17

 

 

Jeder Uneingeweihte hätte sie für drei werdende Väter halten können, die der ersehnten Nachricht vom Erscheinen ihres Nachwuchses entgegenschwitzten. ADAM saß reglos in einer Ecke, die Arme über der Brust gekreuzt, die Augen starr ins Leere gerichtet. Auf dem Stuhl neben ihm hockte McDermott, die Ellbogen auf die Knie und das Kinn auf die Fäuste gestützt. Callaghan ging rastlos hin und her, eine Zigarette nach der anderen rauchend, von Zigarette zu Zigarette zappeliger werdend.

ADAM brach schließlich das Schweigen: »Warum habe ich das getan? Warum? Warum? Wie konnte ich so närrisch sein?«

McDermott löste sich aus seiner Versunkenheit. »Hören Sie ADAM«, sagte er, »das haben wir oft genug durchgeackert. Sie müssen aufhören, sich Vorwürfe zu machen. Sie haben gehandelt, wie jeder anständige Mann gehandelt hätte. Wenn Sie nicht aufhören, sich damit zu quälen, schnappen Sie noch über.«

»Ach«, stöhnte ADAM, »ich hätte ihr doch nicht sagen können, daß ich genauso fühle wie sie! Ich wollte nicht, daß sie sich an ein synthetisches Gebilde wie mich verschwendet! Ich wünschte ihr ein glückliches Leben mit einem Mann aus Fleisch und Blut!« Er vergrub sein Gesicht in den Händen. »Nie hätte ich gedacht, daß sie dann so etwas tun würde!«

McDermott legte ADAM eine Hand auf die Schulter. »Sie haben ehrenhaft und völlig richtig gehandelt, Freund. Im übrigen ist es leichter, die Heftigkeit der Sonnenprotuberanzen vorherzusagen, als zu ahnen, was eine Frau tun wird.«

Der Rauch weiterer zwölf oder fünfzehn Zigaretten fand seinen Weg durch Callaghans Lungen, ehe es soweit war, daß Dr. Ehrick durch die zum Operationssaal führende Doppeltür kam. Er blieb stehen, streifte seine Operationsmaske herunter und sagte kopfschüttelnd: »Ach, du meine Güte! Düstere Gesichter wie bei einer Totenwache.«

Die drei Männer umringten ihn, Fragen über Fragen stellend. Der sichtlich übermüdete Doktor zog ein großes Taschentuch und wischte sich die Stirn. Dann putzte er sorgfältig seinen Kneifer, setzte ihn wieder auf und äußerte milde: »Nur ruhig, Gentlemen, nur ruhig. Nehmen wir erst einmal Platz. Ich werde Ihnen alles erzählen, wenn ich eine Zigarette bekomme. Ich habe meine Pfeife nicht bei mir und lechze nach etwas Rauchbarem.« Er setzte sich, erhielt die gewünschte Zigarette und steckte sein Taschentuch fort. Nachdem die Zigarette angezündet war, nahm er einen tiefen Zug und blies den Rauch durch die Nase wieder aus. »Ah, es tut diesen alten Gliedern gut, endlich wieder ein wenig zu sitzen. Ich werde allmählich zu alt für diese langen Operationen.«

»Bitte, Doktor«, fragte ADAM unruhig, »wie geht es Suzy? Wird sie durchkommen?«

Der Doktor blickte zu ADAM und legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Ja, ADAM«, sagte er väterlich, »Ihre aufopferungsvolle kleine Pflegerin wird es schaffen.«

»Gott sei Dank«, murmelte ADAM und verbarg das Gesicht in den Händen. »Gott sei Dank.«

»Aber Sie werden etwas Geduld haben müssen, bis Sie sie sehen können.« Dr. Ehrick schwieg einen Moment lang, dann fügte er hinzu: »Da wir hier beieinandersitzen, Gentlemen, möchte ich mit Ihnen ein wenig über Susan sprechen. Captain McDermott, wissen Sie, was geschehen ist, seit Schwester Riley in ihrem Zimmer gefunden wurde?«

