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Er machte nicht erst den Versuch, den Eindruck eines vollständigen Menschen zu erwecken. Wahrscheinlich war er als Mensch geboren worden, aber jetzt waren mechanische Gliedmaßen – auffällige Arm- und Beinprothesen aus Metall mit primitiv wirkenden Gelenken – anstelle seines ursprünglichen, menschlichen Fleisches getreten, und seine ganze obere Gesichtshälfte war eine glänzende Metallfläche mit einem Computerinterface mitten auf der Stirn.

Er versuchte auch nicht den Anschein zu erwecken, freundlich zu sein, er ging einfach auf die Nische zu, in der der gutaussehende, kräftig gebaute Geschäftsmann allein vor seinem Drink saß, und schwang ohne irgendeine Drohung oder sonstige Bemerkung die Weinflasche, die er in der Hand hielt, und ließ sie auf den Kopf des Geschäftsmannes hinunter krachen.

Die Flasche zersplitterte und ließ einen Regen von Glas und roter Flüssigkeit über den Geschäftsmann niedergehen. Der Mann riß verblüfft die Augen auf, stand auf – womit er eine Widerstandsfähigkeit und eine Kondition an den Tag legte, die die anderen Gäste in der Bar verblüfften – und versetzte dem Cyborg einen Schlag, der den Kopf des überwiegend mechanischen Mannes nach hinten rucken ließ und den Angreifer in eine Nische schleuderte, in der ein paar imperiale Piloten saßen. Die Piloten dort stießen den Cyborg von sich weg, geradewegs in den recht professionell wirkenden rechten Schwinger des Geschäftsmannes hinein. Der Schlag traf den Cyborg an der Kinnspitze und ließ ihn herumwirbeln. Er taumelte nach hinten und fiel über zwei der Piloten in der Nische. Seine unkontrolliert herumschlagenden Arme trafen ihre Gläser und Flaschen und ließen sie nach allen Seiten davontanzen. Die Piloten schoben ihn von sich weg auf den Boden und standen auf.

»Laßt das«, sagte der Barkeeper. Aber seine Stimme klang bittend, und er hielt keine Waffe in der Hand. Niemand schenkte ihm Beachtung.

Die Piloten bildeten plötzlich eine geschlossene Front, sechs erfahrene Kämpfer mit harten Gesichtern, die jetzt den Geschäftsmann und den Cyborg finster musterten. Ihr Anführer, der Kleinste in der Runde, ein dunkelhaariger Mann mit einem so zerklüfteten Gesicht, daß winzige X-Flügler ihr berühmtes Grabenmanöver darin hätten fliegen können, sagte: »Ihr beiden schuldet uns eine Runde und zwei Flaschen von dem hiesigen Gesöff, und außerdem übernehmen wir eure Nische und bekommen hundert Credits extra für unsere Mühe.«

Der Geschäftsmann musterte ihn mit einem frostigen Lächeln. »Mit hundert Credits könnte ich mir einen Piloten von eurer Sorte kaufen, damit er mir die Stiefel sauberleckt.«

»Ich rufe die Militärpolizei«, erklärte der Barkeeper.

Die Piloten drangen jetzt auf den Geschäftsmann ein. Der erste fing sich einen Boxhieb in den Solarplexus ein und ging zu Boden wie ein Sack Kartoffeln. Der zweite kippte um, als der Cyborg sein Knie packte und zudrückte; der Pilot kreischte so laut, daß die Gläser in der Bar fast zersprungen wären. Die vier anderen warfen sich auf den Geschäftsmann und drückten ihn zu Boden.

Der Barkeeper tippte ein Notsignal in sein Kommlink und beklagte sich dann bei dem Beamten am anderen Ende, sobald dieser sich gemeldet hatte.

Zwei Minuten später war alles vorbei. Zwei Tische waren zerschlagen, und die Gäste, die gerade noch an ihnen gesessen hatten, saßen jetzt in Nischen auf der anderen Seite der Bar. Fünf Piloten und ein Cyborg lagen in teilweise recht unnatürlicher Haltung über den Boden verstreut, zwischen zerbrochenen Gläsern und Tellern mit nicht mehr sehr hygienisch wirkenden Appetithappen. Der Geschäftsmann und der Anführer der Piloten waren noch auf den Beinen, letzterer mit glasigen Augen und kaum mehr in der Lage dazu, auf äußere Reize zu reagieren, während ersterer immer noch einen gelegentlichen, aber nicht sehr wirksamen Boxhieb gegen den anderen vollführte. Beide waren mit Schweiß und Alkohol durchtränkt und taumelten bei jeder Bewegung.

