10

 

Tyria kam in den Schlafraum, den sie seit kurzem mit Lara teilte, und fuchtelte mit einer Datacard herum. »Post von zu Hause.«

Lara lächelte ein wenig unsicher. »Soll ich dich allein lassen, damit du sie dir ungestört ansehen kannst? Das wäre kein Problem.«

»Sie ist nicht für mich. Der größte Teil meiner Familie ist tot, und die, die noch übriggeblieben sind, leben auf Toprawa – und von Toprawa kommt keine Post.« Das stimmte; an der Welt, die die Streitkräfte der Rebellenallianz benutzt hatten, um Informationen durchzuschleusen, die für die Vernichtung des ersten Todessterns entscheidend waren, hatte das Imperium ein Exempel statuiert; ihre Städte waren zerstört, ihre Bevölkerung in die Barbarei zurückgebombt worden. »Die Datacard ist an dich adressiert. Und wenn du allein sein möchtest, gehe ich gerne.«

Lara nahm die Datacard entgegen und schob sie in den entsprechenden Schlitz ihres Terminals. Ihr Name erschien oben auf dem Bildschirm, und sie wurde dazu aufgefordert, ihr Paßwort einzugeben. Der Dateiinformation war zu entnehmen, daß der Inhalt viel zu umfangreich war, als daß es sich um eine reine Textübertragung hätte handeln können, also mußten es Ton und Bild sein. »Nein, schon gut. Ich habe keine Geheimnisse.« Sie gab ihr Paßwort ein und rief die Datei auf.

Ein Männergesicht, gutaussehend, ein wenig verschmitzt, schwarzhaarig, mit kurz gestutztem Schnurrbart; dahinter eine schlichte beige Wand, ein Tisch mit ein paar Holos darauf, eine offene Sichtluke, dahinter eine schwarz verbrannte Landschaft. »Hallo, Lara«, sagte der Mann. »Wahrscheinlich hast du nicht damit gerechnet, je wieder von mir zu hören.«

Lara runzelte die Stirn. Wer war dieser Mann? Und dann erkannte sie sein Gesicht, ein Gesicht, das sie nur einige wenige Male kurz in Dateien gesehen hatte, die sie sich vor langer Zeit in aller Hast eingeprägt hatte, und sie spürte, wie ihr die Kinnlade herunterfiel. »Das – das ist Tavin Notsil. Mein Bruder.«

»Ich dachte, der sei…«

»Ich weiß, du mußt mich für tot gehalten haben«, fuhr die Aufzeichnung fort. »So, wie ich dich für tot gehalten habe. Aber wie es scheint, hat das Schicksal uns beide verschont. Ich hatte mit dem Konstabler der Stadt eine etwas ungewöhnliche Übereinkunft getroffen und mir meinen Lebensunterhalt am Aldivy-Meer unter falschem Namen verdient, als New Oldtown getroffen wurde. Ich kam nach Hause zurück und mußte erkennen, daß alles, was ich je gekannt hatte, dahin war. Aber jetzt habe ich erfahren, daß du überlebt hast. Ich kann dir gar nicht sagen, wie froh ich bin.«

Lara spürte, wie Tyria sie an sich drückte, und hörte sie flüstern: »Gratuliere.« Aber Laras Gedanken bewegten sich auf Bahnen, die weit von jeglichem Interesse an familiären Kontakten entfernt waren.

Sie würde diesem Blödmann antworten müssen. Irgendwie jeglichen Familienkontakt für alle Zeit abbrechen, und das, ohne ihn ein Holo von sich sehen zu lassen – von Gara Petothel.

Dann fiel ihr Blick auf die Holos, die hinter Tavin auf dem Tisch standen. Sie zeigten Familienszenen, Mutter und Vater der echten Lara Notsil auf einer Schaukel an einem Baum hinter ihrer Farm. Einen viel jüngeren Tavin Notsil beim Schwimmen im Teich der Familie. Und da, auf einem Luftkissendrescher sitzend, fröhlich lachend, Lara Notsil –

Nicht die echte Lara Notsil. Sie, Gara Petothel, in Farmkleidung, mit feinem, blondem Haar und einem Sonnenbrand, wie sie ihn ihr ganzes Leben noch nie gehabt hatte. Sie hielt das Holo an, sah es an, versuchte zu verdrängen, was an ihm nicht stimmte.

Plötzlich hatte sie das Gefühl, die ganze Welt würde sich um sie drehen, und sie spürte, wie ihre Knie ihr den Dienst versagten. Sie sank in ihren Sessel zurück und spürte, wie Tyria sie stützte. Hörte sie murmeln: »Hey, was ist denn los? Das war offenbar ein schwerer Schock für dich. Ich werde Dr. Phanan holen.«

Lara klammerte sich an Tyrias Hand fest, ließ die Kameradin nicht gehen. »Nein, keinen Arzt. Es vergeht schon wieder.« Ihre Worte klangen in ihren eigenen Ohren schwach und unsicher, aber sie wollte jetzt unter keinen Umständen jemanden sehen. Wenigstens so lange nicht, bis sie all das auseinandergeklaubt hatte.

