8

 

»Sie ist gerade der Gespensterstaffel zugeteilt worden, die sich an Bord der Mon Remonda befindet«, sagte General Melvar. Er und der Kriegsherr waren allein in der Offiziersmesse der Eisernen Faust. Trotzdem war der Raum von Geräuschen erfüllt, die man gewöhnlich in einer Bar antreffen konnte – Piloten, die miteinander plauderten, das Klirren von Gläsern, das Knallen eines Sektkorkens –, die Aufzeichnung von Hintergrundgeräuschen, wie Zsinj sie bei solchen Anlässen abzuspielen pflegte.

Die Hand des Kriegsherrn, die ein Glas hielt, verharrte auf halbem Weg zu seinem Mund. Melvar konnte riechen, was Zsinj trank; es war guter Coruscant-Brandy, aber Melvar wußte auch, daß es sich um synthetisch hergestellten Ersatz handelte, alkoholfrei; auch wenn er äußerlich den Anschein erweckte, nahm Zsinj, wenn er ein Schiff befehligte, niemals Alkohol zu sich. Allerdings kippte er ein Glas nach dem anderen von dem synthetischen Zeug und ließ seine Untergebenen in dem Glauben, daß er anfing, betrunken zu werden, wobei seine Stimme und seine Bewegungen immer unsicherer wurden.

»Aber das ist ja perfekt«, erklärte Zsinj. »Sorgen Sie dafür, daß sie uns Kurs und Flugplan der Mon Remonda liefert. Wir werden sie dann vernichten und mit ihr General Solo und diese äußerst lästigen X-Flügler-Einheiten. Wenn sie das zustande bringt, hat Gara Petothel für ihr Leben ausgesorgt, und sie kann auf der Eisernen Faust jeden Posten haben, den sie haben möchte.«

»Mit Ausnahme des meinen, hoffe ich.«

»Den Ihren mit eingeschlossen«, lächelte Zsinj. »Für Sie finde ich einen noch besseren.«

»Das Problem ist, daß wir bis jetzt noch keinen Kontakt mit ihr haben. Wir brauchten eine Weile, um ein visuelles Bild von ihr zusammenzufügen, und dann mußten wir es noch mit den Bildern sämtlicher weiblicher Piloten in den Staffeln von Antilles vergleichen – und dann hat es noch länger gedauert, bis wir das Bild bis zu Lara Notsil, einer in Ausbildung begriffenen Pilotenschülerin, zurückverfolgen konnten. Sie hat ihr Aussehen erheblich verändert.«

»Sehr klug von ihr.«

»Und dann befand sie sich auf einer Trainingsfregatte an einem unbekannten Ort, und zu allem Überfluß dort in Gewahrsam und schließlich in einem speziellen Ausbildungsprogramm, wo sie ständig unter Beobachtung stand. Wir konnten ihrer Spur zwar folgen… aber keine Verbindung mit ihr aufnehmen.«

Zsinj sah ihn nur mit aufgerissenen Augen an. Sein Gesichtsausdruck sagte: Wie nett, daß Sie ein Problem haben, jetzt lösen Sie es gefälligst.

»Also haben wir schließlich einen ihrer Verwandten ausfindig gemacht. Dieser Verwandte wird für uns mit ihr Kontakt aufnehmen.«

»Einen Verwandten von Gara Petothel?«

»Nein, von Lara Notsil, der Frau, deren Identität sie übernommen hat. Die Gemeinde, in der sie aufgewachsen ist, New Oldtown…«

Zsinj verdrehte die Augen. »Der Name ist wohl ein Witz.«

»Das ist auf Aldivy. Admiral Trigit hat die Ortschaft vom Erdboden getilgt, als sie sich weigerte, ihm Vorräte zu liefern.«

»Und Sie sind sicher, daß er sie nicht wegen dieses dämlichen Namens zerstört hat?«

»Da er tot ist, hätte ich Mühe, ihn zu fragen. Jedenfalls stammt einer von Lara Notsils Brüdern aus New Oldtown…«

»Ich will diesen Namen nicht mehr hören. Er geht mir auf die Nerven.«

»… und ist nach Hause zurückgekehrt, nachdem er einige Monate unter falschem Namen bei der Marine tätig war. Eigentlich hätte er in seiner Heimatstadt-deren-Name-nie-mehr-erwähnt-werden-darf eine Gefängnisstrafe verbüßen sollen.«

»Also haben Sie ihn in unsere Dienste genommen.«

»Ich habe einen Agenten auf ihn angesetzt, der ihm beibringt, wie man mit Messer und Gabel ißt, Schuhe trägt und so tut, als ob Gara Petothel seine Schwester wäre. Er wird eine Nachricht an sie absetzen, welche lautet ›Ich bin am Leben und höre, daß das bei dir ebenfalls der Fall ist‹. Mit genügend zusätzlichem Text, damit sie auch begreift, was da vorgeht.«

»Gut. Beeilen Sie sich damit, Melvar. Ich möchte die Mon Remonda so schnell wie möglich nicht mehr auf den Fersen haben. Ihre Mannschaft und ihre Piloten haben für meinen Geschmack zuviel Glück und verstehen auch ihr Handwerk zu gut. Die Existenz dieses Schiffes kommt mich teuer zu stehen.«

 

Die Welt, die auf dem Holoprojektor des Konferenzsaals abgebildet war, bot keinen erfreulichen Anblick. Es handelte sich um einen mittelgroßen Brocken rötlich-braunen Felsgesteins mit ein paar dunkleren Meeren, die aussahen, als seien sie um des Kontrasts willen hinzugefügt worden. Sie kreiste um einen gelben Stern, an dem außer seiner Durchschnittlichkeit nichts auffällig war.

