Wieder zu Hause

Nach meinem Aufenthalt in der Erziehungsanstalt, war ich endlich wieder frei. Ein wunderbares Gefühl, ich spazierte stundenlang umher, mal ging ich den Wald, dann durch die kleine Stadt. Ich war so glücklich nicht mehr eingesperrt zu sein. Ich nahm meine kleine Tochter an die Hand und ging die Wege am gleichen Tag noch einmal. Jetzt konnte ich endlich das machen, was ich so vermisst hatte, frische Luft atmen und meinen Gedanken nachgehen. Im Heim wagte ich dies nicht, ich hatte Angst auch meine innersten Wünsche und Gedanken könnten sie erkennen. Jetzt konnte ich das alles wieder tun, solange wie ich nur wollte. Ein unglaubliches Wohlgefühl kam in mir auf.

Meinen Mann habe ich verloren, meine Befürchtungen sind wahr geworden. Seine Beliebtheit bei den Frauen nahm zu, je älter er wurde.

Ich suchte mir einen Arbeitsplatz, und konnte bald darauf in einer großen Firma in der Werbeabteilung arbeiten, in unmittelbarer Nähe unserer Wohnung.

Die Arbeit in dieser Stricknadel Fabrik machte mir Spaß. Mutti, meine Tochter und ich wir lebten richtig auf. Es fehlte meine Schwester Elke. Meine Schwester Elke war noch in diesem Heim für schwererziehbare Mädchen. Das war der große Kummer in unserer Familie. Sie durfte uns nicht besuchen und lebte weiter hinter verschlossenen Türen und vergitterten Fenstern bei den Nonnen im Vincenzheim.

Nonnen kannten wir noch aus dem Waisenhaus in Biesental, jetzt waren es die Vincentinerinnen, sie hatten alle das gleiche System. Doch hatten diese „Gottesfürchtigen“ keinen Respekt vor der Menschenwürde, kein Verständnis für junge Mädchen, die ihre Träume hatten, diese Träume nicht ausleben konnten, deren Hoffnungen mit Verachtung zerstört wurden. Bei den kleinsten Vergehen - vielleicht einen Witz erzählt und dann auch noch darüber gelacht zu haben - gab es zur Strafe ein paar Tage Klabause, gewissermaßen ein Gefängnis. Bedingungsloser Gehorsam wurde erwartet. Zwischendurch gab es auch mal wieder ein paar Zwangs-Besinnungstage, das hieß Beten und Marienlieder singen. Elke erzählte uns das an den Besuchstagen ganz leise, ich kannte es ja schon. Diesen Nonnen waren wir bedingungslos ausgeliefert. Es kümmerte sich keiner darum, dass sie unsere Seelen regelrecht kaputt machten, diese Seelen schrieen vor Verzweiflung, doch es hörte keiner. Stumme Schreie, die sich in den Gesichtern der Mädchen wiederspiegelten, keiner wollte es sehen. So war ja nach außen hin alles in bester Ordnung! Die Nonnen waren höflich und von besonderer Freundlichkeit den Besuchern gegenüber. Nie wieder habe ich ein solch falsches Lächeln der „besonderer Art“ kennen gelernt. Sobald ein Besuchstag an einem Sonntag zuende ging, war es mit der Freundlichkeit vorbei. Die Mütter und die Verwandtschaft verließen, die Zwangs-Eingewiesenen und mussten ihre Mädchen, ihre Kinder, zurücklassen.

Haben die Verantwortlichen schon etwas davon gehört, dass Kinder eine hochempfindliche Seele haben? Eine Antwort darauf gab es in diesem Hause nicht. Der Alltag im Erziehungsheim ging weiter, doch die Einsamkeit und Verzweiflung blieb. Auch der Wunsch nach Selbstmord war keine Seltenheit. Wir wurden gedemütigt, erniedrigt, missachtet von der Gesellschaft und wurden beschimpft.

„Du bist nichts wert, aus diesem Grund bist du hier! Du bist verkommen, verwahrlost und daher für die Gesellschaft nicht tragbar!“

Mit solchen Worten, die von den Nonnen wie eine Waffe gegen uns benutzt wurden, mit diesen verbalen Attacken haben sie uns täglich gedemütigt. Das Vorgehen geschah „im Namen Gottes“ oder „im Namen der hl. Mutter Gottes“?

