5
Shalla versuchte, jede Bewegung, jeden Kurswechsel des Gleiters zu interpretieren, auf dessen geschlossener Ladebrücke sie sich befand. Irgendwann einmal mußte das Fahrzeug einfach an seinen Standplatz oder in irgendeinen Fahrzeughangar zurückkehren. Irgendwann würde sie mit ihrem Teil des Einsatzes beginnen können… einem Teil, bei dem sie ganz auf sich allein gestellt war.
Der Gleiter fuhr eine weite, rechte Kurve, wurde dann langsamer und sank mit einem mißtönenden, metallischen Klirren zu Boden. Shalla hob ihren Blasterkarabiner und richtete ihn auf die Tür. Es gab Sturmtruppler, die ihre Fahrzeuge überprüften, ehe sie sie verließen; andere taten das nicht.
Die ihren fielen offenbar in die zweite Kategorie. Die Tür blieb verschlossen. Dann gingen die Lichter aus.
Sie hörte draußen das Lachen eines Mannes. Ihre Muskeln spannten sich. Aber das Lachen war von der Art, wie man es nach einer witzigen Bemerkung hört, nicht boshaft, nicht für einen Feind bestimmt, der in einer Falle steckt. Als sie die schweren Schritte eines Sturmtrupplers in einer Kompositrüstung auf dem Betonboden hörte, lockerten sich ihre Muskeln wieder.
Sie wartete noch eine Minute lang. Sie wollte, daß die Sturmtruppler sich ein gutes Stück von dem Gleiter entfernten, aber sie wollte ihnen nicht genug Zeit lassen, sich darüber klarzuwerden, daß etwas nicht stimmte. Schließlich erhob sie sich, suchte sich mit Hilfe ihres Leuchtstabes den Türschalter und drückte ihn nieder.
Nichts, nicht einmal ein Piepsen. Der Schalter funktionierte nicht, die gesamte Energieversorgung des Gleiters war ausgeschaltet worden. Sie stieß eine halblaute Verwünschung aus, aber die Situation war nur lästig, nicht fatal.
Sie schaltete ihr Helmkomm ein, nahm den Sturmtruppenhelm ab und nahm sich ein paar Minuten Zeit, das gesamte Kommgerät mitsamt seiner Energieversorgung auszubauen. In den nächsten paar Minuten schraubte sie den Deckel des Türschalters ab und schloß die Energieversorgung des Komm dort an. Dann setzte sie den jetzt leichter gewordenen Helm wieder auf und griff nach ihrem Karabiner.
Diesmal öffnete sich die Tür augenblicklich. Draußen blickte sie auf die glatte Wand eines weiteren Gleiters, der gerade weit genug entfernt war, daß sie die Tür ihres Gleiters als Rampe ausfahren konnte. Als Shalla sich umsah, entdeckte sie auf der rechten Seite eine ganze Reihe von Gleitern verschiedener Typen, von denen einige klein und fast sportlich wirkten, und dahinter die Trennwand der Fahrbereitschaft; auf der linken Seite eine freie Durabetonfläche und an deren Ende geschlossene Hangartüren. Stimmen drangen an ihr Ohr; sie konnte nicht verstehen, was gesprochen wurde, aber es waren Männer, zwei oder drei mindestens, die sich sichtlich vergnügt und immer wieder in Gelächter ausbrechend miteinander unterhielten. Die Stimmen kamen aus dem hinteren Teil der Fahrbereitschaft. Außerdem glaubte sie, aus dem vorderen Bereich ebenfalls eine Männerstimme zu hören.
So weit, so gut. Sie verließ den Gleiter, warf einen wachsamen Blick in die Runde und drückte dann den Knopf, um die Tür wieder zu schließen. Aber die Rampe fuhr nur halb in die Höhe und kam dann mit einem pfeifenden Geräusch zum Stillstand, ehe sie langsam wieder zu Boden sackte.
Sie bückte sich und hob die Rampe mit einiger Kraftanwendung in die Höhe. Die Helmbatterie reichte offenbar nicht aus, den Türmechanismus zu betätigen. Es kostete sie einige Kraft, die Tür wieder in die ursprüngliche Lage zu bringen. Sie schnappte nicht ein, würde aber für einen arglosen Beobachter den Eindruck machen, geschlossen zu sein.
