ZWEIUNDZWANZIG

Annette tat alles weh. Langsam setzte sie sich auf. Ihr war übel von den Schmerzherden, die um ihre Aufmerksamkeit buhlten. Nacken und Magen taten weh, sie hatte sich das rechte Handgelenk geprellt, beide Knie schienen anzuschwellen aber am schlimmsten war der scharfe Schmerz in ihrer rechten Seite. Sie glaubte, dass sie sich eine Rippe angeknackst oder sogar gebrochen hatte.

Du schreckliches, schreckliches Weib!

Annette lehnte sich zurück, stützte den schmerzenden Nacken mit ihrer unverletzten Hand, sah jedoch nur Metall und Schatten; Ada Wong, das Umbrella-Miststück, war offenbar davongerannt. Sie hatte vorgegeben, nichts zu wissen, doch Annette war nicht dumm; Ada war wahrscheinlich schon auf dem Weg zum Labor oder sie war hinter ihr her, um ihr den Garaus zu machen.

Umbrella. Umbrella hat das getan

Annette stand mühsam auf und nutzte ihren Zorn, um den Schmerz zu überwinden. Sie musste hier raus, musste zu den Labors, bevor die Spione dort eintrafen aber, verdammt, es tat so höllisch weh! Das stechende Gefühl in ihren Eingeweiden war furchtbar, wie ein Messer, das an ihren Innereien säbelte, und das Labor schien eine Million Meilen entfernt

Kann nicht zulassen, dass sie seine Arbeit stehlen.

Sie taumelte in Richtung der Tür des kavernenartigen Raumes, einen Arm gegen ihre schmerzende Brust gedrückt und blieb stehen, legte den Kopf schief, lauschte.

Schüsse. Sie hallten durch die kühle Luft, kamen aus den angrenzenden Müllhalden und eine Sekunde später hörte sie ein dröhnendes Zischen, weitere Schüsse, Wasser spritzen

Annette grinste ein hartes, humorloses Grinsen. Vielleicht erreichte sie das Labor ja doch als Erste.

Die Brücke, senk die Brücke ab, lass sie nicht entkommen!

Müde und schmerzgepeinigt stolperte Annette zu der Hydrauliksteuerung und aktivierte die Absenkung der Brücke. Das machtvolle Summen der Brückenmotoren übertönte den Lärm des Kampfes, der nicht weit entfernt tobte. Die Plattform neigte sich nach unten und rastete mit einem schweren Klank ein.

Annette drückte sich von der Wand fort und kippte gegen die Konsole bei der Tür. Sie fand die Schalter für den Ventilator und legte sie um, immer noch grimmig lächelnd, während das heulende Startgeräusch hoch über ihr zu einem dumpfen Brüllen anwuchs. Ada war auf der Müllhalde in Schwierigkeiten geraten, und Annette würde nicht zulassen, dass sie einfach so wieder herauskletterte jetzt, da die Brücke abgesenkt und der Schacht blockiert war, würde sich Miss Wong ihren Weg schon erkämpfen müssen.

Ich hoffe, es ist ein Rudel von Leckern, du Schlampe, ich hoffe, sie reißen dich da drin in Stücke!

Annette wandte sich von der Konsole ab und fiel. Die Schmerzen und das Schwindelgefühl waren zu stark, ihre geprellten und anschwellenden Knie schlugen auf den Boden und sandten neue Pfeile der Agonie durch ihre Beine.

Die Tür vor ihr ging auf. Annette hob die Waffe, war jedoch nicht imstande zu zielen, verwandt den verbliebenen Rest ihrer Kraft nur darauf zu verhindern, dass sie vor Qual und Enttäuschung aufschrie.

William, es tut so weh, verzeih mir, aber ich kann nicht

Eine junge Frau ging vor ihr in die Hocke, auf dem verschmierten Gesicht einen Ausdruck von Argwohn und Sorge. Sie trug abgeschnittene Shorts und eine Weste, troff vor Kanalwasser und hielt eine glänzende, schwere Pistole in der Hand, die sie nicht direkt auf Annette richtete aber auch nicht von ihr weg.

Noch eine Spionin.