Aus dieser Verzweiflung heraus, sahen viele keine Perspektiven für ihr weiteres Leben. Manche Mädchen verschluckten auch mal eine Handvoll Stecknadeln und hofften auf einen Krankenhausaufenthalt, es gab Sauerkraut. Andere sprangen aus einem durch Zufall geöffneten Fenster. Das war ein großes Geheimnis, es wurde nie darüber gesprochen, aber leise weitergegeben. Sie nahmen jede Gelegenheit wahr, sich etwas anzutun, um sich dadurch einen Aufenthalt in einem Krankenhaus zu verschaffen, um sich dem Zwangsaufenthalt für kurze Zeit entziehen zu können.

Die Erziehungsmethoden hielten viele nicht aus. Ein Jugend-Gesetz aus dem Jahr 1923 wurde in diesen Erziehungsheimen praktiziert, die Erziehung lief wie ein roter Faden durch ganz Deutschland, im Osten und auch im Westen. Dabei hatte ich noch „Glück“, ich wurde nicht „weiter vermittelt“. Warum ...? Weil ich verheiratet war?

Meine Schwester Elke kam bis zu ihrem 21. Lebensjahr nicht aus diesem System heraus. Nach der „Entlassung“ aus der Erziehungsanstalt wurde sie weitergereicht an andere Einrichtungen, die der Kirche gehörten. Mit einem kleinen Taschengeld hatte sie auszukommen, und bei größeren Anschaffungen musste sie um Erlaubnis fragen. Über ihr Monatsgehalt konnte sie nie selbst verfügen und sah davon kaum etwas, obwohl man ihr sagte, alles würde für sie auf einem Sparkonto hinterlegt.

Dieses Sparkonto gab es wohl überhaupt nicht!

Eingeschüchtert fragte keiner: „Wo ist mein Gehalt geblieben?“

Warum war ich nicht rentenversichert, als ich in der Anstalt von Morgens bis Abends an der Heißmangel stand, in der Nähstube an der Nähmaschine saß, in der Küche geschuftet habe, in der Kinderabteilung geputzt, Kinder gewickelt habe, lange Flure auf den Knien schrubbte? In der „Freizeit“ keine Spaziergänge, keine frische Luft, nur an den Sonntagen für eine kurze Zeit mit meiner Tochter im mit Mauern eingezäunten Garten.

Viele Taschentücher umhäkeln und Marienlieder singen. Alles auf Befehl! Ob wir das wollten, wurde nie gefragt. Man hatte den Mund zu halten, Ruhe war angesagt. Nur gefühlskalte, emotionslose Menschen behandelten uns.

„Der Kelch ist an uns nicht vorbei gegangen!“

Mit diesen Gedanken lebte ich jahrzehntelang, oft verdrängt, doch es war immer wieder präsent.

Es sind jetzt 42 Jahre vergangen, ich verlange eine Antwort! Die Wirkung meiner Geschichte hält an und ich kann dieses Gefühl von Hilflosigkeit nicht aufhalten. Die Ursache ist weiter im völligen Dunkel. Es ist nichts vorbei, jetzt erst wird es uns bewusst, was da mit uns geschehen ist.

Wir sind aus einem Trauma aufgewacht, viele haben ängstlich die schrecklichen Erlebnisse in all den Jahren, regelrecht als schwere Last mit sich herum getragen. Ich habe Lissy wieder gefunden, wir sprechen viel über diese Zeit.

Auch mit meiner Schwester rede ich jetzt erst über unseren Zwangsaufenthalt bei den Nonnen.

Die uns zu guten Menschen erziehen sollten und stattdessen nach ihrer Methode umfunktionierten. Dabei haben sie uns seelisch niedergeknüppelt und ihre Macht an uns praktiziert. Unsere Familien und meine junge Ehe und viele Freundschaften haben sie mit grober Gewalt auseinandergebracht. Unserer Mutter wurde viel Leid und Traurigkeit bereitet. Sie haben dabei einen nicht gutzumachenden Schaden angerichtet, mit dem wir uns ein Leben lang auseinandersetzen müssen. Meiner Meinung ist Schaden kaum zu überschauen oder zu errechnen. Zurück blieben junge Menschen, die sich niemals in ihrem weiteren Leben von jenem Zwangsaufenthalt erholt haben und nur auf Hilfe angewiesen sind. Wir waren und sind gute Menschen.

