13

 

Als der Morgen dämmerte, erhob sich Face von seinem improvisierten Lager. Er warf einen letzten Blick auf das Bündel, das er zurückließ – ein ruiniertes Speeder-Bike, einen ruinierten Piloten und die Kombination aus seinem eigenen Datapad und einem Raptor-Kommlink, das er mühsam im Mondlicht programmiert hatte, und all das unter der dünnen Thermodecke, die er aus dem Ladeabteil des Bikes geholt hatte –, und strebte auf die Bäume zu.

Trotz der Knoten pulsierenden Schmerzes, die, während er schlief, an die Stelle seiner Muskeln und Knochen getreten waren, würde er schnell vorankommen. Er verfügte über einen guten Orientierungssinn. Er brauchte keinen verletzten Kameraden durch schwieriges Terrain zu schleppen.

Ehe eine Stunde verstrichen war, hatte er das Wrack von Phanans TIE-Jäger passiert. Zsinjs Leute waren gekommen und gegangen und hatten keine Wachen aufgestellt, um ein wertloses, ausgebranntes Wrack zu bewachen. Auch aus der Ferne waren keine Geräusche von Speeder-Bikes oder TIE-Jägern zu hören. Die Suchtrupps waren weitergezogen, oder vielleicht war die Suchaktion auch abgeblasen worden.

Im frühen Morgenlicht schwamm er zu seinem halb untergetauchten Interceptor und nahm sich die Zeit, die Aggregate sorgfältig wieder hochzufahren und einen gründlichen Checkup vorzunehmen.

Als er damit fertig war, mußte er schnell handeln. Er würde nur ganz wenig Zeit zur Verfügung haben.

Das schlammige Wasser hinter seinem Interceptor fing zu kochen an, als er die Maschinen einschaltete; er konnte Blasen und Schaum zur vorderen Luke treiben sehen, während die Repulsorlifter seines Interceptors gegen den Schlamm ankämpften, der das Fahrzeug festhielt. Dann hob es sich an die Wasseroberfläche und schoß in die Luft.

Sobald er sich in der Luft befand, dauerte es nur ein paar Augenblicke, bis er im Südwesten hinter einem schmalen Waldstreifen den Fluß fand. Das Raptor-Kommlink reagierte mit dem Signal, das er in das Datapad einprogrammiert hatte, und kurz darauf schwebte er über der Lichtung, wo er die Nacht verbracht hatte.

Und da war sie, die schwarze Thermodecke, die er über seinen Freund gebreitet hatte.

Er durfte nicht warten. Der Ekel über das, was er jetzt würde tun müssen, hatte ihn die ganze letzte Nacht nicht losgelassen; jetzt war dafür keine Zeit. Ein schneller Griff an den Steuerknüppel, und sein Interceptor zeigte im spitzen Winkel nach unten, als hätte er vor, ihn in den Boden zu rammen.

Seine Repulsorlifter wirbelten Blätter auf und rissen gleich darauf die Decke über dem Speeder-Bike und Ton Phanan weg.

Phanans organisches Auge war geschlossen – Face hatte es ihm letzte Nacht zugedrückt. Aber sein künstliches Auge wurde immer noch mit Strom versorgt und starrte tot ins Leere, und Face fragte sich, was es wohl sehen mochte.

Dann feuerte Face.

Seine Laser verwandelten die Lichtung in ein flammendes Inferno, verbrannten das Speeder-Bike, den organischen Körper und die prothetischen Teile in einem rotglühenden Krater aus geschmolzenem Metall. Er feuerte, bis nichts Erkennbares mehr zurückgeblieben war, nichts, was irgendwelche Ermittler Zsinjs oder Halmads als Ton Phanan würden erkennen können.

Dann wandte er seinen Bug himmelwärts und flog in den Weltraum.

