16
Wedge nahm den Bericht von Face entgegen, bat hier und da um zusätzliche Erklärungen und gab dem Mann – der trotz seiner schauspielerischen Fähigkeiten seine Schuldgefühle über Castins Tod nicht ganz verbergen konnte – Gelegenheit, die ganze Geschichte ihres Zusammentreffens mit Zsinj aus sich herausströmen zu lassen. Face hatte sich auf diesen Bericht vorbereitet; er hatte ihn am Tag ihrer Rückkehr Janson erstattet und mußte ihn jetzt vor Wedge wiederholen, als dieser mit seiner Urlaubereinheit von Coruscant zurückgekehrt war. Obwohl er also bereits eine Probe hinter sich gebracht hatte, lagen Faces Gefühle offen zutage, von seinen schauspielerischen Fähigkeiten in keiner Weise gemildert.
Als Face geendet hatte, sagte er: »Ich übernehme die volle Verantwortung für Castins Tod, Sir.«
Wedge musterte ihn überrascht. »Sie übernehmen die volle Verantwortung.«
»Ja, Sir.«
»Dann hatte Castin Donn also gar keinen Anteil an seinem eigenen Tod? Die Schuld trifft nicht ihn?«
»Nun…«
»Ich war noch wesentlich besser als Sie mit seiner Vorgeschichte vertraut, seinen vielen Verweisen wegen Insubordination und manchmal sogar regelrechter Befehlsverweigerung. Und ich bin der kommandierende Offizier dieser Einheit. Und doch trage ich keine Verantwortung? Die lastet irgendwie ganz auf Ihnen?«
»Nun…«
»Face, was glauben Sie, hätten Sie tun können, um seinen Tod zu verhindern?«
»Ich hätte Befehl geben können, das Schmuggelabteil zu durchsuchen, anstatt einfach nur hineinzusehen.«
»Warum hätten Sie das tun sollen, wo Sie doch beim Hineinsehen erkennen konnten, daß er nicht da war?«
»Ich hätte mich vor dem Start vergewissern können, wo er sich aufhielt.«
»Aber das haben Sie getan. Sie haben sich vergewissert, wo er sich aufhielt, wenigstens soweit das Ihren Einsatz betraf. Er war, soweit Sie das feststellen konnten, nicht bei Ihnen, und demzufolge waren zusätzliche Informationen über seinen Aufenthaltsort ohne Belang. Er war Ihnen einfach nur einen Schritt voraus, war uns allen einen Schritt voraus. Haben Sie gewußt, daß er den Einsatzplan manipuliert hatte, um nach Ihrer Rückkehr keinen Dienst zu haben, haben Sie gewußt, daß er eine Puppe auf seine Pritsche gelegt hat und einen Mechanismus dazu, damit es so aussah und auch so klang, als würde er dort schlafen?«
»Nein, damals wußte ich das nicht, Sir. Lieutenant Janson hat mir davon erzählt.«
»Sie waren nicht für Castin Donn verantwortlich. Und obwohl sein Tod sehr bedauerlich ist und im Zusammenhang mit Ihrem Einsatz erfolgte, tragen Sie nicht die Schuld daran. So, und jetzt sagen Sie mir, für wen Sie wirklich verantwortlich sind.«
»Nun, für mich selbst, Sir. Und für Kell und Dia.«
»Was haben Sie bezüglich der beiden unternommen?«
»Ich habe die anderen Gespenster und die Support-Crews und insbesondere ihre Zimmerkollegin Shalla gebeten, Dia im Auge zu behalten. Sie macht nicht mehr den Eindruck, als wäre sie selbstmordgefährdet, aber sie kommt mir… irgendwie anders vor. Wie ein Schalentier, dem man plötzlich seine Schale abgerissen hat. Verletzt und verängstigt und viel verletzbarer.«
Wedge nickte. »Was Sie unternommen haben, scheint mir angemessen. Und Kell?«
»Ich verstehe nicht, worauf sollte ich bei Kell achten?«
»Er war derjenige, der das Schmuggelabteil durchsucht hat. Er hat Castin nicht entdeckt. Was glauben Sie, wie ihm zumute ist?«
Face verzog das Gesicht. »So ähnlich wie mir, nehme ich an.«
»Und was werden Sie unternehmen?«
»Mit ihm reden. Ihm sagen, daß es nicht seine Schuld ist.«
Wedge wartete, ohne etwas zu sagen, und sah den jungen Lieutenant nur an, bis Faces Augen sich plötzlich weiteten. »Ja, Sir«, sagte Face. »Ebensowenig wie es meine Schuld ist.«
»Richtig. Noch etwas?«
»Ja, Sir. Ich kann gar nicht genug hervorheben, wie bedeutsam mir die Blicke erschienen, die Zsinj und Melvar wechselten, als ich über Piggys Vorgeschichte sprach. Ich meine, ihnen gegenüber habe ich das als Lieutenant Kettchs Vorgeschichte dargestellt. Das hat die richtig unruhig gemacht. Entweder läuft bei denen ein ähnliches Projekt, oder sie wissen zumindest von einem und sind stark daran interessiert.«
»Ja, das nehme ich zur Kenntnis. Ich will sehen, was ich daraus machen kann.«
»Vielen Dank, Sir.«
»Das wäre dann für den Augenblick wohl alles.« Als Face sich zum Gehen anschickte, fügte Wedge hinzu: »Oh, übrigens…«
»Sir.«
»Sie sind ein guter Offizier, Face, aber Sie müssen wissen, daß das bedeutet, daß Sie so etwas wieder tun werden. Dies war ein erfolgreicher Einsatz. Möglicherweise wird er sich als der Schlüssel zu Zsinjs Untergang erweisen. Wenn ich gewußt hätte, daß dieser Einsatz einen meiner Piloten das Leben kosten würde, auch wenn ich mir dessen absolut sicher gewesen wäre, hätte ich den Einsatz trotzdem angeordnet. Und Sie würden das auch tun.«
Face überlegte und nickte dann kurz. »Ja, Sir, ich glaube schon, daß ich das tun würde.« Er schloß die Tür hinter sich.