»Nein, Doktor.« McDermott schüttelte den Kopf. »Callaghan und ich bekamen die Telefondurchsage kurz vor Mitternacht und fuhren direkt hierher. Ist etwas Besonderes geschehen?«

»Nun, ich sehe, ich werde einiges erklären müssen«, sagte der Doktor, kreuzte seine Beine und setzte sich bequem zurecht. »Ich arbeitete am späten Abend noch in meinem Laboratorium beim Medical Center von San Antonio, als ich einen Telefonanruf von Susan erhielt. Sie wollte wissen, ob ich eine gut funktionierende Gehirnpumpe bereit hätte. Ich antwortete, ja, das wäre der Fall. Sie sagte, das sei gut, denn hier auf Kap Kennedy läge ein Notfall vor, und ob ich mit der Gehirnpumpe so schnell wie möglich herüberkommen könnte. Schön, ich packte meine Sachen zusammen, und Colonel Strickman von Randolph-Field stellte eine kleine Düsenmaschine zur Verfügung, die mich hierher brachte.

Als ich hier im Hospital ankam, wußte zu meiner Überraschung niemand von einem Notfall. Argwöhnisch geworden, versuchte ich, Schwester Riley in ihrem Zimmer anzutelefonieren. Da sich niemand meldete, ging ich mit der Oberschwester und einem Hospitalarzt zu Susans Zimmer. Wir fanden Susan bewußtlos auf ihrem Bett, und auf dem Nachttisch lag ein an mich gerichteter Brief.«

ADAM sackte merklich zusammen. Dr. Ehrick klopfte ihm begütigend auf die Schulter und fuhr fort: »Sie sollen diesen Brief lesen, ADAM.« Er schlug seinen Operationsmantel zurück, kramte den Brief aus der Hosentasche und reichte ihn ADAM. »Bitte, lesen Sie vor.«

ADAM starrte sekundenlang auf den etwas zerknitterten Brief, als versuche er seine Selbstbeherrschung zu sammeln. Dann entfaltete er das Papier und begann vorzulesen:

 

Lieber Doktor Ehrick,

wenn ich alles richtig berechnet habe, werde ich zur Zeit Ihres Eintreffens im Sterben liegen oder bereits verstorben sein. Kurz nach dem Anruf bei Ihnen habe ich mir eine intramuskuläre Injektion von 400 Milligramm Morphiumsulfat verabfolgt. Unmittelbar davor betrug mein Puls 88, meine Atmung 16 in der Minute. Meine körperliche Verfassung ist ausgezeichnet. Ich bin nicht ganz frei von Angst, aber ruhig.

Nach meiner festen Überzeugung ist dies der einzige Weg für mich mit dem Mann, den ich liebe, glücklich zu werden. Wenn alles gut geht, hoffe ich, Ihnen bald danken zu können – als die erste elektronische Frau, entworfen für das 21. Jahrhundert, EVA M-2.

Bitte, halten Sie mich nicht für eine Psychopathin. Ich habe absolutes Vertrauen, daß Sie bei der Verpflanzung meines Gehirns ebenso erfolgreich sein werden wie bei ADAM.

Für den Fall, daß doch etwas mißlingt, sagen Sie ADAM bitte, daß ich ihn sehr liebe.

Herzlichst

Ihre Susan Riley.

 

ADAM faltete den Brief zusammen und blickte mit bestürztem Ausdruck auf. »Doktor«, murmelte er, »ich fürchte, ich verstehe es nicht.«

»Ich werde es erklären«, sagte Dr. Ehrick. »Als wir Susan fanden, hatte ihr Herz schon ausgesetzt. Alle Wiederbelebungsversuche blieben erfolglos. Als erfahrene Krankenschwester hatte sie eine unbedingt tödliche Dosis verwendet.«

ADAM starrte den Doktor fassungslos an. »Aber Sie – Sie sagten doch, sie würde es schaffen?«