Wedge, der am Rednerpult stand, deutete auf einen winzigen hellen Punkt auf der Oberfläche der Welt. »Dies ist die Welt Lavisar, und dieser Punkt ist ihre wichtigste Hafenstadt, Syward. Nach den Unterlagen in der Zentralbibliothek von Lavisar war der Planet einmal Teil einer viel größeren Hochschwerkraft-Welt, die durch eine Folge von Asteroidenkollisionen zerstört wurde. Lavisar wurde dabei abgesprengt. Es ist eine Welt, die über reichliche Ablagerungen von Schwermetall verfügt, und sie besitzt auch die entsprechenden Bergwerks- und Raffinerieanlagen und eine starke Schiffbauindustrie.«

»Genau die Art von Welt, die Zsinj besonders schätzt«, bemerkte Face. Als Corran Horn von der Sonderstaffel ihm einen fragenden Blick zuwarf, erklärte er: »Wir sind auf die Ränder eines Wirtschaftsimperiums gestoßen, das Zsinj gehört und von dem bisher noch niemand etwas wußte. Er schätzt einigermaßen unauffällige Welten mit starken Volkswirtschaften und besitzt auf solchen Welten für gewöhnlich mindestens eine größere Firma unter irgendeinem Decknamen – auf jeder Welt natürlich unter einem anderen. Möglicherweise will er eine Rückzugsposition haben, falls diese Welten sich dafür entscheiden, sich der Neuen Republik anzuschließen – seine Firma könnte dann seine militärischen Aktivitäten immer noch finanziell unterstützen.«

Wedge nickte Face zu und fuhr fort: »Neueste Erkenntnisse lassen vermuten, daß Lavisar eine dieser Welten ist. Obwohl sie sich außerhalb des Raumsektors befindet, den Zsinj kontrolliert, deutet eine kürzlich abgefangene und von unseren Geheimdienstleuten dechiffrierte Nachricht darauf hin, daß es in Syward eine Raptoreinheit gibt. Sie soll sich in der größten Fabrikanlage von Skyrung-Manufacturing befinden, einem Unternehmen, das unter Lizenz Raumfähren der Lambda-Klasse baut.«

Die Raptors waren Zsinjs Eliteeinheit. Sie waren besser ausgebildet und besser ausgerüstet als die imperialen Sturmtruppen und waren das auffälligste und anerkannteste Symbol der Macht Zsinjs. Sie glichen darin den allgegenwärtigen TIE-Jägern, die als universelles Symbol der imperialen Herrschaft galten.

»Und worin besteht der Plan?« fragte Tal’dira, einer der Twi’lek-Piloten der Sonderstaffel. »Luftangriff, Kommandoeinsatz oder eine Kombination von beiden?«

»Vielleicht gar nichts davon. Shalla, den Bericht bitte.«

Shalla stand auf. Sie fühlte sich allem Anschein nach unter den Blicken der Sonderstaffel nicht sonderlich wohl. »Ich habe eine Analyse der Reaktionen der Mon Remonda und ihrer Einsatzkräfte auf verschiedene äußere Reize durchgeführt – abgefangene Sendungen, Geständnisse gefangener Leute Zsinjs und dergleichen –, offizielle Befehle der Neuen Republik nicht eingeschlossen. Ich bin dabei von der Theorie ausgegangen, daß Zsinj uns bewußt Informationen zugespielt hat, um unsere Reaktion darauf beurteilen zu können. Und obwohl es gewisse Variationen der Reaktionszeit gibt, zeigt das Einsatzkommando doch ziemlich vorhersehbare und konsequente Reaktionen. Jeder Stimulus wird als hohe, mittlere oder niedrige Priorität oder als uninteressant eingestuft – das sind meine Formulierungen, nicht die der Offiziere der Einsatzgruppe –, und dann wird je nach Stufe eine Reaktion beschlossen. Von hoher Priorität wäre beispielsweise der Notruf eines Schiffs der Neuen Republik, das sich in der Nähe befindet und angegriffen wird, und die Reaktion ist ausnahmslos die Entsendung eines Angriffskommandos, das der feindlichen Einheit zahlenmäßig geringfügig überlegen ist und auf geradem Wege vom jeweiligen Standort der Mon Remonda an den Schauplatz des Geschehens entsandt wird. Ein Stimulus wie das uns vorliegende Lavisar-Signal führt unvermeidlich dazu, daß ein Landungsteam ausgesandt wird, welches bestätigen soll, daß es sich bei der Signalquelle um ein Ziel handelt, und anschließend findet dann ein Schlag aus der Luft statt.« Sie zuckte die Achseln, wie um sich zu entschuldigen. »Diese Reaktionen sind vorhersehbar.« Sie setzte sich und begann, an ihrem Datapad zu hantieren.

»Und wenn der Feind vorhersieht, was man tut«, erklärte Corran Horn, »dann kann das tödlich für uns sein.«

»Was sollten wir statt dessen tun?« Das war Gavin Darklighter, ein Pilot der Sonderstaffel von Tatooine, ein junger Mann mit den unschuldigen Zügen und dem Verhalten eines Bauernjungen, dem man seine reiche Kampferfahrung nicht ansah. »Sollen wir, statt aus der Luft zuzuschlagen, Blumen und Konfekt schicken?«

»Das wäre immer noch besser, als in gewohnter Weise zuzuschlagen«, sagte Shalla. »Das würde sie zumindest verwirren.«

Asyr, die bothanische Pilotin, die neben Gavin saß und ihren Arm auf dem seinen liegen hatte, schüttelte den Kopf, so daß ihr Pelz flog. »Aber wenn wir zum erstenmal nicht wie erwartet reagieren, stoßen wir Zsinj doch mit der Nase darauf, daß wir ihn durchschaut haben.«

An dem Punkt lächelte Wedge ein knappes Lächeln, bei dem seine Augen leicht aufblitzten. »Das sind die Freuden eines Kommandanten«, meinte er. »Du hast recht. Und jetzt wollen wir uns die Situation noch schwerer machen. Nach dem ich Shallas – Moment mal.« Er nahm sein Komm aus der Halterung und sprach hinein: »Ja?«

Die Piloten der Sonderstaffel und die Gespenster hörten ein Murmeln aus dem Hörer des Komm, konnten aber nicht verstehen, was die Stimme sagte. »Ja, unbedingt«, erklärte Wedge jetzt. »Das ist genau der richtige Augenblick.« Er klippte sich das Gerät wieder an. »Nachdem mir heute morgen Shallas vorläufiger Bericht vorlag, haben General Solo, Captain Celchu und ich die Daten der bisherigen Einsätze der Mon Remonda noch einmal gründlich durchgesehen. Die Berichte der Abwehr sind recht lückenhaft, deuten aber daraufhin, daß an wenigstens fünf Standorten, die diese Einsatzgruppe in letzter Zeit angegriffen hat, die Raptorbewegungen erheblich zugenommen haben, und zwar fast ohne Tarnung. Möchte jemand etwas dazu sagen?«

Eine Weile herrschte Schweigen. Dann hob Nawara Ven von der Sonderstaffel die Hand.