 

Als Wedge Faces Bericht entgegengenommen hatte, fragte er: »Hast du etwas gegessen?«

Face nickte. Er rieb sich das Kinn, von dem er inzwischen das Narben-Make-up General Kargins entfernt hatte, und schien überrascht, dort Bartstoppeln zu spüren. »Ein wenig.«

»Gut. Face, hör zu, ich weiß, das wird dir nicht sehr weiterhelfen, aber soweit ich das deinem Bericht und den Aufzeichnungen deines Interceptors entnehmen kann, hast du alles richtig gemacht. Du hast alles in deiner Macht Stehende getan, um die Integrität dieses Einsatzes und das Leben deiner Pilotenkameraden zu erhalten. Was du dort unten noch geleistet hast, verdient hohes Lob.«

»Aber ich habe es nicht geschafft, Phanan lebend zurückzubringen.«

Wedge nickte. »Ich habe so manchen Freund tot irgendwo zurücklassen müssen. Und ich will dir auch gar nicht einreden, daß dich das nicht schrecklich quälen wird. Das wird es nämlich. Mich quält es auch immer noch. Ich möchte nur, daß du dir darüber klar bist, daß du nicht der einzige bist, der so etwas durchgemacht hat. Wenn du mit jemandem darüber reden willst, dann komm zu mir oder zu Wes oder zu Min. Ich glaube nicht, daß wir es dir irgendwie leichter machen können… aber wir können dich immerhin daran erinnern, daß es möglich ist, eine solche Erfahrung zu überleben.«

»Ja, Sir.« Face wirkte nachdenklich. »Ich würde gern versuchen, mich dafür zu revanchieren, wenn du das möchtest.«

»Ich glaube, ich verstehe nicht.«

»Ich habe Ton besser als irgendeiner sonst in der Einheit gekannt. Ich glaube, ich sollte wenigstens dabei mithelfen, den Brief für seine Familie zu schreiben, in dem wir seinen Angehörigen mitteilen, daß er gefallen ist.«

»Äh. Nun, das wird nicht notwendig sein, Face. Das bleibt uns beiden erspart. Während du dich frisch gemacht hast, habe ich mir seine Aufzeichnungen und auch das Datapad angesehen, das du mir gebracht hast. Die Person, die wir im Falle seines Todes benachrichtigen sollen, bist du.«

Faces Augen weiteten sich. »Ich? Warum nicht seine Familie?«

»Von seiner Familie lebt niemand mehr. Er war das einzige Kind eines Paares, das ihn verhältnismäßig spät bekam. Sie sind beide gestorben, noch ehe seine Ausbildung abgeschlossen war. Keine Geschwister. Nur entfernte Cousins, die ihm nie persönlich begegnet sind. Auch sein Erbe fällt dir zu.«

Face brachte keine Antwort heraus. Er stand mit offenem Mund da.

»Ich muß einige von diesen Dokumenten noch bestätigen. Anschließend bekommst du sie. Das wird noch eine Weile dauern. Und bis dahin solltest du dich schlafen legen – oder zumindest ausruhen, wenn du nicht schlafen kannst.«

»Ja, Sir.«

Wedge erwiderte die Ehrenbezeigung des Piloten und sah ihm nach, als er ging. Er wartete ein paar Augenblicke und rief dann: »Wes.«

Janson schob den Kopf zur Tür herein. Seine meist fröhlichen Züge wirkten ernst. »Ja, Commander.«

»Teile Lara Notsil Face als Flügelmann zu. Außerdem hat sie den militärischen Erste-Hilfe-Kurs später als alle anderen hier absolviert, also wollen wir sie als Staffelsanitäter einteilen. Sorge dafür, daß sie die entsprechenden Ausbildungsholos und Geräte bekommt.

Und dann sag ihr, sie soll ein Auge auf Face haben und aufpassen, ob es zu irgendwelchen Überreaktionen auf Phanans Tod kommt. Aber sie soll das sehr diskret tun. Er soll nicht das Gefühl haben, daß wir ihn alle bespitzeln.«

»Obwohl wir das tun.«

»Richtig.«

Augenblicke nachdem Janson hinausgegangen war, klopfte es.

»Herein.«

Donos trat ein und salutierte.

Wedge erwiderte die Ehrenbezeigung und gab sich alle Mühe, nicht finster zu blicken. An dem Piloten hatte sich irgend etwas verändert. Da war noch derselbe ernste Gesichtsausdruck, der dichte schwarze Haarschopf, die brütenden, dunklen Augen – aber das Gefühl der Niedergeschlagenheit, das man Donos angesehen hatte, als er in die Gespensterstaffel eingetreten war, war verschwunden.