Wedge saß ein paar Augenblicke lang völlig reglos da, lange genug, bis Face sich dreißig oder vierzig Schritte von dem Frachtcontainer entfernt hatte, der Wedge als Büro diente. Dann hieb er beide Hände krachend auf die Tischplatte und fegte alles, was darauf lag, jedes Datapad, jedes Dokument und jeden Gegenstand zu Boden.
Wieder ein Pilot tot, und dieser da ohne einen vernünftigen Grund. Wieder ein Brief, den er schreiben mußte. Wieder ein Bericht, in dem er erklären mußte, wie es dazu hatte kommen können, daß innerhalb weniger Tage zwei unter seinem Kommando stehende Untergebene den Tod gefunden hatten.
Er verließ sein Büro mit schnellen Schritten und ging in den Hangarbereich. Auf der anderen Seite des Grabens saß Janson allein auf der Messeveranda. Jetzt erhob er sich und schloß mit schnellen Schritten zu ihm auf. »Wie ist es denn gelaufen?«
»So gut wie möglich.«
»So? Und warum dann dieser plötzliche Dauerlauf?«
»Ich bin noch nicht soweit, daß ich die Daten analysieren kann, die Zsinj uns gegeben hat.«
»Ah.«
»Ich will nicht an Castins Leute schreiben.«
»Ah.«
Beide Männer erwiderten eine Ehrenbezeigung vor Knirps, der ihnen entgegenkam. »Die Moral der Einheit wird unter dieser Geschichte leiden.«
»Ah.«
»Ich führe hier das Kommando über Kinder und lasse zu, daß sie getötet werden.«
»Das ist wahr.«
Inzwischen hatten sie fast die Hangartür erreicht. Wedge blieb ruckartig stehen. »Was hast du gesagt?«
»Das ist wahr.« Janson zuckte die Achseln. »Wedge, du hast ja Versager verlangt. Du mußtest wissen, daß selbst diejenigen, die die Prüfungen schaffen, mehr Verluste einstecken würden, als das in einer normalen Einheit der Fall ist. Fast jeder von denen schleppt irgendwelche emotionalen Probleme mit sich herum. Das macht es ihnen schwerer, im richtigen Augenblick das Richtige zu tun.«
»Nun… vielleicht.«
»Trotzdem funktionieren sie als Gruppe besser, als es irgend jemand hätte erwarten können. Einige von ihnen kann man mit ganz normalen Leuten essen lassen. Sogar mit anderen Einheiten fliegen. Das war nicht der Fall, als du die Gespensterstaffel gegründet hast.«
»Da hast du wahrscheinlich recht.« Wedge fühlte sich plötzlich todmüde; die ganze Energie, die ihn noch vor wenigen Minuten aus seinem Büro gejagt hatte, war wie verpufft. Er drehte sich um und sah zu seinem Büro hinüber. »Wie sieht es mit Lara aus?«
»Für eine Frau, deren Bruder gerade versucht hat, sie zu töten, eigentlich recht gut. Donos hat ein Auge auf sie.«
»Diejenigen von uns, die noch Familie haben…« Wedge zögerte, kämpfte mit den Erinnerungen, die in ihm aufstiegen und ihn nicht mehr loslassen wollten, mit der Erinnerung an seine einzige noch überlebende Verwandte, seine lange vermißte Schwester Syal und Soontir Fei, ihren ebenfalls lange verschollenen Mann. »Wir müssen sie verständigen. Nur für den Fall, daß Zsinj versucht, sich über unsere Familien an uns heranzumachen. Zuzutrauen wäre es ihm.«
»Allerdings. Ich werde die Gespenster informieren und sie wissen lassen, was sie ihren Leuten sagen müssen.«
»Ja, aber nicht gleich jetzt. Ich möchte, daß du mir bei der Analyse von Zsinjs Daten hilfst.«
»Ah, vielen Dank. Die Abenteuer von Wes Janson, dem großen Statistiker…«
Wedge und Janson verbrachten fast den ganzen restlichen Tag mit den Daten, die Zsinj Face übergeben hatte.
Ihr Zielplanet war von durchschnittlicher Größe und Masse, das konnte man den Daten über seinen Radius und sein Schwerefeld entnehmen. Und er war schwer bewacht. Zehn imperiale Sternenzerstörer und sieben Mon-Calamari-Kreuzer waren auf Station und wurden von einer beeindruckenden Zahl auf dem Planeten stationierter Sternenjägerstaffeln unterstützt – darunter auch einer ungewöhnlich hohen Anzahl der A-Flügler-Klasse.