Durch Unwissenheit und durch eine unrechte Behandlung sind wir damals in eine Lebensbahn gedrängt worden, die unmenschlich war. Keine Möglichkeit gab es, sich frei für einen Beruf zu entscheiden. Die Folgen haben uns das Leben erschwert, in der Partnerschaft, im Berufsleben, denn den Aufenthalt in dieser Anstalt haben wir vor lauter Scham verheimlicht. Bei meiner Kindererziehung habe ich viele Fehler gemacht.

Seit dem Sommer 2003 fanden sich viele ehemalige Heimkinder. Sie alle haben gelitten und viel Schlimmes in den Erziehungshöllen erlebt. Es werden immer mehr, die sich bei uns melden. Noch immer in arger Not, wollen sie sich endlich aussprechen. Sie können das erste Mal nach Jahrzehnten über die schreckliche Vergangenheit sprechen. Oft reden sie durcheinander, aber wir verstehen es, ohne zu fragen, wir hören einfach nur zu.

Im Januar 2004 haben wir in Paderborn einen Verein gegründet und wollen Aufklärung und Rehabilitation. Wir wollen ehemaligen Heimkindern behilflich sein, ein Zeichen setzen, als Zeitzeugen. Aufmerksam machen, auf die große Ungerechtigkeit. Wir wollen unsere Ehre zurück. Von der Kirche und vom Staat, der daran zweifellos beteiligt war.

Jeder Mensch, der sich ungerecht behandelt fühlt, wünscht sich, dass man sich bei ihm entschuldigt ... Jeder Mensch hat ein Recht darauf. Ich wollte kein Opfer mehr sein, ich entwickelte eine Kraft, etwas Neues in mir, jetzt wollte ich kämpfen.

Ich sah meine Mutter, wie sie am Küchentisch saß, versunken in einem Kreuzworträtsel und zwischendurch schrieb sie am Rande der Zeitung etwas auf, es waren Notizen.

Nach ihrem Tod, viele Jahre später, fanden meine Schwester und ich diese Notizen, wir waren überrascht es waren Gedichte, die sie am Rande der Zeitung aufgeschrieben hatte, mit einem traurigen Unterton und doch mit etwas Hoffnung verbunden.

Wir waren mit unserem Leben nach dem Aufenthalt in der Erziehungsanstalt beschäftigt, dass wir nicht bemerkten, was alles in unserer Mutter steckte, das war mehr, als wir es jemals gedacht hätten. Wenn sie am Küchentisch saß, hat sie philosophiert und das Resultat sahen wir beim Aufräumen ihrer vielen Zeitungen, die sie im Keller stapelte. Viel ist verloren gegangen, als wir diesen Keller entrümpeln mussten.

Nachdem meine Tochter und ich aus der geschlossenen Erziehungsanstalt bei den Vincentinerinnen in Dortmund entlassen wurden, habe ich mich von meinem Ehemann Manfred getrennt. Wir fanden nicht mehr zueinander.

Ich vermochte nicht an eine Zukunft zu denken, denn ich hatte keine Vorstellung nach diesem Aufenthalt, wie ich jetzt mein Lebensweg gehen sollte. Ich war eingeschüchtert und ängstlich etwas zu unternehmen. Doch dann trat ich mutig meine Arbeitsstelle an.

Mein Mann Manfred hat sich nie um uns im Vincenzheim gekümmert, er ließ uns auch dort im Stich. Andere gutaussehende Mädchen waren für ihn interessanter, er hatte sich das Recht genommen, was er für sich richtig fand: zu leben. Mir gestand er dieses Recht nicht zu, allein auszugehen, das wollte er nicht, ich gehöre zu ihm, dann habe ich nicht alleine weg zu gehen. Meine Schwester Elke und unsere Mutter wussten es schon lange. Von all dem, wollte ich nichts wissen. Auch in der Zeit, als ich mit grade fünfzehn Jahren eine Freundschaft mit ihm anfing, haben sie ihn immer wieder erwischt, wie er mit anderen Mädchen zusammen war und mit ihnen ausging, als ich etwas rundlicher wurde, sie wollten mir das Leben aber nicht noch schwerer machen. Ich trug schon Andreas unter meinem Herzen. Damals wäre eine Welt für mich zusammengebrochen. Doch ich hatte es gespürt, mein Bauch wurde dicker und er wollte so ... mit mir nicht gesehen werden. Er ging alleine am Wochenende ins Kino oder in einen Tanzschuppen. Ich hielt an ihm fest und glaubte damals blind seinen Worten.

