16
Der rechteckige weiße Kasten, auf grünen Rasen gebettet, dahinter der Fächer neu angepflanzter Bäume, blattlos und kläglich jetzt im Dezember, und drinnen der warme Zellulosegeruch und die Turbanfrauen, die zur Musik aus ›Dr. Schiwago‹ Puppen bemalten. Mr. Aveney geleitete Wexford durch die Arbeitsräume ins Büro des Personalchefs und redete dabei ebenso schockiert wie entrüstet auf ihn ein.
»Die Bücher frisiert? So was hat es bei uns nie gegeben.«
»Ich sage ja nicht, daß es bei Ihnen passiert ist, Mr. Aveney. Es ist eine reine Vermutung«, entgegnete Wexford. »Haben Sie je von der guten alten Lohnlistenmasche gehört?«
»Na ja, gut, hab ich. Wurde häufig beim Militär praktiziert. Aber hier würde damit keiner durchkommen.«
»Warten wir’s ab, ja?«
Der Personalchef, ein fader junger Mann mit wirrem Haar, wurde ihm als John Oldbury vorgestellt. Sein Büro war sehr unordentlich, und er schien leicht irritiert, so als habe man ihn bei der Suche nach etwas unterbrochen, was er sowieso nie finden würde. »Mit den Löhnen krumme Sachen machen, meinen Sie?« fragte er.
»Ich schlage vor, Sie erzählen mir mal, wie Sie bei den Lohnlisten mit dem Buchhalter zusammenarbeiten.«
Oldbury blickte beunruhigt zu Aveney hinüber, und Aveney nickte nach einem undefinierbaren Achselzucken. Der Personalchef ließ sich schwer auf seinen Stuhl nieder und fuhr mit den Fingern durch das unordentliche Haar. »Im Erklären bin ich nicht besonders gut«, fing er an, »aber ich werde es versuchen. Also das läuft so: Wenn wir eine neue Arbeiterin kriegen, dann liefere ich dem Buchhalter so die Einzelheiten über sie, und er errechnet daraus ihren Lohn. Nein, ich muß das genauer sagen. Sagen wir, wir stellen eine – also, nennen wir sie Joan Smith, eine Mrs. Joan Smith ein.« Wexford fand, Oldbury war ebenso phantasielos wie unartikuliert. »Dann sag ich dem Buchhalter also ihren Namen und ihre Adresse, sagen wir …«
Um seiner Einfallslosigkeit eine totale Pleite zu ersparen, sagte Wexford schnell: »Gordon Road 24, Toxborough.«
»Oh, fein!« Der Personalchef strahlte vor Bewunderung. »Ich sag ihm also, Mrs. Joan Smith, Gordon Road soundso, Toxborough …«
»Und wie sagen Sie es ihm? Per Telefon? Durch eine schriftliche Notiz?«
»Entweder – oder. Natürlich mache ich mir Vermerke. Ich habe nämlich«, setzte Oldbury unnötigerweise hinzu, »kein sehr gutes Gedächtnis. Ich teile ihm also ihren Namen und ihre Adresse mit und wann sie bei uns anfängt und ihre Arbeitszeit und was sonst noch, und er gibt das alles in den Computer ein – und fertig ist der Lack. Und danach mach ich das dann noch mal wöchentlich mit ihren Überstunden – oder was sonst so ist.«
»Und wenn sie wieder geht, sagen Sie ihm das auch?«
»Aber sicher.«
»Die gehen ja ständig. Rein und raus, so ist das dauernd«, warf Aveney ein.