Sie war nie auf der Welt Aldivy gewesen. Sie hatte nie auf diesem Drescher gesessen. Bis vor ein paar Wochen war sie nie Lara Notsil gewesen. Oder war das etwa eine Lüge? War sie in Wirklichkeit doch Lara, waren die Erinnerungen, die zu Gara Petothel gehörten, irgendein bizarrer Traum? Sie hatte immer noch das Gefühl, die Wände würden sich um sie drehen, während sie sich bemühte, das Gefühl der Unwirklichkeit von sich abzuschütteln. Sie ließ die Nachricht weiterlaufen.

Jetzt blickte ihr Bruder auf ein Datapad. »Hör zu, was ich jetzt sage, wird dir vermutlich wie eine Ironie des Schicksals vorkommen. Erinnerst du dich, wie du dich um eine Versetzung nach Grennton bemüht und dann eine Bewerbung an Lachany Foods dort geschickt hast? Ich habe das Original deines Briefes hier. ›Wenn mir die Versetzung bewilligt wird, wären Sie dann daran interessiert, eine Technikerin mit meiner Ausbildung und meinen speziellen Kenntnissen einzustellen? Ich hoffe sehr, daß meine Bewerbung Ihr Interesse findet.‹«

Lara schloß die Augen und hätte sich am liebsten beide Ohren zugehalten, um nicht diesen verwirrenden, halben Erinnerungen ausgesetzt zu sein. Sie kannte diese Worte. Sie hatte sie geschrieben. Und wenn das die Worte von Lara Notsil waren, dann war sie Lara, nicht Gara.

»Also, Lachany Foods hat geantwortet. Sie haben offensichtlich die Bewerbung und die Informationen über die Zerstörung von New Oldtown nicht miteinander in einen Zusammenhang gebracht – mit anderen Worten, sie wissen nicht, daß du tot bist. Ich meine, daß du als tot giltst. Jedenfalls bieten sie dir die Stellung an, für die du dich interessiert hast, zu dem Gehalt, das du dir erhofft hattest. Sie sind wirklich an dir interessiert und an dem, was du ihnen anzubieten hast.« Tavins Gesichtsausdruck wurde ernst. »Hör zu, Lara, mir ist bekannt, daß du auf Coruscant in der Datenverarbeitung tätig bist. Und wenn du dich dort wohl fühlst, dann ist das ja auch gut so. Aber ich bezweifle das. All die hohen Gebäude – wenn du den Job haben willst, dann laß es mich wissen. Ich werde denen dann Bescheid sagen. Ich kann dir sogar eine Passage nach Aldivy beschaffen. Du brauchst es mich nur wissen zu lassen.«

Tavins Augen wanderten einen Augenblick lang auf etwas außerhalb des Bildschirms, dann blickte er wieder in die Kamera. »Ich glaube, meine Zeit läuft gleich ab, zumindest, wenn diese Nachricht noch erschwinglich bleiben soll. Laß jedenfalls von dir hören, ob du den Job nun willst oder nicht. Für den Augenblick jedenfalls Adieu.« Ein kleines Lächeln, und das Bild erstarrte.

Dann zog Text über den Bildschirm, Text in weißer Schrift, der sein Gesicht halb überdeckte. Eine Chronik des Weges, den die Botschaft hatte zurücklegen müssen, um zu ihr zu gelangen – von Aldivy zu ihrer ehemaligen Wohnung auf Coruscant, dann an die Hauptpostbehörde der Neuen Republik auf dem Planeten, und dann – jetzt mit der Markierung Geheim – zur Tedevium und der Mon Remonda. Schließlich war sie hierhergelangt, allerdings ohne die letzte Pfadangabe; die Anwesenheit der Gespenster im Halmad-System wurde immer noch streng geheimgehalten.

Lara saß da, und ihr Atem ging schwer. Sie versuchte in das, was da mit ihr geschah, Ordnung zu bringen.

Und dann wurde es ihr plötzlich bewußt. Das waren ihre Worte gewesen. Aber sie hatte sie auf Coruscant geschrieben, in einem Brief an Kriegsherrn Zsinj. Sie, Gara, hatte sie geschrieben, nicht sie, Lara, die falsche Identität.

Sie spürte, wie ihr Atem jetzt weniger gequält ging, als hätte jemand einen Riemen gelockert, der bisher ihre Brust umspannt hatte. Sie wußte wieder, wer sie war.

Aber warum zitierte Tavin Notsil aus einem Brief, den sie an Kriegsherrn Zsinj geschrieben hatte? Offensichtlich handelte es sich um eine indirekte Botschaft von Zsinj. Und Tavin Notsil war an der Sache beteiligt. Ja, das machte Sinn, denn er stand in dem Ruf, ein Gauner zu sein, ein Schwindler.

Sie spürte, wie ihr die Knie erneut weich wurden. Das bedeutete, daß Zsinj ihre Lara-Notsil-Identität aufgedeckt hatte. Diese Identität gab ihr nicht länger sicheren Schutz. Sie spürte, wie die Tränen in ihr aufstiegen, und diesmal konnte sie sie nicht unterdrücken – ihre legendäre Fähigkeit, auf Wunsch weinen und sofort wieder damit aufhören zu können, ließ sie diesmal im Stich. Sie vergrub das Gesicht in den Händen und ließ ihren Tränen freien Lauf.