»Sie war klinisch tot, als wir sie fanden.«

»Suzy ist – ist tot?« ADAM ließ den Kopf hängen. »Die liebe kleine Suzy – tot.«

»Nehmen Sie sich zusammen, ADAM«, mahnte der Doktor. »Sie dürfen Ihr System nicht mit solchen depressiven Anwandlungen belasten. Versuchen Sie die Sache als eine Art Metamorphose zu sehen.« Der Doktor drückte den Rest seiner Zigarette in einen Aschenbecher. »Hmm, aber da fällt mir ein – weiß eigentlich jemand von Ihnen irgend etwas über das Projekt, an dem ich zuletzt im Center gearbeitet habe? Projekt EVA?«

Die Männer schüttelten die Köpfe. »Ich hörte«, sagte McDermott, »daß Sie an einem Geheimprojekt arbeiten. Aber das war auch alles.«

»Sieh an«, erwiderte der Doktor lächelnd, »offenbar gelingt es hin und wieder, sogar in militärischen Führungskreisen Geheimnisse zu wahren.«

»Mich dürfen Sie hierbei nicht als Maßstab verwenden«, warf Callaghan ein – etwas indigniert, wie es schien. »Als Informationsoffizier bin ich sowieso immer der letzte, der etwas erfährt.«

Der Doktor fuhr fort: »Konzipiert wurde das Projekt EVA bereits, als mit einiger Wahrscheinlichkeit anzunehmen war daß Sie ein Erfolg werden würden, ADAM. Nach Ihrer spektakulären Pressekonferenz, durch die alle Welt erfuhr, daß wir einen Weltraummann haben, wurden die zuständigen Stellen mit Tausenden von Briefen überschwemmt, die nun auch eine Weltraumfrau forderten – insbesondere die Frauenvereine machten sich sehr stark dafür. Uns konnte dies nicht erschüttern, denn unsere EVA war inzwischen ziemlich weit gediehen ... Äh, Captain McDermott – natürlich hätte ich dabei sehr gern auch Ihre Hilfe gehabt. Aber ich konnte Sie nicht hinzuziehen, weil Sie zu sehr von ADAM und von Ihren Aufgaben beim Helios-Projekt beansprucht waren. Sonst standen mir fast alle die Wissenschaftler, Ingenieure und Techniker zur Seite, die schon bei der Erschaffung ADAMs mitgewirkt hatten. Daß alles so glatt und schnell ging, verdanken wir jedoch nicht zuletzt der Hilfe einer sehr vielseitigen Frau – Susan Riley.«

»Susan ...?« wiederholte ADAM verblüfft. »Sie hat an diesem Projekt mitgearbeitet?«

»Sehr intensiv sogar. Es war eine ideale Ergänzung, daß uns bei der Erschaffung der ersten Weltraumfrau diese liebenswerte, hübsche, intelligente, fachlich erfahrene Krankenschwester zur Seite stand.«

»Das leuchtet mir ein«, murmelte ADAM.

»Wir beendeten das Projekt EVA Anfang dieser Woche«, fügte Dr. Ehrick noch hinzu.

»Und Susan wußte natürlich, daß nun nichts weiter fehlte als ein menschliches Gehirn?« mutmaßte McDermott. »Demnach hätte sie sich die tödliche Injektion in dem Vorsatz verabfolgt, EVA M-2 zu werden?«

»Ich fürchte, das stimmt«, bestätigte der Doktor. »Bei der Mitarbeit am Projekt erwähnte sie immer wieder ihren Wunsch, die erste Raumfrau zu werden.« Er wandte sich an ADAM: »Ihr zwei Liebesleute habt eure Gefühle nicht gut getarnt, weder vor der Umwelt, noch vor euch selbst. Als sie nun von Ihnen abgewiesen wurde, tat sie das Natürlichste, was ihr zu tun blieb. Da der Mann, den sie liebte, offenkundig nicht so werden konnte wie sie, beschloß sie, so zu werden wie er.«

»Gütiger Himmel«, murmelte ADAM.

»Und wo stehen wir jetzt, Doktor?« fragte McDermott.