Und dann wurde Wedge bewußt, was sich verändert hatte. Donos trug Freizeitkleidung, überwiegend schwarz mit dem schmalen Band der Krallenstaffel und den corellianischen Blutstreifen an den Hosen.

Donos hatte sich die Auszeichnungen als Scharfschütze bei den corellianischen Streitkräften verdient. Er hatte sie in den ersten paar Wochen seines Dienstes bei der Gespensterstaffel nicht getragen und damit demonstriert, wie er seit der Zerstörung seiner ehemaligen Staffel seine Selbstachtung verloren hatte.

Doch darüber schien er jetzt hinweggekommen zu sein. Das war ein gutes Zeichen. Trotzdem paßte es einfach nicht zu Donos, diese Auszeichnungen zu seiner Freizeitkleidung zu tragen, obwohl er jedes Recht dazu hatte. Wedge warf ihm einen argwöhnischen Blick zu und bedeutete ihm, er solle Platz nehmen. »Das betrifft ganz offensichtlich nicht Face.«

»Richtig, Sir. Es betrifft Lara.«

Donos berichtete von Laras Bruder, der überraschenderweise überlebt hatte und der sie eigentlich nicht hätte ausfindig machen sollen, es aber doch geschafft hatte. Und dann schilderte er einen möglichen Einsatz zu Laras Heimatwelt Aldivy.

 

Als Face schließlich nach langem Liegen aufstand, hatte er die meiste Zeit nicht mit Schlafen verbracht. Er war auch nicht völlig wach gewesen, sondern hatte sich in einer Art Schwebezustand befunden, in dem sich zwar kein bewußter Gedanke längere Zeit festsetzen konnte, in dem er aber auch keinen Schlaf fand, weil ihn die Bilder der letzten zwei Tage einfach nicht loslassen wollten.

Das Licht an seinem Terminal blinkte und zeigte an, daß irgendwelche Nachrichten oder Dateien eingegangen waren. Er schaltete das Gerät ein.

Eine dienstliche Mitteilung vom Commander. Lara, Gespenst Dreizehn, war jetzt sein Flügelmann und für den Sanitätsdienst der Staffel zuständig. Nicht sehr überraschend.

Eine Kopie von Ton Phanans Testament. Face übersprang es.

Eine Mitteilung von Phanan. Er hatte sie dem Zeitstempel nach höchstens eine Stunde vor seinem Tod verfaßt. Face atmete tief durch und rief sie auf.

Es war einfacher Text, eine andere Möglichkeit, etwas aufzunehmen, hatte Phanan zu dem Zeitpunkt auch nicht zur Verfügung gestanden. Die Mitteilung lautete:

Face:

Ich werde mich jetzt nicht näher mit den pathologischen Einzelheiten befassen. Sagen wir einfach, daß die Rede von inneren Verletzungen, inneren Blutungen ist. Vielleicht ein Nierenriß; ich kann das jetzt nicht genau klären. Wie auch immer, ich glaube nicht, daß ich noch lange durchhalten werde.

Ich schmeichle mir mit dem Gedanken, daß du es ziemlich schwer nehmen wirst. (Wenn ich mich täuschen sollte, dann sag es mir nicht.) Ich habe in dem Punkt etwas gemischte Gefühle und wünsche mir einerseits, daß du das nicht tust, weiß es andererseits aber auch zu schätzen.

Ich weiß auch, daß du dir Vorwürfe machen wirst. Ich wünschte, du würdest das nicht tun. Dafür, daß ich verwundet wurde, sind zwei Leute verantwortlich. Einer davon bin ich selbst, weil ich nicht ganz der hervorragende Flieger bin, der ich hätte sein müssen. Der andere ist ein namenloser Pilot Zsinjs, und den hast du getötet (wofür ich dir übrigens ebenfalls dankbar bin, für den Fall, daß ich das bisher nicht erwähnt habe). Um noch einem Dritten die Schuld zu geben, reicht der Platz nicht aus, also verdufte gefälligst.