»Es ist schon gut«, sagte Tyria. »Selbst gute Nachrichten können einem manchmal einen furchtbaren Schock versetzen. Bist du auch ganz sicher, daß du den Arzt nicht sehen willst?«

»Keinen Arzt.« Was sollte sie nur tun? Erst vor wenigen Tagen hatte sie ihren ursprünglichen Plan aufgegeben, den Wunsch, Zsinj zu dienen. Sie hatte beschlossen hierzubleiben, hatte beschlossen, hier heimisch zu werden, hierherzugehören. Und jetzt hatte Zsinj einen dicken Strich durch diese Zukunft gemacht, in die sie einfach hineingestolpert war.

Sie stand auf, hatte Mühe, auf den Beinen zu bleiben, und sah Tyria mit einem unsicheren Lächeln an. »Ich glaube, ich muß mich einfach ein wenig bewegen.«

»Das verstehe ich. Und wenn du später mit jemandem reden willst…«

»Vielen Dank.«

Von ihrem Wohncontainer aus ging sie nach rechts in den Graben, der tiefer in den Bergwerksschacht hineinführte und der den Gespenstern als Behausung diente. Tiefer bedeutete, sich von ihren Kameraden zu entfernen.

 

Face, der wieder an seinem Lieblingstisch auf der »Terrasse« saß und sich Notizen für den bevorstehenden Einsatz machte, sah, wie Lara aus ihrem Container kam und wegging. Er wandte sich wieder seiner Arbeit zu, konnte sich aber nicht konzentrieren und blickte ihr nach. Da war irgend etwas an ihren Bewegungen, was ihn nachdenklich machte…

Sie war ärgerlich, keine Frage. Aber das war nicht alles. Plötzlich hatte sie für ihn die typische Haltung eines Coruscanters – kürzere Schritte, leicht nach vorn hängende Schultern, einfach die Haltung einer Frau, die seit vielen Jahren in den bedrückenden und geradezu Paranoia erzeugenden Gebäudeschluchten der imperialen Thronwelt gelebt hat.

Oder Admiral Trigit hatte ihr vielleicht beigebracht, so zu gehen, als sie seine Gefangene war, als er sie unter Einfluß von Drogen gehalten hatte. Das würde eher einleuchten; ein Mann wie Trigit würde die langen, weit ausholenden Schritte eines aldivyanischen Farmermädchens vielleicht als ständige Herausforderung empfinden, sich darüber ärgern, und, da er doch bereits ihren Geist gebrochen hatte, auch ihre Bewegungsweise beeinflussen.

Face seufzte. Er argwöhnte, daß Lara Notsils Bewußtsein ein größeres Chaos war, als das bisher jemandem klargeworden war. Hoffentlich würde sie bei ihren Gespensterkollegen Rat und Hilfe suchen, wenn sie erkannte, daß sie Probleme hatte, überlegte er. Und bis es dazu kam, blieb ihm nichts anderes übrig, als sie im Auge zu behalten und bereit zu sein.

Etwas beunruhigt wandte er sich wieder seiner Arbeit zu.

 

Einen »Block« weit von ihrem Container – darunter verstanden sie eine ununterbrochene Reihe von Frachtcontainern – stieß Lara auf Kell Tainer. Der hünenhaft gebaute Lieutenant trainierte mit einem Kampfdummy, einem Objekt von der Gestalt eines Menschen aus zähem und doch genügend nachgiebigem Material, das den Schlägen von Kells Fäusten, Füßen, Ellbogen und Knien standhielt. Als er bemerkte, daß Lara ihn beobachtete, hielt er inne.

»Ist das deine Art, dich zu entspannen?« fragte sie.

»Allerdings.«

»Und was tust du, wenn du am liebsten schreien möchtest?«

Er deutete weiter in den alten Bergwerksschacht hinein. »Zwei Blocks weiter unten ist links eine Motortür. Sie führt in einen Quertunnel. Er ist etwa hundert Meter weit beleuchtet und hat auch Schwerkraft. Die Grenze ist gelb markiert. Weiter solltest du nicht gehen.«

»Danke.«

Er hatte recht. Als sich die Tür zu dem Seitentunnel hinter ihr geschlossen hatte, konnte sie spüren, daß sie von den Gespenstern abgeschnitten war, ebenso wie von jedem Kontakt mit anderen Leuten. Nur die beruhigende Massivität von Steinwänden und Metalltüren umgab sie.

Sie schrie, schrie ihren ganzen Zorn und ihre ganze Verwirrung hinaus, bis ihre Kehle schmerzte. Ihr Schrei hallte durch den halbbeleuchteten Korridor und verlor sich in der Ferne. Dann schrie sie wieder und wieder, bis ihr fast die Stimme versagte. Aber die Verwirrung blieb. Nur müde war sie jetzt. Dann lehnte sie sich gegen die rauhe Steinwand, ließ sich daran hinunterrutschen, bis sie saß, und vergrub ihr Gesicht in den Händen.

Ihr kleiner Urlaub war vorbei. Es war Zeit, wieder analytisch zu denken.

