14

 

Die Narra trat an den angegebenen Koordinaten aus dem Hyperraum aus.

Dies war wahrhafter Tiefraum, im Umkreis von einem halben Dutzend Lichtjahren war nichts zu sehen, aber etwas erwartete sie – eine ganze Breitseite von Kommnachrichten. Sie überfluteten die Kanäle förmlich, wiederholten immer wieder dieselbe Nachricht, überlappten sich.

»Grüße Flederfalken, hier spricht Grüße Flederfalken Kriegsherr Zsinj nicht wiederholen ich heiße Sie willkommen ich halten Sie sich bereit Sie zu empfangen einfach Kriegsherr Zsinj ein neuer Satz ich heiße Sie willkommen folgen Sie den Koordinaten nicht wiederholen halten Sie sich einfach bereit bald folgen wir Ihnen Sie empfangen wir werden zusammen gepflegt essen und gepflegt essen und eine Einigung erzielen und gepflegt und nutzen und Vorteil…« Und so ging es endlos weiter, ein Strom ohne Anfang und ohne Ende.

Face schüttelte den Kopf. »Das ist ja chaotisch. Mal sehen, ob wir das auf eine einzige Sendung verdichten können.« Seine Hände flogen über die Kommunikationskonsole. »So. Unmittelbar vor uns ist ein kleiner Satellit. Ein Signal ist stärker als die anderen. Und damit haben wir…« Er drückte einen Knopf, um das Signal zu isolieren.

»Ich grüße die Flederfalken. Hier spricht Kriegsherr Zsinj. Ich heiße Sie willkommen. Halten Sie sich bereit, einen neuen Satz Koordinaten zu empfangen. Wiederholen Sie sie nicht. Folgen Sie ihnen einfach. Bald werden wir gepflegt miteinander essen und zu einer Einigung kommen, die uns beiden großen Nutzen bringt.« Die Botschaft begann sich zu wiederholen.

»Wir empfangen auf demselben Band eine Datei«, meinte Dia.

»Noch nicht aufrufen«, sagte Kell. »Möglicherweise handelt es sich um die Art von Programm, wie Castin sie so gern ausheckt. Eines, das denen mehr Informationen über uns liefert, als uns lieb ist.«

Face nickte. »Ja, das leuchtet mir ein. Es ist keine große Datei. Ich überspiele sie auf mein Datapad, und dann können wir ja die Navigationsdaten manuell eingeben. Was würde wohl passieren, wenn wir die Datei wieder aussenden würden?«

»Da sehe ich zwei Möglichkeiten«, erklärte Dia. »Dieser Satellit hat mit Sicherheit ein zusätzliches System. Entweder ist das ein Waffensystem, das darauf abgestimmt ist, uns zu zerstören, oder ein Hyperkommsystem, das Zsinj warnt, ehe wir zu ihm kommen.«

Kell warf sich wieder das Haar über die Schulter. »Je nachdem, welches System billiger ist«, meinte er.

»Nun, wir werden das jedenfalls nicht tun.« Face verglich die Navigationsdaten auf seinem Datapad mit denen, die er gerade in den Computer der Narra eingetippt hatte. Sie stimmten überein. Er gab den Befehl ›Ausführen‹ und nickte Dia zu, das Shuttle auf den neuen Kurs zu bringen. »Also gut, Phase Zwei.«

 

Die beiden X-Flügler fielen an der äußeren Peripherie des Aldivy-Systems aus dem Hyperraum, ein gutes Stück außerhalb des Schwerkraftfeldes des Zentralgestirns des Systems, das ihren Wiedereintritt in den Hyperraum verhindern würde.

Lara fuhr sofort ihre visuellen Sensoren hoch und richtete sie auf den Planeten Aldivy. Das nicht ganz stabile und verschwommene Bild zeigte einen blau-weißen Globus ohne irgendwelche für sie identifizierbaren Konturen.

Sie ließ sich ihre Enttäuschung nicht anmerken. Was sie über Aldivy wußte, stammte aus den imperialen Archiven und den der Öffentlichkeit zugänglichen Daten. Sie kannte die Landkarte der Planetenoberfläche, aber aus dem Weltraum waren die leicht erkennbaren, kontinentalen Grenzen natürlich durch Wolken verdeckt.