Ich habe dir etwas Geld hinterlassen. Eine ganz beachtliche Summe, um es genau zu sagen; ich war der einzige Sohn wohlhabender Eltern und habe es nicht geschafft, das ganze Geld für mein Vergnügen und Prothetik auszugeben. Mein Testament schreibt vor, daß du einen Teil von dem, was du bekommst, für ein bestimmtes Projekt verwenden mußt. Wenn du das nicht tun willst, geht der ganze Betrag an einen ohnehin schon wohlhabenden Schauspieler, über den du dich gelegentlich recht geringschätzig geäußert hast, und du mußt in dem Fall einfach zusehen, wie er trotz seines Mangels an Talent oder sonstigen guten Eigenschaften noch reicher wird. Es liegt also bei dir.

Ich habe hier wirklich nicht viel Zeit und bemühe mich, das, was ich sagen muß, irgendwie in eine knappe Form zu bringen. Ich denke, es läuft etwa auf das Folgende hinaus:

Danke, daß du mein Freund bist. Ich habe einen Freund gebraucht, und du warst einer.

Ton Phanan

Pilot, Witzbold und überlegener Intellekt.

Oh, ja, noch eins – laß meine Glaskriecher nicht verhungern. Es sind wirklich nette kleine Insekten. Und Nettigkeit sollte erhalten werden.

 

Face wartete darauf, daß ihn irgend etwas wie ein Schlag traf, aber da war nur der stumpfe Schmerz, der ihn schon die ganze Nacht hindurch begleitet hatte.

Er rief Phanans Testament auf und las es ebenfalls.

 

»Wie ihr wißt, werden einige von uns auf Einsätzen unterschiedlicher Bedeutung unterwegs sein«, sagte Wedge. »Ein paar von uns werden aus Sicherheitsgründen und zu Wartungsarbeiten hier auf der Flederfalken-Basis bleiben. Der Rest – aber bitte jetzt keine Aufregung – erhält Urlaub.«

Er ließ den aufkommenden Jubel verklingen, ehe er fortfuhr. Sie befanden sich in dem Konferenzcontainer, alle um den Tisch versammelt, und die Gesichter der Gespenster zeigten alle vorstellbaren Empfindungen von überschäumender Freude bis hin zu tiefer Niedergeschlagenheit. Nun, vielleicht nicht überschwengliche Freude. Phanans Tod lastete noch zu schwer auf ihnen.

»Einsatz Nummer Eins ist das Treffen mit Zsinj«, sagte Wedge. »Face führt den Befehl und hat Dia und Kell als seine Begleiter ausgewählt. Das ist ein nachrichtendienstlicher Einsatz, äußerst delikat, und deshalb besteht die Crew aus den tödlichsten Killern, die wir haben.« Das trug ihm ein Schmunzeln ein. Wedge sah, wie Tyria Kell an der Schulter anstupste – ohne Zweifel paßte es ihr nicht ganz, daß er einen sehr gefährlichen Einsatz unternehmen würde, und es paßte ihr noch weniger, daß sie nicht dabei sein würde, um auf ihn aufzupassen. »Für diesen Einsatz wird das Shuttle Narra benutzt werden.

Einsatz Zwei ist Laras Treffen mit ihrem Bruder. Wir hoffen, daß das nur eine Art freudiges Familientreffen sein wird, aber es besteht die Möglichkeit, daß es sich um einen Trick Zsinjs handelt. Lieutenant Donos wird sie begleiten, und die beiden werden in ihren X-Flüglern unterwegs sein.

Einsatz Drei besteht darin, daß ich per X-Flügler nach Coruscant fliege, um dort routinemäßig Bericht zu erstatten und Befehle entgegenzunehmen. In Anbetracht unseres Bestandes an X-Flüglern können mich bis zu fünf von euch begleiten und sich auf Coruscant erholen. Lieutenant Janson bleibt hier und übernimmt das Kommando über den Stützpunkt – weil er letztesmal nach Coruscant durfte und diesmal ich an der Reihe bin.«

Jansons Ausdruck verfinsterte sich. »Keiner darf sich auf Coruscant amüsieren. Falls ich erfahre, daß das doch der Fall ist, bedeutet das für den Betreffenden einen Monat Küchendienst.«

»Wir versprechen alle feierlich, daß wir uns dort langweilen werden, Wes.« Wedge bemerkte, daß einer der Piloten die Hand gehoben hatte. »Ja, Castin.«

