lobeshymnen des Mannes über die Intelligenz seines Kapitäns angehört.

Das Schiff, auf dem der dem Alkohol zugetane Navigator seinen Dienst machte, war die Barderia. Der Frachter bediente Halmad auf einem Dreieckskurs und hatte es in der Vergangenheit immer geschafft, den Piraten aus dem Wege zu gehen. Als der Navigator schließlich genügend Alkohol intus gehabt hatte, hatte er Face ihr Erfolgsgeheimnis verraten. »Man braucht bloß jedes System von einem willkürlich gewählten Punkt aus zu verlassen und den Eintrittspunkt in das nächste System auch wieder willkürlich auszuwählen. Dann kann niemand den Kurs nachrechnen.«

»Das gibt aber einen recht komplizierten Kurs«, hatte Face gesagt.

»Eigentlich nicht. Beim Eintreffen im System taucht man einfach außerhalb der äußersten Planetenbahn aus dem Hyperraum, hört die Kommfrequenzen ab und besorgt sich die neuesten Berichte über Piraten. Anschließend nimmt man eine Kurskorrektur vor und springt zu dem Punkt, wo man ankommen will.«

»Ah, und dieser erste Ankunftspunkt vor der Kurskorrektur, das ist jedesmal derselbe?«

»Ja, das macht es ja so einfach.«

Face sorgte liebenswürdigerweise dafür, daß der Mann den Rückweg zu seinem Schiff schaffte, nachdem er so viel getrunken hatte, daß er weder seine Umgebung noch seine Freunde oder auch nur sein eigenes Gesicht wiedererkannt hätte. Aber zuerst folgte Face einer Eingebung und ging davon aus, daß ein Mann, der so leichtfertig war, einem Fremden so wichtige Betriebsgeheimnisse anzuvertrauen, möglicherweise auch in anderer Weise leichtfertig sein würde. Er kopierte den chiffrierten Inhalt des Datapads des Mannes auf sein eigenes und übergab diese Daten nach seiner Rückkehr auf den Flederfalken-Stützpunkt Castin Donn. Castin knackte den Code und stellte fest, daß die Daten keinerlei Informationen über Frachtrouten lieferten – dafür aber Angaben über bestimmte Punkte außerhalb einer großen Zahl planetarischer Systeme. Herauszufinden, wohin die nächste Reise der Barderia führen würde, bereitete also keine Schwierigkeiten.

Die Haut um Faces Mund juckte, aber er konnte sich nicht kratzen, hätte es auch dann nicht gedurft, wenn er seinen imperialen Pilotenhelm abgenommen hätte. Sein ganzes Gesicht war mit einem Netz schrecklicher Narben übersät – künstlichen Narben, die er einem speziellen Make-up verdankte, das inzwischen eingetrocknet war. Seine echte Narbe fehlte auch nicht; sie war geschickt in das künstliche Narbengewebe integriert worden.

Diese echte Narbe machte alles ein wenig komplizierter. Jede Verkleidung, die er anlegte, mußte diese Narbe entweder verbergen oder sie mit einschließen. Er hätte sie natürlich mit einer einfachen, wenn auch ziemlich teuren kosmetischen Schälkur und anschließender Bactabehandlung entfernen lassen können. Aber sie war inzwischen zu einem Teil seiner Persönlichkeit geworden, etwas, das ihn ständig an eine Schuld erinnerte, die er nie würde tilgen können. Als Kinderholostar hatte er, ohne dies zu wissen, mitgeholfen, die imperiale Moral zu fördern, hatte seinen Anteil zum Gelingen imperialer Projekte beigetragen, ja sogar dem Imperium dabei geholfen, Freiwilligenmeldungen für das Militär zu bekommen. Das alles sah er heute als Verbrechen an, die er niemals würde tilgen können. Und die Narbe war das lebende Symbol jener Verbrechen. Schaut mich an. Ich weiß, was ich getan habe.

Wie auch immer, die künstlichen Narben lieferten eine gute Tarnung, aber sie juckten. Und juckten. Und im Hintergrund lief gerade dieselbe Musik das neunte Mal ab.

Sein Sensordisplay leuchtete auf, als sich plötzlich den sieben bereits im Weltraum wartenden Lichtpunkten ein achter anschloß. Die Barderia war eingetroffen, in Reichweite seiner Kanonen und der Kanonen von Wedge.

Ein Knistern ertönte in seinem Komm, als er nach dem Knüppel griff. »Hier Eins, Zielerfassung. Schilde sind noch unten. Eröffne das Feuer.«

Als Face seinen Interceptor wendete, sah er die Barderia, einen kastenförmigen corellianischen Frachter von etwa hundert Metern Länge, auf seiner Steuerbordseite auftauchen. Grünes Laserfeuer von einem etwa zwei Kilometer entfernten Punkt im Weltraum tanzte über das Heck des Frachters. Face staunte darüber, wie schnell Wedge reagiert hatte; der Commander war dem Frachter bei dessen Auftauchen auch nicht näher und auch nicht günstiger zu ihm orientiert gewesen.

Face richtete seine Kanonen auf den Frachter, sah, daß sich dort ein Turbolaserturm zu drehen begonnen hatte und auf Wedge zielte. Er knirschte mit den Zähnen, aber dieser Geschützturm war nicht das gefährlichste Waffensystem, das der Barderia verblieben war. Er ignorierte ihn also und zielte auf die Kommunikationsphalanx des Schiffes. Er feuerte, und sein erster Schuß traf die Hülle, während der zweite die Kommanlage in einer kleinen Explosion in geschmolzenes Metall und entweichendes Gas verwandelte. Als er dann in Richtung auf den Frachter beschleunigte, koppelte er etwas verspätet seine Laser zu einem Vierlingsfeuer und nahm sich den Turbolaser aufs Korn.

Dieser Schuß war wesentlich befriedigender und beseitigte den Geschützturm völlig. Sein Interceptor und der von Wedge begegneten einander über dem schwerbeschädigten Schiff, als sie den Schaden, den sie angerichtet hatten, visuell überprüften.

