15

 

Face schmeckte der Hauptgang, eine Art Geflügel in einer Sonnenfruchtmarinade. Hoffentlich nicht vergiftet, dachte er gerade, als Zsinj ihm eine Frage stellte, auf die er nicht vorbereitet war. »Bin ich nicht ganz bei Trost, General Kargin, oder haben Sie einen Ewokpiloten in Ihrer Einheit?«

Faces Gesicht erstarrte. Er schluckte und räusperte sich hastig. »Wie kommen Sie darauf, Sir?«

»Abgefangene Sendungen. Die Analyse der Stimmcharakteristik Ihres Piloten Flederfalke Eins deutet darauf hin, daß er möglicherweise, wenn auch nicht mit Sicherheit, ein Ewok ist. Aber ich begreife einfach nicht, wie das möglich sein soll.«

Face zuckte die Achseln und ging blitzschnell ein Dutzend mögliche Antworten durch. »Nun, er ist ein Ewok. Überwiegend Ewok. Lieutenant Kettch. Mein schneidigster Pilot übrigens. Er ist zu klein, um an die Kontrollen zu kommen, aber ein Prothetikexperte auf Tatooine hat ihm Arm- und Beinverlängerungen gebaut, die er tragen kann, so daß ihn sein kleiner Wuchs nicht behindert.«

»Das liegt nahe. Aber ich hatte immer gedacht, Ewoks seien viel zu primitiv, um mit komplizierten Maschinen umzugehen oder die Theorie und Praxis der Astronautik zu verstehen. Sogar zu primitiv, um sich einen genügend großen Wortschatz in Basic zu erwerben.«

»Das sind sie. Aber Kettch ist… modifiziert worden. Wir wissen nicht, wo oder warum das geschehen ist. Man hat ihn als Junges von dem Zufluchtsmond von Endor geholt, ihn irgendwo in einem Labor großgezogen und ihm Substanzen eingeflößt, die offenbar seine Lernfähigkeit gesteigert haben. Er ist ein Genie, ganz besonders dann, wenn es um Mathematik geht.« Tatsächlich traf alles, was er gesagt hatte, auf Piggy zu, und Face war plötzlich sehr froh, daß er darauf hatte zurückgreifen können.

Zsinj und Melvar tauschten Blicke, und Face spürte, wie sein Herz plötzlich schneller schlug. So kurz die Blicke auch gewesen waren, so hatte ihr Ausdruck Face doch verraten, daß dieses Thema für Zsinj von allerhöchstem Interesse war. Was hatte das zu bedeuten?

»Jedenfalls«, fuhr Face fort, »ist er äußerst reizbar und kann sehr unangenehm werden. Ich hätte ihn unter keinen Umständen hierher mitgebracht, selbst wenn Sie das ausdrücklich verlangt hätten. Er beißt Fremde. Es wäre mir wirklich nicht recht, wenn er sich einen Bissen Zsinj nehmen würde und man uns andere dann wegen seiner schlechten Manieren in den Weltraum wirft.«

Wieder ganz jovial sah Zsinj Face an und lächelte. »Sehr amüsant. Trotzdem hoffe ich, ihn eines Tages fliegen zu sehen. Vielleicht sogar in einem Übungseinsatz gegen unseren besten Piloten.«

Face sah sich um. »Ist er hier?«

»Baron Fei? Nein, er ist im Dienst.« Der Kriegsherr zuckte die Achseln. »Er ist ohnehin nicht gerade ein angenehmer Gesellschafter.«

»Dann beißt er wohl auch?«

Zsinj lachte.

 

Castin wartete, bis der Flur für einen Augenblick leer war. Er trat vor die geschlossene Tür des Turbolifts und öffnete dessen Wartungsklappe. Darunter gab es die übliche Ansammlung von Drähten und Computerplatinen. Er schabte geschickt die Isolierung von zwei Drähten und verband sie miteinander.

Die Turbolifttüren glitten auf und gaben den Blick auf den leeren Schacht frei. Castin drehte die beiden Drähte wieder auseinander, schloß die Wartungsklappe und schwang sich in den Schacht, wo er sich an den Leitersprossen festhielt. Er konnte gerade noch rechtzeitig die Beine nachziehen, bevor die Türen sich wieder schlossen.

Jetzt mußte er eine Etage finden, wo ihn niemand störte – und er Zugang zu einem Computer-Interface hatte.

Nach oben oder nach unten? Über sich konnte er in einiger Entfernung das Schachtende sehen, unter ihm gähnte nur Leere. Das bedeutete, daß es unten mehr zu erforschen gab. Er kletterte nach unten.

Augenblicke später klammerte er sich an den Sprossen fest, als ob sein Leben davon abhinge, während eine Turboliftkabine an ihm vorbeiraste. Der Fahrtwind war so heftig, daß seine Füße von der Sprosse gefegt wurden, auf denen sie standen. Castin stieß einen Fluch aus, klammerte sich um so fester an und setzte den Abstieg fort.

Wenn diese imperialen Schwachköpfe bloß die Innenseiten der Türen irgendwie markiert hätten. Etage 15: HANGARS, WAFFENKAMMER, CAFETERIA oder so – das wäre nett gewesen.

Aber es gab trotzdem Hinweise, die er interpretieren konnte. Spuren von Abnutzung an den Schachtwänden beispielsweise. Die Kabinen hinterließen bei jedem Halt Spuren, und daraus konnte man erkennen, auf welchen Etagen sie am häufigsten anhielten. Solche Etagen galt es für ihn zu meiden.

Sechs Etagen tiefer fand er eine Lifttür, wo der Schacht so gut wie keine Abnutzung zeigte. Ein gutes Zeichen. Er klappte den Wartungsdeckel auf, hinter dem sich der Steuermechanismus befand… und wäre vor Überraschung fast von der Leitersprosse gefallen.

Die Kontrollbox hier sah völlig anders aus als die letzte. Sie enthielt ein versiegeltes Sicherheitsmodul, was darauf hindeutete, daß sich auf dieser Etage etwas befand, was jemandem besonders wichtig war.

Er beugte sich zur Seite, als wieder ein Turbolift an ihm vorbeijagte, diesmal von unten kommend, und wandte sich dann wieder der Kontrollbox zu. Für das, was er vorhatte, war diese Etage vermutlich zu gefährlich. Andererseits war er neugierig. Er zog seine Werkzeugtasche heraus.