Jetzt galt es, drei Probleme zu lösen: zwei Gruppen imperialer Arbeiter oder Sturmtruppen und etwaige zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen, über die das Gebäude wahrscheinlich verfügte. Sie sah sich um und musterte die Stellen an den Metallträgern, die die gewölbte Decke trugen, wo solche Sensoren gewöhnlich angebracht waren.
Nichts. Sie atmete erleichtert auf. Gleiter waren für diesen Stützpunkt offenbar nicht wertvoll genug, als daß eine dauernde Überwachung gerechtfertigt gewesen wäre. Das erste Problem war damit abgehakt. Sie ging ein paar Schritte auf die Stelle zu, von wo aus die einzelnen Männerstimmen gekommen waren, und wünschte sich, sie besäße Tyrias Fähigkeit, sich beinahe lautlos zu bewegen.
Die Gespenster warteten, an die Außenwand des Hangars gepreßt, im Schatten des Gebäudes.
Wedge, der zweite in der Reihe, unterdrückte eine Verwünschung. Die glänzenden weißen Sturmtruppenpanzer, die sie alle trugen, leuchteten förmlich in der Finsternis. Selbst bei völliger Dunkelheit würden sie unmöglich zu übersehen sein, wenn jemand in ihre Richtung blickte.
Janson, der vor ihm an die Wand gepreßt wartete und seinen Helm abgenommen hatte, drehte sich um, hob zwei Finger und schüttelte dann den Kopf. Zwei Wachen an der Vorderseite des Gebäudes, mit denen sie kein leichtes Spiel haben würden. Wedge tauschte den Platz mit ihm und nahm ebenfalls seinen Helm ab, genoß einen Augenblick lang das Gefühl frischer Luft im Gesicht und spähte ebenfalls hinüber. Zwei Lichtquellen, die an der Vorderseite des Gebäudes angebracht waren, beleuchteten die Hangarfassade. Darunter war eine große, zweiteilige Schiebetür zu erkennen. Die Durabetonfläche vor der Tür zeigte viele Brandspuren, Anzeichen für zahlreiche überhastete Starts von TIE-Jägern, die aus dem Hangar geschossen und sofort in den Himmel gestiegen waren. Daraus war zu schließen, daß die Piloten des Stützpunkts sich für Fliegerasse hielten und einen Kommandeur hatten, der dieses Verhalten billigte – und das war ein Nachteil für die Gespenster.
Beiderseits der Tür, vielleicht zwanzig Meter voneinander entfernt, waren Wachen in Sturmtruppenpanzern zu sehen. Sie standen zur Tür gewandt da, so daß jeder den anderen und den größten Teil des Gebäudes sehen konnte. Möglicherweise unterhielten sie sich über private Kanäle ihrer Helmkomms, ansonsten wirkten sie aber äußerst aufmerksam.
Wedge entschied für sich, daß die einfachste Taktik, die für solche Anlässe in Frage kam – Mach-Lärm-und-dann-kommt-schon-einer –, hier ausschied. Wachen wie diese, die einen so professionellen Eindruck machten, würden zweifellos überprüfen, was der Lärm zu bedeuten hatte, aber vorher über Komm Meldung machen. Wenn derjenige, der nachsehen kam, nicht ständig seinem Kollegen berichtete, was er sah, würde der auch das melden. Und das würde dazu führen, daß das ganze Gelände innerhalb weniger Augenblicke von Sturmtrupplern wimmeln würde. Wedge und die Gespenster brauchten aber Zeit an den Fahrzeugen im Hangar – mindestens eine halbe Stunde.
An der Vorderseite des Gebäudes gab es noch eine weitere Tür, unmittelbar links von dem linken Wachmann, aber sie war sicher verschlossen und sah aus dieser Distanz wie eine Panzertür aus – sie würde also durchaus zu verteidigen sein, wenn jemand im Inneren des Hangars das wollte.