»Hier Eins. Motoren aus. Keine Spuren von austretender Atmosphäre. Hüllenintegrität anscheinend noch intakt.«

»Hier Acht. Kommantenne erledigt. Hauptwaffe erledigt. Ich würde das entschieden als starke Verhandlungsposition bezeichnen. Eröffne jetzt Kommunikation. Nehme Verbindung auf.« Er schaltete seine Kommfrequenz auf Breitband unter Einschluß des von persönlichen Kommlinks benutzten Bereichs und steigerte die Energiezufuhr, um damit sicherzustellen, daß ihn auch persönliche Systeme empfangen konnten. Er räusperte sich und gab sich damit selbst das Zeichen für die Sprechcharakteristik der Rolle, in die er geschlüpft war, und sagte dann mit dunkler Reibeisenstimme: »Barderia, hier spricht General Kargin von den unabhängigen Raumstreitkräften der Flederfalken. Wir beschlagnahmen Ihr Schiff. Wir sind Geschäftsleute und werden Mannschaftsmitgliedern, die sich uns ergeben, nichts zuleide tun; ich garantiere allen eine sichere Passage in die Hände der Rettungskräfte dieses Systems. Aber wir sind auch ziemlich jähzornige Geschäftsleute, und deshalb werden Mannschaftsmitglieder, die uns Widerstand leisten, auf unseren Stützpunkt gebracht und dort einem Verhör unterzogen, das sie vermutlich nie vergessen werden… geschweige denn überleben. Übergeben Sie uns Ihr Schiff und bereiten Sie Ihre Schleusen für Enterkommandos vor… oder richten Sie sich darauf ein, bald Vakuum zu atmen.«

Er brauchte nicht lang auf eine Antwort zu warten. Eine Männerstimme, rauh und sichtlich bedrückt, antwortete ihm: »Hier spricht Captain Rhanken von dem unabhängigen Lastschiff Barderia. Ich übergebe mein Schiff. Backbord- und Steuerbordschleusen sind für Ihre Enterkommandos bereit.«

 

Das Enterkommando schien recht bescheiden: Face, Castin und Phanan in grauen TIE-Jäger-Uniformen, bereit, es mit den Insassen des Frachters aufzunehmen. Dafür hatten allerdings die übrigen Gespenster mit fünf Sternenjägern unter voller Bewaffnung Position um die Barderia bezogen. Der Frachter, der über keine Motoren mehr verfügte, um damit seine Schilde, seinen Sternenantrieb oder seine Waffen mit Energie zu versorgen, hätte für jeden einzelnen von ihnen eine leichte Beute dargestellt.

Ein sichtbar zitternder Navigations- und Kommunikationsoffizier – genau der Mann, der Face ungewollt die Information für diesen Akt von Weltraumpiraterie geliefert hatte – geleitete die Gespenster auf die makellos saubere Brücke des Frachters. Dort wurden sie von den übrigen Mitgliedern der Brückenmannschaft erwartet: dem Kapitän, einem ergrauenden Mann in mittleren Jahren, dem man auf den ersten Blick den ehemaligen imperialen Offizier ansah, und einem jüngeren Schiffspiloten, dessen Haltung erkennen ließ, daß er auch Waffenmeister des Schiffes war und nichts lieber tun würde, als die Piraten zu vernichten, die jetzt vor ihm standen.

Face nahm seinen Helm ab und zeigte damit sein beeindruckendes Make-up, was, wie nicht anders zu erwarten, dazu führte, daß die beiden jüngeren Offiziere erschreckt den Atem anhielten. »Ich bin«, verkündete er, »der ruhmreiche General Kargin, Begründer und Führer der Flederfalken.« Seine Stimme klang tief und rauh. »Captain?«

Der Schiffseigner salutierte nicht, nahm aber immerhin förmlich, wenn auch sichtlich widerstrebend, Haltung an. »Captain Rhanken von der Barderia.«

»Captain?« Face legte jetzt einen drohenden Unterton in seine Stimme. »Und ich sehe mich gezwungen, Ihnen dieses Schiff zu übergeben.«

Face streckte die Hand aus. »Lademanifest?«

Der Kommunikationsoffizier, den die Forderung des »Piraten« offenbar überrascht hatte, suchte, zunehmend nervös werdend, in seinen Uniformtaschen herum, bis er den Gegenstand gefunden hatte, den er suchte – ein Datapad, das er Face übergab.

Face reichte es Castin weiter. »Zwei, Sie spleißen sich in ihren Hauptcomputer ein und machen dort das Lademanifest ausfindig. Wenn es nicht zu hundert Prozent mit dieser Liste übereinstimmt, exekutieren wir alle.« Face wandte sich wieder dem Captain zu. »Ich kann allerdings auch nachsichtig sein. Wenn Sie irgendwelche Irrtümer in ihrer Liste vermuten, können Sie mir das jetzt sagen und sich unangenehme Folgen ersparen.«

Captain Rhanken erwiderte seinen Blick sichtlich unbeeindruckt. »Ich erwarte keine Probleme. Wenn meine Mannschaft ihre Arbeit so gut wie immer geleistet hat.« Er sah zu dem Kommunikationsoffizier hinüber. »Wird es ein Problem geben, Lieutenant?«

Der Offizier war offenkundig nicht gerade ein Meister in der Kunst, seine Gefühle zu verbergen, und wurde bleich. »Ich k-k-kann mich nicht daran erinnern, ob ich das abschließende Inventurmanifest aufgerufen habe oder nur die Planung von letzter Woche, Sir.«

»Dann holen Sie sich das abschließende Manifest und geben es ihm. Nur um sicherzugehen.«

»Yessir.« Der Offizier ging an die Arbeit.

Interessant. Face hatte Mühe, sich seine Gefühle, die zwischen Amüsiertheit und Verachtung schwankten, nicht anmerken zu lassen. Der Kapitän wollte also den makellosen Offizier spielen und schob seinen Untergebenen die Verantwortung für eine Taktik zu, die zweifellos von ihm angeordnet worden war. Bei manchen Piraten hätte das den Tod des Kommunikationsoffiziers zur Folge haben können.