Zum ersten war Zsinj im Begriff, die Zukunft zu zerstören, die sie sich gerade erst zum Ziel gesetzt hatte. Was konnte sie dagegen tun?

Zum zweiten hatte sie gerade eine Identitätskrise durchgemacht, zu der es eigentlich nie hätte kommen dürfen. Eigentlich hätte es für sie keine Unklarheit darüber geben dürfen, wer sie gewesen war. Woher sie kam. Sosehr es sie auch danach drängte, Lara Notsil zu sein, es hätte nie Zweifel daran geben dürfen, daß sie ursprünglich Gara Petothel gewesen war. Was hatte es damit auf sich?

Also gut. Problem Nummer eins.

Mögliche Lösung: Zum ursprünglichen Plan zurückkehren und sich Zsinj anschließen. Sie schüttelte den Kopf. Auf Lavisar hatte sie ein für allemal entschieden, daß Zsinj unwürdig war. Nicht nur ihrer unwürdig, sondern unwürdig auch jeder Hilfe und jeglichen Erfolgs. Er war unehrenhaft. Sie würde sich ihm niemals anschließen.

Mögliche Lösung: Sie konnte alles ihrem Vorgesetzten gestehen. Nein, das würde nur einen Teil ihrer Probleme lösen. Wedge Antilles würde möglicherweise ihre Unterstützung gegen Zsinj akzeptieren, würde ihr aber nie wieder vertrauen können. Niemand würde das. Und Vertrauen, das hatte sie inzwischen erkannt, war wesentlich suchtbildender, als Spiee das angeblich sein sollte. Sie konnte nicht leben, ohne wieder das Gefühl zu haben, daß man ihr vertraute, und sie fragte sich jetzt, wie sie es eigentlich geschafft hatte, so lange ohne dieses Gefühl zu leben. Und unter pragmatischen Gesichtspunkten betrachtet gab es da noch Lieutenant Myn Donos als Mitglied der Gespensterstaffel. Vorher war er Kommandant der Krallenstaffel gewesen. Und in der Zeit, in der Gara als Geheimagentin für Admiral Trigit tätig gewesen war, hatte sie widerspruchslos seine Befehle ausgeführt und falsche Informationen über die Sicherheitseinstufung einer bestimmten Welt in die Datenbanken der Neuen Republik eingespeist: und die Krallenstaffel war, weil sie sich auf diese Informationen verlassen hatte, vernichtet worden. Alle, mit Ausnahme von Donos. Wenn er erfuhr, was sie getan hatte, würde er sie möglicherweise töten.

Mögliche Lösung: Zsinj hinhalten, ihm vielleicht falsche Informationen zuspielen und abwarten, bis dieser Feldzug gegen ihn abgeschlossen war. Sobald er vernichtet war, konnte er sie nicht mehr verraten. Das war möglich. Wenn sie es geschickt anpackte, könnte das funktionieren. Damit stand für den Augenblick für sie fest, was sie zu tun hatte.

Jetzt zu ihrem zweiten Problem, ihrer Gefühlskrise, die erst ein paar Augenblicke zurücklag.

Du mußt zu deiner Rolle werden.

Die Stimme war männlich, seidenglatt, geradezu liebkosend. Wenn jemand sie belauscht hätte, hätte er vielleicht glauben können, daß Lara dem Betreffenden etwas bedeutete. Lara wußte freilich, daß dem nicht so war: Diese Zuneigung war nur gespielt.

Aber wessen Stimme war es? Sie konnte sich nicht erinnern. Vermutlich war es einer ihrer Lehrer, jemand, der sie zur imperialen Geheimagentin ausgebildet hatte. Das ging eigentlich klar aus dem Zusammenhang hervor.

Pflanze deine Auslöser tief in deinem Bewußtsein ein. Wenn sie aktiviert werden, dann kehre zu dir selbst zurück. Erreiche deine Ziele. Und dann vergrabe wieder alles unter deiner Rolle.

Sie konnte das Gesicht nicht richtig erkennen; es gehörte einem Mann, dessen Silhouette sich vor den Lichtern hinter ihm dunkel abzeichnete. Wenn sie ins Licht starrte, begannen ihre Augen zu tränen.

Laß Lara gehen. Heute bist du nur Kirney.

Das versetzte ihr einen Schock, ließ sie die Augen weit aufreißen. Kirney Slane hatte sie völlig vergessen. Ihre erste Rolle, ihre Übungsrolle. Eine coruscantische Studentin der Wirtschaftswissenschaften, Tochter eines Hoteliers, der nie existiert hatte. In der Maske von Kirney Slane hatte Lara sich in der Mittelklassegesellschaft von Coruscant bewegt, hatte sich mit dem Small Talk der Offiziersfrauen vertraut gemacht. Sie hatte geflirtet, das ewige Spiel gespielt, dessen einziges Ziel es war, sich einen Offizier mit einer vielversprechenden Karriere zu angeln und ihn zu heiraten.

Lara schüttelte den Kopf, um sich von diesen Erinnerungen zu befreien. Kirney war weit weg, Kirney war tot. Sobald diese Rolle aufgehört hatte, für ihre Ausbildung nützlich zu sein, hatte man ihr verboten, diesen Namen, die dazugehörige Verhaltensweise und diese Mentalität noch einmal zu übernehmen.

