ZWÖLF

Ada Wong saß auf der Kante des mit Kram überhäuften Schreibtischs im Büro des Polizeichefs, gönnte ihren schmerzenden Füßen etwas Ruhe und starrte ausdruckslos auf den leeren Stahltresor in der Ecke. Ihre Geduld neigte sich dem Ende entgegen. Nicht nur, dass die G-Virus-Probe nirgendwo zu finden war, allmählich glaubte Ada auch, dass Bertolucci das sinkende Schiff verlassen hatte. Sie hatte den Pausenraum durchsucht, das S. T. A. R. S.-Büro, die Bibliothek Sie war ziemlich sicher, überall dort nachgesehen zu haben, wohin es dem Reporter möglich war, Zutritt zu erhalten, und dabei hatte sie zwei volle Magazine aufgebraucht. Es war nicht so, dass ihr die Munition knapp wurde, es war die Zeitverschwendung, für die die Kugeln standen, was sie ärgerte sechsundzwanzig Schuss und kein anderes Ergebnis, als dass jetzt noch ein paar virusverseuchte Leichen mehr herumlagen. Und zwei von Umbrellas Hybrid-Freaks

Ada erschauerte bei der Erinnerung an das entstellte rote Fleisch und die trompetenhaften Schreie der bizarren Kreaturen, die sie im Presseraum erlegt hatte. Gier hatte sie nie sonderlich gestört, ob sie nun von einem Unternehmen ausging oder wem auch immer, aber Umbrella hatte da ein paar ernsthaft amoralische Experimente am Laufen gehabt. Trent hatte sie vor den Retriever-Tyranten gewarnt die bislang, dankenswerterweise, noch nicht in Erscheinung getreten waren , aber die langzungigen, klauenbewehrten, blutigen Humanoiden verletzten selbst ihre Gefühle. Ganz zu schweigen davon, dass sie wesentlich schwieriger zu töten waren als die Virusträger. Wenn sie Produkte des T-Virus waren, konnte Ada nur hoffen, dass Birkin nichts mit seiner neuesten Schöpfung angefangen hatte. Laut Trent war die G-Reihe noch nicht zum Einsatz gekommen, aber angeblich sollte sie doppelt so wirksam sein

Ada ließ ihren Blick durch das schmucklose, rein zweckmäßig eingerichtete Büro schweifen. Es war nicht die heimeligste Umgebung für eine Rast, aber zumindest war das Büro weitestgehend blutfrei, und durch die geschlossene Tür waren die Officers im Hauptteil des Raumes kaum zu riechen. Sie hatten sich in einem reichlich fortgeschrittenen Stadium der Verwesung befunden, als Ada sie umgelegt hatte in jenem knochenlosen, schwammigen Zustand, der offenbar dem totalen Kollaps vorausging.

Nicht, dass es darauf ankäme, ob ich sie riechen kann meine Haare und Kleidung haben diesen gottverdammten Geruch längst absorbiert. Wenn sie anfangen zu verderben, scheint das ruckzuck zu geschehen

Sie wünschte, sie hätte sich eingehender über den wissenschaftlichen Aspekt informiert sie wusste zwar, wofür das T-Virus benutzt wurde, hatte es aber nicht für nötig befunden, sich mit den Wirkungen auf die Körperchemie zu befassen. Warum hätte sie sich damit auch belasten sollen sie hatte keinen Grund zu der Annahme gehabt, dass Umbrella vorhatte, eine Wagenladung davon quasi vor der eigenen Haustür auszukippen? Jetzt sie bekam massenhaft Wissen aus erster Hand darüber, wie gut das Virus funktionierte, aber es wäre nett gewesen zu erfahren, was genau im Körper und im Denken eines Infizierten vorging, was ihn von einem Menschen in einen geistlosen Fleisch- und Aasfresser verwandelte. Stattdessen konnte Ada lediglich ihre persönlichen Beobachtungen auswerten und versuchen, der Wahrheit so nahe wie möglich zu kommen.

