FREITAG
Hannamaria hatte mich um meinen Job, der mit Kleidern zu tun hatte, beneidet. Aber weil ich mit Mode nicht besonders viel am Hut habe, war es für mich bloß etwas, das ich während der Schnupperlehre-Wochen erledigen musste.
Meine Aufgabe bestand darin, im Laden für Ordnung zu sorgen und die Kleider wieder aufzuhängen, die auf den Boden gefallen oder von den Kunden achtlos in den Ecken zurückgelassen worden waren.
Am meisten Spaß machte mir, in der Mittagspause mit Elin essen zu gehen. Sie zeigte mir ihre Lieblingslokale, und wenn noch Zeit war, schauten wir auf dem Rückweg zum Job noch in verschiedene Kaufhäuser oder Läden rein.
So wie am Freitag, als sie sich plötzlich in den Kopf gesetzt hatte, ich bräuchte einen neuen Pulli für die Schule. Das führte zu einer extralangen Mittagspause. Sie erklärte mir, welche Farben mir standen und welche nicht. Schwarz und Weiß zum Beispiel standen mir nicht.
Ich probierte bestimmt zehn Tops an, bevor sie zufrieden war. Und ich auch. Das marineblaue Top betonte das Blau meiner Augen, genau wie Elin versprochen hatte.
Mama war in der Küche, als ich nach Hause kam und schnitt Gemüse für den Salat. Auf dem Herd köchelten zwei Töpfe vor sich hin. Zwischen den Tellern auf dem gedeckten Küchentisch lag ein flaches Paket.
Vor lauter Eifer, mein neues Top vorzuführen, fragte ich nicht einmal, was das für ein Paket sei. Ich zog den Pulli aus der Tüte und hielt ihn vor mich hin.
„Schau mal!“
„Hübsch“, sagte Mama. „Aber woher hast du das Geld dafür?“
„Elin hat ihn mir gekauft.“
„Sie geht in jeder Mittagspause mit mir essen. Das macht unheimlich Spaß. Wir quasseln und lachen. Elin ist echt witzig.“
In Mamas Augen glomm etwas Eigenartiges auf.
„Hat sie denn dafür Zeit?“
„Sie nimmt sich die Zeit. Sie sagt, sie will die Gelegenheit wahrnehmen. Und ich hab jede Menge von ihr gelernt. Über Kleider und Farben und so. Dieses Top hat genau die richtige Farbe für mich. Aber mit Schwarz sehe ich aus wie eine Leiche.“
„Aha“, sagte Mama.
Sie hieb das große Küchenmesser in die Gurke wie eine Axtmörderin und wirkte kein bisschen erfreut.
„Was ist?“, fragte ich.
„Nichts.“
Ich sah das Paket auf dem Tisch an.
„Ist das für mich?“
„Mhm.“
Ich riss das Papier auf. In dem Paket lag etwas Weiches. Ich nahm das Kleidungsstück heraus.
Ein Top.
Ein schwarzes Top.
„Hab mir gedacht, du könntest was Neues brauchen, weil du so tüchtig gewesen bist.“ Mama zuckte kurz die Schultern.
Ich hielt es hoch, hielt es an mich hin.
„Gefällt mir echt super“, sagte ich.
In Schwarz sehe ich aus wie eine Leiche.
Mama schwieg und sah zum Fenster hinaus. Dann drehte sie sich mit leerem Blick wieder zu mir um.
„Das Essen ist bald fertig. Wir essen, wenn Papa kommt.“
„Es gefällt mir wirklich. Vielen, vielen Dank, liebe Mama!“
Ich hörte selbst, wie piepsig meine Stimme klang.
„Ich hab die Quittung noch, falls du es umtauschen willst“, bemerkte sie gleichgültig.
„Das will ich aber nicht umtauschen. Ich find das Top superklasse!“
Sie verließ die Küche, ohne sich umzudrehen.
Mir stiegen Tränen in die Augen.
Ich knetete das schwarze Top in den Händen und versuchte den Kloß runterzuschlucken, der mir im Hals steckte.