»Ja, bitte.«

»Wenn Zsinj uns vorführen und unsere Reaktionen abschätzen will, muß er uns Ziele liefern, die wir angreifen können. Noch bis vor einem Augenblick hatte ich angenommen, daß er uns Ziele gibt, die ihm gehören oder die er besetzt hat, Orte, die ihm nicht sehr wichtig sind. Aber das würde schließlich nicht zu verstärkter Raptoraktivität nach den Angriffen führen.« Er runzelte die Stirn, dachte konzentriert nach. »Aber wenn er nun den Eindruck erwecken will, daß Standorte, die ihm in Wirklichkeit gar nicht gehören, unter seiner Kontrolle stehen…«

»Dann würden wir Standorte angreifen, bei denen es ihn mitnichten stört, wenn sie von uns unter Beschuß genommen werden«, sagte Tyria.

Nawara warf ihr einen nachdenklichen Blick zu. »Es ist sogar noch schlimmer. Falls er tatsächlich versucht hat, Planeten und Anlagen durch Diplomatie in seine Hand zu bekommen, und damit gescheitert ist, dann haben unsere Angriffe dazu geführt, daß die Verteidigungsanlagen dieser Welten so stark beschädigt sind, daß sie sich kaum noch gegen Zsinj wehren, sondern bestenfalls noch verhandeln können, und das auch nur aus einer Position der Schwäche.«

Face preßte sich beide Hände an die Schläfen, weil er spürte, wie sein Kopf plötzlich zu schmerzen begann. »Sie wollen damit sagen, daß ihm das Einsatzkommando die Arbeit abgenommen hat. Und alles nur, um jedem möglichen Hinweis nachzugehen…«

Wedge nickte. »Durchaus möglich. Eine weitere Untersuchung der verfügbaren Daten aus dem Zentralcomputer von Lavisar deutete daraufhin, daß die dortige Bevölkerung ein ausgeprägtes Unabhängigkeitsbedürfnis hat, und das erklärt mehr als alles andere, weshalb sie nach wie vor nicht daran interessiert sind, sich der Neuen Republik, Zsinj oder gar erneut dem Imperium anzuschließen, das nach dem Tode des Imperators die Kontrolle über den Planeten verloren hat.

Unsere Aufgabe besteht also darin, auf diesen Stimulus, wie Shalla es formuliert hat, in vorhersehbarer Weise zu reagieren, ohne dabei Zsinj die Arbeit abzunehmen und ohne in die Falle zu gehen, die Zsinj uns ohne Zweifel gestellt hat. Hobbie, das war Ihre Idee.«

Der stets betrübt blickende stellvertretende Kommandeur der Sonderstaffel wirkte leicht beunruhigt. »Zsinj ist davon überzeugt, daß wir imstande sind, eine normale planetarische Verteidigungsanlage zu überwinden und unsere Jäger und die zugehörigen Hilfsmannschaften auf die Oberfläche zu bringen. Das schaffen wir auch gewöhnlich. Ich hatte deshalb daran gedacht, ein Landungskommando abzusetzen, eine Bombe neben ihrer Hauptsensorikstation zu plazieren und sie zu zünden… und die Anlage nicht zu vernichten. Sie behalten die volle Sensorik.«

Gavin Darklighter runzelte die Stirn. »Augenblick, Augenblick. Wir gehen also im Landeanflug auf den Planeten, und die sind darüber voll informiert?«

Hobbie nickte. »Dann schicken sie ihre Streitkräfte aus, und wir ziehen Leine, abgewehrt von den mächtigen Verteidigern von Layisar.«

Das trug ihm lautes Gelächter von den meisten Piloten ein.

»Die Sonderstaffel zieht nicht Leine«, erklärte Corran Horn mit unbewegter Miene. »Es sei denn, wir müßten es wirklich.« Weiteres Gelächter.

»Nein«, sagte Wedge, »den Einsatz übernimmt die Gespensterstaffel.«

»Uns macht es nichts aus, Leine zu ziehen«, sagte Face. »Selbst dann nicht, wenn wir es nicht müssen.«

»Was wesentlich wichtiger ist«, fuhr Wedge fort, »wir müssen denen einen klaren Hinweis darauf geben, daß die Gespensterstaffel sich tatsächlich auf der Mon Remonda befindet. Wir müssen jede Gelegenheit ausnützen, um den Eindruck zu erwecken, daß wir die ganze Zeit hier sind. Also – Moment mal, da ist jemand, den ihr kennenlernen solltet.«

Die Tür im hinteren Bereich des Konferenzraums öffnete sich mit leisem Zischen. Eine Frau in der Uniform der Neuen Republik kam herein, immer noch den Helm unter dem Arm und eine Tasche mit ihren Habseligkeiten in der anderen Hand. Face erkannte Lara trotz des Verbandes, den sie über der linken Wange trug. Er winkte ihr zu, und sie kam herüber.

Wedge fuhr fort: »Sonderstaffel, Gespenster, ich möchte euch Lara Notsil vorstellen, die neueste Pilotin der Gespensterstaffel. Sie hat bisher noch keine Kampfhandlungen erlebt, aber bereits einen Schwarzmarktring hochgehen lassen, der auf einer Ausbildungsfregatte der Neuen Republik tätig war. Das ist für den Anfang gar nicht schlecht.«

Unter dem Applaus der Piloten nahm Lara neben Face Platz. Sie machte auf ihn einen müden Eindruck, vermutlich wegen des langen Flugs, wirkte aber trotzdem so, als wäre sie voll auf dem Posten. »Danke«, sagte sie, »aber bevor hier jemand Angst bekommt, daß sein eigenes kleines Nebengeschäft in Gefahr ist, will ich nur sagen, daß ich für Bestechung durchaus empfänglich bin.«

Das trug ihr ein Schmunzeln ein, und Wes Janson fuhr sich mit der Hand über die Stirn, als wäre er erleichtert.