Nach allem, was sie gesehen hatte, dauerte es weniger als eine Stunde, bis sich ein Infizierter in einen Zombie verwandelte. Manchmal fiel das Opfer erst in eine Art Fieberkoma, das vermutlich Teile des Gehirns ausbrannte und den Eindruck nur noch verstärkte, dass die Betroffenen vom Tode auferstanden, sobald sie sich dann erhoben und nach frischem Fleisch Ausschau hielten.

Die Symptome des Virus waren bei jedem Befallenen dieselben, nicht jedoch die Verlaufsgeschwindigkeit Ada hatte mindestens drei Fälle gesehen, in denen das Opfer nur Augenblicke nach der Infektion blutsüchtig geworden war, das Stadium, das sie für sich selbst mittlerweile „Katarakt“ nannte. Eine der wenigen Konstanten war nämlich, dass ein dünner Film aus eiweißartigem Schleim die Augen der Infizierten trübte, wenn sie sich verwandelten und obwohl der körperliche Verfall immer sofort einsetzte, zerfielen manche viel schneller als andere

Und warum denkst du darüber nach? Es gehört nicht zu deinem Job, ein eventuelles Heilmittel zu finden, oder?

Seufzend beugte sich Ada vornüber, um ihre Zehen zu massieren. Natürlich war es nicht ihre Sache. Dennoch lohnte es, darüber nachzudenken. Sich immer nur darauf zu konzentrieren, am Leben zu bleiben, war ermüdend, und es bedeutete harte Arbeit. Sie hatte keine Gelegenheit gehabt, die Details der Situation in Betracht zu ziehen, während sie in den Korridoren aufgeräumt hatte. Jetzt aber hatte sie Pause und musste ihrem Hirn etwas Freilauf gönnen, um über einige der rätselhafteren Aspekte ihres Jobs nachzugrübeln.

Und es gibt bestimmt tausend solcher Aspekte. Trent Was Bertolucci wissen oder nicht wissen sollte Und die S. T. A. R. S. Was zum Teufel ist mit dem munteren Haufen passiert?

Aus den Artikeln, die Trent dem Infopaket beigefügt hatte, wusste Ada von der Suspendierung bestimmter S. T. A. R. S.-Mitglieder und in Anbetracht dessen, was sie untersucht hatten, bedurfte es keiner genialen Eingebung, um darauf zu kommen, dass sie von Umbrella abserviert worden waren, weil sie die Biowaffen-Experimente entweder teilweise oder ganz aufgedeckt hatten. Inzwischen hatte Umbrella sie wahrscheinlich beseitigt, wenn es ihnen nicht vorher gelungen war, unterzutauchen und Ada fragte sich, ob Trent bei diesem kleinen Missgeschick der S. T. A. R. S.-Leute eine Rolle gespielt oder ob er versucht hatte, vorher oder danach mit ihnen in Verbindung zu treten.

Nicht, dass er ihr das verraten hätte Trent war ein wandelndes Geheimnis, darüber gab es gar keine Diskussion. Sie hatte ihn nur einmal persönlich getroffen, obwohl er sie vor ihrer Abreise nach Raccoon mehrere Male kontaktierte, meistens per Telefon und obwohl Ada stets stolz auf ihre Fähigkeit gewesen war, Menschen zu durchschauen, wusste sie doch absolut nichts über seine Motive, warum er das G-Virus wollte oder worum es bei seiner Fehde gegen Umbrella ging. Es war klar, dass er eine Kontaktperson im Unternehmen haben musste er wusste einfach zu viel über das Wirken der Firma , aber wenn dies tatsächlich der Fall war, weshalb schnappte er sich dann nicht einfach selbst eine gottverdammte Probe und damit fertig? Einen Agenten anzuheuern, war die Vorgehensweise eines Mannes, der größere Verwicklungen vermeiden wollte aber Verwicklungen welcher Art?