Ein Knistern in ihrem Kommlink. »Ich kann keinerlei Funkverkehr auf den imperialen Kanälen feststellen«, sagte Donos. »Nur Routinezeug auf den üblichen planetarischen und kommerziellen Kanälen. Ziemlich schwacher Verkehr übrigens.«

»Aldivy ist nicht sehr dicht besiedelt«, sagte sie. »Zwei- oder dreihundert Gemeinden. Nicht wertvoll genug, als daß es sich für die Imperialen gelohnt hätte, den Planeten zu schützen, als er ihnen gehört hat. Auf dem Höhepunkt der imperialen Besetzung hatten wir gerade zwei TIE-Jäger und ein Shuttle, die uns geschützt haben.«

»Neben euren eigenen planetarischen Verteidigungskräften, nehme ich an.«

»Äh, ja.« Sie wünschte, er würde aufhören, Fragen zu stellen. Wenn er damit weitermachte, würde er sie wahrscheinlich bei einer falschen Antwort erwischen. »Unsere Polizei. Gegen einen Angriff aus dem Weltraum nicht gerade viel, furchte ich.«

»Wo Sie zu Hause waren – ist das jetzt auf der Tag- oder auf der Nachtseite?«

»Das versuche ich gerade herauszufinden.« Halt den Mund. Halt einfach den Mund. »Ich kann das noch nicht erkennen. Wir müssen erst näher ran.«

 

Die Tür der falschen Brücke der Eisernen Faust fuhr schnell in die Höhe, und General Melvar trat ein. Er blieb stehen, als er den Tisch in der Mitte des Raums sah. Zsinj saß am Kopfende des noch ungedeckten Tisches und hatte seine in blitzblank gewienerten Stiefeln steckenden Füße auf die Tischplatte gelegt. Hinter ihm, am Bugende des Raums, waren die Holoschirme aktiviert worden und zeigten jetzt den gleichen Ausblick wie die vorderen Sichtluken der echten Brücke; sie rahmten Zsinj ein, als wäre er das Zentrum der Galaxis, das sie zeigten.

Zsinj sah Melvar fragend an und lächelte dann. »Was meinen Sie?«

»Das ist bis jetzt wahrscheinlich die glanzvollste Demonstration, die ich von Ihnen gesehen habe«, erwiderte Melvar und trat näher heran. »Sollten Sie sich nicht mit einem Nimbus aus Licht umgeben, um die Wirkung zu verstärken?«

»Keine schlechte Idee. Vielleicht beim nächsten Mal. Was wollen Sie?«

»Die Sensoren meldeten das Auftauchen eines Shuttle auf dem Hyperraumkurs, den Sie den Flederfalken gegeben haben. Sie werden in wenigen Minuten hier eintreffen.«

Zsinj nahm die Füße vom Tisch und stand auf. »Dann können Sie ja die Truppe versammeln. Verständigen Sie die Kombüse. Und legen Sie Make-up auf. Das sollte unterhaltsam werden.«

 

Face sah, wie die Eiserne Faust in der vorderen Sichtluke immer größer wurde, und kämpfte gegen das Rumoren in seinem Magen an. »Also, letzte Ratschläge: Denkt daran, wir sind etwa genauso arrogant wie die, aber bei weitem nicht so stark. Reagiert also angemessen auf schlechte Manieren – aber nicht so angemessen, daß es uns den Kopf kostet.«

Kell tat so, als würde er etwas auf einem imaginären Datapad notieren. »Kopf behalten«, sagte er. »Ich werde versuchen, mir das zu merken.«

»Ich würde gern sagen, überlaßt das Reden ganz mir, aber das wird nicht funktionieren – wir sind schließlich hier, um sie mit unseren individuellen Fähigkeiten und unserer Bereitschaft zu beeindrucken. Aber achtet jedenfalls darauf, daß das, was ihr sagt, zu unserer Rolle paßt, und überlaßt es mir, Fragen hinsichtlich der Stärke unserer Einheit, unserer taktischen Bereitschaft und dergleichen zu beantworten.«

»Verstanden, General«, sagte Dia. Ihre Stimme klang kehlig und rauh, ganz anders als der ausdruckslose, manchmal gefühllos wirkende Tonfall, den er von ihr gewöhnt war. Er sah sie an und hatte das Gefühl, eine Fremde vor sich zu haben: die Gesichtszüge Dias, aber mit einer anderen Frau dahinter. Ihre Augen taxierten ihn wie die eines halb gezähmten Tiers, das an seinem Besitzer Spuren von Schwäche sucht. Er wandte den Blick schnell wieder ab in der ihm unangenehmen Erkenntnis, daß er nicht wußte, ob sie einfach ein schauspielerisches Naturtalent war oder ob es sich um eine Facette ihres Wesens handelte, die er bisher nicht zur Kenntnis genommen hatte.