„Sind Sie Ada?“, fragte das Mädchen zaghaft und streckte die Hand aus, um sie zu berühren und das war mehr, als Annette verkraften konnte, vor Mitleid berührt zu werden von einer herzlosen, hintertriebenen Spielfigur der Firma.

„Lass mich, geh weg!“, knurrte Annette und schlug schwach nach der ausgestreckten Hand. „Ich bin nicht dein,Mittelsmann‘, und ich hab es nicht bei mir. Du kannst mich umbringen, aber du wirst es nicht finden.“

Die junge Frau wich zurück, einen verwirrten Ausdruck auf dem schmutzigen Gesicht. „Was finden? Wer sind Sie?“

Wieder nur Fragen Der Zorn verging und ließ Annette wie betäubt zurück. Sie war es müde, Spielchen zu spielen; es tat zu weh, und sie war einfach nicht mehr stark genug, um noch zu kämpfen. „Annette Birkin“, sagte sie erschöpft. „Als ob du das nicht wüsstest

Jetzt bringt sie mich um. Es ist vorbei, es ist alles aus.

Annette konnte es nicht verhindern. Tränen rannen über ihre Wangen, Tränen so sinnlos wie ihr Plan. Sie hatte William enttäuscht, sie hatte als Ehefrau und Mutter versagt und selbst als Wissenschaftlerin. Jetzt war es wenigstens vorbei, jetzt würden zumindest die Qualen ein Ende nehmen

„Sind Sie Sherrys Mutter?“

Die Worte des Mädchens lähmten sie, zerrten sie aber zugleich auch aus dem Zustand völliger Erschöpfung, trafen so hart wie ein Schlag ins Gesicht. „Was?! Wer was wissen Sie von Sherry?“

„Sie ist irgendwo in der Kanalisation“, sagte die junge Frau schnell. Verzweiflung klang in ihrer Stimme durch. Sie steckte die Waffe hinter ihren Gürtel. „Bitte, Sie müssen mir helfen, sie zu finden. Sie wurde in einen der Abflussschächte gesogen, und ich weiß nicht, wo ich suchen soll

„Aber ich sagte ihr, dass sie zum Revier gehen muss“, jammerte Annette. Die körperlichen Schmerzen waren vergessen, ihr Herz pumpte Wogen entsetzten Unglaubens hervor. „Warum ist sie hier? Es ist gefährlich, sie wird umgebracht werden! Und das G-Virus Umbrella wird sie finden, sie werden es sich nehmen, warum ist sie hier?!“

Die Frau fasste abermals nach ihr, half ihr hoch, und Annette wehrte sich nicht dagegen, war zu schwach und verängstigt, um sich zu wehren. Wenn Sherry in der Kanalisation war, wenn Umbrella sie fand

Das Mädchen musterte sie aufmerksam, wirkte irgendwie schuldbewusst, ängstlich und hoffnungsvoll zugleich. „Das Revier wurde überrannt wo führen die Abflüsse hin? Bitte, Annette, Sie müssen es mir sagen!“

Die Wahrheit dämmerte durch ihre Erschöpfung und Angst wie ein Schimmer grellen Lichtes.

Die Abflüsse führen hinaus ins Filterbecken das genau neben der Fabrik-U-Bahn liegt. Der schnellste Weg zu den Labors.

Es war ein Trick. Das Mädchen benutzte Sherrys Namen, um zu der Einrichtung zu gelangen, um Informationen über das G-Virus zu erhalten. Sherry war noch auf dem Revier, gesund und sicher, und das alles hier war nur eine aufwändige List.

Aber Umbrella kennt den Weg, warum sollte sie danach fragen, wenn sie ihn bereits kennt? Es ergibt keinen Sinn!

Annette hob die Waffe, ihr schmerzendes Handgelenk zitterte. Sie rückte von der Frau ab. Ihre Verwirrung war zu groß, es gab zu viele Fragen und weil sie sich nicht sicher sein konnte, konnte sie nicht abdrücken.

„Keine Bewegung. Folge mir nicht!“, fauchte sie. Den Schmerz ignorierend, langte sie nach hinten, um die Tür aufzudrücken. „Ich werde schießen, wenn du versuchst, mir zu folgen!“

„Annette ich verstehe nicht, ich will doch nur

„Halt die Klappe! Halt die Klappe und lass mich in Ruhe, könnt ihr mich nicht einfach alle in Ruhe lassen?!“

Rückwärts ging sie zur Tür hinaus, drückte sie vor dem überraschten und verängstigten Mädchen zu und presste ihren Arm gegen ihre geprellten oder gebrochenen Rippen, kaum dass das Schott geschlossen war.