Wenn es von praktischem Nutzen ist, dann behalte es. Wenn es nur sentimentalen Wert hat, dann gib es auf. Er, ihr geheimnisvoller Lehrer, redete nicht nur über die Details falscher Identitäten. Er meinte damit auch emotionale Bindungen. Und sogar Erinnerungen. Seine Empfehlung war, alles zu eliminieren, das nicht für ihren Beruf und ihren augenblicklichen Einsatz wichtig war.

Dabei vermißte sie das sorglose Leben, das sie als Kirney geführt hatte.

Vor ihrem Einsatz bei Admiral Trigit unter ihrem wahren Namen hatte sie einige Zeit als Chyan Mezzine gelebt, Kommunikations-Offizier auf der Fregatte Mother Sea der Neuen Republik. Lara erinnerte sich an die geheimen Kommuniques, die sie von der Fregatte an ihren imperialen Kontrolloffizier weitergegeben hatte, und dieser Kontaktmann war Admiral Trigit gewesen. An ihr Leben als Chyan Mezzine hingegen konnte sie sich nicht erinnern. Was hatte sie getan? Wen hatte sie gekannt? Hatte sie Freunde gehabt?

Irgend etwas in ihrem Kopf stimmte nicht, es gab in ihr etwas, das ihre Lehrer verändert hatten, als sie noch ein Kind gewesen war. Und sie wollte das, was falsch war, loswerden. Aber sie hatte keine Ahnung, wo sie danach suchen sollte.

Erst jetzt wurde ihr bewußt, daß sie auf zwei Stiefelspitzen schaute. Sie blickte auf und sah das Gesicht von Myn Donos. Der Lieutenant trug seine Pilotenuniform und hatte ein Karabinerfutteral umhängen.

»Alles in Ordnung?« Donos hielt ihr ein zusammengefaltetes Taschentuch hin.

Sie nahm es und blickte dümmlich auf das Tuch.

»Für deine Augen.«

»Oh. Vielen Dank.« Sie tupfte Tränen weg, von denen sie nicht gewußt hatte, daß sie sie geweint hatte.

»Ich habe gehört, daß Sie gute Nachrichten erhalten haben. Aber Sie wirken nicht glücklich.« Er zuckte die Achseln. »Geht mich nichts an. Aber wenn Sie darüber reden möchten…«

Das tat sie. Es war nicht richtig, das wußte sie. Ihre Ausbilder wären nie damit einverstanden gewesen. Aber sie mußte reden. »Ich habe von meinem Bruder gehört. Es hieß, er sei bei der Zerstörung meiner Stadt durch die Implacable ums Leben gekommen. Aber er hat überlebt.«

Donos setzte sein Karabinerfutteral ab und kauerte sich Lara gegenüber an die Wand. »Und das ist keine gute Nachricht?«

»Eigentlich nicht. Ich… ich mag meinen Bruder nicht«, sagte sie. »Er war ein Verbrecher. Er hätte eigentlich im Gefängnis sein müssen, als New Oldtown vernichtet wurde, aber er hat es geschafft, sich unter einem falschen Namen davonzuschleichen. Trotzdem bin ich wahrscheinlich schon froh darüber, daß er am Leben ist, aber wenn Sie ihn so kennen würden, wie ich ihn gekannt habe, dann wüßten Sie, daß sein Brief an mich… nun, der Brief war voller Ironie und Sarkasmus, aber das war nur für mich zu erkennen. Er will mich wieder zurückholen, will mich in seine Gaunereien hineinziehen. Einen anderen Grund, mit mir Kontakt aufzunehmen, gibt es für ihn nicht. Er will etwas.«

Donos rieb sich über das Kinn und überlegte. Schließlich meinte er: »Könnte es sein, daß Zsinj sich Ihren Bruder geschnappt hat?«

»Was?«

»Nein, hören Sie mir zu. Wir wissen, daß Zsinj sich in starkem Maße für Commander Antilles und die Gespensterstaffel interessiert. Nehmen wir einmal an, er hat Ihren Namen auf der Personalliste entdeckt und Nachforschungen über Sie angestellt, und dann findet er diesen Gauner von Ihrem Bruder, der eigentlich tot sein sollte. Würde Ihr Bruder Sie für Geld an jemanden wie Zsinj ausliefern?«

Das wurde alles immer verwirrender, dachte Lara. Sosehr sie sich auch bemühte, ihre fiktive Vorgeschichte von ihrem augenblicklichen Leben loszulösen, es wollte ihr einfach nicht gelingen. »Er würde keine Sekunde lang zögern«, sagte sie.

»Schön, dann kann dieser Brief ein Versuch sein, ein paar Credits aus Ihnen herauszulocken… aber möglicherweise will er Sie auch in eine Falle Zsinjs locken. Wäre das möglich?«

»Ja, möglich schon«, räumte sie ein.