Wedge tauschte wieder den Platz mit Janson und überließ es diesem, aufzupassen. Im Flüsterton erklärte er den anderen, was er gesehen hatte. »Vorschläge?« fragte er dann.
Castin meinte: »Ich könnte mich vielleicht in den Hauptcomputer des Stützpunktes einspleißen und die beiden vom Dienst befreien lassen; dann brauchten nur zwei von uns hinüberzumarschieren und sie wegschicken oder abschießen.«
Wedge überlegte. »Das könnte funktionieren, aber die Computerverbindung müßte bestehen bleiben, oder wir müssen uns ein paar Minuten später eine neue aufbauen, wenn wir unseren Fluchtvektor überlegen.«
»Richtig.«
Dia meinte: »Ich bin dafür, daß wir warten, bis wir sicher sind, daß es sonst keinen Verkehr hier gibt und niemand sie beobachtet…«
»Und das heißt, wir müssen so lange warten, bis wir wissen, daß sie über ihre Helmkomms nicht mit jemand anderem in Verbindung stehen«, sagte Kell.
»– und dann treten wir vor und schießen sie ab. Zwei Schützen. Wir laufen hinaus, packen sie und ziehen sie zur Gebäudewand, und dann treten zwei von uns an ihre Stelle. Anschließend haben wir genug Zeit, ihnen die Schlüssel abzunehmen und hineinzugehen.«
Wedge schüttelte den Kopf. »Das klingt mir zu simpel.« Dann überlegte er. »Andererseits hat das vermutlich auch seinen Vorteil. Schön, wir machen es so. Aber vorher möchte ich gern wissen, Knirps, ob diese beiden auf Sendung sind? Durchsuche die Frequenzen im imperialen Bereich und sieh dich nach schwachen Signalen um; wenn die beiden bloß miteinander plaudern, benutzen sie sicherlich nicht die üblichen Frequenzen.«
Knirps nicke und holte das Kommlink heraus, eine der neuesten Errungenschaften der Neuen Republik, das man ihm anvertraut hatte, als er das Amt des Kommunikationsspezialisten der Staffel übernommen hatte. Das Gerät sah wie ein etwas zu groß geratenes Datapad aus und verfügte bei weitem nicht über die Möglichkeiten eines Komms wie dasjenige, das Jasmin Ackbar, ihre vorherige Spezialistin, immer mit sich herumgetragen hatte, war aber dafür klein genug, um unauffällig unter einen Sturmtruppenpanzer zu passen.
Knirps rief eine Reihe von Funktionen auf, wurde dann ungeduldig und tauschte mit Wes den Platz. Jetzt konnte er das Gerät auf den Boden stellen und die Vorderseite dicht an die Gebäudekante heranschieben. Schließlich nickte er. »Ich hab’s«, flüsterte er den anderen zu. »Ihr Signal klingt nach Einsatzleitung, aber irgendwie ist das verwirrend. Schaltet eure Kommlinks auf Null-Drei-Null-Sieben-Vier, wenn ihr es hören wollt.«
Wedge kam der Aufforderung nach und konnte augenblicklich das Gespräch der beiden Wachen belauschen.
Einer der beiden sagte gerade mit tiefer Baßstimme: »Leichtes Offensivfahrzeug zwölf auf Block Alpha zwei.«
Der andere, dessen heisere Stimme eher im Baritonbereich lag, erwiderte: »TIE vier auf Feld Delta sechzehn.«
»Das ist außerhalb deiner Reichweite.«
»Ist es nicht.«
»Dann durchquerst du wohl die Plasmawand und explodierst? Nett, daß du mir eine Figur opferst.«
»Äh… sagen wir, TIE vier auf Feld Delta zwölf.«
»Schwere Batterie eins feuert auf TIE vier. TIE vier streichen.«
»Verdammt. Zielerfassung schwere Batterie eins.«
Wedge schaltete ab und sah die anderen an. »Erkennt jemand, über was die reden?«
Dia nickte. Wahrscheinlich fühlte sie sich mit ihren in den Sturmtruppenhelm gestopften Kopfschwänzen nicht sonderlich wohl, aber bis jetzt hatte sie sich nicht beklagt. »Es nennt sich Quadrant«, erklärte sie. »Das ist ein Spiel, das auf der imperialen Akademie häufig gespielt wird. Uralt, aber seit einiger Zeit wieder in Mode.«
»Läuft da eine Datenübermittlung mit dem Stimmsignal?« wollte Wedge wissen.