Es steht uns nicht an zu fragen

Ein gutes Lebensmotto. Sie wurde außerdem nicht dafür bezahlt, aus Trent schlau zu werden. Ada bezweifelte sogar, dass ihr das gelingen könnte, selbst wenn man sie dafür bezahlt hätte. Sie war noch nie einem so selbstbeherrschten Mann begegnet wie Mr. Trent. Jede Interaktion mit ihm hatte ihr den Eindruck vermittelt, er würde innerlich frohlocken, als wäre ihm ein ungemein erfreuliches Geheimnis bekannt, in das niemand sonst eingeweiht war und doch hatte er nicht arrogant oder aufgeblasen gewirkt. Er war cool, seine Genialität so natürlich, dass sie davon ein wenig eingeschüchtert gewesen war. Sie war vielleicht nicht in der Lage gewesen, hinter seine Motive zu blicken, diesem ruhigen Humor jedoch war sie schon bei früheren Gelegenheiten begegnet er war das wahre Gesicht echter Macht, das Markenzeichen von Leuten, die einen Plan hatten und die unerschütterliche Absicht, ihn umzusetzen.

Hat der Virusausbruch seine Pläne, wie sie auch aussehen mögen, gestört? Oder war er auf diese Möglichkeit vorbereitet ? Er hatte es vielleicht nicht eingeplant, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass „überrascht werden“ zu Trents Wortschatz gehört

Ada lehnte sich zurück und ließ den Kopf müde kreisen, ehe sie sich vom Schreibtisch schob und wieder in ihre unbequemen Schuhe schlüpfte. Genug Auszeit, sie konnte ihre Schmerzen und Wehwehchen nicht länger als ein paar Minuten pflegen und erwartete nicht, dass sie viel herausfinden würde, ehe sie nicht ein gutes Stück von Raccoon entfernt war. Sie musste noch ein paar Bereiche nach Bertolucci absuchen, bevor sie ins Kanalnetz hinabstieg, und sie hatte festgestellt, dass einige der Fensterbarrikaden im Erdgeschoss nicht so solide waren, wie sie es gehofft hatte. Sie wollte nicht, dass ihr eine neue Trägergruppe von draußen den Weg abschnitt.

Es gab noch die „Geheimgänge“ auf der Ostseite und die Zellen unten hinter der Tiefgarage. Wenn sie Bertolucci dort nicht fand, musste sie davon ausgehen, dass er das Revier verlassen hatte, und sich darauf konzentrieren, die Probe in die Hände zu bekommen.

Ada beschloss, es zuerst im Keller zu versuchen. Es schien unwahrscheinlich, dass Bertolucci auf die verborgenen Gänge gestoßen war. Nach dem zu schließen, was sie aus seiner Feder gelesen hatte, war er als Reporter nicht einmal gut genug, um seinen eigenen Arsch zu finden. Und wenn er sich in oder bei den Inhaftierungszellen versteckte, brauchte sie keine Zeit mehr darauf zu verschwenden, das Revier zu durchkämmen und sich dabei der unvermeidlichen Invasion zu stellen der Zugang zum Keller lag unten, falls also keine Schwierigkeiten auftraten, konnte sie schnurstracks zum Labor aufbrechen.

Ada ging aus dem Büro und rümpfte die Nase unter dem neuerlichen Ansturm von Fäulnisgeruch, den ihr die sich träge drehenden Deckenventilatoren entgegentrieben. In dem mit Schreibtischen angefüllten Raum mussten sich sieben oder acht Leichen befinden, allesamt Cops, und zumindest die drei, die sie erschossen hatte, hatten ziemlich hohe Dienstgrade bekleidet

Und habe ich nicht fünf Träger übriggelassen, die noch hier herumliefen, als ich vorhin durchkam?

Direkt hinter dem langen, offenen Raum blieb Ada stehen und sah den schmalen Verbindungsflur hinab, der zur Hintertreppe führte. Waren es fünf gewesen? Sie wusste, dass sie bei ihrem ersten Besuch ein paar ausgeschaltet hatte der Rest war zu langsam gewesen, um sich mit ihm aufzuhalten, und sie dachte, es seien fünf gewesen. Dennoch hatte sie nur drei umlegen müssen, als sie zurückgekommen war, um eine Pause einzulegen.