Lange Minuten verstrichen, während der Offizier das korrekte Manifest aufrief und Castin sich vergewisserte, daß es korrekt war, indem er sich durch die Sperren des Computers bis zur ursprünglichen Datei vorarbeitete. Die Angaben stimmten überein, und Face und Castin machten sich ein Bild von ihrer Beute, während Phanan die Brückenoffiziere bewachte.

»Seht euch das an«, flüsterte Face. »Halmad Prime… einige Tonnen davon. Der beste und teuerste Whiskey des Planeten. Auf Halmad lediglich auf dem Schwarzen Markt erhältlich; das ist einer der wichtigsten Exportartikel für das Imperium. Verschiedene Heilmittel. Durabetonsprüher. Vorfabrizierte Unterkünfte. Wir nehmen den gesamten Halmad Prime und einen Teil der Heilmittel; mehr können wir nicht auf der Sungrass verstauen. Ist da sonst noch etwas, was wir brauchen können?«

»Komponenten für TIE-Jäger und Interceptors.«

»Was? Wo?«

Castin drehte das Datapad herum, so daß Face den Bildschirm sehen konnte. Es zeigte jetzt eine andere Inventarliste. »Ich habe mir das aus dem Computer geholt, als ich das Manifest überprüfte. Das ist eine geschätzte Inventarliste für die zweite Etappe ihrer Reise. Wir könnten wirklich ein paar Ersatzteile und Wartungsgeräte gebrauchen.«

»Ja, das schon, aber unser kleiner Überfall hier wird den Plan für den Rest ihres Einsatzes vermutlich ändern.«

»Aber wenn wir herausbekommen, wie sie ihn ändern…«

»Ja, natürlich.« Face richtete sich auf und musterte den Captain finster. »Rhanken, veranlassen Sie, daß Ihre Lademannschaft die Posten achtundzwanzig bis einhundertsiebenundzwanzig und den Posten zweihundert in die Ladebucht bringt. Zwei, du rufst die Sungrass und sagst denen, sie sollen längsseits gehen und die Ladung übernehmen.«

»Und was dann?« fragte Captain Rhanken.

»Dann lassen wir Sie allein.«

»Sie lassen uns treiben, ohne Kommunikationsanlage und ohne genug Energie, um ins System zurückzukehren? Sie lassen uns hier treiben, damit wir hier draußen sterben?«

Face lächelte verkniffen. »Sie haben Fluchtkapseln, mit denen Sie Ihren Rettern eine Nachricht zukommen lassen können. Aber wir werden Ihnen etwas Zeit sparen und ein Notsignal absetzen. Wir möchten ja nicht, daß Sie Unannehmlichkeiten bekommen. Und Sie können Ihren Kapitänskollegen, mit denen ich in nächster Zukunft sicherlich zusammentreffen werde, sagen, daß die Flederfalken niemanden töten. Es sei denn, man ärgert uns. Oder wir fangen an, uns zu langweilen. Das sollten die sich merken.«

 

Colonel Atton Repness, Führer der Ausbildungsstaffel »Schreiender Wookiee« an Bord der Fregatte Tedevium der Neuen Republik, richtete das Gerät auf Lara, als ob es ein Blaster wäre.

Sie musterte es neugierig. Es sah aus wie ein übliches zylindrisches Kommlink, aber das war es nicht. Dessen war sie sich sicher, weil sie das Gerät gründlich untersucht hatte und noch viel mehr als das, als sie vor zwei Tagen in Repness’ Quartier eingebrochen war. »Tut mir leid, Sir. Sollte ich jetzt die Hände heben? Oder eine Rede halten?«

Er lächelte. »Äußerst komisch. Das ist keine Waffe. Es stellt nur sicher, daß das, was wir sagen, nicht aufgezeichnet wird.«

»Wer sollte unser Gespräch denn aufzeichnen wollen?«

Der Colonel sah sich um, obwohl außer ihm und Lara niemand in dem spärlich möblierten Konferenzraum anwesend war. »Sie würden sich wundern. Ich lasse das jedenfalls eingeschaltet.«

»Sie sind der Colonel.« Aber innerlich lächelte sie. Er sprach nicht wie ein Colonel; seine ganze Verhaltensweise hatte sich verändert, wahrscheinlich ohne daß er das überhaupt bemerkt hatte, und er wirkte jetzt eher wie ein Freund. Oder wie ein Verschwörer.

»Sie sind sich darüber im klaren, daß Ihre Leistungswerte seit Ihrer Versetzung zu den ›Schreienden Wookiees‹ besser geworden sind.«

»Ja, Sir.«

»Nun, das ist teilweise darauf zurückzuführen, daß Sie sich tatsächlich verbessert haben.«

»Nur teilweise?« Sie tat überrascht.

»Nur teilweise.« Repness zog ein Datapad aus der Tasche und schob es ihr zu.

Es zeigte ihre Ausbildungsdaten. Aber die Werte, die nach ihrer Versetzung aufgezeichnet worden waren, waren dort in zwei Spalten dargestellt, über denen »korrekt« und »angepaßt« stand.

Sie sah ihn verunsichert an. »Ich verstehe nicht, Sir. Die ›korrekt‹-Spalte zeigt immer noch unzulängliche Werte. Knapp unzulänglich. Was sind das für Anpassungen in der anderen Spalte?«

»Oh, ich wollte nur, daß Ihre Werte höher sind.«

Ihre Gesichtszüge entgleisten, so als hätte sie seine Antwort so überrascht, daß sie überhaupt nicht mehr wußte, wie sie reagieren oder was sie sagen sollte.