Zu seiner Enttäuschung wies die Brückencrew der Eisernen Faust die Flederfalken an, in einem sekundären Hangar ein gutes Stück vor dem Haupthangar zu landen. Er hätte gern mit eigenen Augen den Schaden inspiziert, den Kells Tankerbombe im Haupthangar angerichtet hatte, hätte sich gern ein Bild davon gemacht, wie weit die Reparaturarbeiten gediehen waren.

Dia steuerte das Shuttle in den ihnen zugewiesenen Hangar. Dort befanden sich bereits zwei Interceptors, ein weiteres Shuttle der Lambda-Klasse und ein größeres Transportshuttle – ein häßlicher, kastenförmiger Truppentransporter, wie er von den Streitkräften Zsinjs häufig eingesetzt wurde.

Und ein Empfangskomitee – ein Offizier und ein halbes Dutzend Sturmtruppler. Einer der Sturmtruppler wies die Narra auf einen rot markierten Landeplatz. Dia setzte das Shuttle punktgenau auf.

»Vorhang auf«, sagte Face.

Sie gingen die Rampe hinunter: Face als erster, Dia und Kell links und rechts ein Stückchen hinter ihm. Face blieb unmittelbar vor dem Offizier stehen. Weder dieser noch einer der Sturmtruppler reagierte erkennbar auf Faces Narben-Make-up, das erste Mal, daß er eine solche Reaktion – oder besser gesagt, das Fehlen jeglicher Reaktion – erlebte.

Der Offizier, der Face gegenüberstand, war ganz anders, als er das erwartet hatte. Der Mann war groß und schlank mit Zügen, die eigentlich ausdruckslos gewesen wären, wäre da nicht dieses raubtierhafte Grinsen gewesen. Er schien gleichsam von innen heraus zu leuchten, und Face spürte die Gefahr, die von diesem Mann ausging. Dieser Mann hatte Spaß daran, zu gewinnen oder zu töten oder Schmerz zuzufügen – was es aber genau war, konnte Face nicht erkennen, wußte aber immerhin, daß das ein Gegner war, auf den man aufpassen mußte. Der Offizier hatte auch, für seinesgleichen sehr ungewöhnlich, lange und auf Hochglanz polierte Fingernägel; Face vermutete, daß sie aus Metall bestanden, und es hätte ihn nicht überrascht, festzustellen, daß sie sehr, sehr scharf waren.

Face räusperte sich. »Ich bin General Kargin, Gründer und Führer der Unabhängigen Raummacht Flederfalken.« Er setzte ein höfliches Lächeln auf und senkte die Stimme. »Ich glaube, ich habe eine Einladung.«

»Die haben Sie in der Tat. General Melvar. Ich befehlige die Angriffs Streitkräfte des Kriegsherrn und heiße Sie auf der Eisernen Faust willkommen.« Der General schüttelte Face die Hand. Ein fester Griff, ein kräftiges Händeschütteln – aber ohne den Versuch, zuviel Kraft aufzuwenden und aus dem Händedruck einen Wettkampf zu machen, um damit Dominanz zu demonstrieren. »Ihre Begleiter?«

Face deutete zuerst auf Dia, dann auf Kell. »Captain Seku, meine Stellvertreterin. Lieutenant Dissek, mein Leibwächter.«

»Sehr erfreut. Ehe wir fortfahren, gibt es ein paar bürokratische Unbequemlichkeiten, die wir hinter uns bringen müssen.«

»Oh?«

Der General sah ihn mit betrübter Miene an. »Zsinj ist ein Mann mit vielen Feinden. Aus diesem Grund gibt es in seiner Umgebung eine Vielzahl von Vorschriften, Vorschriften, bei denen ich um seiner eigenen Sicherheit willen darauf bestehe, daß er sie unter keinen Umständen aufhebt. Eine davon zwingt mich dazu, darauf zu bestehen, daß Sie für die Dauer Ihres Aufenthalts Ihre sämtlichen Waffen meinen Männern übergeben.«

Face zuckte die Achseln. Dann zog er seine Blasterpistole so blitzschnell, daß es die anwesenden Sturmtruppler überraschte und keiner von ihnen eine Waffe zog; er hätte Melvar und noch ein oder zwei weitere Männer ohne Mühe erschießen können, noch bevor einer von ihnen zu einer Reaktion fähig gewesen wäre. Er warf den Blaster mit einer ebenso eleganten Handbewegung in die Luft, fing ihn auf und reichte ihn mit dem Kolben voraus dem ihm am nächsten stehenden Sturmtruppler. »Ich habe hier keine Angst vor Verrat«, sagte er. »Lebend verspreche ich Zsinj zusätzliche Stärke. Tot würde ich ihn sehr teuer zu stehen kommen.«

Melvar nickte höflich und zuckte dann leicht die Achseln. Er nahm Faces Worte hin, ohne ihnen zu widersprechen oder sie zu bestätigen. Dia und Kell überreichten ihre eigenen Blaster auf weniger theatralische Weise.

