Der manichäische Jesus
Der Religionsstifter Mani sah sich – unter seinesgleichen eine altehrwürdige Tradition – als der Letzte der Propheten an, als jener, der am Ende der Reihe von Moses, Buddha, Zarathustra und Jesus mit dem Auftrag in die Welt gekommen ist, die Weisheit aller zu einem gemeinsamen Lehrsystem zu verbinden.
Mitteliranischer Text in manichäischer Schrift. Digitales Turfanarchiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften
Jesus war für ihn eine Lichtgestalt, die er gerne als „Jesus der Glanz“ bezeichnete. Er schrieb ihm übermenschliche Eigenschaften zu: Jesus sei eine von vier gottnahen Wesenheiten, die nach dem Tod eines Menschen über dessen weiteres Schicksal – Reise in die Lichtwelt oder Wiedergeburt zur weiteren Läuterung – entschied.
Aufschlussreich ist die Auferstehungsszene, entnommen dem Evangelium des Mani, in der Jesus sich an Maria Magdalena wendet:
Maria, Maria, erkenne
mich, aber berühre mich nicht. Kämpfe gegen deine Tränen und
erkenne mich: Ich bin dein Meister. (…) Dein Gott ist nicht
gestorben, vielmehr hat er den Tod überwunden. (…) Beende deine
Trauer und diene mir. Sei meine Botin zu den Waisen. Werde rasch
wieder fröhlich und begib dich zu den Elfen (Aposteln,
Anm.). Du findest sie versammelt am Ufer des
Jordan. Der Verräter (Judas, Anm.) hat
sie dazu überredet, wieder einfache Fischer zu
werden.
Sage ihnen: „Erhebt euch, lasst uns
aufbrechen. Es ist euer Bruder, der nach euch ruft.“ Wenn sie mich
aber als Bruder missachten, sage ihnen: „Es ist euer Meister.“ Und
wenn sie auch darauf nicht hören wollen, dann sage ihnen: „Es ist
euer Herr!“ Setze alles frauliche Geschick ein und alle gute Rede
(…) und achte besonders darauf, Petrus für deine Seite zu
gewinnen. (Nach Läpple, S. 196)