Die Versiegelung des Sicherheitsmoduls entsprach dem neuesten Stand der Technik, aber er hatte, solange er sich erinnern konnte, imperiale Hard- und Software gespleißt, und so war es kein Wunder, daß das Modul nach einigen Minuten vor seinen geschickten Fingern kapitulierte. Es enthielt die üblichen Steuerorgane einer Turbolifttür sowie eine Vielzahl zusätzlicher Sicherheitsvorkehrungen – Sensoren, die jedes Öffnen oder Schließen der Türen anzeigten, die es jedesmal registrierten, wenn ein Turbolift in diese Etage geholt oder hierhergeleitet wurde, und diese Daten wurden ausnahmslos in den Zentralcomputer des Schiffes gesandt. Er löste die Verbindungen der Sensoren. Das Computerrelais konnte er nicht abkoppeln; es regelte auch den Zugang zu der Etage, und wenn er die Verbindung löste, bestand die Gefahr, daß jemand mit der entsprechenden Befugnis abgewiesen wurde und das meldete – und damit würde man seinen Eingriff sofort bemerken.

Er konnte die Tür von hier aus mühelos öffnen, aber sobald sie wieder geschlossen war, würde er die Etage ohne entsprechende Autorisierung nicht mehr verlassen können. Es galt daher zu improvisieren. Er klinkte ein kleines kommfähiges Datapad in den Schaltkreis ein und programmierte es so, daß es seine Kommlinkfrequenz überwachte und auf einen bestimmten Befehl seinerseits den Befehl zum Öffnen dieser Tür gab. Das sollte für seine Zwecke genügen.

Er steckte seine Werkzeuge wieder ein und holte seinen Blasterkarabiner heraus. Dann betätigte er den Schalter zum Offnen der Tür.

Sie schob sich, anders als die meisten Turbolifttüren, lautlos auf und gab den Blick auf einen dunklen Korridor frei. Niemand war zu sehen. Er stieß sich von seiner Leitersprosse ab, sprang hinaus und drehte sich mit schußbereitem Blaster nach allen Seiten, aber es war immer noch niemand zu sehen.

Genau genommen handelte es sich nicht um einen Korridor, eher um eine Galerie, eine lange Halle, deren eine Wand aus großen Sichtluken bestand. Die Räume hinter den Sichtluken waren hell beleuchtet. Das war gut so; die Leute in diesen Räumen würden ihn nicht sehen können. Er griff hinter sich, betätigte erneut den Schalter und zog den Arm dann schnell an den Körper, damit die sich schließende Tür ihn nicht abschnitt.

Neben der Turbolifttür war ein Computer-Interface, aber hier würde das zu gefährlich sein. Er ging mit den abgezirkelten Schritten eines imperialen Sturmtrupplers durch die Galerie und suchte nach einem anderen Interface.

Inzwischen hatte er die erste Sichtluke erreicht und konnte dahinter an der abgewandten Wand eine Art von großen Käfigen oder kleinen Zellen aus Glas oder Transparistahl sehen, drei übereinander aufgestapelt, und in jeder dieser Zellen oder Käfige befand sich ein Lebewesen. Castin sah eine Anzahl Gamorreaner, einen großen, dunklen Arthropoden, dessen Zelle mit irgendeinem organischen Netz behängt war, und einen Ewok. In einer überwiegend mit Wasser gefüllten und besonders großen Zelle befand sich ein Dianoga, ein mit Tentakeln versehener Aasfresser mit einem einzigen Augenstiel; das Lebewesen beobachtete ihn, als er vorüberging. Vor den Käfigen saß ein menschlicher Mann an einem Pult mit einem komplizierten Computerterminal. Er saß, die Füße auf dem Tisch, leger da und tippte gelangweilt auf einem persönlichen Datapad herum; es sah aus, als sei er in irgendein Spiel vertieft. Von Castin nahm er keine Notiz.

Ein Stück weiter vorn konnte Castin trotz der schwachen Beleuchtung in einer Ecke ein Pult und ein Computerterminal ausmachen, das nicht eingeschaltet war. Ob dieser Gang dort endete oder nach rechts abbog, war von seinem Standort aus nicht zu erkennen. Dieser Computer war genau das, was er brauchte, wobei er davon ausging, daß er ihn einschalten konnte, ohne jemanden auf sich aufmerksam zu machen.

Er passierte jetzt die nächste Gruppe von Sichtfenstern. Dahinter befand sich ein kleinerer Raum, ein Operationssaal. Eine Operation war im Gange, vier menschliche Männer mit Masken und Handschuhen arbeiteten an einer großen, mit weißem Fell bedeckten Kreatur mit zwei großen und zwei kleinen Augen. Castin erkannte, daß es sich um ein Talz handelte, und sah dann genauer hin.

Am Kopf des Talzes waren einige Schläuche befestigt, durch die ihm Flüssigkeiten zugeführt wurden, die aus Flaschen über dem Operationstisch rannen. Das Lebewesen war festgeschnallt… und es war bei Bewußtsein. Jetzt konnte Castin sehen, wie es sein Maul geöffnet hatte und brüllte; allerdings drang das Geräusch nicht durch die Sichtluken. Seine mit Klauen besetzten Hände öffneten und schlossen sich, während es gegen seine Fesseln ankämpfte, und seine vier roten Augen funkelten die Arzte an.

Das waren keine Schmerzensschreie, entschied Castin, das war nackte Wut. Ein beunruhigendes Bild. Die Talz galten im allgemeinen als äußerst friedfertige Lebewesen.

Ein paar Schritte weiter, und der Operationssaal lag hinter ihm. Er nahm an dem dunklen Bildschirm Platz und holte wieder seine Werkzeugtasche heraus.

 

»Zur Eisernen Faust zurückkehren? Das glaube ich nicht.« Lara schüttelte den Kopf. »Ich kann Zsinj auf der Mon Remonda wesentlich nützlicher sein.«

»Nicht unbedingt«, sagte Rossik. »Wir würden auf die Weise zwei X-Flügler bekommen – die Sie auf Geheimeinsätzen für uns fliegen könnten – und dazu Ihre Analysen der bis jetzt geflogenen Einsätze, außerdem wichtige Erkenntnisse über die Gespenster, und das könnte genauso wertvoll sein wie die genaue Positionsangabe der Mon Remonda.«

»Ich würde es trotzdem vorziehen, zu den Gespenstern zurückzukehren.«

»Mag sein, aber ich habe das jetzt anders entschieden. So, und jetzt werden Sie, da wir ja davon ausgehen müssen, daß Ihr Flügelmann uns beobachtet, ein angeregtes Gespräch mit dem ganz und gar nicht angeregten Tavin führen, während ich mich an Ihren ›Kollegen‹ anschleiche.«

Ein Gefühl der Bedrückung bemächtigte sich ihrer, als ihr klar wurde, was sie jetzt tun mußte… als ihr klar wurde, daß sie im Begriff war, Gefangene zu machen, die ihr Geheimnis kannten, daß sie in Kürze dieses Geheimnis Wedge Antilles würde anvertrauen müssen. »Das glaube ich nicht. Nehmen Sie die Hände hoch. Sie sind jetzt Gefangene der Neuen Republik.«