Janson warf ihm einen düsteren Blick zu. »Das ist Coruscant. Er hat vor, Coruscant anzugreifen.«
Wedge schüttelte den Kopf. »Das kann man aus den Daten lesen, wenn man sich von außen nach innen hineinarbeitet. Aber einiges begreife ich nicht. Zsinjs Einsatz soll bald stattfinden – sonst würde er uns nicht solch ausführliche Informationen darüber geben. Aber diese Schiffsformation entspricht nicht exakt den Verteidigungsstreitkräften von Coruscant – ich war gerade dort, und einige Zahlen stimmen da nicht. Irrt er sich also, weil die Daten seines Nachrichtendienstes unvollständig und damit unzureichend sind?«
»Das paßt eigentlich nicht zu ihm, oder?«
Wedge seufzte. »Dann wäre da die Frage, auf welche Ladung Zsinj es eigentlich abgesehen hat. Unsere Aufgabe besteht darin, Zsinjs Streitkräfte zu beschützen, während sie ein Frachtschiff beladen – warum nicht warten, bis die Ware bereits an Bord gebracht ist? Was lagert die Regierung der Neuen Republik auf den Raumstationen von Coruscant, das man nicht auch auf der Oberfläche des Planeten oder unterwegs beschaffen kann?«
Janson überlegte. »Der Innere Rat?«
»Was? Nein. Natürlich, es wäre ein geradezu grandioser Coup, sie alle zu fangen oder zu töten. Aber die halten ihre Zusammenkünfte alle auf dem Planeten ab.«
»Bist du da ganz sicher?«
»Nein, aber ich habe keinen Anlaß, etwas anderes zu vermuten. Und Konferenzen auf einer Raumstation abzuhalten würde einige Probleme mit sich bringen – Schwierigkeiten mit der Geheimhaltung unter anderem, und es ist bei weitem nicht so sicher, wie wenn man sie auf der Planetenoberfläche durchführt. Ich glaube, jetzt geht deine Phantasie mit dir durch.«
»Also schön, dann bist jetzt du an der Reihe. Was gibt es auf Raumstationen, das man nicht besser auf Planeten oder im Weltraum finden kann?«
»Nun, die Stationen selbst. Vielleicht haben sie vor, eine davon in den Weltraum abzuschleppen.«
Janson schnaubte.
»Schwerlast-Transporter.« Wedge runzelte die Stirn. »Weißt du, es geht das Gerücht, Prinzessin Leias große geheime Mission bestehe darin, zusätzlich Ressourcen für den Kampf gegen Zsinj zu beschaffen. Wenn er das weiß, wenn er weiß, was das für Ressourcen sind, wenn er weiß, daß sie auf dem Wege nach Coruscant sind…«
»Jetzt geht deine Phantasie mit dir durch.«
»Mag sein. Und dann wären da Frachtschiffe.« Wedge runzelte die Stirn, als ihm plötzlich ein neuer Gedanke durch den Kopf ging. Er starrte auf die Statistiken auf dem Datapad, das vor ihm auf dem Tisch lag. »Augenblick mal. Ich habe eine Idee, worauf er es abgesehen haben könnte.« Er kritzelte eine kurze Notiz auf einen Zettel. Dann faltete er ihn ein paarmal zusammen und reichte ihn Janson. »Steck das ein. Hol es heraus, wenn wir unsere Lösung gefunden haben – das wird dann meinem Ruf als großer militärischer Zauberkünstler dienlich sein.«
Janson steckte den Zettel ein. »Den Ruf hast du doch schon.«
»Na schön, dann habe ich eben zwei. Und jetzt sag Castin, er soll hereinkommen.«
»Äh, Castin ist, äh…«
Wedge vergrub das Gesicht in den Händen. »Richtig. Ich bin auch müde. Jetzt, wo Castin nicht mehr ist, wer kann am besten mit einem Computer umgehen?«
»Wahrscheinlich Lara Notsil.«
»Hol sie.«
Als sie ankam, war sie ein wenig außer Atem, wahrscheinlich weil sie die ganze Strecke von ihrem Quartier zu Wedges Büro gerannt war. »Flight Officer Lara Notsil meldet sich zur Stelle, Sir.«
Wedge grüßte lässig. »Diese Förmlichkeiten brauchen wir jetzt nicht, Notsil. Sagen Sie mir auf der Grundlage von dem, was Sie über unsere Computer wissen, wie gut wir statistische Daten über größere militärische Einheiten – ihre Mannschaftsstärke, ihre Fähigkeiten und dergleichen – in äquivalente Kräfte anderer Kulturen übersetzen können. Nehmen wir einmal an, ich hätte die Statistiken für eine Kampfgruppe der Neuen Republik und wollte eine corellianische Kampfgruppe mit genau denselben Charaktereigenschaften ermitteln?«
Janson sah ihn sichtlich verwirrt an.
Lara überlegte. »Ich glaube nicht, daß dabei etwas sonderlich Vernünftiges herauskäme, Sir. Das erfordert spezialisierte Programme, und wir haben keine…« Sie hielt inne, und ein Ausdruck der Verblüffung ging über ihre Züge. »Es käme auf die entsprechenden Streitkräfte an, Sir. Ich glaube, wir würden das einigermaßen gut hinkriegen.«
»Sie haben aber Ihre Meinung schnell geändert.«
Sie lächelte. »Ich hatte etwas vergessen. Wir haben Simulatoren für X-Flügler und TIEs auf dem Stützpunkt, Sir, und die sind bereits miteinander gekoppelt. Und bereits darauf eingestellt, Statistikdaten von Schiffen zu analysieren und sie in präzise Feindstärke-Analysen umzusetzen. Ich kann diese Programmierung anpassen, um damit das zu tun, was Sie wollen. Das wäre nicht übermäßig schwierig.«
Wedge kopierte Zsinjs Informationen auf ein leeres Datapad und gab es ihr. »Ich möchte all diese Informationen auf eine annähernd äquivalente Streitmacht von Schiffen und Fahrzeugen rein imperialer. Herkunft umgesetzt haben. Dann kommen Sie wieder zu mir, und wir vergleichen das mit einigen planetarischen Verteidigungsdaten. Wie lange werden Sie dafür brauchen?«
»Das kann ich nicht genau sagen. Eine halbe Stunde, zwölf Stunden – ich brauche etwas Zeit, um mir die Simulatoren und diese Daten anzusehen, dann weiß ich mehr.«
»Sagen Sie mir so bald wie möglich Bescheid.«
Wedge ging in seinem Büro auf und ab und wartete auf ihren ersten Bericht. Draußen in der Messe und auf der Veranda davor gingen seltsame Dinge vor sich. Die Thermodecke, die normalerweise als eine Art Vordach über dem Messefenster hing, war jetzt heruntergezogen worden, offenbar um anzuzeigen, daß die Messe geschlossen war, und alle Stühle und Tische waren zur Seite gerückt worden. An der Eingangstür in dem Container hing eine Tafel mit der Aufschrift: MESSE GESCHLOSSEN AUF ANWEISUNG DES PIRATEN KNIRPS.