»Der zweite Teil dieser bedauerlichen Vorschrift«, sagte Melvar, »erfordert es, daß Sie nach zusätzlichen Waffen gescannt werden, die Sie möglicherweise vergessen haben abzugeben, weil Sie sie vielleicht als Bestandteil Ihrer Kleidung und gar nicht so sehr als Waffen betrachten. Bitte.«

Face und seine beiden Begleiter hoben entgegenkommend die Arme und ließen zu, daß ein Sturmtruppler sie mit einem Handscanner abtastete. Faces Überprüfung verlief ohne Ergebnis, anschließend auch die von Dia.

Dann war Kell an der Reihe. Auch seine Kleidung löste den Waffenscanner nicht aus, aber der Sturmtruppler hinter ihm war offenbar der Ansicht, er müßte die Arme etwas höher heben, und tippte deshalb mit dem Lauf seines Blasterkarabiners an die Unterseite von Kells Armen.

Kell trat einen Schritt zurück, so daß der Lauf der Waffe unter seinem rechten Arm war. Er preßte den rechten Oberarm an den Leib und drehte sich dabei zur Seite, riß dabei gleichzeitig dem Mann den Blaster aus der Hand und traf den Sturmtruppler mit dem Ellbogen unter dem Helm. Wenn er den Schlag nur in einem geringfügig anderen Winkel angesetzt hätte, hätte er dem Mann die Luftröhre zerquetscht, aber Kell drückte nur seinen Ellbogen hoch und preßte ihn gegen das Kinn des Mannes. Alle hörten das Geräusch, mit dem die Kinnlade des Mannes zuschnappte.

Der Sturmtruppler fiel zu Boden, begleitet von einem lauten Krachen seines Panzers.

Die anderen Sturmtruppler zielten auf Kell. Kell schaltete mit einer theatralischen Geste die Energiezufuhr des Blasters ab und hielt ihn dann seinem zu Boden gegangenen Besitzer hin. »Gibt es ein Problem?«

General Melvars Mundwinkel zuckten beinahe amüsiert. »Sie scheinen einem meiner Männer weh zu tun.«

»Weh tun?« Kell sah auf den am Boden liegenden Sturmtruppler hinunter, als sähe er ihn zum ersten Mal. »Oh, ich versichere Ihnen, das war nicht meine Absicht. Das war reiner Reflex. Wenn ich vorgehabt hätte, ihm weh zu tun, würde er Sie jetzt anflehen, ihn zu töten.«

Dann wandte Face sich wieder Melvar zu. »Ich bitte um Entschuldigung.«

Der General schüttelte den Kopf. »Das bedarf keiner Entschuldigung. Der Mann hatte keine Anweisung, sich gegenüber hochgeehrten Gästen so zu benehmen. Ich denke, ein wenig Elektrizität wird ihm guttun.« Er gab einem anderen Sturmtruppler einen Wink, sich um den Bewußtlosen zu kümmern, und trat dann neben Face. »Was zahlen Sie diesem Mann für seine Leibwächtertätigkeit?«

»Das bleibt mein Geheimnis«, antwortete Face. »Wenn Sie ihn abwerben wollen, müssen Sie ihm schon ein Angebot machen, ohne meine wirtschaftlichen Verhältnisse zu kennen.«

Melvar verdrehte die Augen.

 

Sie landeten in einem Feld mit Obstbäumen, das keinen Kilometer von dem verkohlten Oval entfernt war, wo einmal New Oldtown gewesen war. Es war Nacht, und das einzige Licht, das Lara und Donos hatten, kam von einem einsamen Halbmond am Himmel.

Sie näherten sich der verkohlten Zone aus dem Osten, wo man von einem kleinen Hügel auf die verkohlten Überreste der Ortschaft hinunterblicken konnte. Lara erklärte Donos, daß hier einmal eine Farm gestanden hatte; sie sagte ihm nicht, daß sie das dem Hauptcomputer entnommen hatte, kurz bevor Admiral Trigit die kleine Gemeinde dem Erdboden gleichgemacht hatte. Als sie den höchsten Punkt des Hügels erreicht hatten, ließen sie sich auf Hände und Knie nieder und bewegten sich kriechend weiter, bis das Ruinenfeld unter ihnen lag.

Was einmal New Oldtown gewesen war, war jetzt so schwarz wie eine wolkige Nacht. Was sie von dem Terrain sehen konnten, deutete darauf hin, daß die ehemalige Gemeinde und die sie umgebenden Farmen jetzt nur noch verkohlte Furchen und Krater waren – jedenfalls bestand das Terrain, das sie direkt vor Augen hatten, aus nichts anderem.

