Eine Zeit lang lief alles gut, weitere in Planung befindliche Projekte versprachen Charles Foreman einen beachtlichen Nebenverdienst. Er erwägte bereits, seinen eigentlichen Job an den Nagel zu hängen, als ein weiterer Störenfried auftauchte:

   Am Ostufer des Loch Ness, zwischen den winzigen Ansiedlungen Dores und Whitefield, sollte eine noch größere Fischfarm als in Ullapool entstehen. Auch dieses Projekt war von Foreman auf den Weg gebracht worden. Aber George McCallum, ein in Dores ansässiger Fischer und waschechter Naturschützer, wiegelte seine Mitbürgerinnen und Mitbürger auf. Es kam wieder zu Protesten, welche die gesamte Region zu erschüttern und damit auch alle künftigen Projekte zu Fall zu bringen drohten. Hier musste wieder ein Zeichen gesetzt werden. Nachdem ein computergeschriebener Brief an George McCallum nicht den gewünschten Erfolg brachte und auch die letzte Aufforderung durch das an seinem Fischerboot angebrachte Warnschild zu keiner Einstellung der Proteste führte, entschied sich Charles Foreman für eine energischere Vorgehensweise. Allerdings wollte er sich auch diesmal nicht selber die Hände schmutzig machen, sondern suchte dafür einen geeigneten Vollstrecker. Seiner Sekretärin gab er an, für einige Tage in privater Angelegenheit verreisen zu müssen.

 

Zunächst suchte Charles Foreman die Fischfarm in Ullapool auf, um dort nach dem Rechten zu sehen. Diese reizvoll gelegene Kleinstadt war 1788 für den Heringsfang gegründet worden. Der Hafen ist auch heute noch Mittelpunkt des Ortes und dient gleichermaßen als Anlaufstelle für Fischerboote und Yachten, sowie für die Fähren der Caledonian McBrayne nach Stornoway auf Lewis, der nördlichsten Insel der Äußeren Hebriden. Ullapool verfügt weiterhin über ein kleines Museum, eine Ausstellungshalle, ein Schwimmbad sowie zahlreiche Pubs. Aber Kernstück des örtlichen Gewerbes bildet die großzügig angelegte und wirtschaftlich erfolgreiche Fischfarm.

   Immer wenn Charles Foreman hierher kam, stattete er Lolly Henderson einen Besuch ab. Ihr Vorname war eigentlich Lauren, aber weil sie als Kind ihren Vornamen nur wie ›Lolly‹ aussprechen konnte, sollte ihr dieser Spitzname ein Leben lang anhaften. Lolly ist Betreiberin der Crazy-Heart-Bar – eines besonders von Geschäftsleuten frequentierten Etablissements – und stand vor etlichen Jahren wegen Beischlafdiebstahls im Mittelpunkt eines Strafverfahrens. Allerdings wurde sie zur Überraschung der Prozessbeobachter nur zu einer zweimonatigen Bewährungsstrafe verurteilt. Was aber niemand wusste, war der zwischen dem Verteidiger, dem Staatsanwalt und dem Vorsitzenden Richter ausgehandelte Deal, der weit über das sonst übliche Maß hinausging. Die drei daran beteiligten Juristen hatten sich vor der Urteilsverkündung zunächst einzeln mit der Angeklagten abgesprochen, die sich für den Fall eines milden Urteils bereit erklärte, jedem zu Liebesdiensten zur Verfügung zu stehen, wann immer er nach Ullapool käme. Nur dadurch war sie einer mehrjährigen Haftstrafe entgangen.

   Lolly freute sich über ein Wiedersehen mit Foreman, der an dem damaligen Deal beteiligt war. Doch nur einmal war es zwischen beiden zu Intimitäten gekommen, denn er stand nicht auf Frauen ihres Typs. Trotzdem waren sie so etwas wie Freunde geworden. Auch an diesem Nachmittag saßen sie nur bei einem Scotch Whisky zusammen.

   »Wie laufen jetzt die Geschäfte?«, erkundigte sich Foreman. »Die Fischfarm wird dir vermutlich viele neue Kunden zugeführt haben – oder?«

   »Wie man’s nimmt. Ich bin ganz zufrieden und hoffe, dass es so bleibt.«

   »Aber nichts ist von ewiger Dauer«, meinte Foreman und goss etwas Tonic Water in sein noch halbvolles Whiskyglas. »Wenn sich diese grünen Weltverbesserer weiterhin überall breit machen, kann es durchaus passieren, dass eure Fischfarm den Betrieb wieder einstellen muss.« Er berichtete Lolly von seinen Problemen am Loch Ness und dass er nach einer Möglichkeit suche, dem Anführer der Protestbewegung einen Denkzettel zu verpassen. »Man müsste ihm eine gehörige Tracht Prügel verabreichen, damit er nicht mehr weiß, wo oben oder unten ist.«