Knirps stand in der Mitte des Raums, eine Schutzbrille über den Augen, und war mit einem Tornister-Sprühgerät damit beschäftigt, auf dem Boden eine mattgrüne Farbschicht aufzutragen.
Wedge kam herangeschlendert und sah eine Weile dabei zu, wie Knirps eine große, ovale Steinfläche mit grüner Farbe bedeckte. Dann nahm Knirps die Schutzbrille ab und schaltete den Farbsprüher aus.
»Knirps, was machen Sie da?« fragte Wedge.
Knirps sah ihm gerade in die Augen. »Ich male, Sir.«
»Ah. Warum?«
»Für das Ritual, Sir.«
»Sie wollen ein Ritual abhalten?«
»Ja, Sir.«
»Etwas, was Ihre Leute tun?«
Knirps mußte einen Augenblick überlegen und blinzelte ein paarmal, ehe er schließlich antwortete: »Etwas, was einige unserer Leute tun, Sir.«
»Und Sie fanden, Sie müßten die Messe schließen, um dieses Ritual abzuhalten?«
»Ja, Sir. Aber es wird weiterhin Essen zubereitet. Das ist ein notwendiger Bestandteil des Rituals.«
»Und wer wird an diesem Ritual teilnehmen?«
»Nun, darüber wollten wir mit Ihnen sprechen, Sir. Es wäre uns eine große Hilfe, wenn Sie anordnen würden, daß alle Piloten um acht Uhr im großen Dienstanzug hier erscheinen sollen.«
Wedge gab sich alle Mühe, nicht zu lachen. Knirps kam ihm so ernst, so würdevoll vor. »So, würde es das, wie?«
»Ja. Außerdem sollten alle dienstfreien Zivilisten ebenfalls in feierlicher Kleidung erscheinen.«
»Und warum soll ich das tun?«
»Weil ich um wenig bitte und viel liefern werde.«
»Aha. Können Sie mir sagen, was das alles soll?«
»Nein, das geht leider nicht, Sir.«
»Ich verstehe. Weitermachen.«
Lara brauchte für die Übersetzung der Daten nur zwei Stunden, und dann dauerte es nicht einmal fünf Minuten, bis sie und Wedge beim Vergleich der neuen Daten mit Standorten im imperialen Weltraum fündig wurden.
»Das kann doch nur ein Witz sein«, sagte Janson. »Kuat?« Wedge deutete auf die Tasche seines Stellvertreters. Janson zog den Zettel heraus und faltete ihn auseinander. Auf ihm stand nur ein einziges Wort: Kuat. Er stieß einen langen Pfiff aus.
»Es ist garantiert Kuat«, sagte Wedge. »Zsinj plant einen Überfall auf eine Raumplattform bei Kuat.«
»Wie bist du daraufgekommen?«
»Zsinj ist so verschlagen, daß man in ihm manchmal wie in einem Buch lesen kann. Er hat uns Informationen geliefert, die nur für einen sehr engen Kreis bestimmt sind, und hat es doch fertiggebracht, seine eigentliche Absicht zu verschleiern. Ich bin überzeugt, daß andere Leute, mit denen er arbeitet, sich jetzt eine Menge darauf einbilden, daß sie das Ziel als Coruscant identifiziert haben. Sie werden äußerst überrascht sein, wenn sie in den Kernwelten aus dem Hyperraum kommen.«
»Dann ist sein Ziel also gar nicht Fracht«, sagte Lara. »Er hat es auf einen Sternenzerstörer abgesehen.«
Wedge nickte. »Einen Supersternenzerstörer. Genau wie Face das schon vor Wochen prophezeit hat.«
Janson lehnte sich bewußt langsam zurück, verschränkte die Hände hinter dem Kopf und legte die Füße auf Wedges Schreibtisch. Er lächelte. »Zsinj hat sich uns ausgeliefert.«
»Nein, bis jetzt hat er das noch nicht«, widersprach Wedge. »Wie sollten wir ihn denn schnappen? Er taucht mit seiner Flotte bei Kuat auf und – was dann? Wir stoßen aus dem Hyperraum und greifen ihn an? Um ihn ernsthaft zu bedrohen und sich gegen die Streitkräfte von Kuat zu verteidigen, würde es einen großen Teil der Flotte der Neuen Republik brauchen… ganz zu schweigen von den zusätzlichen Streitkräften, die die kurzfristig in den Kampf werfen könnten. Wir würden viel zu große Verluste erleiden.«
»Vielleicht warnen wir einfach die Regierung von Kuat«, schlug Lara vor.
»Nein… Zsinj hat dort bereits seine Spione. Nach den Meldungen unseres Geheimdienstes sind die dortigen Werften, insbesondere die Orbitalwerften, vermint und würden im Falle einer Invasion explodieren. Zsinj muß dafür seine Vorkehrungen getroffen haben, und seine Spione würden es sofort bemerken, wenn Verteidigungsmaßnahmen gegen eine Invasion eingeleitet würden.« Wedge seufzte. »Ich denke, wir werden Zsinj wohl oder übel mit seinem neuen Spielzeug gewähren lassen müssen… und ihn später angreifen.«
»Wie können wir sicher sein, wo sie sein werden?« erkundigte sich Janson.