Aber in der Mitte davon stand ein Haus – eine vorfabrizierte, quaderförmige blaue Behausung, deren Farbe sich auffällig von der Umgebung abhob, und aus den Fenstern strömte freundlich wirkendes Licht. Es sah aus wie ein billiges Puppenhaus.

Donos richtete das Teleskop seiner Scharfschützenwaffe darauf und stellte die Entfernung ein. Er sagte kein Wort, sondern arbeitete konzentriert. Lara erkannte, daß er das, was er jetzt tat, schon Dutzende Male unter ähnlichen Begleitumständen getan hatte.

»Die werden wahrscheinlich nach großen Lebensformen scannen, wenn ich komme«, sagte sie. »Für den Fall, daß ich Verbündete mitgebracht habe. Was ja der Fall ist.«

»Wir sind fast einen Kilometer entfernt«, meinte Donos. »Es kann natürlich sein, daß die einen Scanner eingeschaltet haben, der mich wahrnehmen könnte, aber vermutlich nicht. Haben Sie Ihr Kommlink auf Dauersendung geschaltet?«

»Nein. Darauf würden die bestimmt achten. Ich werde es ausgeschaltet lassen, wenn ich hineingehe.«

Er sah sie an, und in dem tiefen Schatten war nur sein rechtes Auge zu sehen. »Das halte ich für keine gute Idee. Wenn Sie Schwierigkeiten bekommen…«

»Wenn ich meine Faust hebe, dann bedeutet das, daß ich Schwierigkeiten habe. Dann können Sie mir zu Hilfe kommen. Wenn nicht, habe ich die Lage unter Kontrolle.«

Er seufzte und war sichtlich unzufrieden. »Na schön. Aber daß Sie mir sofort um Hilfe rufen, wenn Sie das Gefühl haben, die Situation könnte Ihnen aus der Hand gleiten.«

»Wenn es dazu kommt.« Sie zögerte kurz, wußte nicht recht, was sie sagen sollte. Sein Tonfall ließ erkennen, daß seine Sorge um sie nicht nur der Professionalität entsprang – er war wirklich besorgt, was mit ihr passieren würde. Daran war sie nicht gewöhnt, deshalb wußte sie nicht, wie sie reagieren sollte. Und so richtete sie sich einfach auf und ging den Hügel hinunter auf das lächerliche blaue Haus zu.

 

Castin Donn beobachtete Zsinjs Scannerteam dabei, wie es die Narra vom Bug bis zum Heck durchsuchte. Das Bild auf dem kleinen, tragbaren Schirm war nicht gut – vorwiegend ein blauweißes Flackern, mehr gab das Miniatur-Holoobjektiv nicht her, das er in der Kabine des Shuttle angebracht hatte –, aber immerhin konnte er erkennen, welche Armaturen im Cockpit geöffnet wurden, um dort die mitgebrachten Geräte zu installieren. Vermutlich ein Peilgerät. Sie riefen auch das Hauptsteuerprogramm des Shuttle auf, hielten sich aber nicht lang damit auf – vermutlich nur, um die Aufzeichnungen über ihr Eindringen zu löschen. Nicht, daß ihnen das viel nützen würde; Castin hatte sich ziemlich lange mit den Systemen der Narra befaßt, und deshalb waren sämtliche Standardinterfaces aller Shuttleprogramme in Wirklichkeit nur Fassade. Codespleißer konnten sich mit diesen Programmen beschäftigen, soviel sie wollten, ihre Änderungen würden ausschließlich von dem befugten Bedienungspersonal des Shuttle bestätigt oder gelöscht werden müssen.

Das Scannerteam verließ das Shuttle, und die Rampe schloß sich wieder. Es war Zeit, sich in Bewegung zu setzen.

Castin schaltete die Holokam ab und legte den Bildschirm vorsichtig beiseite. Jede seiner Bewegungen mußte präzise und vorsichtig sein. Er lag im vollen Sturmtruppenpanzer auf dem Rücken, den Helm neben dem Kopf, und hatte nicht mehr Platz zur Verfügung als die Hälfte des Schmuggelabteils… er hatte eine Holokamleitung und einen Atemschlauch durch den Scannerschild geschoben – und sie natürlich während des eigentlichen Scanvorgangs abgeschaltet –, aber ansonsten verfügte die enge Kammer über nichts, was irgendwie zu seinem Komfort beitrug, und er hatte seit Stunden hier drinnen geschwitzt, daß er jetzt stank wie ein Bantha in der Brunft.