Knirps schüttelte den Kopf.
»Die spielen das mit Visualisierung«, schnaubte Wedge. »Ist ja großartig. Zwei Intellektuelle als Hangarwachen. Schön, dann werden wir unser Spiel auf unsere Art spielen. Wes, Donos, ihr übernehmt das Schießen. Wes, du gehst zur vorderen rechten Ecke und beziehst dort Posten. Wir werden kein Kommlinksignal benutzen – das könnte jemand abhören. Wir vereinbaren einen Zeitpunkt. Ihr beiden schaltet eure Blaster auf Lahmen. Stimmt eure Chronos ab und feuert exakt drei Minuten nach Zeitpunkt Null… es sei denn, ihr seht oder hört etwas Ungewöhnliches. In dem Fall geht ihr in Deckung und versucht es sechs Minuten nach dem Zeitvergleich noch einmal. Falls sich auch bei sechs Minuten keine Chance bietet, ist der Einsatz gestrichen, und ihr kommt hierher zurück. Tainer, du gehst mit Wes, um den anderen Posten wegzuschaffen; Phanan, du übernimmst seine Position. Knirps, du schaffst den bewußtlosen Wachmann auf dieser Seite weg; Face, du übernimmst seine Position.«
Die drei Minuten vergingen endlos langsam. Etwa nach der Hälfte der Zeit fuhr ein mit zwei Sturmtrupplern besetzter Lastgleiter, der ein Lasergeschütz hinter sich herzog, am Hangar vorbei. Wedge und die anderen preßten sich an die Wand, aber die Insassen des Gleiters sahen nicht einmal zu ihnen herüber.
Wedge bemerkte, daß Donos ständig auf sein Chrono sah. Zwanzig Sekunden vor den festgesetzten drei Minuten nahm Donos seinen Helm ab. Bei fünfzehn Sekunden vergewisserte er sich, daß sein Blasterkarabiner auf Lahmen geschaltet und schußbereit war. Bei zehn Sekunden spähte er um die Ecke herum, und er wiederholte das bei fünf Sekunden. Dann, als der Augenblick da war, trat er hinter der Wand hervor.
Der Lähmschuß war ungewöhnlich laut; Wedge hatte das Gefühl, daß man ihn selbst noch in der nahegelegenen Stadt, in Hullis, hatte hören können. Er blieb an die Wand gepreßt stehen, während Knirps und Face an ihm vorbeirannten. Erst jetzt spähte auch er um die Ecke, den Blaster schußbereit, falls seine Leute Hilfe brauchten.
Knirps wäre fast gestürzt, als er vor dem bewußtlos auf dem Boden liegenden Sturmtruppler zum Stillstand kam; er hob den Mann mit übermenschlicher Leichtigkeit hoch, warf ihn sich über die Schulter und rannte zu Wedge zurück. Jetzt kam Kell von der anderen Seite, erledigte seine Aufgabe etwas langsamer und unter mehr Krafteinsatz, aber immer noch schnell. Er traf nur Sekunden nach Knirps ein, seine bewußtlose Last über der Schulter.
Jetzt standen wieder zwei Wachen vor dem Hangar, einander zugewandt und in militärischer Haltung. Wedge sah auf sein Chrono. Fünfzehn Sekunden waren verstrichen, und die Welt sah, äußerlich zumindest, wieder genauso aus wie zu Beginn jener kurzen Sekunden.
»Castin«, sagte Wedge.