Dann strömte ein halbes Dutzend Sturmtruppler in den Uniformen der Militärpolizei in die Bar. Einige Gäste – diejenigen, die Wetten auf die beiden Kämpfer abgeschlossen hatten – stöhnten, aber der Barkeeper seufzte erleichtert auf.

Die Sturmtruppler legten den acht Missetätern ohne große Mühe und mit großer Effizienz Handschellen an; die beiden Männer, die noch auf den Beinen waren, leisteten keinen Widerstand. Drei der auf dem Boden verteilten Piloten konnten nicht wieder zu Bewußtsein gebracht werden, aber einer der Sturmtruppler hob zwei von ihnen auf und warf sie sich ohne große Mühe über die Schultern, worauf ein zweiter den letzten hartnäckig bewußtlosen Piloten aufhob. Die Sturmtruppler schickten sich an, die Bar zu verlassen.

»Warten Sie«, sagte der Barkeeper. »Wo muß ich unterschreiben?«

Zwei Sturmtruppler wechselten einen Blick. »Warum wollen Sie etwas unterschreiben?« fragte einer, derjenige, der anscheinend der diensthabende Offizier war.

»Damit ich Schadenersatz fordern kann!«

Der Cyborg seufzte. »Oh, addieren Sie einfach alles. Ich zahle den Schaden.«

Der Barkeeper fuhr verblüfft und zugleich besänftigt zurück. »Oh, na dann ist es ja gut. Kommen Sie bald wieder. Wir freuen uns, Sie als Kunden zu haben.«

Als sie durch die Tür auf eine der verregneten Straßen von Hullis, der Hauptstadt von Halmad, hinaustraten, warf der Pilot, der bis zuletzt auf den Beinen geblieben war und den der Geschäftsmann so zugerichtet hatte, dem Cyborg einen leicht benommenen, aber zugleich auch bewundernden Blick zu.

»Hey, Sie sind gar nicht schlecht.«

»Ich mag einfach hie und da eine ordentliche Prügelei.«

Der Cyborg zuckte die Achseln. Zu seinem Pech übte er damit zusätzlichen Druck auf seine Handschellen aus, die aufgingen und hinter ihnen auf den schlammigen Boden fielen. Der Anführer der Piloten starrte ihn verblüfft an. »Hey, was zum…«

»Feuer«, sagte der Anführer der Sturmtruppler.

Drei der Sturmtruppler kamen seiner Aufforderung nach. Lähmstrahlen trafen die Piloten, und sie sanken in den Schlamm.

Der Anführer der Sturmtruppler sah sich um. Niemand war zu sehen, es herrschte nicht viel Gleiterverkehr an diesem verregneten Abend, und niemand kam gerade aus der Bar. Er nahm seinen Helm ab, und die Gesichtszüge von Wedge Antilles kamen zum Vorschein. Er sah sich jetzt unbehindert um. Keine Spur von irgendwelchen Zeugen. »Laßt uns schnell machen, Leute.«

Die anderen Sturmtruppler schnappten sich die drei umgekippten Piloten. Sie zerrten sie hinter das Gebäude, wo ihr Gleiter in der Dunkelheit auf sie wartete. Es war kein Militärgleiter, einfach nur ein ganz schlichter, mittelgroßer Lastengleiter mit tiefer Ladebrücke.

Während die anderen die Piloten in das Fahrzeug brachten und dann Decken und Netze über ihnen ausbreiteten, schlüpfte Wedge aus seinem Sturmtruppenpanzer und warf ihn auf die Ladebrücke. »Gute Arbeit, Tainer, Phanan. Ist jemand von euch verletzt?«

Kell schüttelte den Kopf, spannte seine Armmuskeln an und ließ seine inzwischen bereits geöffneten Handschellen hinunterfallen. »Diesen Anzug muß ich wahrscheinlich abschreiben.«

Phanan wackelte mit dem Kopf. »Kell hat keinen Schaden bei mir angerichtet, aber die Flasche, die mir einer von den Kerls über den Schädel geschlagen hat, war nicht aus unechtem Glas wie die meine. Sie ist nicht einmal zerbrochen. Mir klingelt es immer noch in den Ohren.«

»Klingt nach einer leichten Gehirnerschütterung. Du solltest zu unserem Arzt gehen.«

»Oh, ich bin ein viel zu wichtiger Arzt, als daß ich jemanden von so geringer Bedeutung wie mich selbst behandeln würde.«

Wedge winkte einem der falschen Sturmtruppler zu. »Face, schnapp dir die Brieftaschen von diesen Piloten und ihre Geldbörsen und was sie etwa sonst noch bei sich haben. Ich möchte jeden Credit, den sie haben, aber nur Hartgeld. Wieviel Schaden habt ihr beiden Spaßvögel denn angerichtet?«

Kell und Phanan sahen einander an.