»Und die kriegen alle wöchentlich ihre Lohntüte?«
»Nicht alle«, sagte Oldbury. »Sehen Sie, einige unserer Damen brauchen ihre Löhne nicht für – na ja, für den Haushalt. Bei denen sind die Ehemänner die – wie nennt man das doch?«
»Ernährer?«
»Ah, gut, die Ernährer. Die Damen, ich meine, manche, sparen sich ihren Verdienst für die Ferien, oder um die Wohnung zu verschönern oder, oder einfach bloß so, nehme ich an.«
»Gut, ich verstehe. Und was ist mit denen?«
»Ja«, sagte Oldbury triumphierend, »die kriegen keine Lohntüte. Deren Bezüge werden auf ein Bankkonto gezahlt – oder wohl meist eher auf ein Postscheck- oder Sparkassenkonto.«
»Und wenn das so ist, dann sagen Sie das dem Buchhalter, und er gibt es in seinen Computer ein?«
»Das macht er, ja.« Oldbury lächelte entzückt, weil er sich so verständlich gemacht hatte. »Sie haben vollkommen recht. Schnelle Auffassungsgabe, wenn ich’s mal so sagen darf.«
»Danke, danke«, versetzte Wexford, leicht benommen von dem trotteligen Charme des Mannes. »Dann könnte also der Buchhalter einfach eine Frau erfinden und ihren fiktiven Namen plus Adresse in den Computer einspeisen? Und ihr Gehalt würde dann auf ein Bankkonto fließen, das der Buchhalter – oder vielmehr sein weiblicher Komplize – nach Belieben eröffnen könnte?«
»Aber das«, sagte Oldbury todernst, »wäre doch Betrug.«
»Allerdings. Aber da Sie Ihre Personallisten aufbewahren, können wir ja sehr einfach feststellen, ob solch ein Betrug vorgekommen ist.«
»Natürlich können wir das.« Der Personalchef strahlte von neuem und trat eifrig an einen Aktenschrank, dessen offene Schubladen mit zerknitterten Dokumenten vollgestopft waren. »Nichts leichter als das. Wir heben sie ein ganzes Jahr auf, nachdem eine unserer Damen uns verlassen hat.«
Ein ganzes Jahr… Und Hathall war vor achtzehn Monaten gegangen. Aveney führte ihn zurück durch die Fabrik, wo die Arbeiterinnen jetzt durch die Stimme von Tom Jones eingelullt (oder stimuliert) wurden. »John Oldbury hat ein sehr gutes Psychologie-Examen«, rechtfertigte er seinen Personalchef, »und er kann wunderbar mit Leuten umgehen.«
»Das glaube ich. Sie waren beide sehr liebenswürdig. Ich muß mich entschuldigen, daß ich Sie so lange in Anspruch genommen habe.«
Dieses Gespräch hatte Howards Theorie weder bestätigt noch entkräftet. Aber da keine Unterlagen mehr existierten, was konnte er nun noch machen? Wenn er seine Nachforschungen nicht heimlich durchführen müßte, wenn er seine Männer zur Verfügung hätte, ja, dann könnte er sie die örtlichen Sparkassenfilialen überprüfen lassen. Doch die Dinge waren eben nicht so. Dabei sah er jetzt ganz klar, wie die Sache gelaufen sein konnte: Die Idee selbst stammte von Angela, dann wurde eine Komplizin gefunden, um die von Hathall erfundene Frau zu personifizieren und das Geld von dem Konto abzuheben. Und dann – ja, dann hatte Hathall seine ›Strohfrau‹ allmählich allzu liebgewonnen, und Angela war eifersüchtig geworden. Wenn er recht hatte, dann ließe sich damit alles erklären – die freiwillig gewählte Einsamkeit der Hathalls, ihr klösterliches Leben, das Geld, das es ihnen gestattete, teuer essen zu gehen und Geschenke für Hathalls Tochter zu kaufen. Sie steckten so lange alle drei unter einer Decke, bis Angela merkte, daß die andere Frau für ihren Mann mehr war als eine Komplizin, mehr als eine nützliche Kassiererin heimlicher Einkünfte … Was hatte sie getan? Die Affäre auffliegen lassen und damit gedroht, die beiden zu verpfeifen, wenn sie nicht aufhörte? Das wäre der Ruin von Hathalls Karriere gewesen. Er wäre bei Marcus Flower gefeuert worden und hätte nie wieder eine Stelle als Buchhalter bekommen. Da hatten sie sie umgebracht. Sie hatten Angela ermordet, um Zusammensein zu können und – da sie ja wußten, daß bei Kidds die Unterlagen nur für ein Jahr aufgehoben wurden – um für alle Zeit das Risiko des Entdecktwerdens los zu sein …
Wexford fuhr langsam den Zufahrtweg zwischen den flachen grünen Wiesen hinunter, und an der Einmündung in die Hauptverkehrsstraße des Industriegebietes begegnete er einem anderen Wagen. Dessen Fahrer war ein uniformierter Polizeibeamter, und neben ihm saß Chief Inspector Jack ›Dachs‹ Lovat, ein kleiner, stupsnäsiger Mann, der eine kleine, goldgerahmte Brille trug. Der Wagen verlangsamte das Tempo, und Lovat kurbelte das Fenster herunter.
