EPILOG

„Liga zwingt Kinder zum Stehlen!“

Mama las laut aus der auf dem Küchentisch liegenden Zeitung vor, während ich an einem Käsebrot kaute.

Schnell nahm sie einen Schluck Kaffee aus ihrem Becher und fuhr fort.


Kinder im Alter von dreizehn und vierzehn Jahren sind zu kriminellen Handlungen gezwungen worden – von Einbrüchen, Sachbeschädigungen, Misshandlungen und Raubüberfällen bis hin zu Ladendiebstählen mit präparierten Taschen. Hinter der gut organisierten Liga steckten zwei vierzehnjährige Mädchen, die ihrerseits von älteren Jugendlichen unterstützt wurden, die als Hehler agierten.

Alles kam ans Licht, als ein Mädchen bedroht und ihr Hund entführt wurde. Die Polizei ist dabei, die Hintergründe zu klären.

„Die Bande hat ihre Opfer durch wahre Gangstermethoden zum Schweigen gezwungen“, berichtet Polizeisprecherin Lotta Jansson. „Wer nicht parierte, wurde grausam bestraft. Aus ermittlungstechnischen Gründen möchte ich mich noch nicht darüber äußern, wie die Opfer der Liga zur Mitwirkung gezwungen und wie sie angeworben wurden. Anfänglich trauten sich die meisten von ihnen nicht einmal zu erzählen, was sie durchgemacht hatten, doch als einer erst einmal den Mund aufgemacht hatte, folgten die anderen hinterher. Alle berichteten ähnliche Geschichten über Erpressung, Angst und Gewalt.“ „Keines der Opfer ist strafmündig“, sagt Mats Hörnkvist, Bezirksvertreter der Sozialbehörden. „Daher übernehmen die Solzialbehörden die Zuständigkeit. Besonders wichtig ist, dass die Opfer rasch Unterstützung und Hilfe erhalten.“

Dagegen sind viele der Täter über fünfzehn und die Staatsanwaltschaft hat bereits die Voruntersuchung eingeleitet.

„Bisher haben die Verhöre dieser Jugendlichen vor allem zu ,Kein Kommentar‘ oder ,Ich will meine Kumpel nicht verpfeifen‘ geführt“, so Lotta Jansson. „Aber angesichts der eindeutigen Zeugenaussagen und technischen Beweise wird einer von ihnen den Mund aufmachen, davon sind wir überzeugt. Und wenn einer den Anfang macht, folgen die anderen hinterher. Genau wie bei ihren Opfern …“


„Ich geh jetzt raus“, unterbrach ich Mama.

Ich steckte die letzten Brotkrümel in den Mund, trank die Milch aus und stand auf.

„Willst du den Bericht denn nicht zu Ende hören?“, fragte Mama erstaunt. „Es ist ein langer Artikel.“

„Ich lese ihn nachher.“

Ich brauchte nicht alles zu wissen. Wenigstens nicht jetzt. Hauptsache, das Ganze wurde geklärt und alle Fäden entwirrt, auch wenn es bestimmt einige Zeit dauern würde. Aber immerhin war mein Leben nicht mehr so entsetzlich verwickelt und kompliziert. Und vor allem kämpfte ich nicht mehr alleine.

Ich ging mit Wuff ins Freie.

Die Sonne war aufgegangen, ihre Strahlen wärmten bereits. Ein Eiszapfen fiel vom Dach und zersplitterte. Unterm Küchenfenster schaute der braune Erdboden hervor. Unsere Straße war bedeckt von Matsch und der Gully schluckte den schmelzenden Schnee mit einem glucksenden, schlürfenden Geräusch.

Als ich an Linus’ Haus vorbeiging, trat er mit Glöckchen vor die Tür. Fast so, als hätte er auf mich gewartet.

„Hast du die Zeitung gelesen?“, fragte er.

Ich nickte.

„Warst du gestern in der Schule?“

Er schüttelte rasch den Kopf.

„Nein. Und du?“

„Auch nicht, aber morgen geh ich hin. Am Nachmittag haben wir unser Spiel gegen Södertälje.“

„Bestimmt wird jetzt alles viel friedlicher.“

„Hoffentlich.“

„Und was glaubst du? Wie wird das Spiel ausgehen?“

Ich zuckte die Schultern.

„Wir werden unser Bestes tun.“

Kurz sahen wir einander an.

Die Sonne spielte im Haar des Jungen, der mich auf eine Art berührt hatte wie kein anderer zuvor und dessen Blick mich verzaubert hatte.

Als seine Augen mich anschauten und um Verzeihung flehten, fand ich sie immer noch schön. Aber sie riefen keine tieferen Gefühle mehr bei mir hervor.

„Gehen wir?“, schlug er vor.

Mit einem Nicken deutete er auf den Weg, den wir sonst immer gemeinsam zurückgelegt hatten.

„Ich muss in die andere Richtung“, sagte ich.

Nach einem kurzen Klaps auf Glöckchens großen Kopf machte ich kehrt und setzte mich in Bewegung.

Ich spürte Linus’ Blicke im Rücken.

Aber ich drehte mich nicht um.