»Sir, erinnern Sie sich an den Sondereinsatz, den ich Ihnen vorgeschlagen habe? Ich meine, ein Programm in das Kommunikationssystem der Eisernen Faust einzuschmuggeln, damit sie gelegentlich ihren Standort aussendet?«

»Ich erinnere mich daran. Und ich weiß auch noch, daß ich gesagt habe, das sei ein guter Plan… aber nicht für unseren ersten Kontakteinsatz.«

Castin machte eine Handbewegung, als wolle er die zweite Hälfte von Wedges Erklärung wegwischen. »Sir, ich habe das Programm fertiggestellt.«

»Tatsächlich?« Wedge nickte. »Ausgezeichnet.«

»Ich habe es rechtzeitig für diesen Einsatz fertiggestellt. Es braucht nur noch einen erfahrenen Codespleißer, um es in das fragliche System einzuspleißen – auf meinen Simulatoren aber hat es einwandfrei funktioniert.«

»Nicht bei diesem Einsatz, Castin. Aber wir wollen versuchen, einen aktualisierten Simulator von Coruscant mitzubringen, nur um ganz sicherzugehen.«

»Verdammt noch mal, Sir, das ist die einzige Chance, die wir mit Sicherheit bekommen. Wir müssen sie nutzen. Sie sind einfach zu vorsichtig!«

Die Blicke der anderen Piloten wanderten zwischen Castin und Wedge hin und her. Sie waren jetzt alle sehr ernst geworden.

Wedge atmete tief durch, um sich zu beruhigen. »Flight Officer Donn.«

»Ja, Sir.«

»Flight Officer Donn.«

Castin schien sich plötzlich unwohl zu fühlen. Er sah nach links und rechts, stand dann langsam auf und nahm Haltung an. »Sir.«

»Ihre taktischen Überlegungen und Ihr Gefühl sagen Ihnen, daß jetzt der richtige Augenblick gekommen ist, Ihren Plan in die Tat umzusetzen. Meine taktische Erfahrung und mein Gefühl sagen mir, daß wir damit besser noch warten. Wessen Überlegungen werde ich Ihrer Meinung nach jetzt, da ja alle anderen Begleitumstände unverändert sind, höher einstufen?«

»Nun, die Ihren natürlich, Sir.« Castin schien sich unter dem bohrenden Blick Wedges recht unbehaglich zu fühlen.

»Und jetzt sollten Sie folgendes überlegen. Wenn wir es nach meiner Vorstellung tun und ich recht habe, haben wir Leben gerettet. Wenn wir es nach meiner Vorstellung tun und ich unrecht habe, haben wir eine Chance verpaßt – eine Chance, die wir wieder bekommen werden, wenn der Rest der Mission planmäßig verläuft und die Flederfalken für Zsinj tätig werden – und ich werde dann sowohl etwas dazugelernt wie auch leichten Schaden an meinem Ruf erlitten haben, und das sind beides Dinge, die ich überleben kann.

Wenn wir es andererseits nach Ihrer Vorstellung machen und Sie recht haben, ist es durchaus vorstellbar, daß wir Zsinjs Untergang beschleunigen. Andererseits, wenn wir es nach Ihrer Vorstellung tun und Sie unrecht haben, führt das dazu, daß Sie und das ganze Team in Gefangenschaft geraten oder umkommen, und das können Sie nicht überleben. Sehen Sie den Unterschied?«

»Ja, Sir, aber…«

»Sparen Sie sich Ihren Einwand. Und jetzt stellen Sie sich vor, Sie seien ein Pilot der Neuen Republik und verspürten das Bedürfnis, die Leistung oder die Überlegungen eines vorgesetzten Offiziers zu kritisieren. Sollten Sie das unter vier Augen oder in der Öffentlichkeit tun?«

Castin schien sichtlich in sich zusammenzusinken. »Unter vier Augen, Sir.«

»Ich will Ihnen Zeit und Gelegenheit geben, darüber nachzudenken. Sie bleiben auf der Flederfalken-Basis, während Ihre Kameraden nach Coruscant zurückkehren. Und jetzt setzen Sie sich.«

Castin kam der Aufforderung nach. Er war puterrot angelaufen und wäre am liebsten im Boden versunken.