Sherry

Es war eine Lüge, es musste eine Lüge sein aber es änderte so oder so nichts. Sie konnte es immer noch schaffen, musste zurück zur Einrichtung, um zu beenden, was sie begonnen hatte.

Annette drehte sich um, wankte hinkend und keuchend in die kalte Finsternis des anschließenden Tunnels und ließ sich von jedem schmerzenden Schritt daran erinnern, was Umbrella getan hatte.

Eine kalte, stille Kaverne, die Wände glänzend wie Eis, und ich habe mich verirrt. Ich habe mich verirrt, bin erschöpft, bin so lange gerannt und hatte solche Angst, dass ich mich jetzt hinsetze und ausruhe. So ruhig, so kalt aber mein Arm tut weh, ich sitze an einer Wand, der Stacheln gewachsen sind, und einer davon wühlt sich in mein Fleisch, durchbohrt mich. Es tut so weh, doch ich muss aufstehen, ich muss jemanden finden, ich muss

– aufwachen.

Leon öffnete die Augen. Sofort war ihm bewusst, dass er wieder weggetreten gewesen war. Die Erkenntnis ließ ihm den Atem stocken, die plötzliche Angst rüttelte ihn vollends wach.

Ada, Claire Gott, wie lange ?

Vorsichtig nahm er die Hand von seinem Arm. Das Blut klebte zäh und dick zwischen seinen Fingern. Es tat weh, aber nicht so heftig wie zuvor und die Blutung hatte aufgehört, zumindest an der Einschusswunde. Die Fetzen seiner Uniform hatten die Wunde verstopft, einen harten Pfropfen gebildet.

Leon beugte sich vor, fasste nach hinten, um die Stelle zu berühren, an der die Kugel ausgetreten war; wiederum fand er ein verhärtetes, klebriges Stück Stoff im pulsierenden Schmerz der Wunde. Er konnte nicht sicher sein, aber er glaubte, dass die Kugel nur durch das Fleisch gegangen war und den Knochen verpasst hatte was bedeutete, dass er gottverdammt viel Glück gehabt hatte.

Aber selbst wenn’s mir den Arm abgerissen hätte, Ada ist immer noch da draußen und ich habe Claire hinter ihr hergeschickt. Ich muss ihnen nach.

Er war überzeugt, dass es eher der Schock als der Schmerz oder der Blutverlust gewesen war, was ihm das Bewusstsein geraubt hatte und er konnte sich nicht mehr Zeit nehmen, um sich zu erholen. Die Zähne zusammengebissen, stemmte sich Leon mit seinem gesunden Arm hoch. Seine Muskeln waren kalt und steif von der klammen Kühle des Betons.

Seine linke Schulter streifte über die Wand, und er keuchte auf, als sich der Schmerz kurzfristig verstärkte, heftig und heiß aber er verebbte, sank nach ein paar Sekunden wieder herab zu jenem dumpfen Pochen. Leon wartete ab, tief ein- und ausatmend, und rief sich in Erinnerung, dass alles verdammt viel schlimmer hätte kommen können.

Als er endlich auf den Beinen war, entschied er, dass er es schaffen konnte. Er fühlte sich nicht benommen oder schwindlig, und obschon sich Blut am Boden und an der Wand befand, war es doch nicht so viel, wie er befürchtet hatte. Vorsichtig darauf achtend, nicht mit der Wunde irgendwo gegen zu stoßen, drehte sich Leon um und ging, so schnell er eben konnte, den Gang zu der geschlossenen Tür am Ende hinunter.

Hinter der Tür erwartete ihn ein weiterer wasserführender Tunnel, der sich nach beiden Seiten erstreckte. An der Wand links von ihm befand sich eine Leiter, aber er wollte nicht einmal darüber nachdenken, wie er sie hochklettern sollte, ohne seine Wunde aufzureißen abgesehen davon drehte sich am oberen Ende ein Ventilator. Er machte sich nach rechts auf, stieg in das dunkle Wasser hinab und watete vorwärts, in der Hoffnung, einen Hinweis darauf zu finden, wo Ada oder Claire hingegangen waren.

