17. Kapitel
AN BORD DER ANAKIN SOLO
Der kleine Mannschaftsgleiter mit Caedus an den Steuerkontrollen schoss den Hauptkorridor der Anakin Solo entlang und ließ Crewmitglieder, uniformierte Piloten und zivile Beobachter fluchend aus dem Weg springen. Allana, die fest angeschnallt auf dem Beifahrersitz saß, lachte, ein kindliches, raues Glucksen, das Caedus selbst über das Brüllen der Repulsorlifts hinweg hörte.
Normalerweise wäre er davon verzaubert gewesen. Jetzt jedoch war er einfach bloß beunruhigt, und daran würde sich auch nichts ändern, bis er die Anakin Solo hinter sich gelassen hatte und ein gutes Stück von dem entfernt war, was auch immer Leia an Bord gebracht hatte.
Allerdings konnte er nicht in den Schiffen verschwinden, die er am besten kannte und auf die er am meisten vertraute: in seiner Raumfähre und Tahiris StealthX-Jäger. Beide befanden sich im selben Hangar wie Leias Yacht. Also raste er auf den Sternenjäger- Haupt Hangar zu. Er würde sich irgendetwas Schnelles und gut Geschütztes schnappen und weit genug von der Anakin Solo wegbleiben, dass Allana in Sicherheit war, falls an Bord tatsächlich eine Bombe explodierte.
Er hatte seine Verhandlungen mit Captain Hoclaw nicht vergessen. doch jetzt waren sie nicht mehr von Belang.
Er glitt seitlich auf eine abschüssige Fußgängerrampe und sorgte dafür, dass ein halber Infanterietrupp über das Geländer hechtete, um ihm zu entgehen. Allana lachte wieder.
Er warf ihr einen Blick zu und zwang sich zu einem Lächeln. »Macht's dir Spaß?«
»Jede Menge Spaß! Kann ich auch mal fahren?«
»Nächstes Mal, Liebes.«
Endlich, da war es - das Doppeltor, das in den Sternenjäger- Haupthangar führte. Die Torhälften glitten beiseite, als er näher kam. Er röhrte hinein und fegte bloß um Handbreite an Mechanikern vorbei, die zu beiden Seiten des Tors standen. Er musterte die geordneten Reihen der Sternenjäger - alte und neue, erprobte und Versuchsmodelle - und steuerte auf eine Reihe mit verschiedenen TIE-Modellen zu.
Besonders einer der Jäger - ein Testmodell, das er erst einmal geflogen hatte - fiel ihm ins Auge. Der Prototyp des TIE-Aufklärungsjägers, dem die GA-Piloten den Spitznamen »der Schemen« gegeben hatten, ähnelte dem alten TIE-Bomber - er war unauffällig, verfügte über geschwungene Solarflügel und zwei zylindrische. Seite an Seite montierte Schiffsrümpfe, die dafür sorgten, dass das Gefährt eigentümlich nach einem Makrofernglas aussah, das man zwischen zwei gewölbten Händen angebracht hatte. Im Gegensatz zum Originalbomber wies der Schemen auf der Steuerbordseite ein zusätzliches Elektronikgehäuse auf, das einen modernen Hyperantrieb, Astronavigationscomputer, einen Schildgenerator, Lebenserhaltungssysteme sowie fortschrittliche elektronische Verteidigungssysteme beherbergte; nichts, was Sienar, die Herstellerfirma, jemals hervorgebracht hatte, kam einem StealthX näher als das hier. Der Schemen war schwarz gestrichen und schmucklos, abgesehen von den kleinen Symbolen der Galaktischen Allianz auf den Außenflügeln.