»Sehen Sie«, sagte er, »ich bin der Ansicht, daß Sie über das Potential verfügen, eine gute Pilotin zu werden. Also habe ich die Werte für den Augenblick ein wenig angepaßt, um zu verhindern, daß Sie durchfallen. Aber ich glaube nicht, daß Sie das ohne Hilfe schaffen. Das erfordert Teameinsatz… und Sie halten nicht viel von Teams, oder?«

»Nun, ich… ich würde das ja gern tun. Ich weiß nur nicht, wie ich es anstellen soll. Hier ist alles so völlig anders.«

»Ausgezeichnet! Wir könnten Sie in meinem Team gebrauchen. Wenn Sie mit meinen Leuten arbeiten, erfordert das zusätzlichen Einsatz Ihrerseits… aber es brächte Ihnen auch Vorteile, die Ihnen keine andere Einheit verschaffen kann.«

Und dann schilderte er ihr, was er von ihr erwartete. Ein ganz schlichter Trainingseinsatz in einem A-Flügler in der Atmosphäre des nächsten unbewohnten Planeten. Ihre Steuerdisplays würden ein kritisches Maschinenversagen anzeigen, Überhitzung mit Explosionsgefahr. Repness würde ihr den Befehl erteilen, mit dem Schleudersitz auszusteigen, was sie tun würde – aber erst einige Zeit nachdem der völlig einwandfrei funktionierende A-Flügler sicher auf dem Planeten gelandet war. Eine in der Atmosphäre gezündete Ionenbombe würde bei den sich anschließenden Ermittlungen den Beweis liefern, der erforderlich war, um die völlige Zerstörung des Jägers zu bestätigen, und ein Rettungsteam würde sie abholen, nachdem Repness’ Leute den teuren Jäger unversehrt entfernt und auf irgendeinem weit entfernten Hafen auf den Schwarzmarkt gebracht hatten.

Lara hörte sich gelangweilt den ganzen unvermeidbaren Handel an, gab sich verblüfft, schockiert, indigniert, leistete vergeblich Widerstand und stimmte schließlich resigniert zu, als Repness ihr klarmachte, daß ihre Situation sonst völlig hoffnungslos wäre.

Und wußte zugleich mit wachsendem Vergnügen, daß sie nur mit Mühe verbergen konnte, daß jedes Wort, das sie und Repness sprachen, mittels des Gerätes, von dem er glaubte, daß es ihn vor dem Abhören schützte, unter einem gefälschten Pilotennamen zu einer Datei im Hauptcomputer der Fregatte übermittelt wurde.

Kontakt mit der Gespensterstaffel aufnehmen und dort Hilfe anfordern, sobald die Sache mit Repness in das entscheidende Stadium getreten war. Weshalb sich eigentlich die Mühe machen, wo sie doch seine Vernichtung und die Rettung der eigenen Karriere mit viel größerem Nachdruck bewirken konnte, als das diese Piloten je schaffen würden?

 

Es war ein anderes Sternensystem – das System Halmad außerhalb der Bahn seines äußersten Planeten –, aber die Situation war sehr vertraut.

Captain Rhanken schaffte es diesmal nicht, eine ungerührte Miene zu zeigen, als die Flederfalken zum zweiten Mal an Bord seines Frachters kamen. Seiner Stimme war schiere Verzweiflung zu entnehmen. »Woher wußten Sie, wo wir sein würden?«

»Wir haben die richtigen Leute gefragt«, sagte Face. »Ihre Händlergilde hat ein so riesiges Sicherheitsleck, daß man da einen ganzen Todesstern durchfliegen lassen könnte.«

Das war eine Lüge, eine große Lüge. Castin Donn hatte, als sie das letzte Mal an Bord gewesen waren, eine Anzahl der Aufzeichnungen des Frachters überspielt und seine Spuren gut verwischt. Aus den Unterlagen war nicht zu erkennen, in welchem Maße der Captain der Barderia seinen Terminplan ändern würde, um damit den Piratenüberfall auszugleichen… aber sie zeigten sehr wohl, wie er in der Vergangenheit in solcher Situation reagiert hatte. Und jetzt hatten die Flederfalken ihn zum zweitenmal aufgebracht, auf der Rückreise nach Hause.

Wenn die Analytiker der Händlergilde die Lüge nicht glaubten, so war das ohne Belang; das würde auch nichts ändern. Aber wenn sie sie glaubten, würden sie die Vorschriften der Gilde für sichere Übermittlungen und den Informationsfluß gründlich ändern. Das würde zu guter Letzt zwar die Piratenaktivitäten der Flederfalken behindern, aber auf kurze Sicht, vermutlich lange genug für die Zeit, in der sie in die Piratenrolle geschlüpft waren, würde es in der Gilde Verwirrung stiften, was der Abwehr der Neuen Republik durchaus gelegen kam.

Das Piratenleben machte wirklich Spaß.

»Rhanken«, ordnete Face jetzt an, »veranlassen Sie, daß Ihre Leute die Posten aus Schreiben dreiundvierzig bis neunundsiebzig zur Frachtschleuse bringen. Dann verlassen wir Sie. Es war schön, mit Ihnen wieder Geschäfte zu machen.«

 

Als Lara Notsil sich die Datei mit dem Angebot von Colonel Repness näher ansah, kam sie ihr wesentlich umfangreicher vor, als sie es nach der Dauer ihres Gesprächs erwartet hätte. Vielleicht, dachte sie, hat er auch Gespräche mit anderen aufgezeichnet.

Und so war es auch. Die Datei enthielt ihr Gespräch mit Repness sowie die anschließenden Gespräche des Colonel mit einem Untergebenen aus seinem »Team«, einem Instruktor namens Teprimal; ihr Gespräch befaßte sich im einzelnen damit, wie sie den A-Flügler verstecken und anschließend verkaufen wollten.

Und das war noch nicht alles. Lara entdeckte in einer Mischung aus Freude und professionellem Entsetzen, daß Repness offenbar sein Abschirmgerät jedesmal einschaltete, wenn er an seinem Computerterminal private Arbeiten erledigte. Seine paranoide Angst vor versteckten Lauschern wirkte sich jetzt zu seinem Nachteil aus: Er neigte nämlich dazu, vor sich hinzumurmeln, seine Paßwörter und geheimen Kontenbezeichnungen halblaut auszusprechen, wenn er am Computer arbeitete.