»Vielleicht für einen Hunderter«, meinte Kell. »Wenn man alles mitzählt.«

»Na gut«, nickte Wedge. »Wenn die persönliche Habe dieser Piloten weniger als hundertfünfzig Credits beträgt, gleichen wir die Differenz selbst aus. Face, bring dem Barkeeper das Geld. Sag ihm, der Cyborg hätte bezahlt, um den Schaden sofort zu ersetzen, und es tue ihm wirklich leid, er sei ein armseliger, alter Trunkenbold, dessen einziges Vergnügen darin bestehe, in Bars Unruhe zu stiften.«

»Hey«, sagte Phanan. »Das Wort armselig gefällt mir aber gar nicht.«

»Dann sieh zu, daß du schnell wieder hier bist. Wir starten in drei Minuten.«

 

Wedge und Janson, immer noch in Sturmtruppenpanzern, aber ohne Helme, lagen auf einem Hügel, von dem aus sie den nahegelegenen imperialen Stützpunkt überblicken konnten. Wedges Infrarotglas machte die Nacht zum grünlich schimmernden Tage. »Genauso wie gestern nacht und in der Nacht davor. Ich sehe vier TIEs, die unter den wachsamen Blicken einer halben Sturmtruppenstaffel in Einsatzbereitschaft stehen.«

»Nicht, daß die uns stören würden«, meinte Janson.

»Nicht, daß wir diese Sternenjäger wollen«, korrigierte ihn Wedge. »Aber möglicherweise müssen wir uns mit ihnen auseinandersetzen, wenn wir hier verschwinden. Ist auf der Straße etwas zu sehen?«

Janson warf einen gleichgültigen Blick in die andere Richtung. Unten am Hügel, zu seiner Linken, warteten die anderen Gespenster, ihre Gefangenen und ihr Lastengleiter. Rechts war die Hauptstraße zu sehen, die zum Stützpunkt führte. »Ein Lichterpaar in der Ferne«, sagte er. »Kommt näher. Wahrscheinlich ein Dienstgleiter mit einem Offizier, der von einem Ausflug in die Stadt zurückkehrt.«

»Castin Donn hat in genügend Kneipen genügend Geld ausgegeben, um sicherzustellen, daß wir bekommen, was wir wollen.«

»Kann schon sein, daß du recht hast. Dieses Ding bewegt sich nicht wie ein Militärgleiter. Dazu ist es viel zu träge und zu groß.«

Wedge richtete sein Glas auf das Fahrzeug. »Imperiale Militärpolizei. Gib Knirps ein Zeichen.«

Janson winkte den anderen Gespenstern mit seiner Taschenlampe, knipste sie dreimal nacheinander aus und wieder an. So nahe bei einem imperialen Stützpunkt zog Wedge es vor, kein Kommlink zu benutzen, dessen Aktivierung bemerkt werden könnte. Knirps würde jetzt unten am Hügel einen tragbaren Scanner auf das Fahrzeug in der Ferne richten…

Bei den Gespenstern blitzte jetzt einmal kurz ein Licht auf.

»Knirps signalisiert ja. Der Gleiter ist besetzt«, sagte Janson.

»Dann los.«

Wedge und Janson hasteten den Hügel hinunter, nicht unmittelbar auf die anderen Gespenster zu, sondern ein Stück nach rechts, sozusagen auf Abfangkurs. Als sie unten am Hügel angekommen waren – Jansons Panzer war von einem Sturz ein wenig zerbeult –, hatten die anderen Gespenster die Straße beinahe erreicht.

Wedge und Janson schlossen sich ihnen an und setzten ihre Helme wieder auf.

»Bißchen zackig«, sagte Wedge. »Marschformation. Und links, zwei, drei, vier.«

Die Gespenster schafften trotz ihrer schweren Last so etwas wie Marschformation.

Knirps trug einen der bewußtlosen Piloten auf der Schulter, der ihm aber sichtlich keine Probleme bereitete. Der Gamorreaner, Piggy, hätte ebenfalls ohne Mühe einen der Piloten tragen können, aber da er sich unmöglich in einen Sturmtruppenpanzer hätte zwängen können, blieb er beim Gleiter. Kell, der Sturmtruppenuniform trug, schleppte zusammen mit Dia einen bewußtlosen Piloten, wobei sie sich die Arme des Mannes über die Schultern gelegt hatten und seine Beine über den Boden schleifen ließen. Phanan, ebenfalls im Sturmtruppenpanzer, zerrte gemeinsam mit Face auch einen der Piloten hinter sich her, ebenso wie Castin und Shalla, während Donos und Tyria den fünften trugen. Den sechsten Piloten, den Vorgesetzten der anderen fünf, hatten sie bei Piggy gelassen.

