Ein bisschen apokryph
Der später heilig gesprochene Kirchenvater Hieronymus durfte als Sohn wohlhabender Eltern bereits in jungen Jahren in Rom studieren. Um 370 begann er zu reisen, lebte drei Jahre als Einsiedler in der syrischen Wüste und lernte Griechisch und Hebräisch. Nach seiner Priesterweihe setzte er seine Studien in Byzanz fort, bis ihn sein mittlerweile ausgezeichneter Ruf als Gelehrter nach Rom brachte: Papst Damasus I. ernannte ihn zu seinem persönlichen Sekretär.
Hieronymus steht im Ruf, der hervorragendste Sprachgelehrte seiner Zeit gewesen zu sein – von keinem anderen Kirchenvater ist die Beherrschung des Hebräischen überliefert, zudem war Hieronymus im klassischen wie auch im zeitgenössischen Latein und natürlich im Griechischen bestens bewandert.
In seinen überlieferten Schriften erweist er sich als äußerst streitbarer Mann, der in theologischen Auseinandersetzungen nicht selten darauf verfiel, Meinungsverschiedenheiten als persönlichen Affront aufzufassen. Andere sahen ihn schlicht als fixiert bis geradezu besessen.
Hieronymus huldigte einem mönchischen Lebensstil, worin er großen Zuspruch in der vornehmen römischen Damenwelt erhielt: Er wurde persönlicher Seelsorger von Paula von Rom, die mit 33 Witwe geworden war und sich mitsamt ihren fünf Kindern Gott verschrieben hatte, da ihr dies der einzige Weg zu sein schien, über den Verlust ihres Gatten hinwegzukommen. Paula huldigte in aller Inbrunst der Askese und infizierte auch ihre Kinder mit der Droge der Enthaltsamkeit. Blaesilla, ihre Älteste, übertrieb es allerdings und nahm eine tödliche Dosis Fastenaskese zu sich: Sie verhungerte.
Der Fastentod einer seiner Schützlinge brachte Hieronymus um die Papstnachfolge.
Für Hieronymus war dieses Ereignis insofern von entscheidender Bedeutung, als dass es ihn um seine Chancen brachte, dem mittlerweile verstorbenen Papst Damasus nachzufolgen, wie es dessen Wunsch gewesen war. Angesichts der Rufe vom „abscheulichen Mönchsgesindel“, wie sie nach diesem Vorfall durch Rom schallten, war es dem bigotten Klerus ein Leichtes, dem ungeliebten Hieronymus zu entgehen – zu Recht fürchteten sie seine unnachgiebige, gottesfürchtige und äußerst freudlose Auffassung des Christentums. Schließlich hatte er aus seiner Meinung zu den zahlreichen Missständen in der römischen Geistlichkeit in seiner bekannt sarkastischen und fanatischen Art nie ein Hehl gemacht.
Hieronymus verließ Rom, begleitet von Paula und ihren vier verbliebenen Kindern, und gründete in Betlehem vier Klöster: eines für Mönche, dem er selbst vorstand, drei für Nonnen unter der Leitung von Paula. Dort vollendete er, was er 382, im Jahr seiner Berufung zum päpstlichen Sekretär, begonnen hatte: die Revision der biblischen Schriften.
Diese Aufgabe bestand aus zwei großen Teilen: Zum einen aus einer Harmonisierung und Vereinheitlichung der diversen Vetus-Latina-Schriften, um dem entstandenen Kanon für das Neue Testament eine Form zu geben. Zum anderen in einer Neuübersetzung des Alten Testaments. Für Letzteres bediente sich Hieronymus offenbar mehrerer Quellen: allen voran der hebräischen Urtexte, dazu in Einzelfällen auch der sogenannten Septuaginta.