Neben ihm war mit Klebeband ein Spiegel befestigt, bei dem es sich um einen langen Streifen reflektierenden Materials handelte, der so im Fünfundvierziggradwinkel angeordnet war, daß jemand, der in das Abteil sah, die obere Fläche des Abteils statt der Rückwand sah. Der Spiegel war so sorgfältig angebracht, daß er ihn verdeckte, aber jedem, der in das Abteil sah, den Eindruck vermittelte, daß es hinten leer war.

Jetzt nahm er die einzelnen Schritte, die ihn hierhergebracht hatten, in umgekehrter Reihenfolge vor. Er löste das Klebeband, mit dem der Spiegel an der Decke des Abteils befestigt war, und legte ihn neben sich. Dann schob er vorsichtig die Dinge, die er mitgebracht hatte, beiseite und schaffte sich damit einen schmalen Fluchtweg. Er legte den Schalter um, der die Tür des Abteils öffnete, und zwängte sich nach draußen in den Aufenthaltsraum der Narra – wo die Luft vergleichsweise gut war. Er blieb dort ein paar Augenblicke auf dem Boden liegen und sog die Luft in tiefen Zügen in sich hinein, holte dann seinen Helm und anderes Gerät aus dem Abteil und verschloß es wieder.

Sein Plan war angelaufen. Er mußte das Shuttle und den Hangar verlassen, ohne daß die Hangarwachen etwas bemerkten, mußte irgendwo einen funktionierenden Computeranschluß finden, die Schiffssicherheit mit geschickten Spleißertricks überlisten und sein Programm überspielen – und dann wieder in sein Versteck zurückkehren und warten. Das würde Mühe kosten, aber schließlich war er ein Mitglied der Gespensterstaffel. Er würde es schaffen.

Und in ein paar Tagen, wenn die Eiserne Faust ein glühender Ball aus überhitztem Gas oder gar in den Händen der Neuen Republik war, würde Commander Antilles zugeben müssen, daß Castin die ganze Zeit über recht gehabt hatte.

 

General Melvar und die Flederfalken betraten eine Brücke, auf der hektische Aktivität herrschte.

Im Kommandobereich war ein schmaler Tisch aufgebaut, der aber lang genug war, um zwanzig Leuten Platz zu bieten, und der für etwa ein Dutzend Personen gedeckt war. Am Kopfende des Tisches, mit dem Rücken zu den Sichtluken, die jetzt den vertrauten Wirbel des Hyperraumfluges zeigten, saß in seiner in makellosem Weiß strahlenden Admiralsuniform Zsinj. Er hielt die Hände über dem mächtigen Bauch verschränkt, sein Schnurrbart hing ihm über die Mundwinkel, und er wirkte insgesamt äußerst zufrieden. Die an seinem Tisch versammelten Offiziere unterhielten sich lebhaft, aber als die Flederfalken den Raum betraten, konnten sie von diesen Gesprächen nichts hören – der Lärm aus der Mannschaftsgrube darunter übertönte sie.

Uniformierte Offiziere taten dort sichtlich ohne große Rücksicht auf militärisches Protokoll ihren Dienst. Einige überwachten, in ihre Sessel zurückgelehnt, ihre Bildschirme, wobei sie die Füße auf die Konsolen gelegt hatten. Andere standen in Dreier oder Vierergruppen herum, zwar den Blick auf die Bildschirme gerichtet, aber ins Gespräch mit ihren Kollegen vertieft. Ein paar Mannschaftsdienstgrade drängten sich vor den Schirmen um einfache TIE-Simulatoren. Ein Stück weiter vorn, dem Bug zugewandt, trugen zwei Sturmtruppler mit Vibroklingen ein offenbar freundschaftliches Duell aus, wenn ihre Schläge auch tiefe Spuren auf ihren weißen Panzern hinterließen.

Alle redeten durcheinander, so daß eher der Eindruck eines Konferenzsaals als einer Brücke entstand.

General Melvar führte die Flederfalken zum Kopfende des Tisches und ließ sie Platz nehmen, ehe er sie vorstellte. »Kriegsherr, gestatten Sie mir, Ihnen General Kargin, Captain Seku und Lieutenant Dissek, die ehrenwerten Vertreter der Flederfalken, vorzustellen. General Kargin, Ihr Gastgeber, der Kriegsherr Zsinj.«

Face deutete eine leichte Verbeugung an.