»Lara, Sie kannten doch Castins Plan. Ich meine, das Programm, das er in die Kommunikationssysteme der Eisernen Faust einspleißen wollte.«
Sie nickte.
»Können Sie es auf diesen neuen Supersternenzerstörer ausrichten?«
»Wenn Castin es nicht so eigenwillig programmiert hat, daß keiner sein Programm verstehen kann, sollte das möglich sein, Sir.«
»Dann tun Sie das bitte.« Wedge wandte sich Wes zu. »Ich werde jetzt einen vorläufigen Operationsplan für diesen Einsatz entwickeln und zusehen, ob ich ihn von Admiral Ackbar genehmigt bekomme.«
»Und ich will mich ein wenig aufs Ohr legen«, sagte Janson.
»Du wirst ausrechnen, welche Routen Zsinj vermutlich bei der Flucht von Kuat einschlagen wird, und ein paar Standorte für die Flotte vorschlagen, die uns die größte Wahrscheinlichkeit bieten, ihn aufzuhalten.«
»Das ist auch so etwas Ähnliches wie Schlaf, aber nicht so interessant.«
Wedge lächelte. »Und was Sie betrifft, Lara, das war gute Arbeit. Vielen Dank.«
Die Vorbereitungsarbeiten, die Knirps in der Messe durchführte, wurden immer ausgeklügelter.
Er orderte einige Astromechs als Maler. Die kleinen R2s und R5s verzierten mit kleinen Pinseln, die sie in ihren Klammerhänden hielten, den inzwischen grün gestrichenen Boden mit schwarzen Mustern, so daß so etwas wie ein Eindruck von Gras entstand.
An der Decke brachte er einen Scheinwerfer an, dessen Lichtkegel sein grünes Oval erhellte, aber nicht weit darüber hinausreichte. An der Stange, die den Scheinwerfer trug, brachte er Lautsprecher an, deren Kabel bis in die Kommunikationszentrale des Stützpunks ein Stück weiter unten im Graben reichten.
Gelegentlich suchte er die geschlossene Messe auf, wo ihn vorüberkommende Gespenster durch die teilweise geöffnete Tür im Gespräch mit Squeaky sehen konnten. Die 3PO-Einheit, die, wenn man sie zum Kochen überreden konnte, durchaus kulinarische Fähigkeiten entwickelte, machte einen einigermaßen lebhaften Eindruck.
Wedge vergaß nicht, die von ihm erbetene Anordnung zu erlassen, und so versammelten sich die Gespenster kurz vor acht Uhr in der Messe.
»Ich kann es einfach nicht glauben, daß ich mich in den großen Dienstanzug geworfen habe«, sagte Janson in klagendem Tonfall. »Bloß weil Knirps dich darum gebeten hat. Du kennst mich doch schließlich schon länger und solltest eigentlich mehr Rücksicht auf mich als auf ihn nehmen.«
Wedge schnaubte. »Sagen wir einfach, daß mich das Geheimnis gelockt hat.«
»Geheimnis? Ich will dir ein anderes Geheimnis liefern. Ich werde morgen meine Füße und meine Stirn rot lackieren und niemandem sagen, warum. Ist das geheimnisvoll genug?«
»Bloß um nicht die Paradeuniform anziehen zu müssen, was?«
»Dafür würde ich alles tun.«
Die Gespenster versammelten sich in kleinen Grüppchen. Einige waren offenbar ebenso davon erbaut wie Janson, sich in große Montur werfen zu müssen, oder nahmen jedenfalls die Aufforderung nicht völlig ernst. Piggy kratzte sich unglücklich. Shalla fragte jeden Anwesenden – einzeln –, was das Ganze sollte, und hielt sich dann sichtlich nervös abseits.
Face hatte seine Paradeuniform um eine sandfarbene Tatooine-Schärpe erweitert, was ihm das Aussehen eines Offiziers verlieh, der zu lange auf der Wüstenwelt stationiert gewesen und dabei »verwildert« war. Einige von den Astromechs bemühten sich, mit Reinigungstüchern die letzten hartnäckigen Ölflecken zu entfernen.