»Alles klar«, ließ ihn sein Computer- und Sicherheitsexperte wissen, ehe er überhaupt eine Frage hatte stellen können. »Helme ab, kein Verkehr mit ihrer Kontrolle; ich bin jetzt dabei, ihre Befehle und Ausweise zu überprüfen. Keine Ausweise. Das bedeutet, daß es ein gesprochenes oder über Komm übermitteltes Passwort gibt. Ich hoffe nur, daß es über Komm läuft. Hmm…«
Shalla hielt sich geduckt hinter einem Werkzeugkarren versteckt. Keine vier Schritte entfernt war der Zugang zum Büro der Fahrbereitschaft. Zwei Sturmtruppler – vermutlich von dem Fahrzeug, mit dem sie hereingekommen waren – hielten sich in dem Büro auf; einer saß, und beide hatten die Helme abgenommen. Der zweite, ein großer, hellhäutiger Mann, stand an der Tür und hielt ein beschlagenes Glas mit einer blauen Flüssigkeit in der Hand. Der andere, wie es schien mittelgroß und mit einer Hautfarbe, die ähnlich dunkel war wie die Shallas, saß am Hauptterminal und diktierte gelangweilt. Shalla konnte das meiste hören, was er sagte. Es klang wie ein Routinebericht, und daraus schloß sie, daß er der diensthabende Offizier war.
»… ohne Gegenwehr. Kein Schußwaffeneinsatz. Nettoausgaben: Gleitertreibstoff für insgesamt achtundsiebzig Kilometer.«
Der andere sagte etwas, was Shalla nicht verstand. Der Mann am Terminal nickte und fügte hinzu: »Bei der Rückkehr angehalten, etwa einen halben Kilometer vor dem Stützpunkt, um die Streife von Sergeant – wie hieß er?«
Der andere zuckte die Achseln.
»Ich werde vorläufig einen Platzhalter einsetzen. Sergeant Platzhalter, dessen Gleiter einen Defekt hatte. Also – angehalten, um ihn, seine Gruppe und seine Gefangenen, darunter auch Lieutenant Cothron, zum Stützpunkt zu befördern. Zusätzliche Kosten: Treibstoff für fünf zusätzliche Gefangene und zehn zusätzliche Sturmtruppler…«
»Elf«, sagte der andere.
»Zehn.« Der Mann am Terminal überlegte. »Nun, Sie haben aufgepaßt, und ich nicht. Elf zusätzliche Sturmtruppler, Entfernung zwei Kilometer.« Er runzelte die Stirn und schüttelte dann den Kopf. »Ende des Berichts. Zur Prüfung vorlegen und den Platzhalter so programmieren, daß er den Namen des Gruppenführers ermittelt, dann haben wir es für heute abend geschafft.« Aber er griff noch nicht nach der Tastatur. »Sind Sie wegen der elf sicher?«
»Ja, das bin ich.«
Shalla stand auf und ging mit einem Selbstbewußtsein, als wäre sie Stützpunktkommandant, auf die Tür zu. Sie schob den dort stehenden Mann mit der Schulter zur Seite und tippte an den Türschalter. Die Bürotür fiel mit der Präzision, die alle imperiale Konstruktionen auszeichnete, ins Schloß.
Beide Männer sahen sie an. Der Mann, den sie weggeschubst hatte, sagte: »Wissen Sie, es ist schon lange her, daß ich jemandem wie Ihnen Manieren beigebracht habe.«
»Das wird auch noch eine Weile dauern«, antwortete sie und hieb ihm den Kolben ihres Blasters gegen das Kinn. Der Mann ging zu Boden, und das Glas mit der blauen Flüssigkeit zersplitterte.
Der Offizier war halb aufgesprungen, als ihr Schuß ihn traf. Der Blasterschuß traf ihn an der Brust, brannte sich durch den Panzer und warf ihn zu Boden.
Sie erstarrte. Sie hatte geglaubt, sie habe die Waffe auf Lähmen geschaltet.
Dann traf sie ein heftiger Stoß an der Seite, als sich der Mann, den sie niedergeschlagen hatte, von dem Schlag mit dem Blasterkolben sichtlich unbeeindruckt, auf sie stürzte. Er hatte sie mit solcher Wucht angesprungen, daß sie seitlich gegen einen Schreibtisch prallte. Wenn ihr Panzer nicht gewesen wäre, hätte sie sich möglicherweise an den dort verstreuten Utensilien und Zettelspießen aufgespießt, so aber prallte sie einfach dagegen und drückte alles platt, was auf der Schreibtischplatte lag.