Wedge winkte, um die Aufmerksamkeit wieder auf sich zu lenken. »Zurück zu Lavisar, unserem Thema… wir werden ein Geheimdienstteam auf den Planeten schicken, um unseren Blindgänger dort anzubringen… und das Team wird auch dann noch dortbleiben, nachdem unser Einsatztrupp wieder abgezogen ist. Wir werden dem planetarischen Gouverneur Shallas Analysen vorlegen und versuchen, ihn davon zu überzeugen, daß Zsinj versucht hat, ihm eine Falle zu stellen, und daß wir ihn in unserer ganzen pragmatischen Barmherzigkeit haben laufenlassen. Vielleicht wird er dankbar sein. Vielleicht wird er sich der Neuen Republik anschließen. Die zweitbeste Lösung wäre, daß er beim Imperium bleibt… aber als ein entschiedener Feind Zsinjs.«

»Für unsere Agenten auf der Planetenoberfläche ist das aber ziemlich gefährlich, oder?« meinte Face.

Wedge nickte. »Lediglich ein Mitglied des Teams wird mit dem Gouverneur Kontakt aufnehmen, und ich werde dazu um Freiwilligenmeldungen bitten. Wenn der oder die Betreffende nicht zurückkehrt… wird uns der Rest des Teams das mitteilen, und dann werden wir entscheiden, ob wir eine Rettungsaktion versuchen oder einfach nur im Orbit bleiben.«

»Er trinkt gerne Sonnenfruchtlikör«, sagte Lara.

Wedge starrte sie an. »Wie bitte?«

»Gouverneur Carmal von Lavisar. Er hat etwas für Sonnenfruchtlikör übrig. Ich meine, ein kleines Geschenk, als Aufmerksamkeit sozusagen, könnte ja nicht schaden.«

»Woher wissen Sie das?«

Wedges Blick ruhte jetzt voll auf ihr, und sie rutschte ein wenig unruhig zur Seite. »Als ich noch auf Coruscant gelebt habe, habe ich dort für eine Speditionsgesellschaft gearbeitet, in der Datenverarbeitung. Lavisar stand als ›durch Trennung‹ verloren in den Akten der Firma, eine Formulierung, die bedeutete, daß die Firma mit ihnen Geschäftsbeziehungen hatte, ehe Coruscant an die Neue Republik fiel, aber später dann nicht mehr. Es gab dort eine ganze Menge Daten über Welten und Firmen, die ›durch Trennung‹ verloren waren, darunter auch Informationen, über die die Neue Republik nicht verfügt, weil sie sich ganz speziell auf Handelsfragen bezogen. Damit wollte die Firma Vorsorge für den Zeitpunkt treffen, wo wieder Kontakte hergestellt wurden.«

»Gut zu wissen. Sie scheinen so etwas wie ein perfektes Gedächtnis zu haben?«

»Nun, sagen wir, ein etwas überdurchschnittliches. Besonders für statistische Daten und sogenannte unwichtige Kleinigkeiten – wenn ich solche Dinge einmal erfahren habe, bleiben sie für immer in meinem Gedächtnis gespeichert. Auf Gesichter verstehe ich mich nicht so gut, aber ich kann Ihnen die offiziellen Feiertage von mehr als fünfzig Welten und eine ganze Menge Feiertage von weiteren fünfhundert aufzählen.«

»Interessant.« Wedge wandte sich Squeaky, der 3PO-Einheit mit den willkürlich zusammengestellten goldenen und silbernen Körperteilen zu, der, wie es seine Gewohnheit war, im hinteren Teil des Konferenzsaals herumschlich. »Wir…«

»Sie brauchen es nicht zu sagen«, meinte der Droide mit leicht vorwurfsvoller Stimme. »Wir brauchen Sonnenfruchtlikör. Und ohne Zweifel das echte Zeug von einer tropischen Welt, die wirklich weiß, wie man welchen macht, und nicht so eine synthetische Nachahmung von Coruscant. Ich werde mich mit meiner üblichen Effizienz gleich darum kümmern.«

»Nun, dann schlage ich vor, daß wir jetzt auch mit unserer üblichen Effizienz zusehen, daß wir an die Arbeit gehen. Die Senioroffiziere der beiden Staffeln werden das Einsatzprofil aufstellen, aber wenn sich sonst jemand ein paar zusätzliche Punkte verdienen will, dann kann der Betreffende ja auch seinen Beitrag leisten. Grob gesprochen geht es um Anfliegen – Mist bauen – Abhauen, und die besten Vorschläge, die wir bekommen, werden wir übernehmen. Noch Fragen? Nein? Dann war’s das wohl.«

 

»Haben Sie einen Augenblick Zeit für mich, Sir?« Tyria Sarkin stand in Wedges Tür. Sie machte einen auffällig unglücklichen Eindruck.

»Aber natürlich. Kommen Sie herein.«

Sie lehnte den ihr angebotenen Stuhl ab und blieb stehen – die Spannung, unter der sie stand, war nicht zu übersehen. »Sir, es gibt da eine Menge Gerüchte über Flight Officer Notsil und diesen Schwarzmarktring.«

»Ja?«

»Deshalb glaube ich, daß Sie wissen sollten…« Ihr Gesichtsausdruck verriet, daß sie sich äußerst unwohl in ihrer Haut fühlte, aber dann hatte sie sich wieder im Griff. »Nein, Sie hätten das schon vor einer Weile erfahren müssen, und es tut mir leid, daß ich es Ihnen nicht gesagt habe. Aber Sie müssen wissen, daß Sie mich möglicherweise als Pilotin verlieren werden.«

»Warum?«

»Weil Notsil nicht die erste Pilotenschülerin war, die Major Rep – die Colonel Repness mit seinen Machenschaften angesprochen hat.«

Wedge musterte sie scharf. Plötzlich wurden ihm einige Dinge klarer. Faces und Phanans persönliches Interesse an dieser Repness-Geschichte. Phanan hatte von einem ehemaligen Schüler gesprochen, der ihm von Repness’ Schwarzmarktaktivitäten erzählt hatte… hatte aber zugleich angedeutet, daß dieser Schüler die Prüfung nicht bestanden und Phanan auf Coruscant kennengelernt hatte.

Er fragte sich, ob Tyria vielleicht von Anfang an in Phanans und Faces Plan eingeweiht gewesen war. Nein; er konnte erkennen, daß Täuschung etwas war, was ihr nicht lag. Tyria war eine ehrliche Haut, der Lügen keine Befriedigung bereitete. Darin unterschied sie sich auf wohltuende Weise von den anderen Gespenstern.