Bis zum Tor des Stützpunkts waren es vielleicht zweihundert Meter, aber wenn Wedge richtig kalkuliert hatte, würden sie nicht die ganze Strecke zu Fuß gehen müssen.

Sie hörten das Summen des schweren Gleiters hinter sich, und Wedge drehte sich nach dem Fahrzeug um. Es war ein großes Modell, fast identisch mit dem, das auf Coruscant in dem Hinterhalt verwendet worden war: Die Ladebrücke war abgedeckt, und nur der Pilot und der ihm zugeteilte Wachmann waren den Elementen ungeschützt ausgesetzt. Auf der Seite konnte man das Raubvogelemblem des Victory-Stützpunktes und darüber die gekreuzten Schlagstöcke der Militärpolizei sehen.

Der Gleiter verlangsamte seine Fahrt, sobald er neben Wedges Truppe angelangt war, und der Pilot rief ihm zu: »Was ist denn mit Ihnen passiert?«

»Unser Gleiter ist ausgefallen«, antwortete Wedge. »Der Repulsorlift hat es nicht mehr geschafft.«

»Soll ich Sie mitnehmen?«

»Dafür schlage ich Sie für den Held-des-Imperiums-Orden vor.«

Der Pilot drückte auf einen Knopf, worauf sich eine Tür am hinteren Ende der Ladebrücke öffnete; die Tür war unten angeschlagen und bildete eine Art Rampe. Wedge spähte hinein. Er konnte vier Sturmtruppler und zwei Gefangene in den Uniformen des imperialen Wartungsdienstes sehen. Beide Gefangenen waren wach, standen aber offenbar unter starkem Alkoholeinfluß.

Wedges Leute schleppten ihre bewußtlosen Gefangenen die Rampe hinauf und nahmen auf den gepolsterten Bänken Platz. Wedge, der ganz hinten geblieben war, stand unter starker Spannung. Die Sturmtruppenpanzer der Gespenster – erbeutet bei einem der zahllosen Scharmützel der Allianz mit dem Imperium – waren zwar echt, aber die Militärpolizeiabzeichen, die die Gespenster aufgemalt hatten, würden möglicherweise einer gründlichen Untersuchung nicht standhalten. Außerdem müßte der echte Militärpolizeioffizier, wenn er streng nach Vorschrift handelte, Wedges Papiere verlangen und die Fälschungen, die Castin angefertigt hatte… nun, Wedge kannte den neuen Piloten noch nicht gut genug, um blind auf seine Arbeit zu vertrauen, wie er das bei Grinder, dem ehemaligen Computerexperten der Staffel, getan hätte.

Die Gespenster drängten sich alle auf die Ladebrücke, Wedge folgte ihnen, die Tür klappte hinter ihnen wie eine Zugbrücke hoch, und das Fahrzeug setzte sich wieder ruckelnd in Bewegung, ohne daß jemand die Papiere hatte sehen wollen. Wedge lächelte. Wenn die Vorschriften hier schon so lasch befolgt würden, dann stand zu hoffen, daß es auf dem Stützpunkt ebenso der Fall sein würde.

»Hey, das ist doch Lieutenant Cothron«, sagte einer der echten Sturmtruppler.

Face nickte. »Er hat im Rausch ziemlich um sich geschlagen.«

»Aber sonst ist er ein netter Kerl.«

»Ja, das kann man sagen.«

»Haben Sie je mit ihm Sabacc gespielt?«

»Na klar, er hat mir einmal einen ganzen Wochensold abgenommen.«

»Sie machen wohl Witze. Er ist der schlechteste Spieler, den ich je gesehen habe.«

Es dauerte nur einen winzigen Augenblick, bis Face seine Reaktion dieser neuen Information angepaßt hatte. »Bestimmt nicht. Ich glaube, ich bin noch schlechter.«

»Tatsächlich? Haben Sie heute abend noch Lust auf ein Spielchen?«

Der Sturmtruppler lehnte sich wieder zurück und war sichtlich enttäuscht.

Wenige Augenblicke später verlangsamte der Gleiter seine Fahrt. Wedge hörte einen kurzen Wortwechsel zwischen dem Piloten und jemandem, bei dem es sich offenbar um die Torwache handelte, konnte aber nicht hören, was gesprochen wurde. Dann setzte sich der Gleiter wieder in Bewegung.

Mehrere lange Minuten verstrichen, bis sie erneut langsamer wurden. Dann baute sich das Luftkissen ab, und das Fahrzeug sank auf die harte Oberfläche.