Statt sich aus dem Griff des Mannes zu befreien, statt mit ihm um ihren Blaster zu ringen, den er jetzt mit der rechten Hand gepackt hatte, krallte sie sich mit einer Hand an der Schreibtischkante fest, streckte ihr rechtes Bein so weit sie konnte und trat dann mit aller Kraft zu. Der Tritt traf den Sturmtruppler in der Kniekehle und ließ ihn zu Boden gehen, wobei er sie mit sich herunterzog.
Mit der freien Hand griff er nach ihrer Kehle. Sie ließ ihren Blaster los, fegte seine Hand beiseite und hieb ihm den Handrücken gegen die Kehle.
Es war ein Handkantenschlag wie aus dem Bilderbuch, und sie spürte, wie seine Luftröhre nachgab. Die Augen des Mannes weiteten sich erschreckt, er ließ den Blaster los und griff sich mit beiden Händen an den Hals.
Sie packte ihre Waffe und trat einen Schritt zurück, um zuzusehen, wie er starb. Er gab würgende Geräusche von sich, als er versuchte, den Atem durch eine Öffnung in sich hineinzusaugen, die dazu nicht länger imstande war. Er warf ihr einen flehenden Blick zu, aber sie schüttelte den Kopf – da war nichts, was sie gegen seine Verletzung hätte tun können.
Plötzlich durchlief sie ein Zittern. Sie wußte, daß das nicht die Nachwirkung des Adrenalinschocks war. Zwei Männer tot, weil sie versagt hatte. Jemanden zu töten störte sie nicht sehr, das war es, was man in Kriegszeiten von Kriegern erwartete. Aber zu töten, weil sie einen Fehler begangen hatte… nun, ihr Vater würde nicht stolz auf sie sein.
Sie schüttelte den Kopf, verdrängte das Bild der strengen Züge des alten Mannes und versuchte, ihrem Zittern Einhalt zu gebieten. Sie trat um den sterbenden Sturmtruppler herum und drückte den Lichtschalter an der Wand. Wenn die anderen Insassen des Hangars jetzt herübersahen, würden sie nur ein dunkles und mutmaßlich leeres Büro sehen.
Sie stellte schnell in Gedanken eine Liste all der Dinge auf, die sie tun mußte, und stellte fest, daß diese Liste infolge ihres Fehlers erheblich länger geworden war. Die beiden Leichen auf der Ladebrücke des Gleiters verstauen, mit dem sie hereingekommen war. In diesem Büro aufräumen, damit der verschüttete Drink und die Unordnung auf dem Schreibtisch den nächsten, der hereinkam, nicht argwöhnisch machte. Den Bericht des Offiziers zu den Akten geben. Das Helmkommsystem mit Teilen aus einem der Helme dieser Sturmtruppler reparieren. Einen Gleiter auswählen, vielleicht den, mit dem sie hereingekommen war, ihn, wenn möglich, als defekt markieren und sein Kommsystem abschalten, damit man den Gleiter nicht aufspüren oder ihn gar unter Fernsteuerung nehmen konnte. Und dann abwarten. Und alles das in Hörweite der Männer, die dort draußen arbeiteten oder Karten spielten oder was auch immer sie sonst im hinteren Bereich der Fahrbereitschaft taten… es sei denn, sie entschied sich dafür, sie ebenfalls anzugreifen.
Sie seufzte. Das bedeutete ein paar Stunden harte Arbeit… und das Ganze innerhalb der halben Stunde, die sie bestenfalls zur Verfügung hatte.
Castin brauchte weitere qualvolle fünf Minuten dazu, den Code der Wachmänner zu knacken. Eine der beiden Wachen hatte zweiunddreißig klassische Quadrantspiele auf seinem Datapad gespeichert – jeden einzelnen Zug sämtlicher Großmeister des Spiels und dazu Kommentare von Analytikern, die das Spiel viel zu ernst nahmen. Zweiunddreißig war auch, wie Castin bemerkte, die Zahl der Tage im örtlichen Monatskalender. Er übermittelte den Namen des Spiels, dessen Ordnungszahl der des Monatstages entsprach, und die Personaltür öffnete sich.