Wieder zu Hause bekam ich eine Einladung, zu einer Hochzeit. Ich nahm diese Einladung gerne an.

Für mich war der Aufenthalt in der geschlossenen Erziehungsanstalt erst ein paar Wochen vorbei und es war eine gute Abwechslung. An diesem Tag lernte ich meinen nächsten Ehemann Horst näher kennen. Er war mir sehr sympathisch, er war für mich kein Fremder. Ich kannte ihn schon aus unserem Wohnbereich im Auffanglager. Er ist mir dort als anständiger und fleißiger junger Mann aufgefallen. Ich fühlte mich bei ihm sicher und geborgen, ich war neunzehn Jahre alt und wollte nicht alleine bleiben, wir wurden ein Paar. Unsere Tochter Birgit kam im Mai 1963 zur Welt.

Eine weitere Tochter kam gleich ein Jahr später in unsere junge Familie. Er war sehr fleißig und sorgte sehr gut für uns, auch für meine Tochter aus der ersten Ehe, jetzt waren wir schon zu fünft.

Es war dann einfach alles zu eng für uns, in der kleinen Wohnung, drei kleine Kinder fordern ihr Recht, spielen und sich entfalten zu können.

Wir gingen viel ins Grüne, der Wald war in der Nähe. Doch geriet er immer mehr in eine Clique die es mit der Ehrlichkeit nicht so genau nahmen. Nun ging er jeden Sonntag pünktlich zum Frühschoppen in die Kneipe. So gehörte sich das, für einen richtigen Mann. Diese sogenannten Freunde, die alles „locker“ und alles nicht so genau nahmen, waren auch dort. Sie klauten Zigaretten und brachen dafür Automaten auf. Ich habe es erst nicht glauben wollen.

Als ich seine Arbeitstasche mit dem Henkelmann und den Butterbroten packte, habe ich die kaputten Zigarettenschachteln gesehen. Es konnte ja nur so sein, dass er an diesen Einbrüchen und an krummen Dingen beteiligt war. Ich war maßlos enttäuscht und traurig. Unser Familienleben klappte sehr gut und ich hatte doch so große Hoffnung, bei diesem Neuanfang. Ich hatte wieder an das Gute im Leben geglaubt. Ich wollte eine gute Ehefrau und Mutter sein.

Auf meine Frage was das sollte, ein Vater von drei Kindern, und wo das hinführen sollte, hat er alles geleugnet. Ich wurde sehr misstrauisch. Nachdem seine Treffen mit diesen Leuten nicht aufhörte, habe ich ihn mehrmals gewarnt.

Ich konnte und wollte mit kriminellen Machenschaften nicht in Berührung kommen und meinen Kindern so etwas nicht zumuten, so konnte und wollte ich nicht weiterleben ...

Wir lebten immer noch bei meiner Mutter, in der kleinen Wohnung. Er wollte es nicht wagen, eine größere Wohnung anzumieten. Dabei gab ich mir große Mühe etwas zu finden, es war ihm alles zu teuer.

Ausreden und ständige Lügen folgten. Ich wollte ihm zur Seite stehen und aus der Clique rausholen, doch es war vergebens. Das war zuviel für mich ... Es half nichts.

Ich packte meine Sachen die gesamte Einrichtung in große Kartons, mietete mir in Berlin-Lichterfelde-Ost eine kleine Wohnung in der Herwarthstraße an und fuhr mit meinem gesamten Gepäck und den Kindern nach Berlin. Ich musste diesen Weg gehen. Wie ich es geschafft habe, kann ich nicht mehr gedanklich nachvollziehen.

Ich war 22 Jahre, hatte sehr viel Mut und Kraft und ich war vor allem Mutter und wollte meinen Kindern ein besseres Leben bereiten, als ich es in Berlin nach der Flucht aus Elbing Ostpreußen und den Hungerjahren erlebt hatte.

Einige Monate habe ich meine Kinder bei mir in der kleinen Wohnung gehabt und versorgt, doch bald hatte ich keine Kraft mehr.