   Lolly überlegte kurz. »Ich kenne da einen Mann, der so etwas machen würde, natürlich nur für Geld. Der Typ heißt Henrik, er war erst gestern bei mir. Der war mal Boxer oder so was, später Türsteher einer Disco, irgendwo in Norwegen glaube ich. Übrigens ein echter Draufgänger, alle nennen ihn den Fremdenlegionär Jedenfalls muss er etwas Schlimmes ausgefressen haben, denn etliche Jahre verbrachte er im Knast. Zurzeit fährt er den Lastwagen einer norwegischen Firma. Er transportiert alles Mögliche zu den Fischfarmen, auch zu unserer hier. Seine Fähre legt erst in einigen Tagen wieder ab, bis dahin muss er sich die Zeit irgendwie vertreiben und dürfte einem Nebenverdienst kaum abgeneigt sein. Einen Teil davon lässt er dann bei mir.« Sie lachte. »Fragen kostet nichts und wenn du Glück hast, erwischst du ihn irgendwo am Hafen.«

   Foreman dankte Lolly für diesen Tipp. Dann verabschiedete er sich und machte sich auf den Weg zum Hafengelände. Hier begegnete ihm ein rothaariger, mit Overall und grünen Gummistiefeln bekleideter Arbeiter, der anscheinend von der Fischfarm kam.

   »Hi!«, sprach er den Mann an. »Kennen Sie zufällig einen gewissen Henrik?«

   Der Rothaarige stellte einen Eimer neben sich, wischte mit dem Handrücken seine Nase ab und grinste: »Meinen Sie den Fremdenlegionär? Ja, ich glaube der heißt Henrik. Der Typ traf erst gestern mit einer Ladung Fischfutter und neuen Netzkäfigen aus Norwegen ein.« Er zeigte mit dem Daumen hinter sich: »Dahinten auf dem Großparkplatz stellt er immer seinen Lastwagen ab. Vielleicht erwischen Sie ihn dort, falls er sich nicht gerade in seiner Kneipe volllaufen lässt.«

   Nach kurzem Fußmarsch erreichte Foreman den am Ortsrand gelegenen Parkplatz. Dort fiel ihm gleich ein großer Volvo-Lastwagen auf. Er trat näher heran und erkannte zu seiner Verwunderung den Schriftzug Leegaard Society Ltd Lillehammer an der Tür der dunkelblauen Fahrerkabine. Dann richtete seinen Blick nach oben, wo der Fahrer mit beiden Armen über das Lenkrad gebeugt zu schlafen schien. Mehrfach bollerte Foreman an die Wagentür, bis der Mann erschrocken den Kopf hob und sich die Augen rieb. »Kann man hier nicht mal pennen, ohne dass man dauernd gestört wird?«, brüllte er verärgert, nachdem er das Seitenfenster hinuntergelassen hatte.

   Charles Foreman zuckte nur mit den Achseln und fragte: »Do you speak english?«

   »Klar, wenn du willst auch Schwedisch, Französisch und Arabisch, sogar Gälisch. Muss man ja wohl, denn ihr Tommys seid ja zu faul, eine andere Sprache zu erlernen. Also, was willst du von mir?«, fragte er in immer noch ärgerlichem Tonfall.

   »Heißt du Henrik?«, erkundigte sich Foreman beschwichtigend.

   »Kann schon sein!«, gab er zur Antwort und verzog seine Miene zu einem Grinsen. »Falls mir nicht inzwischen ein anderer Namen verpasst wurde. Du kannst mich also ruhig Henrik nennen. Nur was willst du von mir?«

   »Ich möchte mit dir einiges besprechen. Was hältst du von einem kräftigen Schluck?«

   »Wenn du damit einen Whisky meinst, halte ich das für eine tolle Idee. Ich kenne da einen urigen Pub, den Old Fisherman’s Inn, das ist meine Stammkneipe, wenn ich hier zu tun habe. Die ist um diese Zeit offen.«

   Mit einem Satz sprang er hinunter, knöpfte sich seine braune Lederjacke zu und sein Gesicht strahlte in Erwartung eines guten Tropfens. »Also, worauf warten wir noch? Meine Kehle ist ganz trocken!«

 

Charles Foreman war froh, auf diese zwanglose Art ins Gespräch mit dem ungepflegten, seit Tagen anscheinend nicht mehr mit Wasser und Seife in Berührung gekommenen Mann hergestellt zu haben. Als sie an der Theke des Lokals vor einem Whisky pur saßen, äußerte sich Foreman erstaunt:

   »Sag bloß, du fährst für die Leegaard Society! Da sind wir ja beinahe Kollegen! Für diese Firma arbeite ich hin und wieder, die Fischfarm hier ist mein ganz persönliches Kind. Kennst du vielleicht einen Mann namens Ronald Donaldson? Das ist der Marketingchef bei Leegaard. Und mein Name ist Charles Foreman. du darfst mich Charlie nennen.«

   »Noch nie gehört, Charlie, der Typ hat sich mir noch nicht vorgestellt.« Er lachte. »Ich kenne nur die anderen Fahrer von Leegaard und meinen Chef, Mr Hopefield, den Leiter unseres Fuhrparks. Aber deshalb wolltest du mich doch nicht zum Whisky einladen – oder?« Er lachte und entblößte dabei seine obere Zahnlücke.