Die Gespensterstaffel marschierte in Paradeformation ein… eine Formation, die sich freilich sofort auflöste, als sie sahen, was sich in dem Hangar befand.
»Boß«, sagte Tainer, »wir haben das große Los gezogen.«
Zum erstenmal, seit Wedge sich den Sturmtruppenhelm aufgesetzt hatte, war er dafür dankbar – auf die Weise konnte man nämlich nicht sehen, daß ihm der Mund vor Staunen offenstand.
Der Hangar enthielt nämlich nicht nur eine Staffel TIE-Jäger, sondern darüber hinaus noch acht wesentlich beeindruckendere und unvergleichbar schnellere TIE-Interceptors.
Es dauerte einen Augenblick, bis Wedge seine Stimme wiederfand. »Noch besser. Wir haben uns für das Piratenleben entschieden, und dies sind bessere Piratenfahrzeuge. Kommt, Leute, Phase drei, ein bißchen Beeilung, wenn ich bitten darf.«
Castin fand den Hauptcomputer im hinteren Bereich des Gebäudes. Er rief das Hauptmenü auf und las auf dem Bildschirm, was ihm zur Verfügung stand. Die anderen drängten sich um ihn, sobald sie sich vergewissert hatten, daß die an der Decke befestigten Holokams lediglich auf die Fahrzeuge gerichtet waren.
Castin beugte sich von seiner Tastatur zurück. »Gute Nachrichten und auch schlechte, Commander.«
»Die will ich hören.«
»Ich komme da ziemlich leicht rein und kann von hier aus auch alles tun, was ich will.«
»Aber?«
»Aber das Sicherheitssystem hier scheint auf das Zählen von Markierungen abgestimmt zu sein. Für jede Anomalie im Routineablauf setzt der Computer eine Marke, die er dann verfolgt. Wenn an irgendeinem Punkt zu viele Markierungen erscheinen, löst der Computer Alarm aus. Möglicherweise schickt er auch nur eine Routineanfrage, wobei aber dann eine unkorrekte Antwort weitere Markierungen setzt; ebensogut kann es aber auch sein, daß er Leute zur Untersuchung ausschickt. Wenn dieses System so wie andere ähnlich aufgebaute imperiale Systeme funktioniert, ist das ›Gewicht‹ solcher Marken unterschiedlich, je nachdem, wie groß die Anomalie ist. Eine zur Unzeit geöffnete Lagertür beispielsweise setzt eine kleine Marke, während das Öffnen der Tür eines Hangars voll wertvoller Raumfahrzeuge eine große Marke setzt.«
Wedge nickte. »Und haben wir bereits Marken gesetzt?«
»Wahrscheinlich nicht. Wir haben zwar eine Tür geöffnet, aber die Wachen draußen hatten bestimmt Zugang zu den Toiletten, also bezweifle ich, daß das eine Markierung ausgelöst hat.«
»Also gut«, überlegte Wedge. Sie mußten sechs Interceptors für den Abflug vorbereiten, irgendwelche Peilanlagen außer Betrieb setzen, die beiden anderen Fahrzeuge und vielleicht auch den Hangar sabotieren, den Hangar verlassen und den Abgang der Gespenster tarnen, die zu Fuß hinausgehen würden. »Ich vermute, daß ein Wechsel in den Wartungsplänen eine schwächere Marke setzt, als wenn die Holokams im Hangar ein Rudel merkwürdiger Piraten entdecken.«
»Das leuchtet ein.«
»Dann schlage ich vor, das Planungsprogramm aufzurufen. Fälschen Sie mir eine Anforderung für die sofortige Wartung der Abfangjäger in diesem Hangar. Setzen Sie den Zeitstempel etwa eine Stunde zurück, und erteilen Sie den Auftrag einer fiktiven Arbeitsgruppe oder, wenn Sie sich Zugang zu den Personallisten verschaffen können, einer Gruppe, die gerade frei hat. Anschließend bestätigen Sie das Eintreffen dieser Gruppe vor ein paar Minuten. Wenn Sie das getan haben, ordnen Sie anschließend Wartungsarbeiten am Holokamsystem des Hangars an. Diesmal mit einem weiter zurückliegenden Zeitstempel und niedrigerer Priorität. Und dann bestätigen Sie ebenfalls das Eintreffen der Wartungstechniker während der letzten paar Minuten.«
Castin erledigte den Auftrag innerhalb weniger Minuten und schaltete dann die Holokams des Hangars ab. Die Gespenster machten sich an die Arbeit.