Endlich wandte Zsinj seine Aufmerksamkeit den neuen Gästen zu und lächelte. »Ich freue mich, endlich Ihre Bekanntschaft zu machen. Willkommen an Bord der Eisernen Faust.«

»Ein gewaltiges Schiff«, bemerkte Face. »Ich hoffe, wir haben nicht zuviel Schaden angerichtet.«

»Nein, bestimmt nicht. Oh, mehrere Explosionen dieser Art wären höchst unbequem gewesen, aber unsere Reparaturkapazität ist ohnegleichen.«

Face strich sich in einer affektierten Geste der Erleichterung über die Stirn. »Also, das gibt uns wirklich Grund zum Feiern. Ich habe keine Skrupel, mir meine Beute bei Dreckkriechern wie den Leuten von Halmad zu holen, aber – und das zu sagen tut meiner Ehre keinen Abbruch – ich möchte mir wirklich nicht die dauerhafte Feindschaft Zsinjs zuziehen.«

Das Lächeln des Kriegsherrn wurde breiter. »Mir war von Anfang an klar, daß Sie ein intelligenter Pirat sind – sonst wären Sie nicht so erfolgreich gewesen. Aber lassen Sie uns doch speisen, ehe wir zum eigentlichen Thema unseres gemeinsamen Abends kommen.«

»Bitte.« Face wußte, daß es ihm gelungen war, entspannt zu klingen und zu wirken, aber das hieß nicht, daß er nicht unter Spannung stand, und die Mahlzeit war nur eine weitere Gelegenheit für Zsinj, ihnen zu schaden – mit Gift beispielsweise. Wenn sie den Mann richtig eingeschätzt hatten, war das nicht zu befürchten. Aber es bestand immer die Möglichkeit, daß ihnen bei ihrer Beurteilung ein Fehler unterlief.

 

Lara blieb ein Dutzend Schritte vom Haus entfernt stehen, griff verstohlen nach ihrem Blaster und vergewisserte sich, daß er noch da war. »Hallo, Lager«, rief sie. Das war der auf Aldivy übliche Gruß, wenn Besucher sich einer Behausung näherten – selbst wenn sie zu einem riesigen Regierungsgebäude oder einer üppigen Villa kamen, wurden diese traditionsgemäß als Lager bezeichnet. »Tavin, bist du da?«

Die Tür vorn am Haus schob sich auf, und da stand er, die menschliche Komplikation aus ihrer Nachricht, dunkel und gutaussehend, ein Mann, der sich seiner Attraktivität auch bewußt war und sie bei jeder Gelegenheit als Werkzeug einsetzte. Er strahlte. »Lara.« Er ging mit ausgebreiteten Armen auf sie zu.

Sie drückte ihm die Hand gegen die Brust und schob ihn zurück. »So nicht. Als so eng empfinde ich unsere Beziehung im Augenblick nicht.«

Seine Gesichtszüge entgleisten. »Tut mir leid. Vielleicht später. Willst du reinkommen?«

»Nein, ich verbringe ohnehin viel zu viel Zeit in engen Räumen. Mir gefällt die frische Luft hier draußen.«

Er zuckte die Achseln. »Nun, dann wollen wir es uns etwas heller machen!« Er ging zur Tür zurück und betätigte einen Schalter. Ein über der Tür angebrachter Scheinwerfer beleuchtete die verkohlte Schwärze vor seinem Haus. »Ich möchte dir jemanden vorstellen.«

»Das kann ich mir denken.«

Er winkte, und kurz darauf erschien ein weiterer Mann in der Tür. Er war spindeldürr und trug die Kleidung eines aldivyanischen Farmers… aber sein dünnes, blondes Haar, die Tatsache, daß seine Hände keinerlei Schwielen aufwiesen, seine aristokratischen Züge und – nicht zuletzt – der Blaster an seinem Gürtel ließen Lara keinen Zweifel daran hegen, daß dies kein aldivyanischer Farmer war.

»Lara, ich möchte dir Captain Rossik vorstellen. Er war geradezu erpicht darauf, mit dir zu sprechen.«

Der blonde Mann lächelte ebenso strahlend wie unaufrichtig und trat vor, um Lara die Hand zu schütteln. »Das war ich in der Tat. Lieutenant Petothel, erlauben Sie mir, Ihnen zu allem, was Sie geleistet haben, zu gratulieren.«

Sie nahm sein Kompliment mit einem frostigen Lächeln entgegen und nickte nur. Das war der Grund, weshalb sie ihr Kommlink nicht auf Sendung geschaltet hatte; sie wollte nicht, daß ihr Kollege hörte, wie sie mit einem anderen Namen angesprochen wurde. »Ich bin wirklich sehr froh, daß Sie mich erreichen konnten«, sagte sie.