Wedge sah sich in der Runde um. »Noch etwas? Nein? Dann bereiten Sie sich auf Ihre Einsätze vor. Wegtreten.«

 

Face fand Castin im Graben. »Worum ging es denn da?« fragte er.

Castin schüttelte ärgerlich den Kopf und ging schnell weiter… obwohl er ohne sichtliches Ziel einfach nur durch den Schacht marschierte. »Er hat unrecht, Face. Er hat einfach unrecht.«

»Warum?«

»Weil er, ich weiß auch nicht, weil er so darauf bedacht ist, nur ja das Leben aller zu schützen, daß er vor einer Taktik zurückschreckt, mit der wir diese ganze Kampagne mit einem Schlag beenden könnten.«

»Nein. Castin, er hat noch nie gezögert, unser Leben oder das seine aufs Spiel zu setzen, wenigstens nicht in der Zeit, die ich bei den Gespenstern verbracht habe. Aber trotz all der Witze über Corellianer, die ja angeblich nie über ein Risiko nachdenken, tut er das. Und er versteht mehr von Strategie als wir alle. Wenn er also sagt, daß dein Einsatz das Risiko nicht lohnt…«

»Dann ist er im Recht und ich im Unrecht.«

»Wahrscheinlich.«

»Na schön.«

»Ich möchte, daß du mir versprichst, daß du nicht auf eigene Faust etwas unternimmst.«

»Ja, das verspreche ich.« Castin blieb plötzlich stehen und sah sich um. Er und Face standen jetzt dicht vor der Küche und der anschließenden Messe. »Ich habe Hunger.« Er ging mit schnellen Schritten auf den Eingang der Messe zu.

»Das ist eine der Folgen eines schnellen Spaziergangs«, meinte Face. Er folgte Castin nicht – es war besser, ihn nicht in die Defensive zu drängen.

 

Wie zwei graue Lichtstreifen schossen die X-Flügler von Lara und Donos durch das Magnetdämmfeld, das die Atmosphäre im Hangar festhielt. Face, der im Cockpit des Shuttle Narra saß, sah zu, wie sie vorbeifegten. Kurz darauf folgten ihnen fünf weitere Sternenjäger – Wedge, Knirps, Shalla, Tyria und Piggy, die zu ihrem Routineeinsatz nach Coruscant unterwegs waren.

Er beneidete sie. Nicht nur, weil sie sich ein wenig erholen würden, wenn auch nur für ein paar Stunden; die Aussicht darauf, Kriegsherrn Zsinj gegenüberzutreten, setzte ihm doch einigermaßen zu. Nicht, daß er den Mann besonders gefürchtet hätte – aber seit man ihm seinen Einsatz näher geschildert hatte, hatte ihn die Angst nicht losgelassen, daß irgendwann mitten in einem Gespräch mit dem Kriegsherrn das Bild Phanans vor seinem inneren Auge auftauchen und er die Beherrschung verlieren und Zsinj angreifen würde. Dabei würde Zsinj möglicherweise verletzt oder sogar getötet werden, aber für Face und seine Kameraden würde es mit absoluter Sicherheit der Tod sein. »Energie«, sagte er.

»Siebenundneunzig Prozent, Reserven hundert Prozent.« Das war Dia, die neben ihm auf dem Sitz des Copiloten saß. Aber es war nicht die Dia, an die er gewöhnt war. Sie trug jetzt die Verkleidung von Seku, ihrer Identität bei den Flederfalken, und die unterschied sich ebensosehr von ihrem üblichen Aussehen, wie das bei Face der Fall war, der jetzt die Maske des narbigen Generals Kargin trug.

Ihre normalerweise unbedeckten Kopfschwänze oder Lekku, wie die Eingeborenen von Ryloth sie nannten – waren jetzt mit einem komplizierten Muster von Kellschriftsymbolen dekoriert, die in der Twi’lek-Sprache Zeugnis von dem Charakter und den Untaten ihrer fiktiven Identität ablegten. Statt der grauen TIE-Piloten-Uniform, wie sie auch Face und Kell trugen, war sie mit Weste, Hose und Stiefeln aus schwarzem Leder bekleidet – aber gefüttert, wie sie ihnen versichert hatte –, die alle mit blitzenden, kleinen, metallischen Nachbildungen von Zähnen und Klauen geschmückt waren. Sie hatte Cubber dazu überredet, ihr den Schmuck in seiner Freizeit anzufertigen. Face fand sie unter normalen Umständen attraktiv, aber in dieser barbarischen Maske war das in noch höherem Maße der Fall.