Tavin zog einen Blaster unter der Jacke hervor und zielte damit auf sie. Rossik warf Tavin einen spöttischen Blick zu und legte die rechte Hand auf den Kolben seiner eigenen Waffe. »Sie machen mir nicht den Eindruck, als könnten Sie das durchsetzen, Petothel. Ihr Partner ist einen Kilometer entfernt und beobachtet uns vielleicht im Augenblick nicht einmal. Ich weiß, daß Sie nicht senden; das hätte mir mein Scanner verraten.«

Lara sah auf den Blaster, den Tavin in der Hand hielt, und hob die Arme – eine Geste, die halb Kapitulation und halb Geringschätzung andeutete. »Ich gebe Ihnen beiden noch eine Chance. Werfen Sie sofort die Waffen weg.«

»Halten Sie sie in Schach und nehmen Sie ihr den Blaster weg«, befahl Rossik. »Ich werde tun, was ich gesagt habe – ich verlasse das Haus durch den Hintereingang und schleiche mich von hinten an ihren Partner an. Sie sorgen bloß dafür, daß sie hierbleibt und sich ruhig verhält.«

»Kein Problem«, sagte Tavin.

»Sie hätten sich ergeben sollen«, meinte Lara. Sie ballte die Hände zu Fäusten.

Eine strahlende Lanze aus Licht, die vom Hügel herüberzuckte, traf Tavin an der Brust. Die plötzliche Explosion seines blitzschnell zum Siedepunkt gebrachten Gewebes warf den Mann nach hinten und schleuderte ihn zu Boden; sein Blaster fiel auf die verkohlte Erde.

Rossik drehte sich zu der Stelle um, von der das Laserfeuer gekommen war, und trat einen Schritt vor. Lara zog ihren Blaster, und ihr Schuß traf Rossik an der Seite, als der sich hinwerfen wollte. Er sackte zu Boden und blieb reglos liegen.

Lara stand auf und hielt ihre Waffe auf die beiden Männer gerichtet, während Donos vom Hügel heruntergerannt kam. Sie hätte sich das sparen können; für sie war klar, daß beide Männer tot waren. Sie versuchte, den Eindruck einer Art Nervenzusammenbruch zu erwecken, und stellte zu ihrer Überraschung fest, daß sie tatsächlich nicht weit davon entfernt war. Aber ein Teil ihres Schocks war die freudige Erkenntnis, daß ihr Geheimnis für den Augenblick wieder gewahrt war.

»Alles in Ordnung?« fragte Donos.

Lara nickte. »Die wollten…« Die Stimme versagte ihr, und wieder spürte sie, daß das eine echte Reaktion war. »Die wollten, daß ich mit ihnen zur Eisernen Faust zurückkehre. Sie wollten mir keine Gelegenheit mehr lassen, ihnen falsche Informationen zuzuspielen. Ich wäre einfach verschwunden.« Sie schauderte. »Und das habe ich nicht fertiggebracht.«

Donos stieß Rossik mit dem Fuß an. Die Leiche rollte auf den Rücken, so daß man jetzt die glasig blickenden, starren Augen sehen konnte. Er beugte sich über ihn, um dem Mann den Blaster wegzunehmen. »Warum hat Ihr Bruder gegen Sie gezogen?«

»Weil ich nein gesagt habe. Ich habe gesagt, daß ich nicht mit diesem Mann hier, Rossik, zur Eisernen Faust gehen würde. Offensichtlich hätte mein Bruder sein Geld nur bekommen, wenn ich mit Rossik gegangen wäre. Und da er kein Geld bekommen würde, wollte er mich töten.«

»Nicht gerade ein Zeichen von Geschwisterliebe.« Donos sah zu Tavins Leiche hinüber und nahm auch dessen Waffe an sich. Dann sah er sich über die Schulter nach Lara um. »Tut mir leid. Das hätte ich jetzt nicht sagen sollen.«

»Schon gut. Der Tavin, der mir einmal etwas bedeutet hat, hat schon aufgehört zu existieren, als ich noch ein kleines Mädchen war; und das hier ist aus ihm geworden. Der Tavin von früher wird mir fehlen… aber den haben nicht Sie getötet.«

»Wir können uns nicht darauf verlassen, daß Rossik nicht noch mehr Leute in seinem Team gehabt hat. Nehmen wir uns ihre Papiere, schauen uns schnell im Haus um und sehen dann zu, daß wir wieder zu unseren X-Flüglern kommen. Ich möchte diese Welt so schnell wie irgend möglich verlassen.«

 

Während Castin von seinem Terminal aus die Sicherheitssysteme der Eisernen Faust attackierte, mußte er immer wieder auf den Flur hinter sich achten. Bis jetzt waren von den Wissenschaftlern oder Technikern in den Räumen hinter den Sichtfenstern keine in den Flur gekommen, aber das konnte sich schnell ändern.

Und die Computersicherheit hier war hervorragend. Jemand, der fast ebenso geschickt war wie er, hatte ein mehrschichtiges Verteidigungssystem aufgebaut, das ihn bis jetzt mit Erfolg davon abgehalten hatte, sein Programm in das Kommunikationssystem einzuschmuggeln. Castin war zwar überzeugt davon, seinem unbekannten Kollegen überlegen zu sein, aber jener hatte Wochen, Monate, vielleicht sogar Jahre Zeit gehabt, seinen Code aufzubauen; Castin andererseits war jetzt darauf angewiesen, ihn binnen Minuten auszutricksen. Und trotz seiner überlegenen Geschicklichkeit und der Werkzeuge, die er mitgebracht hatte, machte ihm das erhebliche Schwierigkeiten.

Das ärgerte ihn, ärgerte ihn so sehr, daß er Mühe hatte, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren.

Nein, das ergab keinen Sinn. Schwer zu knackende Systeme waren eine Herausforderung für ihn, nicht eine Quelle des Ärgers, und sie schärften seine Konzentration, anstatt sie zu beeinträchtigen. Wie kam es also, daß er verstimmt war? Er lehnte sich zurück, wandte seine Aufmerksamkeit kurz von dem Bildschirm ab, der bis jetzt all seine Wünsche abgelehnt hatte, um darüber nachzudenken.

Selbst im Magen spürte er ein Rumoren, und das war es, was ihm endlich einen Hinweis darauf gab, worauf seine Verstimmung zurückzuführen war. Es war das, was er Augenblicke zuvor gesehen hatte. Die Lebewesen in den Käfigen. Das Talz auf dem Operationstisch, ein an und für sich friedliches Lebewesen, das von Chemikalien so aufgeputscht war, daß es Zorn und Wut ausstrahlte.