»Nun, das Gehirn ist an die Gehirnpumpe angeschlossen und funktioniert normal ... Übrigens, ADAM – es dürfte Sie interessieren, zu erfahren, daß Susan ein sehr schönes Gehirn hat.«

»Oh, das ist eine angenehme Bestätigung«, versicherte ADAM. »Vermutet hatte ich es.«

»Ja, und nun«, sagte der Doktor, »werde ich nach San Antonio zurückfliegen, um die Verpflanzung so bald wie möglich durchzuführen.«

»Zum Flugplatz kann ich Sie fahren, Doktor«, erbot sich Callaghan. »Ich erwarte Sie mit meinem Auto am Hauptausgang.«

»Und ich«, sagte McDermott, »ich rufe den Flugplatz an, damit Ihre Maschine startklar gemacht wird.« Er und Callaghan eilten davon; Dr. Ehrick und ADAM blieben allein.

Der Doktor wußte, wie es ADAM zumute war. Er legte ihm eine Hand auf die Schulter und sagte begütigend: »Ich weiß, daß Sie einen ziemlichen Schock erlebt haben, mein Junge.«

»Ja, weiß Gott«, murmelte ADAM.

»Sehen Sie es so, ADAM. Susan liebt Sie. Tief im Herzen wußte sie, daß Sie sie genauso lieben. Nun werdet ihr als euresgleichen zusammensein können. Das dürfte sie viel glücklicher machen, als sie bisher war.«

»Ich hoffe, Sie haben recht, Doktor«, antwortete ADAM. »Ich hoffe nur, Sie haben recht.«

»Ich werde es mit Colonel Gillespie arrangieren, daß Sie morgen nach San Antonio kommen können, um sich zu überzeugen.«

 

Am nächsten Nachmittag im Medical Center von San Antonio. »Gut, ADAM«, sagte Dr. Ehrick, »Sie dürfen sie jetzt sehen. Aber bleiben Sie fürs erste nicht zu lange. Die Betäubung, die sie erhalten hat, könnte noch nachwirken und sie ein wenig unvernünftig erscheinen lassen. Erinnern Sie sich, wie es Ihnen unmittelbar nach der Operation ging?«

»Nicht allzu klar. Man erzählte mir, ich hätte ziemlich albernes Zeug geredet.«

»Das könnte auch bei ihr der Fall sein, aber es hinge – wie gesagt – noch mit der Betäubung zusammen. Sobald sie sich ganz erholt hat, wird sie wieder sein wie früher. Gehen Sie nun zu ihr. Sie hat schon nach Ihnen gefragt.«

Behutsam öffnete ADAM die Tür des halb verdunkelten Hospitalzimmers. Zögernd trat er ein. Er fühlte sich von zwiespältigen Empfindungen bewegt. Obschon er sich von Herzen danach sehnte, Suzy wiederzusehen, hatte er gleichzeitig Angst vor dem, was dort im Hospitalbett auf ihn warten mochte. Auf Zehenspitzen schlich er näher, bis er hinabspähen konnte zu dem von weißen Kissen umrahmten Gesicht. Seine polarisierten Linsen brauchten ein paar Sekunden, um sich dem Dämmerlicht anzupassen. Dann gab es ihm einen Ruck, und er erstarrte.

»Hallo, ADAM«, sagte eine etwas spöttisch klingende Stimme.

Er versuchte zu antworten, brachte aber nur unartikulierte Laute heraus.

»Was ist denn, Darling?«

»Wieso – äh – nichts, Liebling«, stammelte er. Was er dort auf dem Kissen sah, war die erschreckend grünliche Karikatur eines Gesichts – strähniges schwarzes Haar, schnabelartige Hakennase, eingesunkene Augen, schmale Lippen, Raffzähne, spitziges, warzenverziertes Kinn. Er versuchte seinen Ekel zu unterdrücken.

»Du magst wohl mein neues Gesicht nicht?« fragte EVA.

»Oh, doch, doch – natürlich«, murmelte er. »Es – es ist gut, dich zu sehen, Suzy.«

»Du Lügner! Du wunderbarer, liebevoller Lügner!« Sie griff mit einer Hand nach ihrer Nase und zog. Entsetzt sah ADAM, wie das ganze Gesicht sich löste. »Ein alberner Streich, aber ich mußte ihn versuchen«, jauchzte sie und warf die Gummimaske zur Seite.