Castin blieb am Computerterminal und begann, ein Ablenkungsmanöver für den Start vorzubereiten.
Wedge, Janson, Kell, Knirps und Dia überprüften die acht Abfangjäger. Mit Ausnahme von Knirps hatten alle Flugerfahrung mit TIE-Jägern; Knirps schaltete mit Hilfe der Geräte, die er vorfand, sämtliche Relais außer Kraft, die es der Stützpunktleitung vielleicht erlauben könnten, die TIEs aus der Ferne zu steuern, und zerstörte anschließend die in die Kommanlagen eingebauten automatischen Peilsysteme. Tyria und Donos hatten einen Auftrag, den die anderen neiderfüllt als »Vandalismusdienst« bezeichneten. Mit den Industrieschneidern der Hangarmechaniker, Metallschneidegeräten, die dieselbe Art eng gebündelter Strahlen einsetzten, die in Blastern benutzt wurden, brannten sie in großen Buchstaben eine Botschaft in die Innenwände des Hangars: DIE FLEDERFALKEN HABEN DIESE MASCHINEN DRINGENDER ALS IHR GEBRAUCHT! KNIET NIEDER VOR DEN FLEDERFALKEN, IHR WÜRMER. DIESER PLANET GEHÖRT JETZT UNS. Dann kamen dazu noch ein paar gezielte Beleidigungen und eine ziemlich künstlerische Darstellung eines Flederfalken, für die Donos verantwortlich zeichnete und die eine starke Ähnlichkeit mit einem der geflügelten Räuber zeigte, die ihr Unwesen in den Wolkenkratzerschluchten von Coruscant trieben.
Als sie fertig waren, musterten sie ihr Werk. Donos nickte. »Gar nicht schlecht für ungebildete Piraten«, entschied er.
Tyria lächelte. »Du warst ja schließlich einmal gegen Aufständische eingesetzt – bist du jetzt beleidigt?«
Er grinste schief – aber ehe er antworten konnte, war in dem Kommkanal der Gespenster ein warnendes Knacken zu hören.
Alle Gespenster stellten ihre momentane Tätigkeit ein und setzten sich entweder die Helme wieder auf oder griffen nach ihren Taschenkomms.
Die Stimme von Face war im Flüsterton zu hören: »Gleiter mit Sturmtrupplern nähern sich. Keinerlei Anzeichen von Feindseligkeiten, aber sie kommen geradewegs auf uns zu.«
Wedge antwortete: »Wachsam bleiben, halte uns auf dem laufenden.« Er sah sich unter den Gespenstern um. »Tyria, Donos, an die Tür. Haltet euch bereit, Face und Phanan zu unterstützen. Wie weit sind die übrigen?«
Kell antwortete: »Fünf Maschinen fertig. Knirps und ich arbeiten an der letzten. An den beiden, die wir sabotieren wollen, ist bis jetzt noch nichts geschehen.«
»Dann lassen wir das mit der Sabotage eben. Wenn die Zeit knapp wird, schießen wir sie einfach beim Abflug ab…«
Wieder Phanans Stimme über das Komm: »Schichtwechsel. Die sollen hier zwei Mann absetzen und uns mitnehmen. Face spricht mit ihnen. Er hat sich diese Quadrantaufzeichnungen angehört und ahmt die Stimme von diesem Typen nach. Aber – es läuft nicht gut…«
Das nächste Geräusch, das sie hörten, war das Kreischen von Blasterschüssen. Und wieder Blasterschüsse, Rufe und das Krachen von mit Panzern bekleideten Körpern, die auf den Beton stürzten.