Das war lächerlich. Solche Dinge interessierten ihn doch gar nicht. Ein Talz war kein Mensch, war nicht einmal besonders wichtig, und wenn die Wissenschaftler ihre Experimente an ihm machen wollten, so war ihm das gleichgültig.

Aber das beunruhigende Gefühl hielt an.

Das Leben dieses Geschöpfes war zu Ende. Selbst wenn es ihm durch ein Wunder gelingen sollte, aus der Gefangenschaft zu entfliehen, würde ihn doch das, was ihm widerfahren war, für alle Zeit verändern. Konnte es denn auf seine Welt zurückkehren, zu seiner Familie, von dem Wissen erfüllt, wie man ihm Gewalt angetan hatte, wie man sein ganzes Wesen verändert hatte und dennoch zu dem Leben zurückkehren, das es früher einmal gekannt hatte? Castin bezweifelte das.

Er stieß eine halblaute Verwünschung aus. Für solche Überlegungen hatte er jetzt keine Zeit. Was interessierten ihn ein paar Käfige voll nichtmenschlicher Lebewesen, an denen Zsinj Experimente vornehmen ließ?

Aber die Bilder wollten einfach nicht veschwinden, verdrängten die Techniken und Vorgehensweisen, die er für seinen Einsatz brauchte, erfüllten ihn mit Gefühlen, die er jetzt überhaupt nicht brauchen konnte.

Mitgefühl.

Mitgefühl mit jenen haarigen, übelriechenden und höchst unmenschlichen Lebewesen, die sich in diesen Käfigen drängten, die er gesehen hatte. Eine einzige Konzentration von Leid und Unglück.

Obwohl ihn diese Gedanken ablenkten, entging Castin trotzdem das Zischen der Turbolifttür nicht, die sich weit hinter ihm befand. Er schaltete das Terminal ab, griff sich sein Datapad und seinen Helm und hastete um die Ecke herum nach rechts, preßte sich gegen die Wand und spähte in die Richtung, aus der er gekommen war.

Eine halbe Korporalschaft Sturmtruppler, in der schwachen Beleuchtung des Ganges nur undeutlich zu erkennen, marschierte auf ihn zu. Ihre Schritte waren langsam und gemessen. Auf halbem Wege klopfte der Anführer scharf an eines der Transparistahlfenster. Als er damit anscheinend die Aufmerksamkeit von jemandem im Raum dahinter geweckt hatte, tippte er sich an den Kopf, offenbar ein Signal, daß jemand drinnen an ein Kommlink gehen und hören sollte, was er zu sagen hatte.

Verdammt noch mal! Die mußten nach ihm suchen. Was hatte er falsch gemacht? Er war ganz sicher, daß er seine Spuren beim Einschalten des Terminals verdeckt hatte.

Nein, Augenblick. Als er den Deckel des Steuerungskastens im Liftschacht aufgeklappt und dort die intensiven Sicherheitsvorkehrungen entdeckt hatte – er hatte erst nach dem Öffnen des Kastens gemerkt, daß diese Etage offenbar unter einer besonders hohen Sicherheitsstufe stand. Wenn an dem Kasten selbst ein Sensor angebracht war, eine durchaus vernünftige Vorsichtsmaßregel für Steuerorgane, die den Zutritt zu einem Hochsicherheitsbereich kontrollierten, dann hatte er, ohne es zu bemerken, den Alarm ausgelöst.

Er zog sich ein Stück weit zurück. Hinter ihm war ein weiteres Sichtfenster, diesmal zu einem Büro, das im Augenblick nicht besetzt war. Daneben war eine gepanzerte Tür mit normalen Kontrollen. Er tippte auf den Schaltknopf, und auf dem kleinen Bildschirm über dem Kopf erschien AUTORISIERUNGSCODE EINGEBEN.

Ehe er diesen Code knacken und sich Zugang zu dem Büro verschaffen konnte, würden die Sturmtruppler bereits da sein.

Was sollte er tun – bluffen oder kämpfen? Ein Bluff hatte nicht die leiseste Aussicht auf Erfolg, also entsicherte er seinen Blasterkarabiner.

Der vorderste Sturmtruppler kam um die Ecke und erstarrte. »Was ist Ihr –?«

Castin feuerte. Sein Schuß traf den Sturmtruppler in den Bauch und schleuderte ihn gegen die Wand.

Castin wartete nicht, bis der nächste Sturmtruppler auftauchte. Er feuerte wieder, diesmal auf das Sichtfenster, welches zersplitterte, und sprang dann durch die Transparistahlsplitter in das Büro.

Er setzte auf dem Boden auf und wirbelte herum, zielte durch das zerbrochene Fenster. Zwei weitere Sturmtruppler kamen um die Ecke, richteten ihre Waffen auf die Stelle, wo er gerade noch gestanden hatte. Er feuerte wieder, zweimal schnell hintereinander, und sein erster Schuß traf den weiter vorn stehenden Sturmtruppler in die Brust. Der andere Sturmtruppler warf sich zu Boden, so daß er unter dem Rand des Fensters in Castins totem Winkel war, und dessen zweiter Schuß verfehlte ihn deshalb.

Ein schriller Alarm ertönte, und die Bürolichter flackerten im Rhythmus des Alarms mit.

Das Büro hatte einen zweiten Ausgang, der in die allgemeine Richtung des Turbolifts führte. Der Türschalter reagierte. Bei dem Raum dahinter schien es sich um eine Art Sterilisierungskammer zu handeln, mit Spinden und Dekontaminierungskammern und ohne Ausblick auf den Flur.

Die nächste Tür ließ sich ebenso leicht öffnen – sie führte in den Operationsraum. Die Medizintechniker dort hatten ihre Tätigkeit an dem Talz eingestellt und blickten fasziniert auf das Geschehen außerhalb ihres Sichtfensters – soeben eilte dort der letzte Sturmtruppler vorbei, auf den Raum zu, den Castin gerade verlassen hatte.

Ein Blasterschuß fegte über Castins Schulter hinweg und traf einen der Techniker am Hinterkopf. Castin sah, wie der Mann, dessen Kopf nur noch eine schwarz verkohlte Masse war, langsam nach vorn taumelte, so langsam, als würde er in schwerem Öl versinken, sah die anderen Techniker, die sich wie im Zeitlupentempo zu ihm herumdrehten.

Er wirbelte herum, feuerte, noch ehe er sein Ziel sehen konnte. Ein Sturmtruppler stand in der offenen Tür zwischen Büro und Sterilisierungsraum, eine perfekte Zielscheibe, und Castins ungezielter Schuß traf ihn am Knie. Der Mann ging mit einem Schrei zu Boden.