»Sie haben nicht…«

»Nein, Sir. Ich habe nichts für ihn gestohlen. Aber ich habe etwas getan, was ebenso schlimm ist. Ich habe mich von ihm zum Stillschweigen erpressen lassen. Ich hätte ihn melden können, hätte ihm Widerstand leisten können, so wie Notsil das getan hat… aber das habe ich nicht.« Sie konnte ihre Scham nicht vor ihm verbergen. »Repness ist, wenn es um Akten und Aufzeichnungen geht, von geradezu krankhafter Ordnungsliebe. Er hat bestimmt noch alle Daten über meine Prüfungsergebnisse und kann beweisen, daß er sie manipuliert hat, um mich bestehen zu lassen. Und wenn das geschieht, dann ist Schluß mit meiner Pilotenkarriere.«

Wedge seufzte. »Angesichts solcher Beweise zweifle ich daran, daß ich sehr viel tun kann, um Sie zu schützen.«

»Ich bin nicht hierhergekommen, um Sie um Schutz zu bitten, Sir. Es gibt keinen Schutz. Aber ich dachte, Sie sollten wissen – damit Sie sich darauf vorbereiten können –, daß die Möglichkeit besteht, daß man mich aus der Staffel holt.«

»Ich verstehe. Aber nehmen wir einmal an, daß Repness Sie nicht belastet. Nehmen wir an, er nimmt in aller Stille mit Ihnen Verbindung auf und sagt: Ich kann Ihre Karriere auffliegen lassen, aber das werde ich nicht. Sie brauchen mir bloß ein paar Credits zu schicken, damit ich meine Anwälte für meine Verteidigung bezahlen kann.«

Sie nahm die Hürde, ohne zu zögern. »Wenn er auch nur einen Credit verlangt, Sir, er wird ihn nicht bekommen. Soll er mich doch melden und dafür verdammt sein.«

»Sind Sie da sicher?«

»Ganz sicher. Ich werde nicht zulassen, daß er mich in seine Fänge zieht. Unter gar keinen Umständen. Nie mehr.«

Wedge blieb eine Weile stumm. Wirklich schade, daß sie nicht gleich zu ihm gekommen war, als sie mit dem Trainingsprogramm für die Gespensterstaffel begonnen hatte. In dem Fall hätte er -

Hätte er wirklich? Nun, vielleicht hatte er das sogar. Unmittelbar nachdem Flight Officer Sarkin ihren Dienst, in der Gespensterstaffel angetreten hatte, war sie zu ihm gekommen, weil sie nicht wußte, ob es vielleicht irgendwelche Beteiligte an Repness’ Organisation weiter oben in den offiziellen Rängen gab. Wedge hatte Face und Phanan beauftragt, jemanden zu finden, der die Rolle des Köders spielte, und die beiden waren tatsächlich wenige Wochen später in dem Militärhospital auf Borleias fündig geworden. Daß Lara Notsil auf die Tedevium und damit zu Colonel Repness gekommen war, war ein Teil seines Plans sowie des Plans von Face und Phanan gewesen.

Das einzige, was ihn an dieser kleinen Geschichtsfälschung störte, war, daß er damit als Urheber eines Plans dastand, den eigentlich zwei seiner Untergebenen entwickelt hatten… aber was dabei herauskommen würde, rechtfertigte dieses kleine Täuschungsmanöver.

»Flight Officer Sarkin.«

Sie hörte, wie sein Tonfall sich veränderte, und nahm Haltung an. »Sir.«

»Sie sind als Pilotin zu wertvoll, als daß die Staffel es sich leisten könnte, Sie auf diese Weise zu verlieren.«

»Meine Ergebnisse stehen an letzter Stelle in der Staffel, Sir.«

»Das stimmt nicht mehr. Diese einmalige Ehre ist inzwischen einem der neuen Piloten zuteil geworden, zumindest für den Augenblick. Und selbst wenn es zutreffen würde, ist der sogenannte schlechteste Gespensterpilot immer noch einer der gefährlichsten Kämpfer, den es in der Galaxis gibt, sonst wäre der oder die Betreffende nicht Mitglied der Staffel.«

»Äh…«

»Ich habe Sie nicht um Ihre Meinung gebeten. Das ist jetzt ein direkter Befehl: Wenn irgend jemand Ihnen Fragen bezüglich Repness stellt, werden Sie diese Fragen nicht beantworten. Sie werden vielmehr erklären, daß Sie von mir strikte Anweisung haben, über die Angelegenheit Stillschweigen zu bewahren – und werden den oder die Betreffenden zu mir schicken. Haben Sie mich verstanden?«

»Den Befehl habe ich verstanden, Sir, aber nicht, was er bedeutet.«

»Er bedeutet, daß Sie so lange bei den Gespenstern sein werden, bis Sie sterben oder von sich aus eine Versetzung beantragen – nicht, bis jemand außerhalb dieser Einheit entscheidet, daß Sie nicht zu uns gehören. Und jetzt können Sie wegtreten.«

Erschrocken salutierte sie und floh.

Wedge lehnte sich zurück. Seine Darstellung würde jeder Befragung standhalten, bis einer der Beteiligten zu einer förmlichen Zeugenaussage aufgefordert wurde, aber sein Gefühl sagte ihm, daß es nicht soweit kommen würde. Wenn doch, würden weder er noch seine Untergebenen einen Meineid schwören. Vermutlich würden sie deshalb zwar bestraft werden… aber solche Strafen hatten sie in der Vergangenheit alle schon über sich ergehen lassen. Und das würden sie gerne auch wieder tun, um sich die Kameradschaft einer Pilotin wie Tyria Sarkin zu erhalten.

 

Lara Notsil blieb unmittelbar hinter den mächtigen Toren des Backbordhangars der Mon Remonda stehen. Als sie den Hangar betreten hatte, war ihr gewesen, als ob sie in eine andere Welt eingetreten wäre.

