Aus Fehlern lernen

Als das Mac-Team sich einem Gerät mit funktionierender Hardware und einer Software näherte, die alle erforderlichen Funktionen erfüllte, ohne abzustürzen, kam Steve eines Tages vorbei, um sich eine Demoversion anzusehen – und war nicht glücklich.

»Was ist das für ein Lärm?«, fragte er.

Niemand wusste, wovon er sprach. Da war kein Lärm, nur ein leises Summen vom Lüfter.

Steve wollte davon nichts wissen. Jeder andere PC hatte einen lauten Lüfter, der Mac aber sollte absolut lautlos sein.

Die Entwickler versuchten, es ihm zu erklären: Ohne einen Lüfter würde der Mac heiß laufen und durchbrennen.

Steve insistierte: kein Lüfter.

Die Entwickler begannen, in meinem Büro aufzutauchen und mir zu sagen, ich müsse mit Steve reden und ihn umstimmen. Alle Entwickler im Team waren sich einig, dass der Mac einen Lüfter brauchte. Die ganze Organisation war anderer Meinung als Steve, aber er war nicht bereit, seine Meinung zu ändern.

Also machten die Entwickler sich wieder an die Arbeit und fingen an, den Mac so zu entwerfen, dass er ohne Lüfter funktionierte. Der geplante Verkaufsstart kam und ging vorüber. Schließlich wurde der Macintosh mit fünf Monaten Verspätung präsentiert.

Im Prinzip hatte Steve Recht gehabt. Ein vollkommen stiller Computer ist die Freude eines jeden Benutzers, aber der Preis war zu hoch. Wieder hatte Steve eine wertvolle Lektion gelernt. Details sind wichtig. Es ist die Wartezeit wert, wenn man sie richtig hinbekommt. Aber manchmal muss man den Nutzen, den es bringt, die Details richtig hinzubekommen, gegen die Kosten, die entstehen, wenn man das Produkt zu spät auf den Markt bringt, abwägen. Steve sollte auch weiterhin immer wieder dafür sorgen, dass die Produkte zu spät auf den Markt kamen, weil er sie richtig hinkriegen wollte. Er gestand aber öffentlich ein, dass er sich nie wieder in die Position bringen würde, eine so große Verzögerung zu erlauben.

Bei einigen Kritikern des Macintosh, aber auch bei manchen Fans des Unternehmens, bekamen diese frühen Macs mit ihren unvermeidlichen Überhitzungsproblemen schnell den Spitznamen »beige Toaster«.

In alle folgenden Produkte, angefangen mit dem iPod, sind die Lektionen, die Steve aus der Konstruktionsphase des ersten Macs gelernt hatte, eingeflossen – Lektionen über den Prozess, die Produkte in die Hände der Kunden zu bringen, Lektionen über Preisfragen und dergleichen mehr, all das basierte auf den frühen Lehrjahren des Produktschöpfers.

Dies waren nicht die einzigen Patzer, die Steve beim Mac passierten. Er entschied, dass zusätzlich zur Schaffung von Hardware und Software auch die Computer gebaut werden sollten. Die Fabrik würde 20 Millionen Dollar kosten. Das Board of Directors sträubte sich, da niemand daran glaubte, dass der Mac jemals das Licht der Welt erblicken würde – aber die Entscheidung wurde letztendlich dadurch erleichtert, dass Apple zweihundert Millionen Dollar aus dem ausgezeichneten Verkauf des Apple II auf der hohen Kante hatte.

Steve fand ein Fabrikgebäude im nahegelegenen Fremont, etwas mehr als eine halbe Stunde von Cupertino entfernt, und machte sich daran, es als voll automatische Anlage für die Zusammensetzung des Macintosh umrüsten zu lassen. (Obwohl die Technologie-Geschichtsbücher das Gebäude stets als Fabrik beschreiben, war es in Wirklichkeit vielmehr ein Montagewerk – die Einzelteile wurden nämlich in Japan und anderenorts hergestellt und dann nach Fremont geliefert.)