»Ich denke, wir müssen das herausbekommen. Ich meine, damit mischen wir uns zwar in Ihr Familienleben ein… aber wenn Zsinj versucht, über Ihre Familie seine Krallen in Sie zu schlagen, dann könnte er das natürlich mit uns anderen auch versuchen. Wir müssen das wissen.«

»Das stimmt. Aber ich muß das selbst machen. Einem anderen als mir würde er nicht vertrauen.«

»Aber nicht ganz allein, nein. Was, wenn es eine Falle ist? Stellen Sie sich bloß vor, Sie betreten sein Haus, und er zieht einen Lähmstrahler heraus, und dann schleppen Sie ein paar von Zsinjs Raptors zur Eisernen Faust, zu einer seiner berüchtigten, feinfühligen Befragungen?«

Ein Schaudern überlief sie. Zu ihrer Überraschung stellte sie fest, daß ihre Angst echt war. »Das stimmt.«

»Wenn Sie wollen, bereite ich einen Einsatzvorschlag vor und gebe ihn Commander Antilles. Nur Sie und ich, dazu ein kleines Team, das nach Aldivy fliegt, um die Sache aufzuklären.«

»Das würden Sie tun? Da bin ich Ihnen wirklich dankbar.« Bei dem Chaos, das im Augenblick in ihren Gedanken herrschte, und dem Durcheinander ehemaliger Rollen und Persönlichkeiten, die sie aufgegeben hatte, wäre sie im Augenblick nicht einmal imstande gewesen, einen Einkaufszettel zu schreiben.

»Das werde ich tun.« Er stand auf und griff nach seiner Gewehrtasche.

»Wozu das Gewehr?«

»Etwa zweihundert Meter weiter unten zweigt dieser Tunnel nach rechts ab in eine riesige Kaverne, die fast einen Kilometer lang ist und gerade wie ein Laserstrahl. Ich habe dort am anderen Ende Übungsziele aufgestellt.«

»Das ist außerhalb der künstlichen Schwerkraft, nicht wahr?«

Er nickte. »Ja, in Nullschwerkraft ist es noch ein wenig schwieriger, aber das ist eine meiner besonderen Fähigkeiten, wegen denen Antilles mich in die Staffel aufgenommen hat. Und er erwartet von mir, daß ich fit bleibe. Im übrigen ist es eine ausgezeichnete Konzentrationsübung.«

»Vielleicht sollte ich das auch einmal probieren. Mir könnte es im Moment nicht schaden, ein wenig Klarheit in meine Gedanken zu bekommen.«

Er lächelte. »Versuchen Sie, sich etwas auszuruhen. Wir werden Sie voll einsatzfähig brauchen.«

»Ich weiß. Der Einsatz morgen.«

Er winkte ihr zu und ging, ließ sie mit ihren Gedanken allein.

Sie hätte nie zustimmen dürfen, daß er diesen Aldivy-Einsatz plante und Wedge vorschlug. Sie mußte den Einsatz leiten, jede Phase, sonst konnte etwas passieren, irgend etwas, das sie verriet…

Aber seltsamerweise war sie ganz unbesorgt. Und das war, weil sie…

Myn Donos vertraute.

Ihm vertraute.

Jemandem vertraute.

Sie schüttelte den Kopf. Das war falsch, sie sollte niemandem vertrauen. Das widersprach allen Einsatzparametern.

Aber sie tat es doch, und wieder ertappte sie sich dabei, wie sie zu weinen begann, ohne ganz zu begreifen, warum sie das tat.

 

Wedge kletterte die Leiter zu dem Interceptor hinauf und sah ins Cockpit, um sich zu vergewissern, daß ihn dort nicht wieder Lieutenant Kettch, Ewokpilot, erwartete. Aber sein Cockpit war leer. Er blickte auf und sah Face, der sich gerade in das Cockpit seines eigenen Interceptors sinken ließ und jetzt zu ihm herübergrinste. Vermutlich hatte er erraten, wonach er suchte. Wedge warf ihm einen gespielt finsteren Blick zu und kletterte hinein.

Gleich darauf hörte er Face ausrufen: »Verfluchte Sithbande!«, und gleich darauf kam Lieutenant Kettch aus der offenen Luke von Faces Interceptor geflogen. Phanan, der zu seinem TIE-Jäger unterwegs war, fing den Plüschewok elegant auf und reichte ihn an Squeaky weiter.

Wedge schüttelte den Kopf. Die Stimmung war also gut. Er begann mit den Startvorbereitungen und dem Systemcheck.

Kell, Knirps, Donos, Tyria, Piggy und Castin waren bereits mit der Narra gestartet. Ihr Einsatz sollte etwa zur gleichen Zeit wie der der anderen Flederfalken abgeschlossen sein, erforderte aber in der Anfangsphase mehr Zeit. In mancher Hinsicht war er sogar gefährlicher, und Wedge ließ sich noch einmal kurz durch den Kopf gehen, ob es klug gewesen war, Kell Tainer die Leitung zu übertragen. Aber der Mann hatte durch keinerlei Symptome erkennen lassen, daß das Problem, das ihn in den ersten Wochen bei der Gespensterstaffel geplagt hatte, wieder aufgetreten wäre.