Das schrille Pfeifen der Testläufe der Repulsorlifter ging ihr durch und durch, obwohl es sich um ein Geräusch handelte, das ihr inzwischen vertraut geworden war und das sie deshalb mochte. Weniger willkommen war ihr die Kälte, die damit einherging. Die großen Tore am Ende des Hangars standen offen, und nur das magnetische Eindämmfeld hielt die Atmosphäre der gewaltigen Halle fest, aber es isolierte nicht – Wärme entwich durch das Feld in das Vakuum des Weltraums. Außerhalb der Atmosphäre pflegten Jägerhangars recht kalt zu sein.

In dem Hangar standen dicht nebeneinander aufgereiht einundzwanzig X-Flügler. Hier zu starten, ohne die benachbarte Maschine anzukratzen, erforderte einiges Geschick. Aber das schien eine der charakteristischen Eigenschaften von Commander Wedge Antilles zu sein – seine Piloten nie selbstgefällig werden zu lassen, selbst wenn es um so einfache Aufgaben ging wie den Start zu einem Einsatz.

Sie ging auf ihren X-Flügler zu. Da sie als letzte Pilotin der Staffel gelandet war, stand ihre Maschine hinten, dem magnetischen Dämmschild am nächsten, sie würde also als eine der ersten starten. Sie winkte ein paar Pilotenkameraden zu und überlegte dabei, wie fremd sie ihr doch waren und wie wenig sie sich vorstellen konnte, wie ihre Kameraden jetzt auf diesen Einsatz reagierten.

Für sich betrachtet war der Einsatz durchaus logisch, anfliegen, landen, einen Angriff fliegen, der scheiterte, versuchen, niemanden zu töten – aber sich, wenn nötig, unter Einsatz aller Waffen verteidigen – und den Planeten wieder unversehrt verlassen. Alles darauf abgestimmt, Zsinj einen falschen Schluß ziehen zu lassen, nämlich den, daß sie gescheitert waren und man sie verjagt hatte.

Was sie störte, was irgendwie nicht stimmte, war, daß die Gespenster keinerlei Enttäuschung an den Tag legten. Admiral Trigits TIE-Piloten hätten einen solchen Einsatz mit demselben Maß an Disziplin akzeptiert, aber sie wären unzufrieden darüber gewesen, daß man ihnen die Beschränkung auferlegte, dem Feind keinen Schaden zuzufügen und, wenn irgend möglich, niemanden zu töten. Wie kann man ein As werden, sich einen Namen machen, Ruhm als Jägerpilot erwerben, ohne dem Feind tödliche Verluste zuzufügen? Und der bloße Gedanke, einen bewaffneten Feind lebend zurückzulassen, wäre ihr widerwärtig gewesen. Aber diese Rebellenpiloten nahmen diese Einschränkungen gutwillig hin, und die entspannte Haltung, die sie an den Tag legten, schien ihr durchaus echt.

Das war es, was sie an dieser Einheit mehr als alles andere beunruhigte. Die Rebellenpiloten galten als ungezügelt, als schießwütig, nicht viel besser als tollwütige Hunde. Sie hatte zwar in dem Militärhospital auf Borleias einige kennengelernt, die nicht in dieses Schema paßten, aber das waren schließlich Männer und Frauen gewesen, die schwere Verletzungen erlitten hatten und die zu jener Zeit in erster Linie ihre Genesung und ein wenig Ruhe im Sinn gehabt hatten. Aber diese Piloten hier bereiteten sich auf den Einsatz, auf den Kampf vor. Und doch fehlte ihnen jeglicher Drang, dem Feind tödliche Verluste zuzufügen.

Vielleicht stimmten die Vorstellungen des Imperiums von den Rebellen überhaupt nicht. Und das nicht etwa aus Zufall – nein, vielleicht waren sie bewußt verzerrt worden, um den imperialen Piloten ein besseres Motiv zu geben, unter Einsatz aller Kräfte zu kämpfen. Die Piloten des Imperiums wurden bewußt in einem ständigen Zustand bissiger Wildheit gehalten, einem Zustand, der sich manchmal zur Unzeit Ausbruch verschaffte – in ihren Quartieren, in ihren Familien, auf Urlaub. Im Vergleich dazu wirkten diese X-Flügler-Piloten emotional ausgeglichen und gesund.

Sie schüttelte den Kopf. Solche Gedanken grenzten an Hochverrat, waren gefährlich für eine Frau, die in naher Zukunft wieder für die imperialen Streitkräfte tätig sein würde. Sie versuchte, sie zu verdrängen.

Jetzt kletterte sie die Leiter ins Cockpit ihrer Maschine hinauf. Ein Mon-Remonda-Mechaniker arbeitete dicht dahinter und vergewisserte sich, daß die hinter dem Cockpit eingefügte R2-Einheit sicher befestigt war. »Da haben Sie ein besonders schönes Stück«, meinte der Mann.

Die R2-Einheit gab eine trillernde Folge von Tönen von sich, als wolle sie sich für das Kompliment bedanken.

Sie stieg ins Cockpit und setzte sich auf dem Pilotensessel zurecht. »Nagelneu aus der Fabrik.« Das stimmte. Colonel Repness durfte jedesmal, wenn seiner Trainingsstaffel eine neue Lieferung zugeteilt wurde, neues Gerät anfordern und tat das offenbar auch. Ihre R2-Einheit, die den Spitznamen Tonin, »Little Atton« im Basicdialekt von Aldivy trug, seit sie seinen Gedächtnisspeicher hatte löschen lassen, war nagelneu und ohne jegliche Gebrauchsspuren; ein Droide mit einer hübschen silbernen Grundfarbe und grellroten Schmuckleisten. Er war mit den neuesten technischen Spielereien ausgestattet, die es zur Zeit gab. Kriegsherrn Zsinjs Quartiermeister würde ohne Zweifel recht dankbar sein, wenn sie ihm den R2 übergab.

»Viel Glück, Pilot.«

»Danke.«

Augenblicke später hatte sie sich ihren Helm übergestülpt und das Kanzeldach heruntergelassen und nahm sich jetzt ihre Startcheckliste vor. Vier Motoren grün, volle Energie – Repness hatte dafür gesorgt, daß sein persönlicher X-Flügler tipptopp in Schuß war. Sie mußte lediglich noch ihren Pilotensessel von den Mechanikern ein wenig weiter vorn befestigen lassen; er war jetzt ganz vorn verankert, und sie mußte sich zu weit strecken, um an die Steuerpedale zu kommen. Repness war sehr groß gewesen.