Castin schlug mit der Hand auf die Steuerplatte, und die Tür schloß sich. Er wandte sich den Technikern zu; sie hatten bereits alle die Hände in der Luft. Einer konnte den Blick nicht von der rauchenden Masse wenden, die gerade noch der Kopf seines Kollegen gewesen war.

Ein einziger Schuß würde genügen, um das Sichtfenster wegzufegen. Er konnte hinausspringen und den Turbolift erreichen, ehe die drei noch bewegungsfähigen Sturmtruppler ihn würden erreichen können. Das war’s also. Aber während er auf das Sichtfenster zielte, sah er, wie das Talz ihn ansah. Seine vier Augen waren wie Löcher in einer Welt aus purem Schmerz.

Er zögerte, dann zog er sein Vibromesser aus einer Gürteltasche. Er schnitt die Fußfesseln des Talzes durch und schickte sich an, auch die Fesseln an seinen Handgelenken aufzuschneiden.

»Nicht!« Das war einer der Techniker, und seine Augen waren vor Schrecken weit aufgerissen. »Das ist kein Talz mehr, das ist ein Killer…«

»Richtig.« Castin schnitt die letzte Fessel durch und trat dann einen Schritt zurück.

Der Techniker, der Castin gewarnt hatte, rannte davon, erreichte die Tür, schlug mit der flachen Hand auf den Schalter. Die Tür öffnete sich… und der Techniker bekam einen Blasterstrahl in den Unterleib. Er krümmte sich zusammen und fing zu schreien an.

Das Talz wälzte sich vom Tisch, und die Schläuche steckten immer noch in seinem Schädel. Jetzt funkelte es Castin bösartig an und wandte sich dann den verbliebenen Technikern zu. Der Karren mit den Chemikalienflaschen, die an seinen IV-Schläuchen hingen, kippte um und wurde hinter ihm hergezerrt. Das Talz entdeckte etwas hinter der Tür, wahrscheinlich den Sturmtruppler, der zuletzt geschossen hatte, und blieb stehen, versuchte offenbar zu entscheiden, welchen Gegner es zuerst angreifen sollte.

Castin feuerte auf das Sichtfenster, zertrümmerte es und sprang durch das Loch nach draußen. Zwischen ihm und der Turbolifttür gab es keine Hindernisse. Er ließ sein Vibromesser fallen und zog im Laufen sein Datapad heraus.

Und dann war da plötzlich Schmerz, qualvoller Schmerz, so stark, daß er nicht einmal sagen konnte, wo er herkam, und er fiel, krachte auf den Boden.

Der Schmerz zwang ihn dazu, sich zusammenzukrümmen, als wäre er eine Puppe in der Hand eines bösartigen Kindes. Er sah, ohne es recht begreifen zu können, die Stelle hinten an seinem linken Schenkel, wo ein Blasterschuß den Sturmtruppenpanzer und das Fleisch darunter durchbohrt hatte. Er konnte den Sturmtruppler sehen, der ihn getroffen hatte; der Mann kam jetzt gemessenen Schrittes näher, den Karabiner schußbereit.

Und dann war da die Turbolifttür, viel zu weit entfernt für einen Mann, der nur noch kriechen konnte.

Sie hatten ihn. Sie hatten ihn, und sie hatten sein Datapad, das alles enthielt, was Zsinj über ihn und seinen Einsatz hier wissen mußte.

Mit Händen, die vor Schmerz zitterten, hielt er sein Datapad vor den Lauf seines Blasterkarabiners und drückte ab.

 

»Und jetzt«, sagte Zsinj beim Dessert, das aus Halbgefrorenem bestand, »zu der Angelegenheit, die uns heute hier zusammengeführt hat.«

Face lehnte sich zurück und bemühte sich um einen Ausdruck zufriedener Gelassenheit. »Bitte.«

»Ich bin im Begriff, ein größeres Vorhaben zu starten. Eine militärische Operation, die einiges Ausmaß haben wird.«

»Sie wollen Ihre Rebellenfeinde angreifen?«

»Das ist richtig. Ich rechne mit starkem Widerstand – Sternenjäger und kapitale Schiffe – und brauche jegliche Sternenjägerunterstützung, die ich bekommen kann – insbesondere in Hinblick auf meine Verluste der jüngeren Vergangenheit.« Der letzte Satz war von einem leisen Knurren begleitet. »Aber wenn Sie gegen meine Feinde mit dem gleichen Einsatz und den gleichen Auswirkungen kämpfen, wie Sie das gegen mich getan haben, werde ich ja praktisch mit derselben Kampfkraft antreten.« Ein Adjutant trat von hinten heran, beugte sich über seine Schulter und flüsterte ihm etwas zu. Zsinjs Ausdruck blieb unverändert, aber er stand auf. »Ich muß mich auf ein paar Augenblicke entschuldigen – eine dringliche Angelegenheit. Melvar, bitte machen Sie weiter.« Er trat mit dem Adjutanten ein paar Schritte zur Seite.

Melvar lächelte, und er wirkte so, als ob es ihm das größte Vergnügen bereiten würde, ein paar Insekten die Flügel auszureißen. »Es handelt sich um eine orbitale Handels- und Auftankstation. Ihre Lagerräume enthalten größere Mengen von Material, das wir brauchen – schwer beschaffbares Material. Wir werden eine gewisse Zeit brauchen, um das Material in unsere Frachtschiffe zu verladen – nicht gerade sehr viel Zeit, aber immerhin genug, daß die planetarischen Verteidigungsstreitkräfte ein paar Staffeln Sternenjäger starten können… und möglicherweise weitere Staffeln von den kapitalen Schiffen, die um den Planeten herum verteilt sind.«

Face pfiff durch die Zähne. »Wertvolle Ladung… hmm. Was ist es denn?«

Melvar schüttelte den Kopf. »Das bleibt geheim… bis Sie am Einsatzort eingetroffen sind.«

»Was wir wissen müssen«, sagte Zsinj, der jetzt wieder an seinen Platz zurückkehrte, »ist, wie viele Sternenjäger Sie zu dieser Mission beisteuern können.«

»Sechs«, erklärte Face. Er bemerkte, daß Zsinjs fröhliche Miene jetzt ein wenig gequält wirkte.

