15. Kapitel:
Auf und davon
Sonntag, 22. Mai – ein neuer Tag
»Was soll denn das jetzt?«, fragt der Massivhausboss, als Olaf auf dem Parkplatz vor der Massivhaussiedlung anhält.
»Silke und ich steigen hier aus«, antwortet Olaf.
»Moment«, sage ich, greife in die Aerobic-Tasche und ziehe einen feuchten Hundert-Euro-Schein heraus, den ich dem Herrn der Fertighäuser überreiche. »Spritgeld. Ich möchte Ihnen nichts schuldig sein.«
Er sieht mich verdattert an. Heiner, Monique und die Moderatorin folgen seinem Beispiel. Olaf lächelt und sagt: »Komm, wir fahren!«
Er geht zum roten Alfa Romeo Cabrio und hält mir die Beifahrertür auf. Ich lasse mich auf den Sitz gleiten.
Der Motor startet mit einem leisen Blubbern.
Olaf lässt das Verdeck mit einem Knopfdruck aufklappen. Wir fahren
vom Parkplatz herunter. Hinter uns lodern die Flammen, eine
gigantische Kulisse brennender Häuser. Unsere Vergangenheit wird zu
Licht, zu Rauch, zu Asche. Vor uns liegt die unendliche Landstraße.
Es wird draußen schon heller, ein neuer Tag beginnt. Olaf dreht das
Radio an. Die Talking Heads singen Burning
down the house.
Wir sind schon fast eine Stunde unterwegs, als der Radiomoderator eine Eilmeldung verliest: der Massivhauspark brennt. »Die Löschzüge sämtlicher umliegender Dörfer sind im Einsatz und versuchen, den Brand unter Kontrolle zu bekommen. Der Brandstifter wurde bereits verhaftet. Es handelt sich um Ralf-Georg Klasen, selbst Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr. Überführt wurde er von Mimi Meiners.«
»Ist das deine Mutter?«, fragt Olaf erstaunt.
»Pssssst!«, zische ich – und denke: Wer sonst?
»Unserem Reporter vor Ort ist es gelungen, die aufmerksame Hausfrau ans Mikrofon zu bekommen«, erklärt der Moderator weiter. »Frau Meiners, wie ... kzrchhhhrrrkrzchhh ...« Der Empfang ist weg. Nur noch Rauschen. Ich drehe und drehe, kriege den Sender aber nicht mehr rein.
»Das war wirklich meine Mutter«, sage ich.
»Scheint eine tolle Frau zu sein.«
»Ja, das ist sie.«
»So wie du.«
Ich beuge mich zu ihm hinüber und gebe ihm einen schnellen Kuss auf die Wange. »Wohin fahren wir eigentlich?«
»Keine Ahnung. Schlag du was vor.«
»Lass uns die Futuro-Häuser suchen. Auf nach Finnland.«
»Machen wir!« Olaf reicht mir seine rechte Hand, die ich ganz fest in meine nehme und drücke.
»Weißt du, was schön wäre?«
»Was?«
»Wenn wir jetzt ganz malerisch gen Sonnenaufgang fahren könnten.«
»Aber Finnland liegt im Norden.«
»Macht doch nichts. Nur ein Stück – sagen wir, bis wir am Horizont verschwunden sind. Dann biegen wir ab. Sieht ja keiner.«