Ihr Komm knackte. Es war die Stimme von Wedge: »Das war’s dann, Sonderstaffel, Gespenster. Bitte um Meldung.«

»Sonderstaffel Eins bereit.«

»Sonderstaffel Drei, bereit zum Tanz.«

Lediglich die Gespenster würden bis Lavisar fliegen. Die Sonderstaffel würde sie nur bis zum äußersten planetarischen Ring des Lavisarsystems begleiten und dann dort warten. Falls es sich bei diesem Einsatz, obwohl alles dagegen sprach, um einen Hinterhalt Zsinjs gegen die Mon Remonda handelte, würden die X-Flügler der Sonderstaffel bereitstehen, um Zsinjs Streitkräften eine unangenehme Überraschung zu bereiten, die sie vielleicht nicht überstehen würden.

Ein kaltes Prickeln durchlief sie trotz ihres isolierenden Pilotenanzugs und der Cockpitheizung. Die Gespenster hatten den Auftrag, ein paar Schüsse abzugeben und dabei sogar einige Treffer zu erzielen, falls sie der Ansicht waren, das tun zu können, ohne dabei unnötige Schäden an Leib und Leben hervorzurufen, und anschließend zu fliehen.

Aber alles mögliche konnte geschehen. Ein auf ein Solarpaddel gezielter Laserschuß konnte sein Ziel verfehlen und das Cockpit eines Sternenjägers aufreißen. Ein plötzliches Manöver konnte einen TIE-Jäger-Piloten erschrecken und dazu führen, daß er mit einem seiner Kameraden kollidierte.

Lara wollte heute nicht töten, und dies nicht etwa aus den scheinbar altruistischen Gründen, die die Gespenster an den Tag legen sollten. Wenn sie einen imperialen Piloten tötete – wie würde das aussehen, wenn sie später wieder in die Dienste des Imperiums zurückkehrte?

»Gespenst Zwölf startbereit.« Das war Piggys mechanische Stimme. Sie hatte ihr manchmal so automatisch funktionierendes Gedächtnis darauf abgestimmt, seine Meldung als Stichwort zu benutzen. Sie schüttelte alles, was sie belastete, ab und sagte: »Gespenst Dreizehn, vier grün und aufgetankt.«

»Start in gegenwärtiger Formation nach Nähe zum Magnetdämmfeld, anschließend in Rotten und Einheiten formieren.«

Damit war sie die erste.

Sie ging in Gedanken noch einmal die Checkliste durch – Repulsorlifter, Rotation, Start aus einem Hangar dieser Art –, aber nein, in der Gesellschaft dieser Piloten machte es wenig Sinn, die Dinge zu intellektuell zu sehen. Sie griff nach dem Knüppel, schaltete den Repulsorlifter ein und zog den Knüppel in einer fließenden Bewegung hoch und nach hinten, begann ihre Rotation, als sie noch keine zwei Meter hoch in der Luft hing. Sie segelte elegant durch das Magnetdämmfeld, das sie nicht im geringsten behinderte. Und befand sich im Weltraum.

Nicht zum ersten Mal; sie hatte nach Repness’ Verhaftung Schulungseinsätze mit den Y-Flüglern der Schulungsstaffel Schreiender Wookiee geflogen, hatte Soloflüge in Y-Flüglern und dem X-Flügler von Repness absolviert und schließlich ihren eigenen Kurs in die Freiheit bis zu dem Rendezvous-Manöver mit der Mon Remonda geflogen. Aber dies war ihr erster Kampfeinsatz.

Sie blieb auf Repulsorliftung und hob ihr Heck, bis es ein gutes Stück über dem Hangareingang in den freien Weltraum zeigte, gab dann Schub und entfernte sich elegant von dem Mon-Calamari-Kreuzer. Elegant und in Formation – aber sie war sich sehr wohl der prüfenden Blicke bewußt, die auf ihr ruhten und weiterhin auf ihr ruhen würden.

Augenblicke später ging Wedge längsseits und überholte sie ein Stück weit, dann bezog Face Loran auf der anderen Seite des Commanders Stellung und ging auf gleiche Höhe mit ihr. Als neunte Pilotin einer Einheit, die normalerweise paarweise flog, war Lara provisorisch als drittes Mitglied eines existierenden Paars eingeteilt.

 

Sie hatten den Zeitpunkt ihres Eintreffens so abgestimmt, daß die Seite von Lavisar, auf der sich Syward, die Hauptstadt des Planeten, befand, bei ihrem Austritt aus dem Hyperraum unmittelbar vor ihnen liegen würde. Und so war es auch: Als der grelle Lichtzirkus, der das Ende eines Hyperraumsprungs anzuzeigen pflegt, verblaßt war, standen die Gespenster vor der rotbraunen Scheibe Lavisars, in deren Mitte ein leuchtender Punkt zu erkennen war. An ihrer Steuerbordseite hing vor ihnen im All der größte Mond des Planeten, vom Schatten des Planeten verdeckt. Das Schwerefeld des Planeten, das in den Hyperraum hineinreichte, hatte sie, so wie sie das geplant hatten, in den Echtraum zurückgezogen. So dicht bei dem Mond würden sie nicht wieder in den Hyperraum eintreten können, und je näher sie der Oberfläche des Planeten kamen, um so komplizierter würden die Schwerkraftverhältnisse werden; Lavisar hatte eine ganze Anzahl von Monden, die alle groß genug waren, um Hyperraumsprünge zu behindern.

»Hervorragende Plazierung, Zwölf.« Das war wieder die Stimme von Wedge. »Also gut. Wir sollten ein Fenster von fünf bis zehn Minuten haben, ehe die irgendwelche sekundären Sensorphalangen zum Einsatz bringen können, die es lohnen, daß man sich darüber den Kopf zerbricht. Ich darf noch einmal daran erinnern, unser Ziel ist ein Baukomplex von auffällig himmelblauer Farbe, etwa dreimal so lang wie breit…«

»Anführer, hier Acht.« Die Stimme von Face. »Visuelle Sensoren zeigen an, daß der Militärstützpunkt von Syward TIE-Jäger in Marsch setzt. Ich sehe, daß dort zwei komplette Staffeln startbereit gemacht werden. Sie tragen die Farben der planetarischen Verteidigungskräfte.«

»Die können nicht uns gelten, Acht. Ihre Sensoren – ist ein visueller Scan der Hauptsensorikstation möglich?«

»Schon eingeleitet, Anführer.«

Lara lächelte. Ihr Sprechverkehr lief zwar über Zerhacker, aber sie ging davon aus, daß die Gespenster einen Code benutzten, der bereits eine Weile gültig war – einer, der also bald abgelöst werden würde. Wenn die Verteidigungskräfte des Planeten von ihrem Sprechfunkverkehr genügend viel aufzeichneten und knacken konnten, würde der vorher verabredete Dialog der Gespenster für eine verpatzte Mission völlig normal klingen.

