2006, der Weg nach Paderborn

Werde ich es schaffen, ihnen gegenüber zu stehen?

Heute ist der Tag, an dem ich die Schwester Oberin treffe.

Elke und ich, wir sprachen kein Wort mehr, als wir das Haus betraten. Die Treppen zum Mutterhaus der Vincentinerinnen waren erreicht, ein Zurück gab es nicht. Der Fernsehsender hatte es geschafft, dass sie uns zu einem Gespräch ins Mutterhaus einluden.

Es war soweit, Elke sollte heute ihrer Meisterin, Schwester Alburga, aus der Schneiderei gegenüberstehen.

Ich werde die Schwester Oberin fragen, warum sie mir vor 45 Jahren nicht geholfen hat, ich werde sie fragen, ob sie sich noch daran erinnern kann.

Beide Nonnen hatten sich bereit erklärt, unsere Fragen, die uns ein Leben lang begleitet haben, endlich zu beantworten, hier in ihrem Alterssitz. Nach der Begrüßung, die sehr höflich von beiden Seiten ausfiel, mir fiel ihr Lächeln auf, dass Lächeln und die Freundlichkeit der Schwester Oberin. Wie konnte ich das vergessen, die Hoffnung, die ich damals bei unserer ersten Begegnung hatte?

Wir nahmen an einem großen Tisch Platz. Als wären wir alte Freunde, standen Getränke bereit. Ein Gefühl stieg in mir auf, die Angst etwas falsch zu machen und betraft zu werden. Ich wehrte mich, meine Gefühle hatte ich schnell wieder unter Kontrolle, mit Haltung und Disziplin bin ich durchs Leben gegangen, meine Helfer im Alltag, nach meinem Aufenthalt in der Erziehungsanstalt. Doch es war da, das Gefühl von damals, die Hilflosigkeit, auch nach so vielen Jahren.

Eine Begegnung mit der Vergangenheit, die noch immer Gegenwart ist.

Ich habe Fragen, viele Fragen.

Antworten bekam ich nicht.