Nach nur wenigen Minuten konnte Lara sich Zugang zu sämtlichen Aufzeichnungen des Mannes verschaffen, die sein lukratives Nebengeschäft betrafen. Es waren ausnahmslos Schwarzmarktgeschäfte, die sich bisher auf Coruscant konzentriert hatten, sich aber inzwischen auf die Trainingsfregatte Tedevium ausdehnten, wo er Frachtsendungen von ihren vorgesehenen Bestimmungsorten weglenkte – dafür sorgte, daß sie nicht einmal auf den Eingangslisten erschienen – und sie verkaufte. Die Erträge wanderten in die Taschen von Repness und seinem Team.

Sie fand Aufzeichnungen über ihre Prüfungsergebnisse als Pilotin in Ausbildung sowie die von einem Dutzend anderer Leidensgenossen, die Repness korrumpiert oder zu korrumpieren versucht hatte. Einige, wie Tyria Sarkin von der Gespensterstaffel, hatten es abgelehnt, für ihn zu stehlen… worauf Repness sie mit erpresserischen Mitteln davon abgehalten hatte, ihn zu verraten. Andere hatten sich seinem Team angeschlossen. Aus den Aufzeichnungen ging nicht hervor, ob sie das freiwillig oder widerstrebend getan hatten. Dann waren da andere Pilotenschüler, die Lara kannte, deren Rekrutierung gerade im Gange war.

Es gab keinen Hinweis darauf, daß Repness bei der Abwehr der Streitkräfte oder im Büro des Generalinspekteurs Verbündete hatte. Sie schrieb einen Brief an General Cracken von der Abwehr mit einer Kopie an den Generalinspekteur:

ich bin der unsichtbare, der nicht erfaßbare, der, den keiner aufhalten kann.

kein computer kann mir standhalten, alle tore stehen mir offen, ich kenne alle hintertüren. jegliches wissen enthüllt sich mir. ich bin der jedi der elektronischen welt.

ich habe böses an bord der tedevium gefunden, ich habe korruption gefunden und werde dem wie die jedi ein ende machen.

untersuchen sie diese dateien, vergewissern sie sich, daß sie unversehrt sind, sie werden feststellen, daß sie die wahrheit enthalten.

gehen sie dorthin, wohin diese dateien sie führen.

tun sie, was sie tun müssen, so wie ich tue, was ich tun muß.

gezeichnet

die weiße lanze.

 

Sie fügte noch ein paar orthographische und grammatikalische Fehler hinzu. Als das Schriftstück fertig war, war sie überzeugt, daß es das typische Abbild der Arbeit eines Codespleißers darstellte, der anonym Computersysteme sabotierte. Auf der Tedevium war das wahre Ausmaß ihrer Computertalente nicht bekannt, hingegen die vieler anderer Mannschaftsmitglieder und Pilotenschüler; viele von ihnen würden verdächtigt werden, Verfasser dieses Briefes zu sein, und manche würden auch gar nichts dagegen einzuwenden haben, wenn die Ermittler sie tatsächlich für die geheimnisvolle weiße Lanze hielten, weil das ihrem Ruf ja nur förderlich sein konnte.

Sie fügte den Briefen die Aufzeichnungen von Repness und sämtliche Paßwörter und Kontenbezeichnungen hinzu, die sie bis jetzt in Erfahrung gebracht hatte.

Dann gab es da noch die Dateien, aus denen hervorging, wie Repness andere Piloten in sein Netz gezogen hatte. Sie zögerte.

Am besten würde es sein, die Namen all dieser Piloten zu enthüllen, entschied sie. Ihre Karrieren würden dann zerstört sein, die immensen Ausbildungskosten für die Neue Republik – also die Rebellen – würden damit vergebens gewesen sein, und die Angelegenheit würde die Feinde des Imperiums eine ganze Anzahl geschickter Piloten kosten. Außerdem würden die meisten von ihnen, wenn sie erst einmal Piloten waren, schließlich ohnehin im Einsatz gegen das Imperium sterben. Da war es besser für sie, wenn ihre Laufbahn jetzt sabotiert wurde. Eines Tages würden sie ihr dafür sogar dankbar sein – falls sie je erfuhren, daß sie es gewesen war, die ihnen das angetan hatte.

Trotzdem zögerte sie noch immer. Als Kind hatte sie gehofft, einmal Pilotin eines Sternenjägers zu werden. Als sie statt dessen dieselbe Laufbahn wie ihre Eltern eingeschlagen hatte, also in die imperiale Abwehr eingetreten war, hatte sie während ihrer Ausbildung die Begabung für den Pilotenberuf erkennen lassen, und ihre Vorgesetzten hatten diese gefördert… und dabei hatte sie ihre Begeisterung für das Fliegen entdeckt. Als sie sich allerdings um die Versetzung in das Pilotencorps bemüht hatte, hatte man ihren Antrag abgelehnt. Ihre geheimdienstlichen Fähigkeiten waren wichtiger, und deshalb hatte man sie gegen ihren Wunsch dazu gezwungen, bei der Abwehr zu bleiben. Glauben Sie uns, so ist es besser, hatten ihre Ausbilder ihr klarzumachen versucht. Eines Tages werden Sie uns dafür dankbar sein.

Plötzlich tauchte das Gesicht von Pilotenschüler Bickey vor ihr auf, einem Mitschüler, der ebenfalls von Repness ausgebildet wurde. Er war kurz nach Laras Versetzung ebenfalls in Repness’ Einheit versetzt worden. Wenn Repness konsequent war, würde er Bickey in wenigen Tagen ansprechen und versuchen, ihn zu einem ähnlichen Manöver zu bewegen, wie er es ihr vorgeschlagen hatte. Bickey war einer dieser jungen, aufgeschlossenen, irgendwie noch knabenhaften Piloten, die geradezu darauf versessen waren, ihr fliegerisches Geschick und ihren Mut unter Beweis zu stellen. Er hatte einmal gesagt, er würde lieber jung im Kampf gegen seine Feinde sterben denn als alter zufriedener Mann irgendwo auf einer Farm. Nein, Bickey würde ihr für das, was sie vorhatte, niemals dankbar sein.