Obwohl er das bisher weder Janson noch irgendwelchen anderen Angehörigen seines Kommandos gegenüber ausgesprochen hatte, vermutete Wedge, daß Kells Problem keineswegs Feigheit gewesen war. Kells Vater hatte – übrigens durch Janson – den Tod gefunden, als er in den Anfangstagen der Rebellenallianz aus einem Gefecht geflohen war, aber Kells Problem, bei gefährlichen Situationen praktisch zur Bewegungslosigkeit zu erstarren, war ihm immer wie eine besonders starke Ausprägung von Leistungsangst vorgekommen. Beim letzten Gefecht mit der Implacable allerdings hatte er sein Problem überwunden. Wedge und Janson würden ihn scharf, aber unauffällig im Auge behalten, aber für den Augenblick schien alles gut zu sein.

Alle Systeme waren bereit, und die Diagnosedisplays zeigten achtundneunzig Prozent Effizienz an. Nicht schlecht für eine Mechanikercrew, deren Ausbildung an imperialen Sternenjägern erst vor so kurzer Zeit begonnen hatte.

»Flederfalkenanführer an Staffel, bitte Statusbericht.« Faces Stimme klang jetzt tief, fast grollend. Wedge fragte sich, ob Face bereits angefangen hatte, seine Rolle zu spielen, oder ob Castins Modifikationen der Kommsysteme der einzelnen Sternenjäger bereits abgeschlossen waren.

»Flederfalke Sieben, zwei grün, alle Systeme bereit, und ich hätte gerne einen Minzlikör und dazu ein Glas Lomin-Ale«, dröhnte Phanans Stimme in einem tiefen Baß, den er ohne technische Hilfsmittel sicherlich nicht zustande gebracht hätte.

»Flederfalke Zehn, bereit.« Wenn er nicht gewußt hätte, daß das Shalla war, hätte Wedge einen Mann im Cockpit ihrer Maschine vermutet.

Wedge räusperte sich. »Flederfalke Eins, startbereit.«

Lautes Gelächter hallte aus seinem Komm, und es waren mehrere Stimmen, die er hörte. Zu seinem Ärger konnte er nicht einmal erkennen, welche es waren. »Gibt es ein Problem?« fragte er.

»Kein Problem, Sir«, tönte Face in tiefem Baß. »Wir empfangen Sie mit voller Leistung.« Aber Wedge hörte, daß er mit Mühe sein Lachen unterdrückte.

Während die übrigen Meldungen hereinkamen, schaltete Wedge sein Kommgerät auf eine spezielle Frequenz, die auch sein X-Flügler und sein Astromech empfingen. »Gate, hörst du mich?«

Seine R5-Einheit antwortete mit einem fröhlichen Piepen.

»Zeichne auf mein Signal meine Durchsage auf. Auf mein zweites Signal stellst du die Aufzeichnung ein und sendest das, was du aufgezeichnet hast, an mich zurück. Los. ›Wir, die Rebellenallianz, geben hiermit im Namen – und mit der ganzen Autorität – der freien Geschöpfe der Galaxis unseren festen Entschluß und unsere Absicht bekannt Ende.‹«

Gleich darauf hörte er seine eigenen Worte im Lautsprecher, aber sie kamen nicht mit seiner eigenen Stimme. Sie klangen schrill und undeutlich, eine Art von Schnattern, das Wedge sofort erkannte. Es klang genauso, wie ein Ewok sprechen würde, wenn man ihm Basic beigebracht hätte.

Er seufzte. »Danke, Gate. Ende.« Er schaltete wieder auf den Kanal der Flederfalken-Staffel zurück und hieb sich mit der Faust krachend gegen den Helm.

Wenigstens war die Stimmung in der Staffel gut.

 

Der Dienst als Geleitschutz war langweilig, wurde aber wenigstens gut bezahlt. So sah es zumindest Lieutenant Milzin Veyn, ein Sternenjägerpilot aus der Stadt Hullis. Und als Ehemann und Vater von drei Kindern konnte er die zusätzliche Prämie immer gut gebrauchen.

Heute mußten er und sein Flügelmann den Tanker Bastion bewachen. Ein recht martialischer Name für einen so klobigen, halb verrosteten Kasten… im Augenblick lag die Bastion auf Station siebzehn im Dock einer der wenigen noch verbliebenen Bergwerkskolonien von Halmad im Asteroidengürtel, und Veyns TIE-Jäger und der seines Partners waren in einer Distanz von etwa einem Kilometer auf Wache.

Veyns Kommsystem summte: »Hey, Lieutenant.«

»Ja, hier Veyn.«

»Schlechte Nachrichten. Wir haben einen Treibstoffpumpendefekt. Die sind am Reparieren, aber es dauert bestimmt noch mindestens zwei Stunden.«

»Vielleicht sollten Sie einfach den Einsatz abbrechen und nach Hause fliegen.«

»Das sollten wir tatsächlich… aber der Captain sagt, dann müßten wir ja morgen wieder herkommen, und die Reparatur ist mit vorhandenen Teilen möglich, und genau das werden wir tun.«

»Na prima.«

»Hören Sie, wir können die Sensoren wieder hochfahren… und Sie und Ihr Flügelmann können ja auf einen Becher Kaf reinkommen. Wir haben gerade frischen gemacht.«

»Oh. Das geht wohl nicht.« Aber der Gedanke, wenigstens einen Teil der zusätzlichen Wartezeit in einer warmen Messe und mit frischem Kaf zu verbringen, statt in Nullschwerkraft im Weltraum zu treiben, hatte seinen Reiz.