Es waren fünf. Ich mag ja nicht mehr ganz fit sein, aber zählen kann ich noch.

Es war keine Angewohnheit, ihre Fähigkeiten, den Überblick zu bewahren, anzuzweifeln, und der Umstand, dass es ihr gerade jetzt auffiel, war ein deutliches Zeichen dafür, wie müde sie war. Vor zwei Tagen hätte sie es sofort bemerkt. Es war unmöglich festzustellen, ob die zusätzlichen Leichen erschossen worden oder einfach von ganz allein kollabiert waren, ohne sich selbst dem Risiko eines Kontakts auszusetzen sie waren einfach schon zu verwest. Aber es war wohl am klügsten, davon auszugehen, dass immer noch ein paar Überlebende herumstreunten.

Nicht mehr lange, so oder so

Ob die Zombies es nun schafften durchzubrechen oder nicht, Umbrella würde bald handeln, wenn das Unternehmen es nicht ohnehin schon getan hatte. Was in Raccoon passiert war, war der schlimmste Albtraum eines Aktionärs, und Umbrella würde das Problem gewiss nicht ignorieren; wahrscheinlich hatte man schon eine eigene Katastrophenversion ausgearbeitet und eine Geschichte vorbereitet, mit der man die Presse abspeisen würde. Und es war eine ausgemachte Sache, dass man versuchen würde, Birkins Synthese zu bergen, bevor man die Pannensicherung zum Einsatz brachte was bedeutete, dass sie, Ada, sehr vorsichtig sein musste. Birkin war offenbar etwas verschlossen gewesen, was seine Arbeit anging, und Trent hatte ihr mitgeteilt, dass Umbrella schließlich ein Rettungsteam entsenden würde Und da Raccoon in Schutt und Asche lag, war diese Eventualität vermutlich ein paar Schritte nähergerückt.

Hoffentlich ein Team von Menschen. Damit kann ich klarkommen. Ein Tyrant allerdings auf diese Art von Trouble kann ich verzichten.

Ada ging in Richtung der Tür, die sie zur Kellertreppe bringen würde. Tyrant war die Codebezeichnung für eine bestimmte Reihe in Umbrellas organischer Waffenforschung, eine Serie, die die zerstörerischste Anwendung des T-Virus verkörperte. Trent zufolge hatten die White-Umbrella-Wissenschaftler diejenigen, die in den Geheimlabors arbeiteten gerade mit Tests an einer Art humanoider Bluthunde begonnen, die so beschaffen waren, dass sie jedem Geruch oder jeglicher Substanz nachjagten, auf die sie codiert waren unerbittlich und mit übermenschlichen Fähigkeiten. Ein Retriever-Tyrant, ein nahezu unzerstörbares Konstrukt aus infiziertem Körper und operativ implantierter Elektronik. Genau die Sorte von Ding, die Umbrella womöglich herschicken würde, um beispielsweise eine Probe des G-Virus aufzuspüren

Sobald Ada Trents Probe in Händen hielt, würde die Sache für sie erledigt sein sie würde sich auszahlen lassen und an irgendeinem Strand Margaritas schlürfen. Und jede Empfindung darüber, wie viele Unschuldige gestorben waren oder wozu Trent das G-Virus wollte, würde für immer aus ihrem Hirn verbannt sein das waren Dinge, mit denen sich herumzuschlagen ihr Job nicht von ihr verlangte.

Solcherart innerlich aufgeräumt, machte sich Ada auf den Weg in den Keller, um nach diesem lästigen Reporter zu suchen.

Leon stand im geplünderten Waffenkeller, zog die Holsterriemen zurecht und überlegte, wo Claire stecken könnte. Dem Wenigen nach, was er bislang gesehen hatte, waren die Verhältnisse im Revier nicht allzu schlimm. Kalt und düster zwar, und es stank nach den Leichen, die sich in den Gängen häuften, aber wenigstens war es nicht so akut gefährlich wie auf den Straßen draußen. Sicher war es nicht genug, um dafür dankbar sein zu können, aber Leon nahm, was er bekommen konnte.