Dieser Heckenschützin nachjagen wie konnte sie das tun, wie konnte sie mich einfach so liegen lassen?

Nach ihrer Konfrontation mit dem kotzenden Monsterding hatte er sich geschworen, keine Mutmaßungen mehr über Ada Wong anzustellen; sie war abwechselnd kokett und unnahbar, und wenn sie das Schießen beim Paintball-Spielen erlernt hatte, dann war er ein Bankdirektor. Aber trotz ihres verwirrenden Verhaltens und ihrer vermutlichen Doppelzüngigkeit mochte er sie. Sie war klug und selbstbewusst, sie war schön und er hatte angenommen, dass sich hinter dieser widersprüchlichen Fassade eine gute, anständige Person verbarg

Aber sie hat dich zurückgelassen, um der Schützin hinterher zu rennen, ließ dich am Boden zurück, mit einer Kugel im Arm. Ja, sie ist großartig du solltest ihr einen Heiratsantrag machen.

Leon erreichte eine Abzweigung des Tunnels und hörte auf, Adas Verhalten und Handeln durchschauen zu wollen. Stattdessen sagte er sich kurzerhand, dass er sie ja einfach nach ihren Gründen fragen konnte, wenn er sie fand falls er sie fand. Rechterhand war eine verschlossene Tür und so wandte er sich nach links, unbehaglich in die dichter werdenden Schatten spähend, während er weitertrottete. Er hätte Claire nicht allein hinter Ada hergehen lassen dürfen, er hätte sich zusammenreißen und sie begleiten müssen

Er blieb stehen, hörte etwas. Schüsse, fern und hohl. Sie kamen von irgendwo vor ihm, verzerrt durch das gewundene Labyrinth aus Tunneln, die das Kanalnetz bildeten.

Die Magnum nach wie vor festhaltend, presste Leon sein Handgelenk auf die Schusswunde und rannte los. Der Schmerz wurde wieder heftiger, verursachte ihm Übelkeit. Mehr als einen schlurfenden Trab brachte er nicht zustande, das Wasser behinderte ihn fast eben so sehr wie das grässliche Beißen der Verletzung doch als das letzte Echo der Schüsse verklang, brachte er irgendwie die Motivation auf, noch schneller zu laufen.

Links vor ihm befand sich eine schwach beleuchtete Abzweigung des Tunnels. Fahlgelbes Licht fiel von dort auf das sanft schwappende Wasser. Noch bevor er die Stelle erreichte, sah er, dass er eine Wahl würde treffen müssen. Geradeaus lag eine Art Plattform, eine schwere Tür, die in die Ziegelsteine des Tunnelendes eingelassen war. Von der Decke lief Wasser in schmalen Rinnsalen herab.

Eine naheliegende Wahl, nur

Leon blieb in dem langgestreckten Fleck aus trübem Licht stehen und sah in die Abzweigung hinein. Eine weitere Tür, aber er hatte keine Zeit mehr für eine langwierige Entscheidungsfindung, die Schüsse konnten von überall her gekommen sein

Bamm-bamm!

Nach links. Leon sprang aus dem Tunnel, spürte neuerlichen Schmerz, spürte heiße Nässe an seinem Handgelenk, als die Wunde wieder aufbrach. Er achtete nicht darauf, eilte zur Tür und zog sie auf, hörte weitere Schüsse fallen, während er einen breiten, leeren Gang hinunterlief.

Der Korridor, den er betreten hatte, war so düster und kalt wie die Kanäle, aber viel größer, breiter, vermutlich eine Art Transportstraße für schweres Gerät. Der Gang machte eine Biegung nach links, dann noch eine. An der zweiten Ecke standen Kisten und Stahlzylinder in einem Regal, gleich neben einer Art Ladetor.

Acetylen, Oxygen vielleicht Großer GOTT, was steckt so viele Kugeln ein, ohne zu sterben?

Er vernahm eine weitere Folge von Schüssen, hörte Wasser aufspritzen und ein anderes Geräusch, ein tiefes, gutturales Zischen, das ihn bis ins Mark erschauern ließ. Seltsam vertraut, aber zu laut, um möglich zu sein.