Die Tür neben Wedge öffnete sich. Sie schienen sich in einer Art Fahrzeughangar zu befinden, und ein paar Schritte entfernt war ein Tisch zu sehen, an dem ein uniformierter Offizier und zwei weitere Sturmtruppler warteten. Der Offizier, ein grauhaariger Mann mit faltigem Gesicht, sah gelangweilt zu ihnen herüber. »Raus mit den Kerls. Zeit für schnelle Justiz.«

Wedge winkte den echten Sturmtrupplern und ihren Gefangenen zu, sie sollten als erste aussteigen, während seine Leute ihre bewußtlosen Gefangenen wieder in die Höhe stemmten. Dann stiegen die Gespenster aus. Wedge verließ das Fahrzeug als letzter.

»Papiere«, sagte der Offizier. Wedges Muskeln spannten sich. Aber der Sturmtruppler, der angesprochen worden war, überreichte die üblichen Ausweise mit den Bildern seiner Gefangenen. Wedge warf Face einen Blick zu, der diskret die Handvoll Ausweise hob, die sie ihren eigenen Gefangenen abgenommen hatten. Wedge wandte sich wieder ab.

Der Offizier warf einen Blick auf die Ausweise. »Und?«

Der Sturmtruppler erklärte: »Trunkenheit im Dienst bei Ola.«

Der Offizier verzog das Gesicht. »Ihr zwei Idioten solltet euch wirklich ein besseres Lokal suchen. Anklage?«

Der Sturmtruppler schüttelte den Kopf, eine Bewegung, die durch seinen schweren Helm ungeschlacht wirkte. »Nein.«

»Na ja, dann ist’s ja nicht so schlimm.« Der Offizier blickte die beiden Gefangenen an. »Ihr beiden dürft den Stützpunkt sechs Tage lang nicht verlassen.«

Die Gefangenen sahen erleichtert aus.

»Das heißt drei Tage ab heute«, fuhr der Offizier fort, »und drei Tage ab dem nächsten Zahltag.« Er tat so, als würde er ihre Verstimmung nicht bemerken, und bedeutete ihnen mit einer Handbewegung, sie sollten weitergehen. »Die nächsten.«

Wedge trat vor ihn. Er streckte die Hand aus, ohne hinzusehen, und Face reichte ihm die Ausweise, worauf Wedge sie dem Offizier weitergab. »Trunkenheit und Ruhestörung bei Rojios. Prügelei mit Zivilisten.«

Der Blick, mit dem der Offizier ihn musterte, sagte Ich-glaube-dir-kein-Wort. »Sie sind alle bewußtlos. Und das heben Zivilisten getan?«

»Ja, Sir.«

»Wie viele?«

»Zwei.«

Der Blick des Offiziers war jetzt von Schmerz erfüllt. »Fünf von unseren Leuten gegen zwei Zivilisten und zu betrunken, um sich ihrer Haut zu wehren. Das ist ja eine Schande!« Er runzelte die Stirn. »Fünf. Hey, das sind doch die Kumpels von Captain Wanatte. Wo ist der Captain?«

Face hatte augenblicklich eine Antwort parat. »Lieutenant Cothron hat, eher er das letzte Mal die Besinnung verlor, gesagt, daß der Captain Gesellschaft für den Abend gefunden hätte.«

»Ah. Nun ja. Wie sieht es mit Schäden aus?«

»Einer der Zivilisten hat bezahlt«, erklärte Wedge. »Dann haben wir sie den Städtischen Behörden übergeben.«

»Sehr lobenswert. Also gut. Ich denke, diesen fünf Jammerlappen wird es nicht schaden, wenn wir sie für ein paar Tage zum Reinigungsdienst einteilen. Bringt sie auf ihr Quartier.«

Wedge salutierte schneidig und schlug dieselbe Richtung ein, in die die anderen Sturmtruppler gegangen waren, um den Hangar zu verlassen. Die Gespenster folgten ihm, und er hörte das scharrende Geräusch der Stiefel der Gefangenen, die über den Betonboden gezerrt wurden. Dann bauten sich die Luftkissen des Gleiters mit einem schmatzenden Geräusch wieder auf.

Er atmete erleichtert auf. Der Pilot des Gleiters hatte nicht bemerkt, daß elf Sturmtruppler an Bord seines Gleiters gegangen waren, aber nur zehn ihn verlassen hatten. Janson hatte Shallas Platz eingenommen und schleppte jetzt gemeinsam mit Castin einen Piloten. Wenn auf diesem Stützpunkt alles nach den imperialen Dienstvorschriften ablief, würde der Pilot den Gleiter zur Fahrbereitschaft der Militärpolizei zurückbringen.

Und dann würde alles bei Shalla liegen. Sie befand sich noch auf der Ladebrücke des Gleiters, und ihre Aufgabe bestand darin, den Piloten und seinen Beifahrer daran zu hindern, mit irgend jemandem zu reden.