Caedus schwenkte herum, blieb neben dem Schemen stehen und schnallte gerade Allana los. als ein Mechaniker zu ihm gelaufen kam. »Kann ich Ihnen helfen, Sir?«
Caedus hob Allana aus ihrem Sitz. »Ich fliege mit dem Schemen raus.«
»Ähm, ja, Sir, aber Captain Olavey dreht in fünfzehn Minuten eine
Testrunde, einen Überflug in der Nähe des Konföderationsverbands ... «
»Verschieben Sie das auf später.« Ohne auf die Einstiegsleiter zu warten, sprang Caedus mit einem Satz oben auf den Schemen und hob die Luke an. »Füllen Sie die Formulare für mich aus.«
»Ja, Sir.«
Caedus' Komlink piepte. Vorsichtig kletterte er mit Allana ins Cockpit hinunter, zog die Luke zu und nahm im Pilotensessel Platz, bevor er das Gespräch entgegennahm. »Ja?«
Es war sein Sensoroffizier. »Sir, soeben haben sechzehn Sternenjäger-Staffeln den Hyperraum verlassen. Sie kommen mit Maximalgeschwindigkeit auf uns zu. Die Schlachtschiffe der Konföderation rücken ebenfalls vor.«
»Geben Sie Admiralin Lumpan Bescheid. Sagen Sie ihr, sie soll unverzüglich mit ihrem Kampfverband herkommen. Starten Sie alle Sternenjäger von sämtlichen Schiffen.« Während er sprach, aktivierte Caedus die Energiezufuhr des Schemens und ging flüchtig eine verkürzte Abflug-Checkliste durch. »Bringen Sie die Anakin Solo ans hintere Ende unserer Formation und fahren Sie die Schilde erst im letztmöglichen Augenblick hoch - ich wiederhole: im letztmöglichen Augenblick -, oder wenn die Diagnosescans, die gerade laufen, ergeben, dass dadurch keine Gefahr entsteht, was immer zuerst der Fall ist.«
»Ja, Sir.«
»Ich starte jetzt.« Mit Allana auf dem Schoß, sicherte Caedus sie beide mit dem Geschirr, ehe er die Repulsoren des Schemen aktivierte. In seiner Eile ließ er das Schiff beinahe mit einem Satz vom Hangarboden hüpfen.
Alarmsirenen erfüllten die Luft, und mit einem Mal waren überall Mechaniker, die zu den Sternenjäger-Staffeln im Hangar liefen, um sie auf die unmittelbar bevorstehende Ankunft der Piloten vorzubereiten. Die Glühstäbe im Boden rings um die Haupthangartore flammten auf, um zu signalisieren, dass das Atmosphärenschutzfeld eingeschaltet worden war. Die Torhälften begannen beiseitezugleiten und gaben den Blick auf das Sternenfeld dahinter frei.
Caedus wartete nicht, bis sie sich zur Gänze geöffnet hatten. Er schoss vor und sauste durch das halboffene Portal, was Allana ein fröhliches Quietschen entlockte.
Und dann war er draußen, fort von der lebensbedrohlichen Explosion, die der Anakin Solo seiner Meinung nach bevorstand. Eine Minute lang fiel Caedus das Atmen wieder leichter. Hier draußen, umgeben von Schwerelosigkeit, im Angesicht feindlicher Sternenjäger und Schlachtschiffe, die in seine Richtung eilten, fühlte er sich endlich sicher.
AN BORD DER ANAKIN SOLO, JACEN SOLOS PRIVATHANGAR
Leia marschierte durch die Türen, und Jag drückte eine Reihe von Knöpfen auf dem Tastenfeld neben ihnen, um das Schott wieder zu schließen und zu verriegeln.
Han, der durch das Cockpitfenster der Liebeskommandant zu sehen war, winkte ihr zu, ehe seine Stimme knisternd über das Komlink drang. »Schatz, komm an Bord. Wir haben alles, und es wird Zeit, die Biege zu machen.«
Leia setzte zu einem rasanten, machtverstärkten Sprint an und schoss die Einstiegsrampe der Yacht hinauf. Sie hörte, wie Jag ihr nacheilte. Zekk stand in der Hauptkabine der Yacht bereit, um die Einstiegsluke zu versiegeln. Leia ging nach vorn ins Cockpit, wo Han auf dem Pilotensitz und Jaina auf dem des Kopiloten saß.
Leia ließ sich in den Kapitänssessel fallen, den vormals Lando in Beschlag genommen hatte. »Wir befinden uns tief im All, irgendwo auf halbem Wege zwischen Coruscant und Corellia. Jacen ist damit beschäftigt, mit den Corellianern zu reden. Jetzt ist vielleicht der beste Zeitpunkt, um zu verschwinden.«
Han drehte sich halb zu ihr um und legte den Kopf schief. »Vielleicht, vielleicht auch nicht. Die haben bereits versucht, dich auszusperren, uns einzusperren und den Druck in diesem Hangar abfallen zu lassen. Die wollen nicht, dass wir abhauen. Die Frage ist: Sind ihre Traktorstrahlen oder Turbolaser einsatzbereit?«
»Gute Frage. Den Traktorstahl hat Zekk allerdings außer Gefecht gesetzt.« Ganz wie ein billiges Flittchen, das in einer Cantina Drinks schnorrt, schenkte Leia ihrem Ehemann einen verführerischen Augenaufschlag. »Ein paar dummen kleinen Turbolasersalven kannst du doch sicher ausweichen, oder? Wie beim letzten Mal, auf Kashyyyk?«
Han blickte finster drein. »In diesem Fall solltet ihr euch besser fest anschnallen.«
Jags Stiefelabsätze donnerten auf der Einstiegsrampe, gefolgt vom Geräusch der Rampe, die hochgefahren wurde. Leias Ohren ploppten, als die Außenhülle für das Vakuum des Weltraums versiegelt wurde.