»Was tun Sie denn hier?« fragte Wexford.
»Meine Arbeit«, sagte Lovat schlicht.
Sein Spitzname leitete sich von der Tatsache her, daß er in seinem Garten drei Dachse hielt, die er vor den Fallenstellern gerettet hatte, als das Dachsfallenstellen noch erlaubt war. Und Wexford wußte seit langem, daß es sinnlos war, den Chef der Kriminalpolizei von Myringham über irgend etwas anderes auszufragen als über dieses Hobby. Über dieses Thema verbreitete er sich ausgiebig und begeistert, bei allen anderen jedoch – obgleich er seine Arbeit mustergültig erledigte – war er nahezu stumm. Man kriegte lediglich ein ›Ja‹ oder ›Nein‹ aus ihm heraus, wenn man nicht bereit war, sich über potentielle Fallenstandorte und vierfüßige Sohlengänger zu unterhalten.
»Da es hier keine Dachse gibt«, meinte Wexford ironisch, »außer vielleicht welche zum Aufziehen, würde ich nur eins gerne wissen: Hat Ihr Besuch hier irgendwas mit einem Mann namens Robert Hathall zu tun?«
»Nein«, sagte Lovat. Verkniffen lächelnd hob er die Hand und bedeutete seinem Fahrer, weiterzufahren.
Ohne seine neuen Gewerbebetriebe wäre Toxborough mittlerweile zu einem halbverlassenen Dorf mit überalterter Bevölkerung zusammengeschmolzen. Die Industrie hatte neues Leben, Handel, Straßen, Häßlichkeit, ein Veranstaltungszentrum, einen Sportplatz und eine Gemeindesiedlung mit sich gebracht. Durch letztere führte eine breite Straße, die Maynnot Way hieß, in welcher die Betonpfeiler der Straßenlampen die Bäume ersetzten und die nach dem einzigen alten Haus benannt war, das noch stand, nämlich Maynnot Hall. Wexford, der zuletzt vor zehn Jahren in dieser Gegend gewesen war, als sich Beton und Backstein eben erst über die grünen Felder von Toxborough auszubreiten begannen, wußte noch, daß irgendwo hier, nicht weit entfernt, eine Bankfiliale war. Bei der zweiten Kreuzung bog er links in die Queen Elizabeth Avenue ein und da war sie schon, eingeklemmt zwischen einem Wettbüro und einem Teppich-Abholmarkt.
Der Filialleiter war ein steifer, großspuriger Mensch, der auf Wexfords Fragen sehr ungehalten reagierte.
»Sie in unsere Bücher Einblick nehmen lassen? Nicht ohne gerichtliche Vollmacht.«
»Na gut. Aber sagen Sie mir bitte wenigstens eins: Wenn auf ein Konto keine Einzahlungen mehr erfolgen, und es ist leer oder nahezu leer, fragen Sie dann schriftlich bei dem Kontoinhaber an, ob es aufgelöst werden soll?«
»Wir haben diese Praxis aufgegeben. Wenn jemand nur noch fünfzehn Pence auf einem Konto hat, dann verschwendet er keine Briefmarke, um uns mitzuteilen, er wolle das Konto auflösen. Ebensowenig wird er fünf Pence für einen Busfahrschein ausgeben, um es abzuheben. Klar?«
»Würden Sie für mich nachprüfen, ob es bei irgendwelchen von Frauen unterhaltenen Konten seit – seit April oder Mai letzten Jahres weder Ein- noch Auszahlungen gegeben hat? Und wenn ja, würden Sie mit den Inhaberinnen in Verbindung treten?«
»Nein«, sagte der Filialleiter kurz und bündig, »nicht, wenn dies keine offizielle polizeiliche Angelegenheit ist. Ich habe dafür kein Personal.«
Genau das habe ich auch nicht, dachte Wexford, als er die Bank verließ. Kein Personal, keine Geldmittel, keinerlei Ermutigung; nach wie vor nichts als seine persönlichen ›Gefühle‹, um Griswold zu überzeugen, daß diese Sache eine Verfolgung wert war. Kidds hatte eine Lohnliste, Hathall konnte sich über Bankkonten, deren Inhaber fiktive Frauen waren, Geld beschafft haben. So gesehen hatte aber auch das Polizeipräsidium Kingsmarkham eine bescheidene Bargeldkasse, und er, Wexford, hätte sich ebenfalls daraus bedienen können. Der erstere Fall bot nicht mehr Grund zu Verdächtigungen als der letztere, und genau so würde der Chief Constable es auch sehen.