Ihre erste Aufgabe. Aber das war nicht alles, was von ihr erwartet wurde. Wedge hatte einige Skrupel, einem neuen Staffelmitglied auf einem Kommandoeinsatz so viel Verantwortung aufzubürden, aber Kell hatte die Nahkampftalente der Nelprin-Familie in so glühenden Farben geschildert, daß er sich dennoch dazu entschlossen hatte.

Sie hatten inzwischen den Hangar hinter sich gelassen, und er nahm sich einen Augenblick Zeit, um sich zu orientieren, wobei er das durch den Sturmtruppenhelm eingeengte Gesichtsfeld verwünschte; er sah an den Seiten praktisch überhaupt nichts und mußte sich daher langsam im Kreis drehen, um sich ein vollständiges Bild seiner Umgebung zu verschaffen. Die Anlage des Stützpunktes war ihm einigermaßen vertraut, weil sie das Gelände ja vom Hügel aus ziemlich gründlich beobachtet hatten, aber er hatte keine Ahnung, wo genau sie sich augenblicklich auf dem Stützpunkt befanden. Als er sich schließlich orientiert hatte, ging er geradewegs auf die überkuppelten Gebäude zu, die seiner Ansicht nach die Offiziersquartiere enthielten.

Sie würden sich natürlich dort nicht hinbegeben. In der ersten dunklen Seitengasse, würden sie die bewußtlosen Piloten loswerden und dann mit ihrem eigentlichen Einsatz beginnen.

 

Lara Notsil, ehemals Gara Petothel, zuckte zusammen, als eine Zweiergruppe TIE-Jäger nach der anderen die Formation verließ und mit aufheulenden Motoren auf sie und ihre Kollegen zuraste. Zusammenzucken ist gut, entschied sie. Wenn die mich beobachten, werden sie das registrieren.

Jetzt war in ihrem Komm die Stimme ihres Gruppenführers zu hören: »Gold Eins an Goldstaffel. In Zweiergruppen Formation verlassen und angreifen.«

Lara drückte den Sprechknopf ihres eigenen Komm. »Gold Sieben?«

»Ich bin dein Flügelmann, Acht.«

Sie kippte nach Steuerbord ab, löste sich damit aus der Formation von X-Flüglern und sah, wie andere Zweiergruppen ebenfalls die Formation verließen.

Dann wurde sie von den ersten fahlgrünen Laserstrahlen der imperialen Maschinen erfaßt. Laras X-Flügler wurde am Heck getroffen und geriet ins Trudeln; ihre Heckflügel wurden teilweise aufgerissen, woraufhin sie Energie von den Bugflügeln nach hinten umleitete. Die beiden TIE-Jäger, die sie und Gold Sieben ins Laserkreuzfeuer nahmen, bezogen hinter ihnen Abschußposition.

»Wegtauchen, Sieben«, sagte Lara und schob den Knüppel vor. Das Terrain unter ihnen, eine in Ruinen liegende, großflächige Stadt, wurde größer. Sie und Gold Sieben stachen im Sturmflug auf eine mit Trümmern übersäte Straße hinunter, flogen unter der Linie der Dächer der sie umgebenden Gebäude, aber die Verfolger verloren sie trotzdem nicht aus den Augen und blieben dicht hinter ihnen. Wieder wurde Laras Jäger von zwei Laserschüssen getroffen und dabei leicht nach Backbord gerissen; sie korrigierte geschickt mit einem leichten Ausschlag des Ätherruders.

Die Straße vor ihr gabelte sich jetzt. Sie erinnerte sich daran, aus größerer Höhe gesehen zu haben, daß die beiden Gabelungen ein Stück weiter vorn wieder zusammenliefen, höchstens zwei Kilometer von ihrem augenblicklichen Standort entfernt. Jetzt wußte sie, welche Taktik die richtige gewesen wäre: Sie hätte Gold Sieben nach Steuerbord schicken und selbst nach Backbord abbiegen und dann den Verfolger von Sieben unter Beschuß nehmen müssen, während Sieben sich den ihren vornahm, sobald die Straßen sich wieder vereinten.

Aber das hätte wahrscheinlich funktioniert. Und das war für sie nicht der Zweck der Übung.

»Sieben, bei dem großen, blauen Gebäude hart Backbord.«

»Verstanden.« Die Stimme von Sieben klang ein wenig besorgt.

Lara ließ ihren Worten Taten folgen. Als die X-Flügler an dem riesigen, in einem in die Augen stechenden grellen Hellblau gestrichenen Gebäude entlangrasten, das vermutlich früher einmal als Lagerhaus gedient hatte, jetzt aber ein ausgebranntes Gebäudewrack mit Rauchspuren an den Wänden war, bog sie geschickt nach Backbord in eine Straße, die im rechten Winkel zu der verlief, der sie bisher gefolgt war. Sie rotierte um neunzig Grad nach links, so daß die Straße sich links von ihr befand und eine Gebäudereihe unter ihrem Kiel war.