»Nur sechs?«

»Wir kämpfen wie zwanzig.«

»Sie kämpfen wie dreißig. Und wir werden Sie wie dreißig bezahlen.«

»Und das heißt…«

»Ihre Provision beträgt vierhunderttausend imperiale Credits, zahlbar sofort nach Beendigung des Einsatzes.«

Face gab sich Mühe, sich seine Überraschung nicht anmerken zu lassen. Das war ein Vermögen, genug, um damit zwei X-Flügler plus Ersatzteile zu kaufen. »Und wenn Ihr Einsatz scheitert, zahlen Sie gar nichts?«

»Nein, Sie bekommen den ganzen Betrag in jedem Fall – immer vorausgesetzt, Sie lassen nicht zu, daß ich bei dem Einsatz ums Leben komme.«

»Ich bin immer noch beeindruckt. Wenn ich nicht wüßte, wie gut meine Einheit ist, würde ich sagen, daß Sie uns zu hoch bezahlen.«

Zsinjs Miene wurde plötzlich ernst; das aufgesetzte Lächeln verschwand. »Ich bezahle zu hoch. Ich gehe davon aus, daß einige Ihrer Leute und einige von den meinen bei diesem Einsatz ums Leben kommen werden. Ich beabsichtige soviel zu bezahlen, damit alle unsere Piloten mit dem Willen zum Erfolg ins Gefecht gehen, mit Freuden ihr Leben riskieren – in dem beruhigenden Wissen, daß ihre Witwen und Waisen reichlich versorgt sein werden, falls sie sterben sollten.«

Face überlegte. »Ich würde mit großem Vergnügen noch mehr verdienen. Ich habe mehr Flederfalken als Sternenjäger. Viele mit technischen Fähigkeiten, dazu eine ganze Anzahl mit anderen Spezialitäten.«

»Auch für verdeckte Operationen?«

Face lächelte. »Ich hatte also recht. Sie werden Ihrer Flotte ein Team vorausschicken.«

Zsinj zuckte die Achseln. »Wir denken ganz offensichtlich sehr ähnlich. Ja, selbstverständlich.«

»Ich habe Fachleute für verdeckte Operationen. Und einige davon sind mit den Systemen des Imperiums ebenso vertraut wie mit denen der Neuen Republik.«

»Und außerdem«, fiel Melvar ihm ins Wort, »haben Sie ihn.« Sein langer, silberner Nagel zeigte auf Kell.

»Und seinen Lehrer«, ergänzte Face.

Melvar sah ihn überrascht an. »Seinen… Lehrer?«

Kell strich sich das Haar zurück, die für ihn so typische Geste, und rümpfte dann die Nase.

»Seine Lehrerin, um es genauer zu sagen. Die tödlichste Expertin im unbewaffneten Kampf, die mir je begegnet ist. Die Frau wirkt auf den ersten Blick ausgesprochen liebenswürdig und nett, und das macht es nur noch leichter, sie praktisch überall einzuschmuggeln. Als Pilot ist sie ihm weit unterlegen… aber ich habe einmal mit eigenen Augen gesehen, wie sie einen Wookiee getötet hat. Unbewaffnet.«

Zsinj und Melvar wechselten Blicke. Dann meinte Zsinj: »Jetzt übertreiben Sie aber doch sicherlich.«

»Nein, das tut er nicht«, sagte Kell. Es waren die ersten Worte aus seinem Munde, seit sie Platz genommen hatten. »Ein Wookiee ist nach menschlichen Begriffen geradezu unglaublich stark, aber er ist nicht schneller… und er hat genauso viele verletzbare Stellen. Druckpunkte. Gelenke. Auf einen Ringkampf darf man sich nicht mit einem einlassen – das ist gleichbedeutend mit dem Tod. Und seine Größe und die Länge seiner Arme und Beine bedeuten, daß man dauernd darauf achten muß, nicht in seine Reichweite zu kommen. Aber es ist möglich.

Qatya, so hieß meine Lehrerin, fing mit einem Tritt gegen seine Wirbelsäule an, bei dem ihm das Rückenmark zerdrückt und allem Anschein nach ein paar Wirbel beschädigt wurden, und das hat ihn praktisch gelähmt… besonders die Beine. Als er das nächste Mal nach ihr schlug, bekam sie seine Hand in einem günstigen Winkel zu packen, verdrehte sie ihm und brach ihm dabei das Handgelenk. Anschließend hat sie ihm, nur so zum Spaß, zwei Finger gebrochen. Sie wissen ja, wie Frauen sind, und dann…«

»Dissek, bitte.« Faces Stimme klang tadelnd, obwohl er innerlich mit Kells Improvisation sehr zufrieden war – das war genau die Art von widerwärtigen Details, die ihm nie in den Sinn gekommen wären. »Sie müssen Nachsicht mit ihm haben. Der Kampf ist seine einzige Liebe.«

»Ist schon in Ordnung«, sagte Zsinj. »Liefern Sie mir Unterlagen über die Flederfalken mit besonderen technischen Fähigkeiten, damit ich mir überlegen kann, wie sie eingesetzt werden können?«

»Ja, gern. Sagen Sie mir nur, wie ich sie Ihnen senden soll.«

»Melvar wird Ihnen vor Ihrer Abreise ein paar Holo Netzeiten und -frequenzen geben.«

»Und möglichst umfangreiche Daten über diesen Einsatz, damit wir unsere eigenen Simulationen durchführen können?«

Melvar zog ein Datapad aus der Tasche und schob es zu ihm hinüber.

»Hätten Sie etwas dagegen, jetzt gleich einen kleinen Auftrag zu übernehmen?« fragte der Kriegsherr.

»Keineswegs.«

Zsinj sah sich um und blickte zu dem Sicherheitsfoyer, durch das die Flederfalken in die Kommandozentrale gekommen waren. Zwei Sturmtruppler waren jetzt dort zu sehen, die einen dritten Sturmtruppler rückwärts zwischen sich geklemmt hatten. Der dritte Mann hing schlaff in ihren Armen und trug keinen Helm; sein Haar war goldblond.

»Ich muß ganz sicher sein, daß Sie keine Skrupel kennen«, fuhr Zsinj fort. »Ich weiß, daß Sie imstande sind, im fairen Kampf zu töten, aber ich brauche Männer – oh, ja, und Frauen natürlich –, die auch unter weniger widrigen Umständen töten können. Also – würden Sie bitte diesen Mann für mich erschießen?«

Die Sturmtruppler ließen ihre menschliche Last vor dem Tisch zu Boden fallen.

Der Mann, den sie herangeschleppt hatten, war Castin Donn. Seine Augen waren geschlossen. Er hatte eine Blasterverbrennung am rechten Bein. Seine Brust hob und senkte sich regelmäßig.

Face schluckte den bitteren Geschmack hinunter, der in seiner Kehle aufstieg, und hoffte, daß seinem Gesicht das Entsetzen nicht anzusehen war, das er fühlte. Castin, du Idiot. Du hast uns alle umgebracht.