Mit einem Gefühl des Unbehagens fügte Lara ihre eigenen Ergebnisse dem Brief bei, den sie General Cracken schickte, und zerstörte anschließend sämtliche anderen Dateien, die andere Piloten und Pilotenschüler belasteten. Sollen sie doch sterben, wie sie wollen, sagte sie sich. Sollen sie doch als Piloten sterben.

Sie schleuste das Paket von Briefen und Dateien auf geheimen Wegen zum Büro von General Cracken. Ehe der Tag zu Ende war, würde es in seinem Hauptquartier einem seiner Untergebenen vorliegen.

Womit ihr für heute nur noch eines zu tun blieb.

 

Sie musterte das Abschirmgerät, das Repness in der Hand hielt, und ihr Blick wurde verächtlich. »Vorsichtig wie eh und je, was, Atton?«

Der Colonel sah sich um und gab sich Mühe, keine Nervosität zu zeigen, obwohl sonst niemand im Schulungssaal war. »Sie werden mich als Colonel Repness ansprechen und mir den mir zustehenden Respekt erweisen.«

»Ich werde Sie als Colonel Banthascheiße ansprechen und Ihnen erweisen, was mir paßt.«

Er starrte sie mit offenem Mund an, reagierte aber nicht gleich. Lara ließ ihn nicht zum Nachdenken kommen: »Ich habe beschlossen, nicht in Ihr Team einzutreten, Repness. Ich werde keinen A-Flügler für Sie stehlen. Genauer gesagt, ich werde Ihren Vorgesetzten sagen, was Sie vorhaben.«

Repness lachte. »Das wird Ihnen nicht viel nützen. Sie haben keine Beweise. Und Ihre Fluglaufbahn ist damit zu Ende. Sie werden nie wieder in einem Cockpit sitzen. Denken Sie einmal darüber nach, wie Ihnen das gefallen wird.«

»Das ist mir gleichgültig. Ich kann ohne das Fliegen leben. Aber ohne Ehre kann ich nicht leben.« Einen Augenblick lang war sie beunruhigt – konnte es sein, daß die letzten Worte ein Ausdruck ihrer echten Persönlichkeit waren? Nicht der Rolle, die sie spielte? Sie verdrängte den Gedanken. »Das ist das Ende Ihrer Karriere.«

»Das glaube ich nicht. Wenn die sich Ihr psychologisches Profil ansehen – ein neues Profil, das ich in den nächsten paar Tagen aufbauen werde – und erkennen, was für eine zwanghafte Lügnerin Sie sind, dann glauben Ihnen die nicht einmal, wenn Sie behaupten, daß hartes Vakuum schlecht für die Lungen ist.«

Sie lachte spöttisch. »Und Sie glauben, ich lasse Ihnen diese paar Tage Zeit, um meine Unterlagen zu fälschen?«

»Sicher werden Sie das. Weil Sie nämlich schlafen werden.« Sein Schlag kam so schnell, daß sie ihn nur als verschwommene Bewegung wahrnahm. Seine Faust traf sie oben an der Wange, und sie spürte, wie ihre Haut aufplatzte.

Es explodierte weiß vor ihren Augen, der plötzliche Schock beraubte sie jeglicher Wahrnehmung, einen Augenblick lang schwebte sie, und der Gedanke schoß ihr durch den Kopf, daß sie vielleicht zu weit gegangen sein könnte, dann spürte sie, wie ihr Rücken und ihr Hinterkopf auf den Boden prallten. Es hätte weh tun müssen, aber das tat es nicht.

Einen Augenblick lang konnte sie wieder sehen – aber da war nur Repness, der über ihr stand. Dann traf seine Stiefelspitze ihre Schläfe, und um sie herum wurde es schwarz.

 

Die X-Flügler der Gespensterstaffel – die acht in der Einheit verbliebenen Maschinen – flogen in Formation vor der Brücke des Mon-Calamari-Kreuzers vorbei und wackelten mit den S-Flächen, um damit ihren Respekt zu erweisen, bogen dann scharf ab und reihten sich in Paaren auf, um in den Steuerbordhangar einzufliegen.

Wedge und sein provisorischer Flügelmann Face passierten als erste das Magnetdämmfeld, das den unter Druck stehenden Hangar vom Vakuum des Weltraums trennte, sahen damit auch als erste das Empfangskomitee, das sie zwischen einem Meer von X-Flüglern und Fähren erwartete. Wedge fuhr seine Repulsorlifter hoch und nahm die Energiezufuhr zu seinen Hauptaggregaten zurück, glitt langsam nach vorn und stellte befriedigt fest, daß Face sein Manöver exakt wiederholte. Sie kamen auf den beiden ersten Landeflächen zum Stillstand, klappten ihre Kanzeln gleichzeitig auf und blickten auf die Menge, die sich dort versammelt hatte.

Die Sonderstaffel stand in einer wie mit dem Lineal gezogenen Formation da, ähnlich einem Erschießungskommando. Vor den Piloten hatte sich General Han Solo aufgebaut, dem man das Unbehagen ansah, das ihm seine Uniform bereitete. Das schiefe Lächeln in seinem Gesicht rührte vermutlich von seiner Erleichterung darüber her, sich Wedge gegenüberzusehen.

Wedge kletterte aus seinem Cockpit und nahm den Helm ab. Er konnte das Pfeifen der Repulsorlifter der anderen Gespenster hören und spüren, ebenso wie das metallische Summen von Reparaturwerkzeugen, die im Hintergrund eingesetzt waren. Diese Geräusche und die Geruchsmischung aus Treibstoff, Schmiermittel und dem Ozon des Magnetdämmfelds ließen ihm diesen Hangar vertrauter und zugleich heimischer erscheinen als jedes Quartier, das Wedge in den letzten Wochen benutzt hatte.