Als Donos schließlich ein paar Sekunden nach dem festgesetzten Zeitpunkt erschien, war Knirps immer noch nicht zu sehen. Die Hauptbeleuchtung im Graben erlosch, so daß jetzt nur noch der neue Scheinwerfer und die falschen Sterne am Himmel leuchteten, und jetzt erschien endlich Knirps, der in seiner Paradeuniform recht schneidig wirkte, aus der Messe. »Meine Freunde«, sagte er mit einer theatralischen Handbewegung, »wir sind sehr erfreut, daß Sie unserer Einladung nachgekommen sind.«
Das löste an einigen Stellen Gelächter aus, und Knirps fuhr fort: »Wir müssen wohl zugeben, daß wir Commander Antilles bei der Schilderung dieser Veranstaltung möglicherweise versehentlich ein wenig hinters Licht geführt haben. Wir glauben, daß er der Ansicht ist, hier handle es sich um ein Thakwaash-Ritual.«
Wedge verschränkte die Arme vor der Brust und warf Knirps einen strengen Blick zu. »Versehentlich hinters Licht geführt?«
»Nun, Sie werden da wohl den Knirps fragen müssen, mit dem Sie heute nachmittag gesprochen haben. Wir waren da nicht zugegen.«
»Wir sind jetzt wohl der Knirps, der den Kopf einzieht und sich zurückzieht, wenn man ihn mit seinen Fehlern konfrontiert?«
Knirps grinste, und seine riesigen weißen Zähne blitzten in der schwachen Beleuchtung grellweiß. »Kell hat doch wahrscheinlich allen klargemacht, wie man es anstellt zu wissen, wo wir uns zu einem beliebigen Zeitpunkt aufhalten. Also. Dies ist ein Ritual, das wir in Offizierskreisen der Neuen Republik gesehen haben. Es nennt sich Tanzveranstaltung. Ich habe einen Rasen gemalt. Tretet vor und tanzt unter den Sternen.« Die Gespenster und das Wartungspersonal sahen einander an, als überlegten sie, wer jetzt wohl die Militärpolizei holen sollte, die für verrückt gewordene Piloten zuständig war. Piggy schnaubte und fragte dann: »Und wenn wir ablehnen?«
Knirps’ Ausdruck wurde jetzt ernst, ja geradezu drohend. »Dann sind wir verletzt. Und da es sich hier um einen Pflichttanz handelt, werden wir dich erschießen.«
Kell trat auf ihn zu, packte ihn an seinen pelzbedeckten Ohren und schüttelte Knirps’ Kopf. »Knirps! Das war ein Witz. Ein Witz in menschlichem Stil. Ich bin wirklich stolz auf dich.«
Knirps verzog sein Gesicht zu einem Lächeln. »Wir freuen uns, daß es euch freut.«
Kell trat in die Mitte der absurden Tanzfläche und streckte eine Hand aus. Tyria kam auf ihn zu, lächelte ebenfalls und griff nach seiner Hand. Kell warf Knirps einen vielsagenden Blick zu, worauf dieser Chunky zunickte, Tyrias R5-Einheit, der an der Scheinwerferstange Wache hielt, und plötzlich dröhnte Musik aus den Lautsprechern, ein förmlicher Tanz von Alderaan, wie Wedge feststellte. Knirps sah zu Chunky hinüber, senkte die rechte Hand etwas, und die Lautstärke sank auf erträgliche Werte.
Und Kell und Tyria tanzten, lächelten einander an, und der Rest des Universums war plötzlich vergessen.
Janson seufzte. »Ich lasse Knirps erschießen.«
Wedge lächelte duldsam. »Warte noch auf Resultate, ehe du schon von Strafen sprichst.«
»Jetzt sprichst du wieder wie ein General.«
»Oh, das schmerzt.«
Dann stand Shalla plötzlich auf der Tanzfläche und winkte Donos zu, und Wedge sah, wie eine der Mechanikerinnen Cubber auf die Tanzfläche zerrte, die Hand fest auf seinem Septum, als der Mechaniker zu protestieren versuchte.
Janson wandte sich Dia zu. »Wollen wir tanzen, Flügelkollegin?«
Ihre Augen weiteten sich verblüfft. »Das kann ich ja gar nicht.«
»Ich dachte, du wärst Tänzerin.«
»Nicht die Art. Ich habe nie mit jemandem getanzt. Nur für sie.«
»Dann ist es höchste Zeit zum Lernen.« Er führte sie auf die Tanzfläche.
Und ließ Wedge allein dastehen.
Er sah zu, wie andere die Tanzfläche betraten, einige lächelnd, andere zögernd, wieder andere resigniert. Er sah, wie Knirps wieder in die Kombüse zurückging und gleich darauf gemeinsam mit Squeaky wieder herauskam. Die beiden trugen einen langen Tisch, den sie am Rand der Tanzfläche aufstellten. Dann schleiften sie Tabletts mit Schüsseln und Gläsern und Besteck heran – das Festmahl, das unter besonderem Einsatz aller Helfer diesmal besonders vielfältig war, eben ein Büffet, wie es sich für einen Tanzabend gehörte.
Als sie schließlich fertig waren und Squeaky in die Kombüse zurückgekehrt war, ging Wedge auf den Tisch zu. Knirps war jetzt damit beschäftigt, einen Käse aufzuschneiden. »Gute Arbeit, Knirps.«
Knirps richtete sich auf und hätte beinahe salutiert. »Tut mir leid, Sir. Sie haben uns überrascht.« Er wandte sich wieder seinem Käse zu.
»Das bedarf keiner Entschuldigung. Und Förmlichkeit ist jetzt auch nicht angebracht. Wie bist du auf die Idee gekommen?«
»Den Tanz zu veranstalten? Das waren Sie, Sir, äh, Commander, äh, Wedge.« Der Name klang, als würde er Knirps Schwierigkeiten bereiten. »Sie und der Lieutenant kamen vorbei und sprachen davon, daß die Moral der Gespenster gelitten habe. Und wenn man verletzt ist, wartet man nicht darauf, daß die Wunde heilt. Man bemüht sich selbst darum.«
»Und warum ausgerechnet ein Tanz?«
Diesmal ließ sich Knirps etwas mehr Zeit mit der Antwort. »Wir haben beobachtet, daß der Tanz bei den Leuten der Neuen Republik, wenn er überhaupt etwas bedeutet – und das ist nicht immer der Fall –, eine Angelegenheit ist, bei der man sich näherkommt. Bei der man sich umeinander kümmert. Neue Bekanntschaften schließt. Die Gespenster haben in letzter Zeit nicht viel anderes getan, als auf den Tod zu starren. Aber Geselligkeit ist Leben, ist das, wofür man lebt. Wie kann man sich besser vom Tod ablenken, als wenn man an Freunde denkt, an die, die in der Nähe sind, und an die in der Ferne?«
Wedge ließ sich das durch den Kopf gehen. »Knirps, ich fürchte, du hast dich soeben zu unserem Moraloffizier ernannt.«
Knirps gab einen Laut von sich, der auf halbem Wege zwischen einem Schnauben und einem tiefen Keuchhusten lag. »Man hat uns gesagt, daß man unter Ihrem Kommando nie etwas Gutes tun kann, ohne daß gleich eine Pflicht daraus wird.«
»War das wieder ein Witz?«
»Das hoffen wir.«
Wedge lächelte. »Nur weiter so, Knirps. Gut gemacht.« Er wandte sich ab.