»Nun, was halten Sie davon, wenn ich ins Logbuch eintrage, daß, äh, der Captain sich mit Ihnen über künftige Schutzmaßnahmen für die Bastion besprechen möchte?«

»Das klingt glaubwürdig. Wir kommen gleich.«

Zwei Minuten später kletterten Veyn und sein Flügelmann in dem überfüllten Haupthangar der Kolonie aus ihren Cockpits, stiegen die Leitern hinunter – und sahen, als sie sich unten umdrehten, in zwei Blastermündungen.

Zwei Gestalten in der üblichen Montur der TIE-Piloten – aber in Grau statt dem traditionellen Schwarz des Imperiums – hielten ihre Blaster auf sie gerichtet. Eine der beiden Gestalten war eine große Frau, die andere ein sehr korpulenter Mann. Ein dritter Feind, ein Mann von leicht überdurchschnittlicher Größe in grauer Pilotenmontur und in einer Kaltwettermaske, aber ohne Pilotenausrüstung, hielt einen Blasterkarabiner auf sie gerichtet.

Veyn und sein Partner hoben die Hände.

Der Mann mit dem Karabiner sagte: »Ich habe eine schlechte und eine gute Nachricht. Die schlechte zuerst: Wir sind die Flederfalken, und wir werden uns jetzt eure Sternenjäger nehmen und damit ein paar Bodenanlagen in die Luft jagen. Die gute Nachricht ist, daß wir tatsächlich frischen Kaf in der Messe für euch bereithalten.« Er deutete mit dem Lauf seines Karabiners auf den Ausgang. »Gehen wir.«

Als der Mann mit dem Karabiner mitsamt seinen Gefangenen gegangen war, schaltete Tyria ihr Kommlink an. »Fünf, die Piloten sind unterwegs. Wir brauchen Zwei, falls es an den TIEs irgendwelche Sicherheitsschaltungen gibt.«

»Er ist bereits unterwegs.«

»Wie kommt ihr voran?«

»Die Bastion ist bereit. Das gibt einen Riesenknall und eine herrliche Sauerei.«

 

Die Flederfalken senkten sich in dichter Formation auf Halmad, nutzten dazu den engen Korridor, der nicht von den Sensorphalangen des Planeten geschützt war. Ihre eigenen Sensoren verrieten ihnen, daß sich die Bastion ebenfalls dem Planeten näherte, auf einem Kurs, den die Behörden ihr vorgeschrieben hatten, und dem Anschein nach auf der Rückkehr von einem regulären Auftankeinsatz. Aber sie hatten keine Kommverbindung mit der Bastion und konnten sich deshalb nicht über den Status des anderen Teams informieren.

Binnen weniger Minuten flogen sie dicht über dem Meer mit Kurs auf die Hafenstadt Fellon – oder genauer gesagt mit Kurs auf einen kleinen, versteckten imperialen Stützpunkt südlich der Stadt. In Fellon und westlich davon war es noch Nacht, und das Licht einiger Monde Halmads fiel auf die Flederfalken.

An der Spitze der Formation flogen Face und Phanan. Face, der die Rolle Kargins spielte, des Gründers der unabhängigen Raummacht der Flederfalken, mußte den Einsatz leiten; ihre Sendungen würden mit Sicherheit aufgefangen und aufgezeichnet werden, und da ging es natürlich nicht, daß man Flederfalke Eins Befehle an Flederfalkenanführer erteilen hörte. Wedge hatte zwar gewisse Zweifel, was Face betraf, aber dessen Flügelmann Phanan war kein so geschickter Pilot wie er, weder in X-Flüglern noch in TIE-Jägern.

Hinter Face und Phanan flog Wedge mit seinen beiden provisorisch eingeteilten Flügelmännern Lara und Shalla. Lara, die eine der niedrigsten Rangstufen in der Staffel innehatte, war einer der beiden TIE-Jäger der Staffel zugewiesen worden, dessen Steuer sie, wie es schien, mit ungewöhnlichem Geschick führte. Ebensowenig zweifelte Wedge daran, daß Shalla den Interceptor voll beherrschte. Tatsächlich hatte sie großes fliegerisches Geschick an den Tag gelegt, kam gut mit den anderen Piloten zurecht und hatte hervorragende Leistungen in Planung und Analyse erbracht. Wedge spielte daher mit dem Gedanken, sie bald zum Lieutenant zu befördern. Sie mußte jetzt nur noch beweisen, daß sie über Führungsqualitäten verfügte, aber Wedge war sicher, daß sie ihn auch in dem Punkt nicht enttäuschen würde.

Am Ende der Formation flogen Janson, derjenige Pilot in der Staffel, dessen Erfahrung nur der von Wedge nachstand, und Dia, die während der Flucht von Lavisar zwei Abschüsse verbucht und damit mit Wedge gleichgezogen hatte. Nein, sein Team war wirklich hervorragend vorbereitet, und der ganze Einsatz sollte den Flederfalken keine Schwierigkeiten bereiten.

Nur, daß er nicht an leichte Einsätze glaubte.