Er hatte auf dem Weg zum Keller zwei Officers und eine Frau in der zerfetzten Uniform der Verkehrswacht erschossen die beiden Cops oben und die Frau dann unmittelbar vor der Pathologie, ein paar Schritte entfernt von dem kleinen Raum, der das Waffenarsenal und die Ausrüstung des RCPD beherbergte. Nur drei Zombies also, seit er das Revier erreicht hatte, die paar, denen er im Detectives-Room hatte ausweichen können, nicht mitgezählt aber er hatte auf dem kurzen Weg über ein Dutzend Leichen passiert, und an etwa der Hälfte von ihnen hatte er Einschüsse ausmachen können, jeweils durch die Augen oder direkt in die Schläfe. Angesichts der „sauber erledigten“ Kreaturen und der Zahl der Waffen, die aus den Schränken hier unten fehlten, wagte Leon die Hoffnung abzuleiten, dass Branagh wohl recht behielt es gab Überlebende!

Marvin Branagh inzwischen vermutlich tot. Heißt das, dass er sich in einen Zombie verwandeln wird? Wenn tatsächlich Umbrella hinter all dem steckt, muss es wohl eine Art Seuche oder Krankheit sein, da es sich um ein pharmazeutisches Unternehmen handelt wie steckt man sich damit an? Durch Kontakt, oder kriegt man es schon, wenn man nur tief Luft holt?

Leon ließ diesen Gedankengang fahren, und zwar schnell so kühl und feucht der Keller auch war, die Vorstellung, dass er selbst inzwischen von der Zombie-Krankheit befallen sein könnte, ließ ihm fiebrigen Schweiß ausbrechen. Was, wenn die Ansteckungsgefahr in ganz Raccoon gegeben war, immer noch, und er es sich schon eingefangen hatte, als er in die Stadt hineingefahren war? Die vollgestopften Regale des Lagerraums schienen in einem Anflug von Entsetzen näherzurücken.

Bevor ihn jedoch echte Panik erfassen konnte, vernahm Leon seine innere Stimme, die ihn an die Wirklichkeit erinnerte und damit einher ging die Akzeptanz dessen, was er als Realität anerkannte, und das ermöglichte ihm, seine Angst zu überwinden.

Wenn du krank bist, dann bist du eben krank. Du kannst dir die Kugel geben, bevor es richtig schlimm wird. Wenn du nicht krank bist, hast du vielleicht die Chance, das Ganze zu überleben, um später mal deinen Enkeln davon zu erzählen. Wie auch immer, im Moment gibt es wahrscheinlich nichts, was du dagegen tun könntest außer zu versuchen, ein Cop zu sein.

Leon nickte seufzend. Immerhin, diese Einstellung war besser, als sich selbst zu quälen, und jetzt besaß er die nötige Ausrüstung, um die eigenen Chancen zu erhöhen. Das elektronische Schloss der Waffenkammer war zerschossen gewesen. Das hatte es ihm erspart, nach einer Schlüsselkarte zu suchen oder es selbst aufzuschießen. Die Tür war offensichtlich aufgebrochen worden. Jemand hatte die äußeren Schlösser und den Griff praktisch zerfetzt.

Bei seiner ersten Durchsuchung war er enttäuscht gewesen und mehr als nur ein bisschen ausgerastet. Es waren keine Handfeuerwaffen da, und in den verbeulten grünen Schränken hatte sich nur sehr wenig Munition befunden aber er hatte eine Schachtel mit Schrotpatronen entdeckt und nach einer zweiten, sorgfältigeren Suche eine Kaliber zwölf gefunden, versteckt hinter einem hohen Kartonstapel. Ein paar Schultergurtgeschirre für das Remington-Modell hingen noch an einem Wandhaken, ebenso wie ein größerer Ausrüstungsgürtel als der, den er trug; der neue hatte sogar eine Seitentasche, in die all seine geladenen Magnum-Clips passten.