»Wieder eine Sackgasse«, sagte er abends zu seinem Neffen. »Aber ich blicke jetzt wenigstens durch, wie das alles geschehen ist, nämlich so: Die Hathalls und die andere Frau betreiben ihre Betrügereien erfolgreich über ein paar Jahre. Die Verteilung der Beute erfolgt jeweils in Bury Cottage. Als Hathall seinen neuen Job kriegt, besteht keine Notwendigkeit mehr für den Trick mit der Lohnliste. Die andere Frau könnte also von der Bildfläche verschwinden. Sie tut es aber nicht, weil Hathall ihr verfallen ist und sie weiterhin treffen will. Man kann sich Angelas Wut vorstellen. Ihre Idee war es gewesen, sie hatte es geplant, und nun das! Sie verlangt also von Hathall, entweder die andere aufzugeben, oder sie werde ihn auffliegen lassen, aber Hathall kann es nicht. Er tut zwar so als ob, und alles scheint wieder gut zwischen ihm und Angela, gut in einem Ausmaß, daß Angela ihre Schwiegermutter einlädt und das Haus saubermacht, um sie zu beeindrucken. Am Nachmittag holt Angela ihre Rivalin ins Haus, vielleicht, um die Sache endgültig zu bereinigen. Die andere stranguliert sie wie vereinbart, läßt aber diesen Abdruck an der Badewanne zurück.«
»Fabelhaft«, sagte Howard, »ich bin überzeugt, daß du recht hast.«
»Und was hab ich davon? Ich kann ebensogut morgen nach Hause fahren. Kommt ihr Weihnachten zu uns?«
Howard klopfte ihm auf die Schulter wie an dem Tag, als er sich zur Wachablösung bereit erklärt hatte. »Bis Weihnachten sind es ja noch vierzehn Tage hin. Ich beobachte ihn weiter, so oft ich abends frei bin.«
Wenigstens erwartete ihn keine Vorladung von Griswold. Und während seiner Abwesenheit war nicht viel passiert in Kingsmarkham. In dem Haus vom Vorsitzenden des Landwirtschaftsrates war eingebrochen worden. Bei der Leasingfirma in der High Street waren sechs Farbfernseher gestohlen worden. Burdens Sohn war auf Grund seiner zufriedenstellenden Abschlußnoten zur Reading University zugelassen worden. Und Nancy Lakes Haus war für fünfundzwanzigtausend Pfund verkauft worden. Manche Leute sagten, sie zöge nach London, andere, daß sie nach Übersee ginge. Sergeant Martin hatte die Halle des Polizeipräsidiums mit Papierketten und Mobiles aus fliegenden Engeln dekoriert, die jedoch auf Anweisung des Chief Constable sofort wieder entfernt werden mußten, da sie der Würde von Mid-Sussex abträglich seien.
»Komisch, daß Hathall sich nicht beschwert hat, was?«
»Sie können von Glück sagen, daß er es nicht getan hat.« Burden hatte sich jetzt an seine neue Brille gewöhnt und sah ernster und puritanischer aus denn je. Sichtlich verärgert zog er den Atem ein und meinte: »Das müssen Sie lassen, wissen Sie.«
»Muß ich? Mein lieber Freund, müssen ist nicht das richtige Wort, wenn man mit einem Chief Inspector redet. Es gab mal Zeiten, da redeten Sie mich mit ›Sir‹ an.«
»Und Sie haben mich gebeten, damit aufzuhören, wenn Sie sich erinnern.«
Wexford lachte. »Wir gehen ins Carousel rüber, einen Happen essen, dann erzähl ich Ihnen alles über die Sache, die ich lassen muß.«
Antonio war entzückt, daß er wieder da war, und empfahl ihm die Spezialität des Tages – ›Moussaka‹.