Der Trägheitskompensator ihres X-Flüglers war dem Manöver nicht gewachsen; sie verspürte den plötzlichen Druck, mit dem sie in ihren Sitz gepreßt wurde, als der Jäger die Drehung beendete.

Dann war ein scharfes, metallisches Scharren zu hören, als ihr Kiel über eine der Gebäudefassaden kratzte; ihr X-Flügler kam ins Trudeln. Einer derartigen Beanspruchung waren die Schilde ihrer Maschine nicht gewachsen. Sie warf einen Blick auf ihr Diagnosedisplay und suchte dort die rote Schadensmeldung.

Hinter ihr wurde der Himmel plötzlich hell. Das Krachen und die Schockwelle einer Explosion ließen ihren X-Flügler erneut ins Trudeln geraten. Gleichzeitig verschwand der blaue Punkt, der Gold Sieben darstellte, von ihrem Display.

Lara schnitt eine Grimasse. Gold Sieben verfügte nicht über die Geschicklichkeit, um ein solches Manöver durchzustehen. Lara hatte das gewußt, hatte darauf gebaut, aber ein zufriedenes Grinsen wäre jetzt fehl am Platze gewesen, denn die Beobachter würden das sehen. Wohl wissend, daß sie keine Antwort erhalten würde, drückte sie den Sprechknopf ihres Komms. »Sieben? Gold Sieben kommen.«

Hinter ihr kamen die beiden TIE-Jäger, denen die scharfe Kehre keine Schwierigkeiten bereitete, in die Seitenstraße, brausten heulend durch die Rauchwolke, die alles war, was von Gold Sieben übriggeblieben war. Als sie den Qualm hinter sich hatten, eröffneten sie erneut das Feuer.

Lara spürte das Zittern, das durch die Heckpartie ihrer Maschine ging. Wieder glitt ihr X-Flügler zur Seite. Lara korrigierte, korrigierte bewußt zu stark und riß in gespieltem Schrecken die Augen weit auf, als sie auf eine Gebäudefassade zuschoß. Sie hatte gerade noch Zeit, die Tafel WILLKOMMEN IN MOFFIES SUPERMARKT zu lesen, ehe sie aufprallte –

Besser gesagt, nicht aufprallte. Da war kein scharfer Schlag, kein Langsamerwerden, bloß ein abruptes Verlöschen der Cockpitbeleuchtung. Dann klappte das Kanzeldach über ihr auf.

Captain Sormic – klein, kahl, menschlich, gewöhnlich unmittelbar vor einem Wutanfall stehend und mit einem Gesicht wie rosa Ton, den man wie menschliche Gesichtszüge geformt hat – stand vor dem Simulator und funkelte sie an. »Kandidat Notsil. Würden Sie uns bitte erklären, was Sie mit diesem letzten Manöver bewirken wollten?« Laras Stimme klang bewußt unsicher. »Ich wollte die Kontrolle…«

»Nein, das nicht. Diese Selbstmordkehre in die Seitenstraße.«

»Oh. Äh, ich wollte die TIE-Jäger abschütteln…«

»Richtig. Sie dachten also, zwei Piloten, Neulinge noch dazu, könnten erfahrene Piloten in wendigeren Raumfahrzeugen vormachen, wie man fliegt, und das bei freier Flugbahn. Ist das richtig?«

»Nun, äh…«

»Sagen Sie: ›Richtig, Captain.‹«

»Richtig, Captain.« Laras Gesichtsausdruck wirkte immer noch verstört.

»Und dabei haben Sie und Ihr Flügelmann den Tod gefunden.«

»Richtig, Captain.«

»Kandidat Lussatte, ist das eine Taktik, für die Sie sich ebenfalls entschieden hätten?«

Lara sah zu ihrem Flügelmann im übernächsten Simulator. Die sullustianische Frau warf Lara einen um Nachsicht heischenden Blick zu. »Nein, Captain.«

»Was hätten Sie getan?«

»Ich hätte einen Protonentorpedo abgefeuert…«

»Die imperialen TIEs waren bereits hinter Ihnen, Lussatte.«

Lara sah, wie Lussatte tief durchatmete. »Ja, Captain. Lassen Sie mich das erklären. Ich denke, entkommen kann ich den Imps nicht. Ich denke, wenn ich schnell abbremse, bremsen die noch schneller ab, weil sie bessere Flieger sind und beweglichere Maschinen haben. Aber wenn ich etwa einen Häuserblock vor mir einen Torpedo setze, dann verschafft mir das eine Rauchwolke, durch die ich fliegen kann, und damit auch ein paar Augenblicke, in denen die mich nicht sehen können. Wenn ich mir den Trefferpunkt visuell gut genug eingeprägt habe, kann ich es riskieren, in eine Nebenstraße abzubiegen, um die Verfolger abzuschütteln, vielleicht sogar so schnell wenden, daß ich sie vor den Rohren habe, ehe sie wieder Jagd auf mich machen.«