Kell warf einen Blick auf Castin und sah dann Face an, der seine Züge auf bewunderungswürdige Weise unter Kontrolle hatte. Zsinj jetzt anspringen? fragte sein Blick. Oder warten? Dias Blick ließ Castin nicht los, sie wirkte seltsam fasziniert.

»Kein besonderes Ziel«, sagte Face, um Zeit zu gewinnen. Es mußte doch irgendeine Möglichkeit geben, ihrer aller Leben und den Einsatz zu retten, ohne sich dabei zu verraten.

Doch es wollte ihm nichts einfallen.

»Das stimmt«, bestätigte Zsinj, »würden Sie ihn bitte erschießen?«

»Oh, das kann ich mir gut vorstellen«, sagte Face, rührte sich aber ansonsten nicht von der Stelle. »Eigentlich ist das ja ein recht kostspieliger Test für Sie – uns einen Ihrer eigenen Sturmtruppler erschießen zu lassen.«

»Keinen der meinen«, antwortete Zsinj. »Das ist ein Eindringling.«

»Sie werden ihn nicht verhören?«

Zsinj schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht an dem interessiert, was er zu sagen hat. Würden Sie ihn bitte erschießen?«

Face kämpfte gegen die Panik an, die in ihm aufstieg. Die Schiffsoffiziere am Tisch beobachteten ihn mit steigendem Interesse. Und ihm wollte einfach nichts einfallen. »Selbstverständlich«, sagte Face. »Wieviel?«

Zsinjs Augen weiteten sich überrascht. »Was?«

»Wieviel Sie bezahlen? Dafür, daß ich ihn erschieße, meine ich.«

»General Kargin, jetzt verblüffen Sie mich. Sie sind schließlich schon hier, und die Kosten für einen einzelnen Blasterschuß sind doch belanglos – insbesondere, da ja wir den Blaster stellen.« Er nickte einem Offizier zu, worauf dieser seine Blasterpistole aus dem Halfter zog. »Sie sind nicht bereit, das einfach als eine Demonstration Ihres guten Willens zu tun?«

»Intelligentes Leben ist das wertvollste Gut, das die Galaxis zu bieten hat«, erklärte Face pathetisch. »Und demzufolge nehme ich nie intelligentes Leben, ohne dafür finanziell angemessen entschädigt zu werden.«

Dia stand auf und brach damit irgendwie den Bann, der sich über die ganze Tischrunde gelegt hatte. Sie sah den Kriegsherrn mit einem strahlenden Lächeln an und sagte dann in ihrer rauchigen Sekustimme: »Der General ist nur um das Wohlbefinden seiner Offiziere und Truppen besorgt, Kriegsherr. Bei uns gelten feste Regeln, über die er sich nicht hinwegsetzen kann; sie stehen in der Satzung der Flederfalken. Aber ich kann das als privaten Auftrag für Sie erledigen. Den Blaster bitte?« Sie streckte die Hand aus.

Face verspürte ein Gefühl der Erleichterung. Sie hatte einen Plan. Er sah, wie Kell die Beine anzog. Vermutlich würde er Zsinj angreifen. Das bedeutete, daß er sich General Melvar vornehmen mußte, während Dia die anderen mit dem Blaster in Schach hielt. Immer vorausgesetzt, sie hatten ihr eine funktionsfähige Waffe gegeben.

Melvar nickte; der Offizier überreichte Dia die Pistole. Sie warf einen prüfenden Blick auf die Ladeanzeige, trat neben Castin – und schoß ihm in den Hals.

 

Ein geschwätziger junger Offizier, offenbar von dem Mord an dem Eindringling aufgeputscht, führte die Flederfalken zu ihrem Shuttle zurück.

Sobald sich die Sicherheitstüren hinter ihnen geschlossen hatten, stand, Zsinj auf. Er klatschte in die Hände, und plötzlich wurde es still im Raum. »Sehr gut gemacht«, sagte der Kriegsherr. »Das war eine hervorragende Vorstellung.«

Die Männer salutierten und gingen hinaus. Zsinj setzte sich. »Wie geht es – wie heißt er? Yorlin?«

Melvars Züge entspannten sich und wirkten plötzlich wieder ausdruckslos und in keiner Weise bedrohlich. »Dieser Dissek hat ihn so hart getroffen, daß er eine Gehirnerschütterung davongetragen und ein paar Zähne verloren hat.«

»Nun, er hat sich Lob verdient, weil er um den Preis beträchtlicher Schmerzen seine Anweisungen aufs Wort befolgt hat. Sprechen Sie ihm meine Anerkennung aus, und geben Sie ihm drei Tage Sonderurlaub, wenn er aus dem Lazarett kommt.« Er deutete auf die Leiche des Eindringlings, von dessen Hals immer noch Rauch aufstieg. »Geben Sie das da unseren Technikern. Ich möchte wissen, wer er war, woher er kommt, wo er gelebt hat und wie er es geschafft hat, an Bord der Eisernen Faust zu kommen – da er ja allem Anschein nach doch nicht zu den Flederfalken gehört hat.«

»Wird erledigt. Welchen Schaden hat er uns denn zugefügt?«

»Nach ersten Berichten hatte er zwei Sturmtruppler und zwei Techniker erschossen, anschließend hat unser bestes Talz-Exemplar weitere zwei Techniker und einen zusätzlichen Sturmtruppler getötet, und dann haben die übriggebliebenen Sturmtruppler das Talz erschossen. Kostspielig.« Zsinj fixierte Melvar durchdringend. »Haben wir auch ein Ewok-Versuchsexemplar verloren?«

»Nicht von der Eisernen Faust. Aber es könnte sein, daß eines der Laboratorien auf einem Planeten eines verloren – und den Verlust vertuscht hat.«

»Das wird jemanden das Leben kosten, Melvar. Finden Sie heraus, wer für den Verlust verantwortlich ist, und dann töten Sie den Idioten.«

»Ja, Sir.«

 

Face machte den anderen durch seine ganze Haltung und eine entsprechende Handbewegung klar, daß er nichts hören wollte, als sie sich von der Eisernen Faust entfernten. Erst als sie in den Hyperraum eingetreten waren, sprach er. »Bericht.«

»Er war bereits tot.« Es brach aus ihr heraus wie Wasser, das einen Damm bricht. »Er hat nicht mehr gelebt, Face.« Er spürte den Schmerz in ihren Worten, hörte, wie ihre Stimme zitterte. Und das, was er von ihrem Gesicht sehen konnte, war totenbleich.