»Tonin, normale imperiale Frequenz scannen«, sagte sie. »Gib alles, was wie Pilotenverkehr klingt, an mein Helmkomm weiter. Wenn sich Gespenstersendungen und imperiale Sendungen überlagern, zeichnest du weiter die imperialen Sendungen auf und gibst mir nur die Gespenstersendungen weiter.«

Das Display für die Kommunikation mit dem Astromech klappte aus: VERSTANDEN.

Fast im selben Augenblick hörte sie undeutlich und verzerrt: »… kommen. Nach Fäusten formieren…«;

»… immer noch in Anflugvek…«

»Führer, Acht. Visuelle Sensoren zeigen an, Bodensensorikkomplex intakt. An der Nordost-Wand sind ein paar Beschädigungen zu erkennen; Zivilmannschaften dort tätig. Anscheinend hat unser Bodenteam Mist gebaut.«

Auch verzerrt, wie es bei den Kommanlagen der Neuen Republik üblich war, klang Wedges Stimme hart: »Die werden etwas zu hören bekommen. Die werden sich wünschen, sie wären auf Lavisar geblieben. Gespenster, neu formieren. Zwölf bestätigen und Fluchtvektor durchgeben.«

»Zwölf, habe verstanden.«

Die Gespenster beschrieben einen weiten Bogen, zurück zu der Stelle, wo sie aus dem Hyperraum gekommen waren.

»… zeigt an, feindliche Kräfte setzen sich…«; »In Formation bleiben, wir nehmen die Verfolgung auf…«; »…wie Banthas vor den Jägern. Formation beibehalten.«

Lara runzelte die Stirn. Diese letzte Sendung hatte irgendwie falsch geklungen. »Tonin, kannst du anpeilen, woher die bis jetzt aufgefangenen imperialen Sendungen kommen?«

UNGEFÄHR.

»Dann tu das. Auf mein Sensordisplay.«

Ihr Bildschirm, der bis jetzt nur die beiden nahegelegenen planetarischen Körper und einen großen blauen Fleck, der für sämtliche Gespenster stand, angezeigt hatte, bekam jetzt zwei zusätzliche, verschwommene rote Felder – eines auf der Oberfläche des Planeten, ein anderes in der Nähe des nächstgelegenen Mondes an einem Punkt, der nicht zu weit vom Fluchtvektor der Gespenster entfernt war. Die Felder bewegten sich leicht, während der Astromech immer noch damit beschäftigt war, vermutliche Ursprungsorte zu kalkulieren und auf den Schirm zu projizieren.

»Tonin, Lavisarsendung aus dem Bild subtrahieren.«

GEMACHT.

»Gib das Bild an den R2 von Gespensterführer weiter und fordere ihn auf, es auf seinen Sensorschirm zu legen.«

GEMACHT.

Sie aktivierte ihr Kommsystem. »Anführer, hier Dreizehn. Ich empfange Hinweise, daß wir von vorn Gesellschaft bekommen. Vermutlich die Garnison einer Lunarstation.«

»Verstanden, Dreizehn. Gute Arbeit. Gespenster, mir nach auf Steuerbord. Zwölf, bitte neuen Fluchtkurs.«

»Zwölf, habe verstanden.«

Wedge drehte nach Steuerbord ab auf einen Kurs, der die Gespenster an einem der sekundären Monde von Lavisar vorbeiführen würde – einen Kurs, der zwar dafür sorgen würde, daß sie in unangenehmen Schwerefeldern blieben und deshalb sogar noch länger daran gehindert waren, in den Hyperraum zu springen, der zugleich aber dem kürzesten Kurs weg von dem Planeten und neuen Feinden entsprach. Lara folgte ihm mit einem ebenso eleganten Manöver, wie es der andere Flügelmann des Kommandanten vollführte.

Neue Aktivität auf dem Sensordisplay: Ein roter Punkt, der sich von dem Primärmond entfernte und auf Kollisionskurs mit den Gespenstern ging. Jetzt wurden vor Laras Augen aus dem einen roten Punkt zwei, einer vorn, der andere ein Stück dahinter. Sie schaltete ihr Display auf Zoom und erkannte, daß es sich bei dem vorderen Punkt um eine volle Staffel TIE-Jäger handelte, die sich ihnen mit Höchstgeschwindigkeit näherten, während der hintere Punkt vier Einheiten »unbekannten Typs« markierte, die mit einer Wahrscheinlichkeit von 75 Prozent Fähren der Lambda-Klasse waren.

Das leuchtete ein. Ein Hersteller, der Lambda-Fahrzeuge baute, hatte vermutlich auch ein Militärmodell im Programm, also eines, das stärker gepanzert und mit schweren Kanonen ausgestattet war, um damit seine Weltraumstreitkräfte zu unterstützen.

»Gespenster, hier Anführer. Mein Astromech kalkuliert, daß die lunare Einheit uns erreicht, ehe wir das Schwerefeld jenes zweiten Mondes verlassen. Sobald sie auf uns treffen – vorausgesetzt, es kommt zum Gefecht –, haben wir noch etwa drei Minuten, ehe uns die planetarischen Einheiten einholen. Einsatzbefehl eins wird hiermit widerrufen. Kampfhandlungen mit lunarer Gruppe aufnehmen und Gegner eliminieren. Anschließend Formation neu ausrichten und auf Fluchtkurs zurückkehren. Zwölf?«

»Ich habe einen flexiblen Fluchtkurs kalkuliert, dem nur noch die eine entscheidende Variable fehlt – der exakte Punkt, an dem wir uns wieder treffen und in den Hyperraum tauchen.«

»Gut. Fertigmachen.«