Eine Million Schlangen, tausend riesige Katzen, irgendein vorzeitlicher, schrecklicher Dinosaurier

Er rannte und gab es schließlich auf, das Einschussloch bedeckt halten zu wollen; er musste seinen Arm bewegen, um schneller laufen zu können. Das Ende des Tunnels war nahe. Er sah eine Schalttafel mit blinkenden Lichtern und eine Öffnung links, ein weiteres riesiges Ladetor

– und blieb gerade noch rechtzeitig stehen, um nicht in die Schusslinie zu laufen, als eine weitere Serie schneller Schüsse aufklang, als Wasser mit donnerndem Krachen hochsprühte und in dichten Strömen herabregnete.

„Aufhören! Ich komme rein!“ rief er

– und hörte Adas Stimme und fühlte sich von Erleichterung überwältigt, vergaß, was da für ein Horror vor ihm liegen mochte.

„Leon!“

Sie lebt!

Mit erhobener Magnum, seine Wunde nunmehr wieder stark blutend, trat Leon vor die offene Tür und entdeckte Ada auf der anderen Seite des Sees aus aufgewühltem Unrat. Kisten und zerbrochene Bretter schwammen in der wogenden Flüssigkeit. Ada stand auf einem schmalen Betonvorsprung unter einer Leiter, ihre Beretta in das brodelnde Becken gerichtet.

„Ada, was

Etwas Riesiges brach aus dem See hervor und fegte Leon von den Füßen, drosch ihn zurück in den Korridor. Es ging so schnell, dass er es erst sah, als er schon durch die Luft flog sein Verstand vermittelte ihm das Bild, als er zu Boden schlug. Er fiel auf seinen verletzten Arm und schrie auf, vor Schreck über das, was er gesehen hatte, ebenso wie ob der brutalen Schmerzexplosion.

Ein Krokodil !

Leon kam auf die Füße und stolperte davon und die Riesenechse, das Krokodil, zehn Meter lang, kroch hinter ihm mit einem mächtigen, kehligen Brüllen in den Gang. Der Beton erbebte, als das gigantische Reptil aus seinen angestammten Wassern stieg. Literweise strömte ihm die schwarze Brühe aus dem zähnefletschenden, grinsenden Maul.

Ein Maul so groß wie ich, größer noch

Leon rannte, es gab keinen Schmerz mehr, sein Herz hämmerte in extremer Panik. Es würde ihn fressen, es würde ihn in hundert schreiende, blutige Fetzen reißen

– und die Bestie brüllte wieder auf, ein groteskes, tiefes Röhren, das Leons Knochen erbeben, das ihm den Schweiß aus jeder zitternden Pore brechen ließ

– und er warf einen Blick zurück und sah, dass er viel, viel schneller war als die grinsende Echse. Sie war immer noch dabei, durch das Ladetor zu steigen, auf kurzen, stämmigen Beinen, und ihr unfassbarer Rumpf war zu groß, um ihn so ohne Weiteres manövrieren zu können.

Benebelt vor Schrecken, wechselte Leon die Waffen. Seine Wunde protestierte, als er die Remington durchlud. Auf wackligen Beinen schlich er rückwärts, erreichte eine Gangbiegung

– und verschoss alle fünf Patronen, so schnell er sie in den Lauf pumpen konnte. Die schweren Geschosse schlugen in die grauenhafte Schnauze des Monsterkrokodils.

Es brüllte auf, schwang seinen Schädel von einer Seite zur anderen, und Blut ergoss sich eimerweise aus seiner grinsenden Fratze. Aber es kam immer noch näher, bewegte sich geschmeidig voran, zog seinen gepanzerten Schwanz aus dem schleimigen Pfuhl.

Nicht genug, nicht genug Power

Leon drehte sich um und rannte wieder los, entsetzt darüber, dass er sich zurückziehen musste. Er hatte Angst, was Ada zustoßen würde, wenn er das Krokodil zurückließ, doch er wusste, dass es weitere fünfzig Schuss brauchen würde, um dieses Ding aufzuhalten entweder das oder einen Atomschlag, und warum dachte er überhaupt noch? Er musste jetzt weg, nur weg, und konnte sich später darum sorgen, was zu tun war.

Halt durch, Ada!