»Er hat geatmet.«

»Nein, das hat er nicht. Das war ein Trick. Irgendeine mechanische Pumpe, was weiß ich.« Sie holte tief Luft, ihr Atem ging rasselnd. »Er war völlig schlaff, als sie ihn hereingeschleppt haben. Nicht schlaff wie ein Bewußtloser, sondern wie ein Toter. Die Beckenplatte seiner Rüstung war von einem Blasterschuß verbrannt, und die Spur ging auf der Brustplatte nicht weiter, deshalb bin ich sicher, daß sie ihm nachher eine andere Brustplatte angelegt haben – anstelle von derjenigen, die von dem Schuß verbrannt sein muß, der ihn getötet hat. Und die Wachen, die ihn hereinschleppten – man merkte einfach an ihrer Haltung, daß sie eine tote Last schleppten, nicht einen Gefangenen, der plötzlich wieder aufwachen konnte.« Sie schloß die Augen und senkte den Kopf. »Face, ich verstehe etwas von Körpersprache. Er war tot.«

»Akzeptiert.« Face seufzte und lehnte sich zurück. »Verdammt, wenn er nur seine Anweisungen befolgt hätte. Ist dir nicht gut?«

»Ich – ich…« Ihre Stimme stockte. Sie schluckte ein paarmal, und dann wurde ihr Blick glasig.

»Dia?«

Sie stieß einen schrillen Schrei aus, als ob jemand ihr einen Messerstich versetzt hätte, und dann wurde sie plötzlich zu einem Wirbelwind, schlug nach allen Seiten um sich, schlug auf Kell ein, die Kommandokonsole, die Sichtscheibe vor ihnen, die Wände, einfach auf alles, was sie erreichen konnte.

Kell beugte sich zur Seite, wehrte ihre Schläge ab. »Face, schaff sie mir vom Hals, ehe sie hier etwas anrichtet, eine falsche Fläche drückt und uns blind in den Hyperraum jagt.«

Face beugte sich vor, griff nach Dia und fing sich dafür einen kräftigen Kinnhaken von einem ihrer Kopfschwänze ein. »Dia! Schluß jetzt!«

Aber ihre schrillen Schreie wurden eher noch lauter, ihre Bewegungen noch heftiger; sie wirkte jetzt beinahe wie von konvulsivischen Zuckungen getrieben. Face griff um den Copilotensitz herum und bekam sie mit beiden Händen zu fassen, zerrte sie über die Sessellehne auf seinen Schoß. Er bekam noch ein paar ungezielte Schläge ab, ehe er sie schließlich mit beiden Armen um die Hüften fassen und sie an sich drücken konnte.

Sie gab ein letztes, gequältes Stöhnen von sich und sackte in sich zusammen. Tränen rannen ihr jetzt über die Wangen, und Face sah sie wie erstarrt an, verblüfft von dem Ausbruch von Emotionen, die er nie bei ihr vermutet hätte. »Dia?«

Ein leises Stöhnen. »Sie ist tot.«

»Sie? Wer?«

»Dia. Diap’assik. Sie ist tot.«

Jetzt hielt er seinen Ärger nicht länger zurück. »Nein, das bist du nicht.«

»Doch! Sie hätte das nie getan. Sie hätte ihn nie erschossen. Sie wäre lieber selbst gestorben. Sie ist tot, Face.« Er hörte ein leises Knacken, hörte das Geräusch von Metall, das über Leder gleitet, und er war vorbereitet, als ihre Hand mit ihrem Blaster zum Vorschein kam, dessen Lauf auf ihr Kinn gerichtet war. Er ließ Dia mit der linken Hand los, schob den Daumen unter den Abzug und hinderte sie dadurch am Abdrücken.

Wieder ein schriller Schrei, ein qualvoller Laut, in dem sich abgrundtiefe Schuld und Höllenqualen mischten. »Face, laß mich!«

Er entwand ihr den Blaster und hielt ihn Kell hin, bis der ihn schließlich nahm, und preßte sie dann wieder an sich. »Nein.«

»Dann töte du mich.«

»Nein.«

»Doch. Ich will nicht so weiterleben.«

»Das mußt du. Wir brauchen dich.«

Dann gab sie sich stummen Tränen und qualvollem Schluchzen hin. Face hielt sie weiter an sich gedrückt und fand endlich einen Augenblick Zeit zum Nachdenken.

Dia, die Twi’lek, die in Simulatorkämpfen den Feind mit einer Kaltblütigkeit erledigte, die manchmal andere Staffelmitglieder erschütterte – was war aus ihr geworden? Wer war diese Doppelgängerin in seinen Armen, die von Leid und Schmerz zerrissen wurde? Das mußte eine Dia sein, die unter ihrer Fassade der Härte lebte, irgendein Rest jener Dia, die vor einem Dutzend Jahren als Kind von Ryloth geraubt worden war. Eine Dia, die imstande war, schreckliche Schuld zu empfinden – selbstzerstörerische Schuldgefühle.

Mit betont sanfter Stimme sagte er: »Dia, danke.«

Sie reagierte nicht.

Er wiederholte seine Worte, und schließlich legte sie den Kopf zur Seite und blickte zu ihm auf, schmerzerfüllt und mit Zügen, die eine einzige Frage waren. »Was?«

»Danke.«

Sie schüttelte den Kopf. »Dafür, daß ich auf Castin – auf Castin geschossen…«

»Nein. Für mein Leben. Wenn du es nicht getan hättest, wäre ich jetzt tot. Ich hätte Zsinj nicht überzeugen können, und dann hätte er uns getötet. Und ich ziehe es wirklich vor zu leben, Dia. Ich danke dir.«

Endlich sah er, wie Verständnis in ihren Zügen aufdämmerte.

Kell drehte sich herum und zog damit ihre Aufmerksamkeit auf sich. »Dia. Auch ich danke dir. Ohne dich wäre ich tot. Oder in Zsinjs liebevoller Obhut, und das ist vermutlich noch schlimmer als tot. Face und ich schulden dir unser Leben.«

Sie starrte ihn eine Weile mit wirrem Blick an und sank dann wieder in Faces Arme zurück. »Nein«, sagte sie, und dann wiederholte sie dieses eine Wort immer wieder, während dicke Tränen über ihre Wangen flossen.

Schließlich schlief sie ein.

Face überließ es Kell, ihr Shuttle auf den richtigen Kurs und schließlich zurück ins Halmadsystem zu steuern. Sie würden mit Cubber und – wer auch immer anstelle von Castin damit beauftragt worden war – im Asteroidengürtel zusammentreffen, das Shuttle gründlich nach irgendwelchen Peilgeräten absuchen und dann weiter zur Flederfalken-Basis fliegen müssen.

Die Zeit würde für ihn gerade dazu ausreichen, seinen Bericht zu verfassen, einen Bericht, in dem er erklären mußte, wie es kam, daß in so wenigen Tagen zwei seiner Untergebenen in seiner unmittelbaren Umgebung den Tod gefunden hatten.