   »Natürlich habe ich einen Hintergedanken. Vielleicht möchtest du dir ein schönes Sümmchen hinzuverdienen. Du brauchst für mich nur einen kleinen, allerdings höchst vertraulichen Auftrag auszuführen. Für dich besteht dabei kaum ein Risiko, sofern du es geschickt anstellst.«

   Henrik sah Charles lauernd an. »Als Trucker verdient man nicht besonders gut. Und Geld kann man nie genug haben. Um was geht’s denn?«

 

(6) Loch Ness

 

   »Nahe der kleinen Ortschaft Dores am Ostufer des Loch Ness plant die Leegaard Society, also dein Arbeitgeber, die Errichtung einer weiteren Lachsfarm und stößt dabei auf den erbitterten Widerstand der Anrainer. Ihr Wortführer ist ein gewisser George McCallum. Wegen des von ihm angezettelten Aufruhrs sind sowohl die wirtschaftliche Entwicklung dieser Region, als auch die Schaffung neuer Arbeitsplätze gefährdet. Auch dein Job ist nicht mehr sicher, wenn man nichts gegen solch unnütze Aufwiegler unternimmt. Die Einstellung der Lachsfarmen bedeutet den Verlust der Arbeitsplätze vieler hundert Menschen und für Leute wie dich das ›Aus‹ für alle Transporte nach hier. Bestimmt willst du nicht, dass du schon bald ohne Job dastehst, oder? Es liegt also auch in deiner Hand, ob der Typ so weitermachen kann oder auf etwas unsanfte Weise davon abgebracht wird.

   Charles Foreman erläuterte sein Vorhaben, dem Störenfried George McCallum einen Denkzettel zu verpassen. Er suche jemand, der sich nicht scheue, diese Aufgabe zu übernehmen. Natürlich müsse Mr McCallum auch erfahren, wofür er abgestraft wurde.«

   »Ich verstehe schon, wie du das meinst.« Henrik grinste. »Du hast dich recht geschickt ausgedrückt. Aber keine Bange, in dieser Beziehung kenne ich keine Hemmungen. Vor allem wenn die Bezahlung stimmt. Was ist dir denn meine Mitarbeit wert?«

   »Du bekommst von mir 1.000 Pfund. Die Hälfte zahle ich dir gleich auf die Hand, den Rest erst nach erfolgreicher Erledigung. Wie du das anstellst, überlasse ich dir.«

   »Ich könnte das kurzfristig machen, meine Fähre geht erst in drei Tagen von Newcastle ab. Bis dahin verbleibt mir also noch genügend Zeit.«

   »Na wunderbar, das trifft sich gut! Also pass auf! Du fährst auf der B852 am Ostufer des Loch Ness südwärts bis zu der kleinen Ansiedlung Foyers. Morgen Abend halten die Lachsfarm-Gegner im Gasthof The Jacobites Inn ihr wöchentliches Meeting ab. Du kannst dich dort unauffällig unter die Leute mischen, wie ein zufällig anwesender Tourist. Allerdings musst du aufpassen, dass du den Richtigen erwischst. Wie schon gesagt, der Mann heißt George McCallum. Er ist sehr groß, ziemlich dick und trägt einen dunkelbraunen Vollbart. Der Typ ist also kaum zu übersehen.«

   »Und wo stelle ich meine Karre ab? Gibt es dort einen größeren Parkplatz?« fragte Henrik besorgt.

   »Um Himmelswillen, nein! In dem kleinen Nest würdest du mit deinem Truck sofort auffallen. Du parkst am besten in Inverness, das Städtchen liegt auf dem Weg dorthin. Du stellst den Wagen am besten auf dem Großparkplatz am Stadtrand ab. In Inverness gibt es mehrere Autoverleiher, dort mietest du dir ein möglichst unauffälliges Auto. Das Geld dafür bekommst du zusätzlich. Alles soweit klar?«

   »Okay, Charlie! Nun gib mir die Anzahlung.«

   Charles Foreman zählte ihm 550 Pfund in kleinen Scheinen auf die Hand. »Ich erwarte dich übermorgen früh bei deinem Truck! Dort bekommst du den Rest, falls du alles erledigt hast«

Bevor sie sich verabschiedeten, zog Henrik aus seiner Hosentasche einige in Goldpapier eingewickelte Bonbons hervor. »Hier, nimm eins! Eine echt norwegische Spezialität übrigens.«

Ein mörderisches Komplott
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