Die Schritte des Giganten dröhnten in seinen Ohren, als er an den Kisten und der Phalanx aus Stahlzylindern vorbeirannte

– und stehen blieb. Er hatte eine Idee und als die furchtbare Echse einen weiteren donnernden Schritt tat, machte Leon kehrt und lief zurück.

Lieber Gott, mach, dass das klappt, im Film funktioniert es doch auch immer, bitte, lieber Gott, hilf mir

Die fünf glänzenden Zylinder standen auf einem Regal, das in die Wand eingelassen war, und wurden von einem Stahlseil gehalten. An der Seite des Regals befand sich ein Auslöseknopf für das Seil. Leon drückte ihn, und das dicke Tau fiel, eines der losen Enden klatschte zu Boden.

Leon ließ das Gewehr fallen und packte den nächststehenden Zylinder. Seine Muskeln spannten sich, Blut quoll aus seinem verletzten Arm. Er spürte, wie es in dünnen, tröpfelnden Rinnsalen über seine schweißnasse Brust lief, doch er gab nicht auf, schaukelte auf den Hacken nach hinten, um den Behälter mit komprimiertem Gas herauszuziehen.

Na also

Leon sprang zurück, als der silberfarbene Behälter vom Regal zu Boden fiel und ein paar Zentimeter weiterrollte. Er sah auf und stellte fest, dass das Krokodil weitere fünfzehn Meter zurückgelegt hatte es war so nahe, dass Leon die stumpfen, schmutzigen Löcher in den fünfzehn Zentimeter langen Zähnen sehen konnte, als es abermals brüllte. Leon konnte den nach verwestem Fleisch stinkenden Atem riechen.

Leon stemmte einen Stiefel gegen den Zylinder und drückte so fest er nur konnte; der Behälter rollte träge auf die näher kommende Echse zu. Es war unglaubliches Glück, dass der Boden des Ganges etwas abschüssig war der über hundert Kilo schwere Zylinder gewann an Geschwindigkeit, während er sich in Richtung des Krokodils bewegte.

Im Zurückweichen riss Leon die Magnum aus dem Gürtel und richtete sie auf den glänzenden Behälter, zwang aber seinen Finger, noch nicht abzudrücken. Das Krokodil stapfte voran. Sein Schwanz hieb so wuchtig gegen die Wände, dass unter jedem dieser brutalen Peitschenschläge Steinstaub herabrieselte. Leon war wie gebannt. Er konnte sich nicht einfach umdrehen und fliehen

Komm schon, du Bastard!

Kaum dreißig Meter entfernt kollidierten das Krokodil und der Zylinder miteinander und da zog Leon endlich den Abzug durch. Der erste Schuss prallte mit einem Ping vom Boden vor dem schaukelnden Behälter ab und das grinsende Maul klaffte auf. Das gewaltige Tier senkte den Kopf, um nach dem Hindernis zu schnappen und es beiseite zu drücken.

Ganz ruhig

Leon drückte abermals ab, und

KA-BUMM!

– wurde zu Boden geschleudert, als der Behälter hochging. In einem Wirbel aus zerreißendem Stahl und entzündeten Gasen wurde der Schädel der Kreatur buchstäblich ausradiert, verschwand wie ein geplatzter Ballon. Fast gleichzeitig wurde Leon von einer Woge dampfenden Blutes getroffen, Zahn- und Knochensplitter und zerfetztes, rauchendes Fleisch klatschten auf ihn herab wie eine schwere, nasse Decke.

Würgend, mit klingelnden Ohren und blutendem Arm setzte sich Leon auf, während der kopflose Kadaver zu Boden sackte. Die Beine knickten unter dem Gewicht des Reptilienmonstrums weg.

Leon presste seine blutverschmierte Hand auf die Wunde. Er war erschöpft, ihm war übel vor Schmerzen und doch fühlte er sich so tief befriedigt wie seit Langem nicht mehr.

„Hab ich dich erwischt, du dämliches Vieh“, knurrte er lächelnd. Als Ada einen Augenblick später den Gang herauftrabte, fand sie ihn genau so vor: Sein Werk in benommenem Triumph anstierend, blutig und blutend und grinsend wie ein kleiner Junge.

Resident Evil - Sammelband 02 - Der Umbrella-Faktor
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