Mit einem letzten Zug am Schulterholster entschied Leon, dass es am besten sei, an den offensichtlicheren Orten zuerst zu suchen, in den Verbindungskorridoren aller möglichen Eingänge. Er würde zunächst in die Lobby zurückkehren, etwas suchen, auf dem er eine Notiz hinterlassen konnte und dann

Bamm! Bamm! Bamm!

Schüsse, ganz in der Nähe, und die Echos verrieten, dass sie in der Tiefgarage fielen, gleich am Ende dieses Ganges. Leon riss die Magnum hervor und rannte auf die Tür zu. Wertvolle Sekunden vergingen, während er an dem demolierten Griff hantierte.

Der Gang war frei, abgesehen von der toten Verkehrspolizistin rechts von ihm auf dem Boden. Geradeaus befand sich der Eingang zur Tiefgarage. Leon eilte darauf zu und gemahnte sich, vorsichtig einzutreten, um nicht von einem in Panik geratenen Bewaffneten erschossen zu werden.

Lass dir Zeit, sieh dich genau um, bevor du dich bewegst, identifiziere dich laut und deutlich

Die Tür, die in die Wand zu seiner Rechten eingelassen war, stand offen, und als Leon einen Blick in den weiten Raum dahinter warf, sein Körper von der Betonwand geschützt, sah er etwas, das ihn so erschreckte, dass er den Schützen vergaß.

Der Hund Das ist derselbe gottverdammte Hund!

Unmöglich aber das leblose Tier, das hingestreckt zwischen den aufgereihten Autos lag, sah genauso aus. Selbst aufgrund des flüchtigen Blickes, den er auf den schleimüberzogenen Dämon in Hundegestalt erhascht hatte, von dem er zehn Meilen vor der Stadt so erschreckt worden war, dass er ums Haar einen Unfall gebaut hätte, konnte er sagen, dass dieses Tier hier zumindest dem selben Wurf entstammte. Im flackernden Licht der Neonröhren, die die kalte, ölfleckige Garage erhellten, konnte Leon erkennen, wie abnorm es wirklich aussah.

Nichts schien sich zu bewegen, und außer dem Summen der Deckenleuchten war kein Laut zu hören. Die Magnum noch immer schussbereit haltend, trat Leon in die Garage, entschlossen, einen genaueren Blick auf die Kreatur zu werfen da entdeckte er eine zweite neben einem geparkten Streifenwagen; sie war offenbar genauso tot. Beide lagen in klebrigen roten Lachen ihres eigenen Blutes und hatten ihre langen, wie gehäutet aussehenden Glieder gebrochen von sich gespreizt.

Umbrella, die Angriffe der wilden Tiere, die Seuche wie lange läuft diese Scheiße schon? Und wie ist es ihnen gelungen, das Ganze zu verheimlichen, nach all den Morden?

Noch verwirrender war, dass Raccoon nicht schon von Militär wimmelte. Umbrella mochte ja imstande gewesen sein, seine Verwicklung in die Kannibalenmorde zu vertuschen, aber wie hatte man verhindert, dass die Einwohner von Raccoon Hilfe von außerhalb der Stadt herbeiriefen?

Und diese Hunde, sie gleichen sich wie Ebenbilder Noch etwas, das in den Umbrella-Labors erschaffen wurde?

Leon machte einen weiteren Schritt auf die toten Hundewesen zu und runzelte die Stirn; die düsteren Verschwörungstheorien, die sich in seinem Kopf formten, gefielen ihm nicht, aber er vermochte sie auch nicht zu ignorieren. Was ihm noch weniger gefiel, war das Aussehen der Flecken auf dem Betonboden sie waren rostfarben, und es waren zu viele dieser getrockneten Spritzer, als dass er sie überhaupt hätte zählen können. Er beugte sich vor, um sie genauer zu betrachten, so erpicht darauf, seinen plötzlichen furchtbaren Verdacht auszuräumen, dass er den Schuss erst wahrnahm, als die Kugel bereits mit einem hohen, singenden Heulen an ihm vorbeijagte.

Bamm!