Er ging auf Solo zu und salutierte zackig. »Commander Wedge Antilles und Gespensterstaffel melden sich zur Stelle, Sir.«

Solo erwiderte die Ehrenbezeigung bei weitem nicht so militärisch präzise: »Willkommen an Bord der Mon Remonda. Sehen wir zu, daß Ihre restlichen Piloten reinkommen… damit ich diesen Folteranzug ausziehen kann.«

Wedge gab sich überrascht. »Aber Sir, ich wollte gerade sagen, wie gut Sie diese Uniform kleidet. Ich denke, wir sollten ein paar Stunden hierbleiben, damit die Holographen das Bild einfangen können. Sie wissen schon, für die Geschichtsbücher.«

Solos Grinsen blieb unverändert, dennoch veränderte sich sein Ausdruck plötzlich. Er wirkte jetzt fast wie ein wildes Tier, das man in die Enge getrieben hat. Sein Tonfall blieb locker: »Wedge, ich denke, ich werde dich umbringen lassen.«

»Ja, Sir. Ich hoffe nur, daß Sie dazu Ihre Paradeuniform tragen.«

Han hob kapitulierend beide Hände. »Weißt du, bei meiner Vorgeschichte würde ich zum Gespött der Neuen Republik werden, wenn ich je einen meiner Offiziere wegen Insubordination vor das Kriegsgericht brächte.«

»Ja, Sir, darauf hatte ich irgendwie gehofft.«

Sobald die anderen Piloten gelandet und ihre X-Flügler abgeschaltet waren, kam es ringsum zu einem großen Händeschütteln. Wedge stellte den Gespenstern die Piloten der Sonderstaffel vor und machte dann die Bekanntschaft von Captain Onoma, dem Mon-Calamari-Kapitän der Mon Remonda.

Während sie aus dem Hangar in die Offiziersquartiere gingen, durch Korridore, die mit ihren weichen Kurven eher organisch als konstruiert wirkten, ein viel wohltuenderer Anblick als Industriefarben, machte Solo Wedge mit einigen wichtigen Tatsachen vertraut. »Die Mon Remonda verfügt offiziell über vier Jägerstaffeln: Sonderstaffel; Gespenster; Polearm, eine A-Flügler-Einheit und Nova, eine B-Wing-Staffel. Ihr Gespenster seid natürlich in der Regel auf Fernerkundung unterwegs. In der Praxis haben die Sonderstaffeln Nova und Polearm alle Arbeit geleistet, während ihr Gespenster Piraten spielt.«

»Höre ich da Ärger oder Neid in deiner Stimme?«

»Neid. Willst du tauschen?«

»Nein.«

»Du könntest die Leitung dieser ganzen Aktion gegen Zsinj übernehmen. Ich könnte dafür sorgen, daß man dich zum General befördert.«

»Nein.«

Solo seufzte nachsichtig, »jedenfalls kreuzen wir seit einiger Zeit an den theoretischen Grenzen des sogenannten von Zsinj kontrollierten Weltraums. Wenn unsere Aufklärungseinsätze oder der Geheimdienst uns ein gutes Ziel melden, nehmen wir uns das vor und jagen es in die Luft. Außerdem sammeln wir Daten über wahrscheinliche Bewegungen der Eisernen Faust in der Hoffnung, entweder ihren Heimathafen finden oder ihr nächstes Ziel vorhersagen zu können. Bis jetzt haben wir in dem Punkt nicht sehr viel Glück gehabt, obwohl wir allen Hinweisen mit großem Nachdruck nachgehen.«

»Vielleicht wäre es besser, wenn ihr solchen Hinweisen weniger nachdrücklich nachgehen würdet, wenn du verstehst, was ich meine.«

Solo führte die Piloten in einen großen Personalturbolift, der sie in die Eingeweide des Schiffes tragen würde. »Wie meinst du das?«

»Zsinj scheint mit der Arbeitsweise von Nachrichtendiensten recht gut vertraut zu sein. Wenn ich mir vorstelle, daß er einige der Hinweise, denen ihr nachgeht, vielleicht bewußt manipuliert hat, dann könnte es durchaus sein, daß er dabei ist, sich ein Reaktionsprofil der Mon Remonda auf solche Hinweise aufzubauen. Und sobald er einmal ein verläßliches Profil dieser Art besitzt, könnte er euch die Art von Falle stellen, der nicht einmal ein Kreuzer der Kampfstärke der Mon Remonda gewachsen ist.«

Solo stieß einen leisen Pfiff aus. »Gut überlegt. Bis jetzt waren die Daten, die wir bekommen haben, recht lückenhaft und sehr schwer miteinander in Einklang zu bringen. Wir hatten also keinen Anlaß zu der Annahme, daß sie manipuliert waren. Aber wenn wir davon ausgehen, daß Zsinj selbst von feindlichen Analytikern einen sehr hohen Leistungsgrad erwartet…«

»Das tut er. Wenn du willst, kann ich ja meine Abwehrspezialistin – Shalla Nelprin, ich habe sie dir im Hangar vorgestellt –«

»Ja.«

»Ich kann sie auffordern, daß sie die euch vorliegenden Daten sowie eure Reaktionen darauf analysiert, um festzustellen, ob ihr vielleicht ein erkennbares Muster produziert.«

»Ich werde die Daten auf ihr Terminal in ihrem Quartier übertragen lassen.« Solo schien sich jetzt nicht mehr unbehaglich zu fühlen. Er wirkte ernst und engagiert, und plötzlich bestand zwischen ihm und dem, was seine Uniform über ihn aussagte, Übereinstimmung.

 

Face verließ den Turbolift hinter Dia und einem Piloten der Sonderstaffel, einem Twi’lek, der ihnen als Nawara Ven vorgestellt worden war, und hörte, wie der Pilot versuchte, ein Gespräch zu beginnen. Face verstand nicht, was er sagte, und vermutete, daß er Twi’leki sprach, die Sprache von Ryloth, der Heimatwelt der Twi’leks.