Sprachlos starrte ADAM auf das Gesicht, das unter der Maske zum Vorschein gekommen war.

»Magst du dieses auch nicht?« lachte sie. »Dann kommen wir in Nöte. Es ist mein letztes.«

»Von allen schmutzigen, nichtswürdigen, elenden Tricks ...«

»Oh, tut mir leid«, kicherte sie. »Gefällt dir mein neues Gesicht?«

»Gefallen? Du bist schön wie eh und je, Susan!«

»Nicht mehr Susan. EVA M-2. Du darfst mich EVA nennen, ADAM.«

»Sie haben dein Gesicht naturgetreu reproduziert! Selbst die Farben ...«

»Mit den Sommersprossen gab es einige Schwierigkeiten. Aber ich finde, schließlich sind sie doch ganz nett geraten – nicht wahr?«

»Es ist verblüffend!«

»Gut, daß du nicht allzu enttäuscht bist.« Sie drehte den Kopf etwas zur Seite. »Und wie gefällt dir mein Haar? Direkt aus Paris importiert. Wenn du die Farbe nicht magst, kann ich auch in Brünett, Blond, Beige oder Gold kommen.«

»Ich liebe dein rotes Haar. Es hat die alte natürliche Farbe. Aber ich staune noch über dein Gesicht –«

»Das ist keine Zauberei, ADAM. Sie haben es ganz gewissenhaft nach meinem Originalgesicht modelliert. Vergiß nicht – ich war von Anfang an dabei. Ich hatte ein paar eigene Ideen, wie mein neuer Körper aussehen sollte. Du Ärmster mußtest dich ja mit einem vorgefertigten Modell begnügen ... Möchtest du mal sehen, was für Überraschungen ich unter der Decke habe?« Erst jetzt bemerkte er, daß sie mit einem hauchdünnen himmelblauen Nachthemd bekleidet war.

»Suzy!«

»Der Name ist E-V-A. Sicher möchtest du mal blinzeln, wie?«

»Suz – EVA! Sofort ziehst du die Decke wieder hoch! Doktor Ehrick deutete an, vielleicht würdest du ein bißchen enthemmt sein, aber so etwas halbe ich nicht erwartet. Ähem, ich sollte wohl lieber gehen und erst wiederkommen, wenn du die Nachwirkungen der Betäubung ganz überwunden hast.«

»Du bleibst, ADAM. Ich will versuchen, mich zu benehmen. Rück einen Stuhl neben das Bett und halt mir ein bißchen die Hand.«

»Versprichst du, die Decke oben zu behalten?«

»Ich gelobe es, Sauertopf. Ich dachte, du ständest in dem Ruf, ein sehr feuriger Liebhaber zu sein?«

»Ich hatte nicht viele Mängelrügen. Aber es gibt gewisse Grundregeln, an die jeder faire Sportsmann sich hält. Ich angle Forellen nicht mit Lachseiern als Köder, und ich versuche keine amourösen Annäherungen bei schönen Frauen, die halb betäubt sind.« Er zog einen Stuhl herbei und setzte sich. »Also, wie fühlst du dich, mein Schatz? Sag mir die Wahrheit.«

»Halt mir die Hand. Dann erzähle ich.«

Er tat, wie ihm geheißen, und war überrascht, die Hand ganz zart und lebenswarm zu finden. »So, nun erzähle.«

»Wie ich mich fühle? Gut! Unglaublich gut! Ich hoffe nur, ich habe dich und deine Freunde nicht allzu sehr erschreckt.«

»Ach wo. Bloß hast du mir über Nacht das Haar schneeweiß gemacht, wie du bemerken dürftest.«

»Oh, wirklich. Vorher hatte es ein schlichteres Weiß. Tut mir leid. Aber du verstehst mich? Du weißt, daß ich es tun mußte?«