Und dann waren da Hans gemurmelte, kaum hörbare Worte, als er die Triebwerke startete: »Ich hab dir doch gesagt, wir hätten den Falken nehmen sollen ... «
Leia rollte mit den Augen. »Mit dem Falken hätten wir sie niemals davon überzeugen können, dass du nicht an Bord bist.«
Hans nächste Worte gingen im Schrillen der Alarmsirenen unter, die mit einem Mal den Hangar erfüllten.
Caedus zog den Scheinen in die Kurve und setzte sich über die Anakin Solo, was ihm einen unbeeinträchtigten Blick auf das Schiff und den offenen Weltraum davor verschaffte. Allana gurrte beim Anblick der Sterne und Schiffe vor Aufregung.
Plötzlich waren da noch weitere Schiffe. Ein bläulicher Strich verwandelte sich in die geschwungenen, anmutigen Formen des Mon-Calamari-Kreuzers Blue Diver, dem Flaggschiff der Zweiten GA- Flotte, weiter voraus an Backbord des Schemens. Andere Schlachtschiffe - etwa zwanzig - verließen den Hyperraum und reihten sich rings um die, die sich bereits in Position befanden, in die Formation ein. Nun begannen Sternenjäger aus dem Bauch der Anakin Solo und den Sternenjägerhangars der anderen Schiffe zu strömen, wie Piranhakäfer. die aus einem gerade beschädigten Nest fliehen.
Und wenn man den Sensoren des Schemens Glauben schenken konnte, behielten die zahlenmäßig zunehmend unterlegenen feindlichen Sternenjäger-Staffeln und Schlachtschiffe ihren Kurs unbeirrt bei. Caedus sah, dass die gegnerischen Kriegsschiffe keine Formation einnahmen, die ihm bekannt war; sie hielten deutlichen Abstand zueinander, zu weit voneinander entfernt, um einander mit überschneidenden Feuerfeldern zu unterstützen.
Er schnaubte. Es war nicht nötig, dass er seine Sith-Kampfmeditationstechnik einsetzte, um dieses Gefecht in einen grausamen Sieg für die Galaktische Allianz zu verwandeln. Die Konföderation hätte keinen schlechteren Angriffsversuch initiieren können als den. den er hier vor sich sah.
An seiner Kom-Tafel leuchtete eine Lampe auf, und er vernahm Admiralin Limpans Stimme. »Sir, ich bringe uns in Rautenkampfformation mit überlappenden Feuerfeldern, um mit der Sternenjäger-Bedrohung fertigzuwerden; ansonsten halten wir hier die Stellung, da der Feind begierig darauf zu sein scheint, die Drecksarbeit selbst zu erledigen. Es sei denn, natürlich, Sie haben andere Anweisungen.«
»Nein, Admiralin. Ich behalte die Situation von hier aus im Auge und unterstütze Sie vielleicht im Bedarfsfall bei der Abwehr der gegnerischen Sternenjäger.« Vielleicht aber auch nicht.
»Das scheint mir ein unnötiges Risiko zu sein, Sir.«
»Aber auch eine gute Gelegenheit, die Leistungsfähigkeit des Schemens zu testen.«
»Ja, Sir.« Das Licht erlosch.
Allanas Stimme tadelte ihn. »Du arbeitest ja schon wieder.«
»Tut mir leid. Liebes. Das hat sich gerade so ergeben.« Er drehte nach Backbord bei und stieg ein gutes Stück über die relative Höhe der Blue Diver auf, während er gleichzeitig die elektronischen Abwehrsysteme des Schemens aktivierte. Innerhalb von Sekunden war er weit von der GA-Formation entfernt, ohne von den feindlichen Sensoren erfasst zu werden - zumindest hoffte er das.