Aber Dia antwortete nicht in derselben Sprache. Ihre Stimme klang ausdruckslos. »Sprich bitte Basic.«

Nawara Ven schien verblüfft. »Tut mir leid. Ich sagte, wir sollten uns einmal zusammensetzen, wenn du Zeit hast, und uns unterhalten.«

»Worüber?«

»Über zu Hause. Über das, was wir als Twi’leks bei den Streitkräften erleben.«

»Ryloth ist die Welt, auf der ich geboren bin, die mich aber dann ausgespuckt und mich dem Leiter eines imperialen Verbrecher-Syndikats ausgeliefert hat. Ryloth ist nicht meine Heimat. Ich habe kein Zuhause. Und ich bezweifle, daß wir Vergleichbares erlebt haben. Es sei denn, du warst Sklave.«

»Nun, das nicht, aber…«

»Dann haben wir wahrscheinlich alle verfügbaren Gesprächsthemen erschöpft.« Sie beschleunigte ihre Schritte und ließ den Twi’lek stehen.

Nawara wandte sich dem anderen Twi’lek im Turbolift zu, einem aggressiv wirkenden Kameraden von der Sonderstaffel. Face erinnerte sich daran, daß man ihn als Tal’dira vorgestellt hatte.

Tal’dira zuckte die Achseln und lächelte dann schief. »Ich glaube, bei der hast du keine Chance, Kollege.«

»Sieht so aus.«

 

Face war gerade dabei, sich in dem Quartier häuslich niederzulassen, das er mit Myn Donos teilen würde, als sein Komm zirpte. Es war Wedge: »Lieutenant Loran, melden Sie sich bei Commander Antilles.«

»Ja, Sir.«

Als er in Wedges Quartier eintraf, saß sein kommandierender Offizier hinter einem Klapptisch und blickte finster auf ein Datapad. Face salutierte. Wedge erwiderte die Ehrenbezeigung abwesend und bedeutete ihm, ohne aufzublicken, er solle Platz nehmen.

Dann meinte er: »Die Lara-Notsil-Situation scheint… gelöst.«

Face verspürte ein kaltes Gefühl in der Magengrube. »Das klingt ja recht unheilverkündend, Sir.«

Endlich sah Wedge ihm in die Augen. »Nun, so unheilverkündend auch wieder nicht. Anscheinend hat sie Colonel Repness hochgehen lassen… ohne dich oder Phanan mit hineinzuziehen. Oder in irgendeiner Weise anzudeuten, daß das Ganze eine Falle war.«

»Sir?«

»Mir sind gerade ihre Personalakten zugegangen, weil sie sich nämlich um die Versetzung in die Sonderstaffel oder die Gespensterstaffel beworben hat. Nach diesem Dokument hat Repness versucht, sie in seine Gruppe von Dieben und Schwarzmarkthändlern hineinzuziehen; sie hat abgelehnt, er hat sie niedergeschlagen und unter Drogen gesetzt und sie als Gefangene in die Krankenstation geschickt… aber ein geheimnisvoller Codespleißer an Bord der Tedevium hat Repness’ Machenschaften entdeckt und einen entsprechend belegten Bericht an den Geheimdienst geschickt. Die haben sofort zugeschlagen und Repness dingfest gemacht, ehe er ihr weiteren Schaden zufügen konnte.«

Face überlegte. »Aber wenn sie sich sonst an den Plan gehalten hat, dann dürften ihre Prüfungsergebnisse so sein, daß sie nicht besteht.«

»Richtig. Nach diesem Bericht hat sie ja, nachdem sie sich von den Drogen erholt hatte, mit denen Repness sie vollgepumpt hat, gegenüber dem Kommandanten der Tedevium geäußert, ihre Entscheidung, sich gegen Repness zu wehren, habe einige Probleme gelöst, die sie schon eine Weile beschäftigen – Dinge, die mit der Zerstörung der Kolonie zusammenhängen, in der sie aufgewachsen ist. Sie bestand darauf, den Beweis dafür anzutreten, und die Ausbildungsoffiziere haben ihr die Chance gegeben, ein abgekürztes Ausbildungsprogramm zu durchlaufen, das sie mit fliegenden Fahnen bestanden hat. Selbst wenn man ihre früheren Werte miteinbezieht, hat sie noch bestanden – und ihr Leistungsprofil ist hoch genug, daß eine Aufnahme in meine Einheiten in Frage kommt.«

»Das freut mich zu hören.«

»Sowohl die Sonderstaffel als auch die Gespenster haben ihren vollen Personalstand, also kann keine der beiden Einheiten sie so bald einsetzen. Aber man hat ihr – und das finde ich höchst passend – Colonel Repness’ persönlichen X-Flügler zugeteilt.«

Face grinste. »Ein Racheakt des Kommandanten der Tedevium?«

»Wahrscheinlich. Der neue Kommandant der Tedevium ist General Crespin vom Stützpunkt Folor, und so etwas paßt genau zu ihm. Möglicherweise gilt Repness’ X-Flügler auch als verhext – du weißt ja selbst, wie abergläubisch manche Piloten sind. Also, ich werde sie jedenfalls in die Gespensterstaffel aufnehmen, um unsere Jägerzahl zu steigern.«

»Das freut mich sehr zu hören, Sir.«

Wedge sah ihn durchdringend an. »Sie und Phanan werden dafür sorgen, daß die Angelegenheit auch weiterhin erfreulich bleibt, Face.«

»Ja, Sir.«

»Sie wirken so bedrückt, Face. Funktioniert Ihr üblicher Sarkasmus nicht?«

»So etwas Ähnliches, Sir.«

»Sie sind wohl erleichtert, daß diese ganze Lara-Notsil-Geschichte nicht zu Ihrem großen Absturz in ein schwarzes Loch geführt hat, oder, noch schlimmer, dazu, daß Sie sich General Cracken zum Feind gemacht haben?«

»Ja, Sir.«

»Na schön, dann will ich diese Schlaumeier von Gespenstern davon in Kenntnis setzen, daß Face Loran für den Augenblick eine leichte Beute für sie ist. Wegtreten.«