»Werden Sie tanzen?«
Wedge überlegte. Dann meinte er über die Schulter gewandt: »Ich werde einmal tanzen, der Höflichkeit halber, und dann werde ich gehen. Wahrscheinlich kommen die Gespenster besser in Fahrt, wenn ich weg bin.«
»Und was ist mit Ihrer Moral?«
»Die ist bereits gestiegen, Knirps. Danke.«
Face sah zu, wie die Paare sich auf der Tanzfläche sammelten und sich zu den Klängen des alderaanischen Walzers drehten. Dann spürte er, wie ihn zwei Hände am Rücken berührten und ihn unter die Tanzenden drängten.
Er drehte sich um, um zu sehen, wer ihn da attackiert hatte. Es war Lara, und er hob gespielt verängstigt die Hände; sie griff danach und schob sie in Tänzerhaltung. »Das ist Meuterei«, sagte er.
»Dann mußt du mich eben melden. Dann brauche ich nicht an diesem Einsatz gegen die Eiserne Faust teilzunehmen.«
»Gar nicht so übel. Vielleicht meutere ich auch.«
»Außerdem habe ich schließlich das Recht, dich hier herumzuschieben. Du hast mich ja in diese Einheit gebracht.«
»Stimmt«, meinte er. Dann verflog seine gute Stimmung wieder. »Nun, das waren Ton und ich.«
»Tut mir leid. Ich wollte dich nicht traurig machen. Ich weiß, er stand dir sehr nahe. Seit seinem Tod habe ich dich kaum mehr lächeln sehen.«
»Ich habe ihn erst vor ein paar Wochen kennengelernt. Aber schon nach dem zweiten Tag hat einer immer die Sätze des anderen zu Ende geführt, und zusammen konnten wir so widerlich sein, daß das die anderen in den Wahnsinn getrieben hat.«
»Nun, dann mußt du eben jetzt für dich allein widerlich sein. Phanan würde es so wollen.«
»Ganz bestimmt«, lächelte Face. »Du tanzt sehr gut.«
»Du auch.«
»Nun, mich hat man dafür ausgebildet. Für die Holos. Wo hast du tanzen gelernt?«
»Das ist lange her. Auf Coruscant.«
»Lange her?«
Er spürte, wie ihre Muskeln sich spannten, dann aber gleich wieder locker wurden. Sie lächelte. »Nun, mir scheint es jedenfalls so, als wäre es lange her. Die Pilotenausbildung kommt mir wie eine Ewigkeit vor.«
»Ja, das kann ich dir nachfühlen.«
»Diesen Tanz habe ich auf Coruscant gelernt. Aber auf Aldivy haben wir die ganze Zeit getanzt. Das war ein wichtiger Bestandteil des Gesellschaftslebens. Bei Tanzveranstaltungen lernten die jungen Leute sich kennen, und die Familien haben ihre Geschäfte abgeschlossen.« Obwohl sie von einem Leben sprach, in das sie nie würde zurückkehren können, wirkte sie überhaupt nicht traurig.
»Und warum hast du mich jetzt auf die Tanzfläche gezerrt? Bloß deshalb, weil du dich um deinen Flügelmann kümmern wolltest?«
»Das zum Teil auch. Und außerdem habe ich mir vorgenommen, dich zu manövrieren.«
»Ich will dich ja ungern enttäuschen, aber da wärst du nicht die erste Frau, die das versuchen würde.«
Ihr Lächeln wurde breiter. »Ah, aber wie viele Frauen haben dich verlassen?«
In dem alderaanischen Tanz, den sie tanzten, war das der Punkt, wo konservative Paare einen Kreis bildeten und die besonders guten Tänzer beide Hände hoben und sich umeinander drehten, die Männer nach links, die Frauen nach rechts, so daß sie sich beim selben Takt wieder gegenüberstanden. Lara hob die Hände und zeigte damit an, daß sie sich für die kompliziertere Version entschieden hatte. Aber während sie sich noch drehten, spürte er einen Augenblick lang zu viele Finger auf den seinen, und als die Drehung beendet war, sah er sich einer verblüfft dreinblickenden Dia Passik gegenüber. Lara und Janson waren jetzt Partner und schienen damit sehr zufrieden zu sein, lösten sich aus dem Reigen und winkten.