»Ich dachte, das wäre griechisch?«
»Die Griechen«, verwahrte sich Antonio mit einer schwungvollen Handbewegung, »haben es von uns.«
»Also die Umkehr des üblichen Prozesses. Wie interessant. Ich werd’s mal probieren, Antonio. Und Steak Pie – was ihr übrigens von uns habt – für Mr. Burden. Bin ich dünner geworden, Mike?«
»Sie sind bald nur noch ein Strich in der Landschaft.«
»Ich hab die ganzen vierzehn Tage keine ordentliche Mahlzeit bekommen, bloß weil ich immer hinter dem verdammten Hathall her war.« Wexford berichtete ihm darüber, während sie aßen. »Na, glauben Sie es jetzt?«
»Ach, ich weiß nicht. Das meiste ist doch nur ein Produkt Ihrer Phantasie, oder? Meine Tochter hat mir neulich so was aus der Schule erzählt. Über Galileo, glaube ich. Sie zwangen ihn zum Widerruf seiner Behauptung, daß die Erde sich um die Sonne dreht, aber er wollte nicht, und auf dem Totenbett waren seine letzten Worte: ›Und sie bewegt sich doch.‹«
»Ich kenne den Ausspruch. Und was wollen Sie damit beweisen? Er hatte doch recht. Die Erde dreht sich um die Sonne. Und auf meinem Totenbett werde ich sagen: ›Und Hathall war es doch!‹« Wexford seufzte. Es war sinnlos, er konnte ebensogut das Thema wechseln … »Ich sah den guten Lovat letzte Woche. Der war genauso einsilbig wie immer. Hat er denn sein vermißtes Mädchen gefunden?«
»Der gräbt die ganze Altstadt von Myringham nach ihr um.«
»Hat er einen bestimmten Verdacht?«
Burden betrachtete mißtrauisch Wexfords ›Moussaka‹, schnüffelte argwöhnisch und nahm sein Steak Pie in Angriff. »Er ist überzeugt, daß sie tot ist, und er hat ihren Mann verhaftet.«
»Was, wegen Mordes?«
»Nein, doch nicht ohne Leiche. Der Kerl ist vorbestraft, und er hat ihn wegen eines Ladeneinbruchs drangekriegt.«
»Menschenskind!« explodierte Wexford. »Manche Leute haben vielleicht ein Schwein!«
Ihre Augen begegneten sich. Burden bedachte ihn mit einem Blick, mit dem man einen Freund betrachtet, wenn man an seiner geistigen Gesundheit zu zweifeln beginnt. Und Wexford sagte denn auch nichts weiter, er brach das Schweigen nur, um nach den Erfolgen und Aussichten des jungen John Burden zu fragen. Aber als sie aufbrachen und dem strahlenden Antonio zu seinen Kochkünsten gratuliert hatten, meinte Wexford: »Wenn ich pensioniert werde oder sterbe, Antonio, werden Sie dann ein Gericht nach mir benennen?«
Der Italiener bekreuzigte sich. »Sagen Sie so was nicht, Sir. Aber ja doch, bestimmt, das werd ich. ›Lasagne Wexford‹?«
»Lieber ›Lasagne Galileo‹.« Wexford lachte über die Verblüffung des anderen. »Das klingt lateinischer«, setzte er hinzu.
Die Geschäfte in der High Street hatten ihre Schaufenster mit Glitzerkram angefüllt, und in den Zweigen der großen Tanne vor dem Dragon hingen orange und grüne und rote und blaue Glühbirnen. Im Schaufenster des Spielzeugladens nickte und winkte ein Nikolaus aus Pappmache und Watte lächelnd einem Publikum aus kleinen Kindern zu, die ihre Nasen an die Scheibe preßten. »Bloß noch zwölf Einkaufstage bis Weihnachten«, sagte Burden.
»O Mann, seien Sie bloß still«, knurrte Wexford.