Captain Sormic überlegte kurz und nickte ihr dann zu. »Hört euch das gut an, was sie gerade gesagt hat. Das wäre eine fünfundzwanzigprozentige, vielleicht sogar fünfzigprozentige Chance, die nächsten zehn Sekunden zu überleben und vielleicht sogar einen der TIE-Jäger zu schnappen. Und das wäre in jedem Fall viel besser, als Notsil zu folgen. Das war’s dann für heute.«

Die Pilotenschüler erhoben sich von ihren Plätzen; einige kletterten aus den Simulatoren. Lara verließ den ihren nicht; das konnte sie nicht, weil Captain Sormic immer noch vor ihrem Simulator stand und ihr den Ausgang versperrte.

Er drehte sich jetzt um und sah sie an, aber plötzlich war sein Ausdruck nicht mehr abweisend, sondern eher mitfühlend. Seine Stimme wurde leiser, ging beinahe in ein Flüstern über. »Kandidat Notsil, Sie sind Spitze in Astronautik und Kommunikation. Sie brauchen es bloß zu sagen, und ich versetze Sie zur Offiziersausbildung in eine dieser beiden Abteilungen. Als technische Spezialistin auf der Brücke eines kapitalen Schiffes könnten Sie Karriere machen.«

»Nein, Sir. Ich will Pilotin werden.«

»Es ist ja nicht so, daß ich Sie durchfallen lasse. Lediglich eine Versetzung. Und dort könnten Sie der Allianz eine ganze Menge Nutzen bringen.«

»Nein, Sir. Ich will Pilotin werden.«

Seine Züge verfinsterten sich. »Dann habe ich einen guten Rat für Sie.«

»Ja, Sir?«

»Denken Sie über Kandidat Lussatte nach und all die anderen, mit denen Sie sich möglicherweise angefreundet haben. Lassen Sie sich einmal durch den Kopf gehen, wie Ihnen zumute sein wird, wenn Sie schuld daran sind, daß einer von ihnen ums Leben kommt. Glauben Sie mir, so wie ich Ihre fliegerischen Fähigkeiten einschätze, wird das passieren. Und das ist noch nicht das Schlimmste, was Ihnen passieren könnte. Das Schlimmste für Sie wäre es, wenn Sie allein eine Fehlentscheidung überlebten, die zum Tod aller führt, die Ihnen wichtig sind.« Er wandte sich ab und folgte den letzten Pilotenschülern aus dem Saal.

Lara ließ sich in den Simulatorsitz sinken. Ihre Niedergeschlagenheit war nur zum Teil gespielt. Es tat einfach weh, für einen Versager gehalten zu werden, wo sie doch in Wirklichkeit viel besser war.

Was die Rebellen von ihr hielten, war ihr gleichgültig; sie waren schließlich der Feind. Aber ihre Kurskollegen waren von so viel naiver Begeisterung erfüllt, daß es ihr immer schwerer fiel, sie nicht zu mögen.

Sie spürte ein leichtes Kribbeln im Nacken und drehte sich um, um durch das hintere Sichtfenster des Simulators sehen zu können.

Im hinteren Teil des Schulungssaales war ein Mann in Allianzuniform gerade dabei, sich abzuwenden und den Raum durch den hinteren Eingang zu verlassen. Seiner Größe und seinen Bewegungen nach zu schließen, mußte das Colonel Repness sein.

Wann war er in den Saal gekommen? War er Zeuge ihres Wortwechsels mit Captain Sormic gewesen? Sie blickte ihm nach, bis er den Saal verlassen hatte und sie ganz allein war.

Dann warf sie einen Blick auf ihr Chrono. Für die nächste Stunde waren in diesem Saal keine Übungen angesetzt. Sie zog sich die Armaturentafel näher heran und schloß ein paar Drähte anders an, etwas, worauf sie sich recht gut verstand. Dann schob sie die Armaturentafel wieder zurück und schloß das Kabinendach von Hand.

Als sie den Knopf drückte, der bei einem echten X-Flügler sämtliche Aggregate neu gestartet hätte, lief der Simulator wieder an. Aber diesmal würde er die Ergebnisse und Aufzeichnungen nicht an den Zentralcomputer des Schulungszentrums weiterleiten. Was auch immer sie hier leistete, würde ihr Geheimnis bleiben.

Die Welt mit der Ruinenstadt tauchte wieder vor ihr auf, und sie war erneut von einer Staffel X-Flügler umgeben.