»Siebenundneunzig? Warum sind wir nicht ganz voll?«

Sie zuckte die Achseln. »Cubber hat da etwas erwähnt, daß die Narra, seit die Eiserne Faust sie mit ihren Traktorstrahlen gepackt hatte, ein paar Systemprobleme hat. Nichts, was er nicht im Griff hätte, bis der Commander mit Ersatzteilen von Coruscant zurückkommt.«

»Na, ausgezeichnet. Was kann denn seiner Ansicht nach sonst noch schiefgehen?«

Kell schob seinen Kopf von hinten zwischen den beiden Sitzen nach vorn durch. Er hatte sich ebenfalls stark verändert; er trug jetzt einen falschen Schnurrbart, Bart und eine geradezu lächerlich lange, feuerrote Perücke. »Die Hüllendichtungen sind ein wenig fragwürdig. Wir mußten ein paar Undichtigkeiten reparieren, als wir zurückkamen. Aber insgesamt ist die Narra gut in Schuß. Falls wir uns nicht noch einmal mit einem Sternenzerstörer prügeln müssen, sollte alles gut gehen.«

»In Ordnung. Vergiß deine typische Geste nicht.«

Kells Augen zogen sich zu schmalen Schlitzen zusammen. Er schob sich langsam das über seine rechte Schulter hängende Haar nach hinten. Als er sich dann wieder umdrehte und Face ansah, machte er noch eine kleine, arrogante Kopfbewegung, die sein Haar in Schwung versetzte. Das hatte Face ihm nicht beigebracht, aber es ließ ihn noch arroganter und selbstbewußter erscheinen.

Dia sah die beiden mit einem gequälten Lächeln an. »Er ist widerwärtig.«

»Dann ist’s ja gut«, meinte Face. »Also dann, anschnallen und fertigmachen. Wir müssen eine Verabredung einhalten. Nein, Moment: Kell, du holst jetzt Castin aus dem Schmuggelabteil und schickst ihn nach Hause. Wir können uns keine blinden Passagiere leisten.«

Grinsend ging Kell nach hinten und klopfte in einem bestimmten Rhythmus an die Steuerbordwand. Ein Stück der scheinbar nahtlosen Wand klappte auf Scharnieren heraus, und er griff hinein. Dann erschien ein Ausdruck der Verblüffung auf seinem Gesicht, und er beugte sich über die Öffnung und sah hinein. »Hey, da ist ja gar kein Castin.«

»Ist es leer?«

»Das habe ich nicht gesagt.« Kell holte einen ziemlich großen, pelzbedeckten Gegenstand aus dem Fach und fuchtelte damit herum. Es war das Ewokspielzeug. »Unser Freund, Lieutenant Kettch.«

Face schnaubte. »Da fragt man sich wirklich, wie der es schafft, so weit herumzukommen! Ich bin jetzt gar nicht mehr so sicher, daß er nicht lebt.«

Kell spähte noch einmal in das Fach. »Und irgendeine großzügige Seele hat das Fach mit einer Menge Nettigkeiten vollgepackt. Zwei Blaster, ein paar Konserven, zwei Flaschen Halmad-Prime…«

»Hey, die kannst du mir geben.«

Kell legte Kettch in das Fach zurück und verschloß es wieder. »Kommt nicht in Frage.«

»Jeder General hat das Recht, sich auf diplomatischem Einsatz sinnlos zu betrinken.«

Kell ließ sich in den Sessel hinter Dia fallen und begann, seine besondere Kopfbewegung einzustudieren. Und jedesmal, wenn er sie wiederholte, wurde sie widerwärtiger. »Ich werde damit solange weitermachen, wie ihr nicht aufhört, von dem Prime zu reden.«

»Oh. Na schön, du Meuterer. Bereitmachen zum Start.«