Von Abend bis Mitternacht habe ich in einem Imbiss am Bahnhof gearbeitet, um etwas Geld zu verdienen, damit wir leben konnten.

Doch eines Tages, meine Kraft ließ nach, habe ich mich entschlossen meine Kinder, mit Unterstützung des Jugendamtes, in einem Kinderheim unterzubringen. Schweren Herzens habe ich sie dort abgegeben. Mein Schicksal als Heimkind holte mich ein, jetzt waren meine Kinder auch bei Nonnen untergebracht. Ich überzeugte mich so oft ich konnte, ob es meinen Kindern auch gut ging.

In dem Kinderheim in Charlottenburg besuchte ich meine Kinder sooft, wie es meine Zeit erlaubte, wir gingen spazieren und sie konnten mir alles erzählen was sie so angestellt hatten. Es ging meinen Kindern gut und sie wurden dort gut versorgt.

Das Leben hatte mir gezeigt, was alles mit Kindern passieren konnte, ich war gewarnt und was meine Kinder betraf, war ich wie eine Löwin, trotz allem war ich misstrauisch gegenüber jedem und jeder Erziehungsgewalt.

Es war mir nach meinen Aufenthalten in den Kinder-Heimen bewusst, dass eine richtige Kindererziehung, eine der schwersten Aufgaben ist. Nun war ich Alleinerziehende und wollte alles richtig machen und wusste nichts von den Gefahren die noch auf mich warteten.

Ich hatte erst wieder ein gutes Gefühl, wenn ich wusste, es ging meinen Kindern gut. Erst dann konnte ich in Ruhe nach Hause gehen. Damit ich am nächsten Tag wieder meiner Arbeit nachgehen konnte. Auf dem Weg nach Hause habe ich oft und viel geweint, im Bus oder auf der Strasse, ich wollte doch meinen Kindern ein anderes und besseres Leben geben, als ich es hatte. Ich schämte mich meiner Tränen nicht, es konnte ja keiner wissen, wie schwer es mir als Heimkind erging, und dass ich die Angst um meine Kinder mit mir herum schleppen musste, weil ich meinen Kindern kein richtiges Zuhause geben konnte. Ich bekam keine anderen Mittel oder Unterhalt und musste für alles allein sorgen.

Im Rathaus Steglitz bat ich beim Jugendamt um Hilfe. Der Jugendpfleger gab mir fünf DM, damit sie die Kinder Milch kaufen könnten, sagte er und wünschte mir alles Gute.

Eine Warnung fürs Leben bekam ich, von einem sehr netten Polizisten, als ich mich mit meinen Kindern in Berlin-Lichterfelde bei der Polizei (Einwohnermeldeamt) anmeldete, denn er hörte mir zu, er war ein Fremder für mich, doch ich hatte das Gefühl, ich kannte ihn schon immer. Es sprudelte so aus mir heraus und ich erzählte ihm alles, was mir passiert war. Er hörte sich das an, er hatte Zeit für mich.

Er sagte zum Abschied: „Passen sie schön auf sich auf.“

Er machte mich an diesem Tag aufmerksam auf die Duplikation der Ereignisse im Leben. Sein väterlicher Rat tat mir gut. Dieser Mann hatte Recht, es wiederholte sich vieles.

Ich kam mit meinen Kindern in eine Welt, die ich noch nicht kannte. Unerfahren war ich.

Die katholischen Erziehungsmaßnahmen der Nonnen in den Heimen, in denen ich zwangsweise untergebracht war, waren keine Wegbereiter für mein weltliches Leben.

Ich wollte so unauffällig wie möglich durchs Leben gehen, ich nahm mich in acht, nur nicht unangenehm auffallen.

Es war ein Weg ins Ungewisse, aber ich wollte ihn gehen und wollte den richtigen Weg finden. Ich war wie besessen, allen zu zeigen, dass ich es besser konnte, als sie von mir dachten.

Bei den Nonnen fühlte ich mich wertlos, ich kämpfte gegen dieses Gefühl an. Mit der Last, ein schwererziehbarer Mensch zu sein, musste ich leben. Doch ich wollte nicht wertlos sein, ich wollte es mir selbst beweisen und auch endlich die Angst verlieren, ständig etwas falsch zu machen.