Leon drehte sich nach links, brachte die Magnum hoch, rief: „Feuer einstellen!“ und sah, wie der Schütze seine Waffe senkte. Es handelte sich um eine Frau in einem kurzen roten Kleid und schwarzen Leggings. Sie stand neben einem Van vor der Stirnwand und setzte sich nun in Bewegung, kam auf ihn zu, ihre schmalen Hüften wiegend, den Kopf hoch erhoben und die Schultern gestrafft. Als wäre dies hier eine Cocktailparty.

Leon fühlte einen Anflug von Ärger, dass sie so ruhig wirken konnte, nachdem sie ihn beinahe umgebracht hätte doch als sie näherkam, entschied er, dass er ihr verzeihen wollte. Sie war schön, und ihr Ausdruck verriet echte Erleichterung darüber, ihn zu sehen ein höchst willkommener Anblick nach so viel Tod.

„Tut mir leid“, sagte sie. „Als ich die Uniform sah, dachte ich, Sie seien ein Zombie.“

Sie war Halbasiatin, zartgliedrig, aber groß, ihr kurzes Haar von einem kräftigen, glänzenden Schwarz. Ihre tiefe, seidige Stimme war fast ein Schnurren, ein seltsamer Kontrast zu der Art und Weise, wie sie ihn ansah. Das leichte Lächeln schien die mandelförmigen Augen, mit denen sie ihn eingehend musterte, nicht zu erreichen.

„Wer sind Sie?“, fragte Leon.

„Ada Wong.“ Wieder dieses kehlige Schnurren. Sie neigte, immer noch lächelnd, den Kopf zur Seite.

„Ich bin Leon Kennedy“, erwiderte er wie aus einem Reflex heraus, nicht sicher, wo er mit seinen Fragen weitermachen sollte. „Ich Was tun Sie hier unten?“

Ada nickte in Richtung des Vans, der sich hinter ihr befand ein RCPD-Transporter, der den Zellentrakt blockierte. „Ich kam nach Raccoon, um einen Mann zu suchen, einen Reporter namens Bertolucci. Ich habe Grund zu der Annahme, dass er sich in einer der Zellen aufhält, und ich glaube, er könnte mir helfen, meinen Freund zu finden “ Ihr Lächeln verblasste, ihr scharfer, fast elektrisierender Blick traf den seinen. „Und ich glaube, er weiß über alles Bescheid, was hier passiert ist. Würden Sie mir bitte helfen, den Van aus dem Weg zu räumen?“

Wenn auf der anderen Seite der Garagenwand ein Reporter eingesperrt war, der ihnen irgendetwas erzählen konnte, wollte Leon ihn unbedingt treffen. Er wusste nicht recht, was er von Adas Geschichte halten sollte, konnte sich aber keinen Grund vorstellen, weshalb sie hätte lügen sollen. Das Revier war nicht sicher, und sie suchte nach Überlebenden, genau wie er.

„Ja, okay“, sagte er. Er fühlte sich etwas überrumpelt von ihrer sanften und zugleich direkten Art. Es war, als habe sie die Kontrolle über diese Begegnung übernommen, mittels subtiler, aber bewusster Manipulation, die ihr die Führungsrolle eingetragen hatte und angesichts der lässigen Art, wie sie sich umdrehte und zurück zum Van ging, als gebe es nicht den leisesten Zweifel daran, dass er ihr folgen würde, glaubte Leon, dass sie sich dessen sehr wohl bewusst war.

Sei nicht paranoid es gibt starke Frauen. Und je mehr Leute wir finden können, desto mehr Unterstützung hast du, um nach Claire zu suchen.

Vielleicht war es an der Zeit aufzuhören, Pläne zu schmieden, und einfach zu versuchen, Schritt zu halten. Leon schob die Magnum ins Holster und folgte Ada. Er hoffte, dass sich der Reporter dort befand, wo sie ihn vermutete und dass die Dinge allmählich einen Sinn ergeben würden, je früher, desto besser.

Resident Evil - Sammelband 02 - Der Umbrella-Faktor
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