Dias Haltung und ihre verkrampften Arme ließen erkennen, daß sie sich nicht sonderlich wohl fühlte, aber sie lächelte. »Mir scheint, man hat uns hereingelegt.«
Face paßte sein Tempo und seine geschickten Tanzschritte ihren Bewegungen an. »Wann haben die beiden das denn arrangiert?«
»Lara hat Lieutenant Janson ein Signal gegeben, ehe sie dich zum Tanz holte. Ich dachte, sie würde mit ihm flirten.«
»Nun, anscheinend hat man uns beide in den Tanz hineingezogen und dann verlassen.«
»Das glaube ich nicht. Ich glaube, das ist wegen etwas, das ich gesagt habe.«
»Was denn?«
»Daß ich…« Sie stockte, überlegte offenbar, was sie sagen wollte. »Daß ich mit dir reden möchte, aber davor Angst hatte.«
»Ich wußte gar nicht, daß ich so furchteinflößend bin. Ganz besonders nicht für jemanden, der nie meine Holodramen gesehen hat.«
Seine Bemerkung bewirkte ein kleines Lächeln. »Nein. Ich meine, ich wußte nicht, wie ich es formulieren sollte. Wann ich mit dir sprechen sollte. Ich wußte nicht, wer ich sein sollte, wenn ich mit dir spreche.«
»Wer du sein sollst? Wer stand denn zur Wahl?«
»Dia Passik und Diap’assik.«
»Die Pilotin, die du geworden bist, und das kleine Twi’lek-Mädchen, das man von Ryloth gekidnappt hat.«
Sie nickte, und ihr Gesichtsausdruck wurde ernst. »An dem Tag nach unserer Rückkehr von der Eisernen Faust bin ich aufgewacht und war plötzlich nicht mehr die eine und nicht mehr die andere. Ich befand mich irgendwo zwischen einem Mädchen, das ich schon lange für tot hielt, und einer Frau, die zu blutdürstig war, als daß ich sie besonders hätte mögen wollen. Und dann dachte ich über alles nach, was am Tag zuvor geschehen war, und kam für mich zu dem Schluß, daß es mir gefiel, am Leben zu sein. Und deshalb wollte ich dir dafür danken, daß du mich nicht hast sterben lassen.« Das alles sprudelte förmlich aus ihr heraus, und als sie zu Ende gesprochen hatte, sah sie Face erwartungsvoll an, als hätte sie Angst, er würde sie jeden Augenblick schlagen.
»Es war mir eine Freude.« Warum war ihr das so schwergefallen? Face versuchte, sich in ihre Lage zu versetzen – ein gestohlenes Kind, dann Sklavin eines imperialen Meisters, dann Pilotin, die inmitten von Leuten, die sie nicht kannte, darum kämpfte, sich einen Platz zu erobern, Leuten, die nicht einmal ihrer eigenen Spezies angehörten. Sie hatte auch nie etwas Positives über die Twi’leks gesagt; vielleicht gab sie ihrer Gattung sogar die Schuld daran, daß sie aus ihrer Mitte gestohlen worden war.
Das alles zu begreifen war für Face bei seinem beschränkten Wissen eine zu schwierige Aufgabe, aber das Nachdenken brachte ihn immerhin auf eine Idee. »Dia, wann hast du dich das letzte Mal richtig entspannt?«
»Ich entspanne mich an vielen Tagen.«
»Wenn du allein bist.«
»Ja.«
»Ich hatte gemeint, wann hast du dich das letztemal in Gegenwart anderer richtig wohl gefühlt? In der Gesellschaft von jemand anderem, meine ich.«
Ihr Blick wurde glasig, als würde sie in weite Ferne sehen. »Wohl gefühlt? Ich weiß nicht. Als Kind, denke ich. Und sicher?« Sie wirkte plötzlich verblüfft, und ihr Blick schien aus weiter Ferne zurückzukehren in die Gegenwart. Sie versuchte, ihm ihre Hände zu entwinden. »Vielen Dank für den Tanz. Ich muß jetzt gehen.«
Doch er ließ sie nicht los. »Ich weiß, daß ich neugierig bin, Dia. Aber wenn du dich mir gegenüber schon nicht öffnen willst, bist du dann wenigstens bereit, das gegenüber einem anderen zu tun?«
»Ich glaube nicht, daß ich das kann.«
»Du könntest mit Squeaky sprechen. Er könnte einen Freund gebrauchen.«
Sie sah ihn ungläubig an, lächelte dann und gab die Versuche auf, sich von ihm zu lösen. »Du machst schon wieder Witze. Manchmal kann man wirklich schwer erkennen, wann du es ernst meinst und wann nicht.«
»Da habe ich selbst Mühe.«
Sie tanzten eine Weile stumm und lange genug, daß die Musik in einen langsameren, intimeren Rhythmus, einen Tanz von Chandrila, übergehen konnte. Dann sagte sie mit so leiser Stimme, daß er Mühe hatte, sie zu hören: »Es ist noch gar nicht so lange her, daß ich mich das letzte Mal sicher gefühlt habe.«
»Wann war das?«
»Als ich ganz unten war. Als ich auf Castin geschossen und so die Leiche eines tapferen Mannes entweiht und dabei so getan habe, als würde es mir Spaß machen. Als ich versuchte, mich zu töten, und du das nicht zulassen wolltest. Unmittelbar vor dem Einschlafen wußte ich, daß du nicht zulassen würdest, daß irgend jemand mir weh tut. Und in dem Augenblick fühlte ich mich sicher, zum erstenmal seit meiner Kindheit.«
Er sah in ihre Augen – sie waren zu groß und leuchtend, um die Augen Dias zu sein, in Augen, die ihm vertraut waren und doch einer Frau gehörten, die er nicht kannte. Eine Frau, die es erst seit der Mission zur Eisernen Faust gab.
»Das war es, was ich dir sagen wollte und für das ich vorher nicht die richtigen Worte fand«, sagte sie. »Daß ich weiß, daß du das Gefühl hast, du hättest Ton Phanan im Stich gelassen. Aber mich hast du nicht im Stich gelassen.«
Er nahm ihr Gesicht in beide Hände und küßte sie und war wie hingerissen davon, wie süß der Kuß war, fasziniert von ihrem würzigen Geschmack, so ganz anders als menschliche Frauen. Er spürte, wie ihre Arme sich um seinen Hals legten. Und dann standen sie reglos unter den funkelnden Sternen, während die tanzenden Paare um sie kreisten.