»Tavin, holen Sie doch ein paar Stühle und etwas zu trinken.« Rossik wandte sich wieder Lara zu. »Wie lange können Sie bleiben, ohne Argwohn zu erwecken?«

»Zwei Tage vielleicht. Ich habe wegen Tavins plötzlichem Auftauchen Sonderurlaub bekommen, aber nur für ein paar Tage.«

»Nun, man braucht sich ja nur Ihre Unterlagen anzusehen, dann weiß man, daß Sie eine gute Auffassungsgabe haben. Sie sollten nicht lange dazu brauchen, den Umgang mit dem Gerät zu lernen, das wir Ihnen geben werden.«

»Gerät?«

»Ein Spezialsender. Er sendet in sehr kleinen Informationspaketen über das alte imperiale HoloNet. Dabei ist er nur etwa dreißig Kilo schwer. Er kostet freilich mehr als ein TIE-Interceptor. Wir können den Sender dazu benutzen, die Mon Remonda anzupeilen und sie zu vernichten.«

»Mit mir an Bord.«

»Nein, natürlich nicht. Sie bringen den Sender an, und dann verschwinden Sie bei Ihrem nächsten Einsatz einfach und kommen zu uns. Dann, und erst dann, wird das Schiff von uns zerstört.«

Lara tat so, als würde sie darüber nachdenken, und sie schwieg, bis der mürrisch wirkende Tavin mit Stühlen für sie alle in der Tür erschien. Er stellte sie im Halbkreis auf und ging wieder ins Haus zurück.

Auf Rossiks einladende Geste nahm Lara Platz. »Es tut mir leid, aber das wird nicht gehen.«

»Warum?«

»Die Sicherheitsvorkehrungen auf der Mon Remonda sind sehr umfassend. Wenn wir aus dem Urlaub zurückkehren, ganz gleich, wo wir waren, wird unser Gepäck gründlich durchsucht. Und außerdem sagen sie uns auch nie, wo wir gerade sind. Bei den Einsatzbesprechungen werden immer nur Codebezeichnungen benutzt. Man hält uns völlig im Dunkeln.«

Rossiks Augenbrauen schoben sich in die Höhe. »Mir war gar nicht bewußt, daß die Rebellen so gut organisiert sind. All das Gerede von individuellen Freiheiten…«

Lara fiel ihm mit einer wegwerfenden Handbewegung ins Wort. »Eine glatte Lüge. Auf der Implacable hat man mich nie so scharf überwacht wie auf dem Rebellenschiff.«

»Nun, dann gibt es also keine Sendemöglichkeiten – vielleicht mit Hilfe des Kommunikationssystems der Mon Remonda selbst?«

»Ja, das sollte möglich sein.« Ich könnte dich zu der versammelten Flotte führen und zusehen, wie die Eiserne Faust aus dem Weltraum geblasen wird. »Das wäre wahrscheinlich die beste Methode.«

Aus Rossiks Tasche ertönte ein Piepen. Er zog ein Datapad heraus, warf einen Blick auf sein Display, und seine Haltung wurde plötzlich starr. »Lassen Sie sich nichts anmerken. Der Lebensscanner im Haus signalisiert, daß im Osten jemand ist, höchstens einen Kilometer entfernt. Das bedeutet, auf dem ersten Hügel dort drüben.«

Lara versuchte, locker zu bleiben. »Das ist mein Flügelmann. Er hat mich aus Sicherheitsgründen hierher begleitet.«

Rossik warf ihr einen kühlen Blick zu. »Seltsam, daß Sie das vorher nicht erwähnt haben.«

»Es war doch nicht wichtig, oder? Er ist bei unserem X-Flügler geblieben, um ein paar Wartungsarbeiten durchzuführen, während ich meinen lieben Bruder besuche.«

»Nun, das Problem ist nur, daß er jetzt nahe genug ist, um mich möglicherweise gesehen zu haben. Und das darf nicht sein. Die Rebellen haben Holos von mir. Reden Sie beide weiter. Ich werde jetzt ins Haus zurückkehren, es durch den Hinterausgang verlassen und mich in einem weiten Bogen von hinten an ihn heranpirschen. Das sollte zehn Minuten, höchstens eine Viertelstunde dauern.«

»Nein«, widersprach Lara.

»Was haben Sie gesagt?«

»Ich habe Nein gesagt. Ich kann nicht mit meinem Flügelmann auf Aldivy erscheinen und dann ohne ihn zu den Gespenstern zurückkehren. Das würde sie neugierig machen.«

Sie versuchte gar nicht erst, ihren sarkastischen Tonfall zu verbergen.

Rossik überlegte. »Na gut. Neuer Plan. Ich gehe und töte Ihren Flügelmann, und dann bringen wir Sie und Ihre beiden X-Flügler zur Eisernen Faust zurück. Jetzt gleich.«