»Ich denke, du bist ein völlig verdrehtes ...«

»Du – meine Oberweite ist jetzt um acht Zentimeter größer!«

»Mir egal, und wenn sie – hoppla, was sagtest du da?«

»Daß meine Oberweite jetzt um acht Zentimeter größer ist.«

»Hör mal – früher hast du nie über so etwas gesprochen.«

»Da hatte ich auch nicht viel, worüber zu sprechen gewesen wäre.«

»Oh, das würde ich nicht sagen –«

»Vergiß nicht, ADAM – ich hatte die Chance, von der Millionen Frauen vergebens träumen. Ich habe meinen eigenen Körper entworfen. Ganz nach meinen Ideen. Lange Beine, schmale Hüften, voller Bu...«

»Suzy, was ist in dich gefahren?«

Sie sah ihn eindringlich an. »Weißt du das wirklich nicht?«

»Na ja, ich denke ...«

»ADAM, ich lie-be! Und jetzt kann meine Liebe, bisher hoffnungslos, die ersehnte Erfüllung finden. Ich bin glücklich wie noch nie!«

Er saß einen Moment lang stumm da. Dann schüttelte er den Kopf und murmelte: »Grotesk! Zwei Gehirnbehälter aus kunstvoll gestaltetem Plastik – romantisch wie Romeo und Julia.«

»Eben – romantisch. Sobald mein Voltmesser etwas zurückgeht, werde ich dich bitten, mich zu küssen.«

»Ach, du bist verdreht, Schwester Ril... EVA.« ADAM streichelte ihr zärtlich das Haar, vielleicht sogar ein wenig wehmütig. »Du mußt bedenken, mein Schatz – es ist nicht nur eitel Honigschlecken. Ich habe schon bittere Tage erlebt. Dann vermisse ich schmerzlich solche Dinge wie ein dickes, saftiges Steak, den ersten langen Schluck kühles Bier an einem heißen Sommertag, den unbeschreiblichen Schwung, den ein guter trockener Martini gibt ...«

»Ich weiß. Das alles habe ich sorgfältig überlegt, ehe ich mich entschloß. Alles – alles wird bedeutungslos gegenüber der Möglichkeit, mit dem geliebten Menschen zusammenzusein!«

Er blickte in ihr strahlendes Gesicht und fragte etwas heiser: »Ist dein Voltmesser inzwischen zurückgegangen?«

»Ich – ich denke – aber es kommt auch gar nicht darauf an, ADAM. Wenn du mich jetzt küßt, habe ich sowieso Kurzschluß.«

Zärtlich schloß er sie in die Arme und drückte seine Lippen auf ihre. Wäre das Aneinandergeraten der beiden Stromkreise von einer Kontrollstelle der öffentlichen Energieversorgung registriert worden, dann hätte es einen Panikalarm ausgelöst – derart schnellten die Spannungen hinauf. ADAM ließ EVA erst los, als er zufällig bemerkte, daß ihrem linken Ohr ein blaues Rauchwölkchen entschwebte.

Er brauchte einen Moment, um sich zu sammeln und die Sprache wiederzufinden. »Himmel«, stöhnte er. »Ich hoffe, uns ist kein Widerstand durchgeschmort!«

»Wen würde es schon kümmern?« fragte EVA beinah schmollend. »Komm, laß uns versuchen, was die Kondensatoren aushalten.«

»Nicht um den Preis deines Lebens, Weib! Deine Sicherungen müssen verstärkt werden. Im übrigen brauchst du noch Ruhe.« Er stand auf und rückte den Stuhl fort.

»ADAM?«

»Ja, mein Schatz?«

»Weißt du was?«

»Nun?«

»Ich liebe dich sehr!«

»Davon hast du mich eben recht gut überzeugt.« Er nahm ihre Hand und hauchte einen Kuß darauf. »Ich liebe dich auch, du verrücktes Huhn.« Er hörte sie eigenartig kichern.

»ADAM, ich hatte eine ganz schreckliche Idee.«

»Welche denn, Liebste?«

»Stell dir vor, du hättest Wechselstrom gehabt und ich Gleichstrom! Dann wären wir bei dem Kuß in einem blauen Lichtbogen aufgezischt und futsch gewesen!«

»Heiliger Strohsack! Gute Nacht, EVA.«

»Gute Nacht, mein süßer elektronischer Prinz.«