Unter ihm kamen die Führungsschiffe der Sternenjäger-Staffeln der Konföderation in Feuerreichweite ihrer GA-Gegenstücke. Laserstrahlen - winzige Nadeln aus grünem und rotem Licht - zuckten zwischen den beiden Kampfverbänden hin und her. Die Reihen der Sternenjäger wogten und brachen auseinander, um sich in Dutzende Zweikämpfe zu stürzen.
Caedus runzelte die Stirn. Seltsamerweise bohrte sich das Jägergeschwader der Konföderation nicht in die GA-Formation, um sich auf die großen Schiffe zu stürzen. Stattdessen lieferten sie sich unmittelbar vor der GA-Formation eine ausufernde Raumschlacht. Er schüttelte den Kopf. Das war mit Abstand die dämlichste Art und Weise, einen Überraschungsangriff zu vermasseln, die er je gesehen hatte.
Mit einem Mal hallte seines Vaters Stimme in seinen Ohren wider, Worte, die er vor mehr als zwanzig Jahren zu ihm gesagt hatte: Jacen, wenn du um so vieles klüger als dein Gegner bist und weißt, dass du dich nicht einmal anstrengen musst, um ihn zu schlagen, dann ist das der Moment, in dem er lächelt und dir die Vibroklinge reicht, mit der er dir gerade das Herz rausgeschnitten hat.
Caedus schüttelte den Kopf, um die Erinnerung zu vertreiben. Sein Vater konnte ihm nichts mehr beibringen, das er nicht schon wusste.
Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt, um die Bombe hochgehen zu lassen. Doch aus dem offenen Hangartor in der Außenhülle der Anakin Solo schoss keine Flammenzunge hervor. Verdutzt schüttelte Caedus den Kopf.
»Jemand ist gegangen.« Allanas Stimme war leise.
»Wie bitte?«
»Jemand ist gegangen. Und jetzt noch einer. Sie gehen alle weg.« Nun lag eine Welt von Schmerz und Kummer in Allanas Worten. Caedus beugte sich vor. um ihr ins Gesicht zu schauen, und war überrascht zu sehen, dass Tränen ihre Wangen hinabrollten. Aber was...
Dann wusste er die Antwort. Sie war machtsensitiv. Piloten starben, und sie fühlte, wie ihre Präsenzen in der Macht erloschen. Er war so an den Tod im Kampf gewöhnt, dass er nicht mehr Aufmerksamkeit darauf verwandt hatte, als auf eine Brise, die sein Haar aufwühlte. Allana indes nahm jeden Tod wie einen kleinen, schmerzhaften Stich wahr.
Er zögerte, aus dem Konzept gebracht. Was konnte er ihr sagen, damit der Schmerz verging? Keine beruhigenden Worte dieser Galaxis würden verhindern, dass sie jeden fernen Verlust spürte, und mit einem Mal war er hilflos.
AN BORD DER LIEBESKOMMANDANT
Jainas Kom-Signal aktivierte den Empfängerchip, den Han und Jag in die Mechanik des Außentors eingebaut hatten. Rings um das Schott flammten Reihen von Warnlampen auf, die darauf hinwiesen, dass der Atmosphärenschutzschild aktiv war. Sekunden später glitten die beiden Torhälften beiseite, um den Blick auf zahlreiche Kriegsschiffe freizugeben, die sich vor dem Sternenfeld abhoben.
Han schob den Steuerknüppel behutsam nach vorn. Die Liebeskommandant schwebte zur Öffnung, und der Bug der Yacht stieß durch den Atmosphärenschild.
Allerdings verzichtete Han darauf, mehr Schub zu geben, um ins Weltall davonzuschießen. Stattdessen drehte Han minutiös nach Backbord bei, während der Bug der Yacht ins Vakuum eintauchte, aufs Heck der Anakin Solo zu. Nachdem sie den Hangar verlassen hatte, behielt die Yacht einen Abstand von weniger als zwei Metern zur Außenhülle des Sternenzerstörers bei - zu dicht, um sie mit den Bordgeschützen ins Visier zu nehmen. So genau konnten sie nicht zielen, und selbst wenn doch, hätte ein Volltreffer die Yacht in Stücke gerissen und dabei auch die Anakin Solo selbst beschädigt.
Jaina nickte. »Nett. So lahm wie ein Jugendlicher bei seinen ersten Einparkversuchen mit einem Flitzer ... aber nett.«
Han warf ihr einen argwöhnischen Blick zu. »Jetzt müssen wir bloß noch den richtigen Moment abwarten, um uns aus dem Staub zu machen.«