Steve arbeitete persönlich mit den Ingenieuren zusammen, die die unterschiedlichen automatisierten Maschinen entwarfen und ließ sich wie üblich in die Detailentscheidungen zu Funktion und Bedienung mit einbeziehen. Wenn eine neue Maschine eintraf und installiert wurde, war er wie ein Kind, das auf den Weihnachtsabend wartet. Er konnte es kaum erwarten, nach Fremont zu kommen und sie in Betrieb zu sehen. Seine immense Faszination für Robotik schien aus der Faszination für die menschliche Hand zu erwachsen. In den letzten Wochen vor Produktionsbeginn im Werk fuhr er mit mir oft dreimal die Woche dorthin.

Aber dieser Teil der Geschichte hatte kein Happy End. Wenn Steve rechtzeitig innegehalten und seine überaus scharfen analytischen Fähigkeiten zur Anwendung gebracht hätte, hätte er erkannt, dass die Macintosh-Verkaufszahlen wirklich astronomisch hätten sein müssen, damit das Werk einen Sinn ergeben hätte. Ich meine, die Herstellungskosten für einen Mac, der aus der Fabrik kam, lagen bei ungefähr 20.000 Dollar; gleichzeitig wurde der Mac aber nur für etwa 2.000 Dollar verkauft; zählen Sie zwei und zwei zusammen. Es war eine immens kostspielige Entscheidung, die zu mehr Problemen führen sollte, als sich der Mac in der Frühphase nicht so gut verkaufte.

Aber halten Sie es Steve zugute: Das war ein weiterer Fehler, den er nie mehr wiederholte.

Kleine Veränderung, großes Ergebnis

Ich habe Steves Scharfsinn noch mehr zu schätzen gelernt, weil ich schon früh in meiner Karriere ähnliche Beispiele gesehen hatte. In meiner Zeit bei Intel wohnte ich einer Vorstandssitzung mit den drei Firmengründern bei – Andy Grove, Gordon Moore und Bob Noyce (der einer der Erfinder der Halbleitertechnologie war).

Andy hielt den Halbleiter-Chip eines Konkurrenten hoch und sagte: »Schaut euch das an – er sieht viel besser aus als unser Produkt. Unsere Halbleiter haben zwar die wesentlich bessere Technologie, aber der hier hat das bessere Gehäuse, die bessere Beschriftung und alle Kontakte sind aus Gold. Die machen uns mit einem Produkt fertig, das besser aussieht

Halbleiter kommen in jedem Computer und in jedem anderen elektronischen Gerät vor. Selbst wenn die Benutzer ihn nie zu Gesicht bekommen, sah doch jeder bei Intel ein, dass man etwas unternehmen musste. Man erstellte einen Generalplan, um das Erscheinungsbild des Produkts der Qualität der Technologie anzupassen. Dann wurde eine große Aufklärungskampagne gestartet – das »Intel Inside«-Programm.

Bis dahin war Intel Nummer vier auf dem Halbleiter-Markt gewesen. Mit dieser Kampagne wurden sie zur Nummer eins.

Es ist keine Übertreibung zu sagen, dass Steve als Firmenchef so erfolgreich geworden ist und so viele außergewöhnliche Produkte herausgebracht hat, weil er sich darauf konzentrierte, selbst noch den kleinsten Details Beachtung zu schenken und diese richtig hinzubekommen.

Für Steve spielt alles eine Rolle. Er wird weiter und weiter Innovationen vorantreiben, um sich seinem Ideal, seiner Vision von Perfektion anzunähern, die meist weit über das hinausgeht, was alle anderen für die zurzeit erreichbare Realität halten.

Dieser Prozess ist zeitaufwendig und treibt die Entwickler, die für ihn arbeiten, in den Wahnsinn, und doch ist er ein absolut essentieller Bestandteil seines Erfolgs.

 

8 Michael Krantz, »Apple and Pixar: Steve’s Two Jobs,« Time, 18. Oktober 1999.

Steve Jobs - iLeadership - Mit Charisma und Coolness an die Spitze
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