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1995 erstrahlte Pixar im Glanz des Erfolgs von Toy Story , aber NeXT hing nach wie vor am Tropf und überlebte nur, weil Steve jeden Monat unglaublich viel Geld hineinpumpte. Doch sein geschäftliches Leben sollte die erstaunlichste Wendung nehmen, eine Wendung, die dazu führen sollte, dass er als der möglicherweise beste CEO aller Zeiten in die Geschichte eingehen sollte.

Wenn man sieht, wie sich seine jungen Jahre ausnahmen, ist sein Erfolg fast ein Grund zum Lachen und macht deutlich, dass jemand, der einen schlechten oder späten Start hinlegt, nicht die Hoffnung auf das, was die Zukunft bringen wird, zu verlieren braucht.

Gelegenheiten erkennen 1971 nahm ein Freund aus dem Viertel den damals 16 Jahre alten Steve mit, um sich die Arbeit von einem Burschen aus der Gegend anzuschauen, der Steve Wozniak hieß. Bereits drei Jahre zuvor hatte Steve Wozniak zusammen mit einem Freund seinen ersten Computer gebaut. Damals war ein »Computer« für die meisten Leute noch eine massive, komplexe Maschine, die in einem eigenen klimatisierten Raum untergebracht war und von Leuten in weißen Kitteln betreut wurde. Die ersten kommerziell erhältlichen Bausätze für den Bau primitiver Computer für zu Hause sollten noch einige Jahre auf sich warten lassen. Also war Woz’ Variante von Computer, auch wenn sie nicht viel mehr drauf hatte, als ein paar kleine Glühbirnen an-und abzuschalten, eine beeindruckende Leistung.

Steve erkannte in Woz, der fünf Jahre älter war als er, sofort einen verwandten Geist, der seine Leidenschaft für Technologie mit ihm teilte. Auf vielerlei Art waren sich die beiden sehr ähnlich, und auf vielerlei Art waren sie sehr verschieden. Es sollte sich herausstellen, dass sie sich perfekt ergänzten.

Schon in niedrigen Schulklassen hatte sich Steve Jobs als Unruhestifter erwiesen. Dann erkannte die Lehrerin Ms. Hill, dass er ein wirklich helles Köpfchen war und bestach ihn mit Geld, Süßigkeiten und einem Bausatz für eine Kamera, sich dahinterzuklemmen und zu lernen. Steve motivierte das so, dass er sich selbst eine Linse für die Kamera schliff. In dem Oral-History-Interview im Smithsonian sagte er: »Ich glaube, dass ich in diesem einen Jahr akademisch mehr gelernt habe, als in meinem gesamten übrigen Leben.« Ein beredtes Zeugnis dafür, wie ein einzelner Lehrer das gesamte Leben eines Schülers verändern kann.

Diese Erfahrung prägte Steve in einer Weise, die viele überraschen wird. Seit den frühesten Tagen von Apple , richtete er Programme ein, die es Lehrern und Schülern, von der Grundschule bis zur Universität, ermöglichten, Computer mit großen Rabatten zu kaufen. Das war kein Trick für die Öffentlichkeitsarbeit, darin spiegelte sich ein tiefer Glaube, den Steve aus seiner eigenen Kindheitserfahrung im Klassenzimmer von Ms. Hill mitgenommen hatte: Ich bin zutiefst von der Bedeutung von Chancengleichheit überzeugt … Und Chancengleichheit bedeutet für mich mehr als alles andere eine hervorragende Ausbildung … Es schmerzt mich, weil wir wissen, wie wir eine hervorragende Ausbildung zur Verfügung stellen können. Wir wissen das wirklich. Wir könnten dafür sorgen, dass jedes Kind in diesem Land eine hervorragende Ausbildung bekommt. Und das gelingt uns noch nicht mal ansatzweise … Ich bin mir 100 Prozent sicher, dass ich im Gefängnis gelandet wäre, wenn da nicht Ms. Hill in der vierten Klasse und noch ein paar andere gewesen wären. Ich konnte in mir diese ganz bestimmten Energien, bestimmte Dinge zu tun, erkennen. Solange man jung ist, können schon kleine Kurskorrekturen viel bewirken.

Nach der Highschool bestand er darauf, das Reed College in Portland, Oregon zu besuchen. Das würde zwar angesichts des Haushaltsbudgets seiner Stiefeltern finanziell nicht einfach werden, aber diese hatten seiner biologischen Mutter, die selbst studiert hatte, versprochen, das Kind durchs College zu bringen. Sie meinten es gut, aber Steve schied nach nur einem Semester wieder aus dem College aus, obwohl er noch ein paar Monate weiter Kurse besuchte.

Er ging zurück ins Silicon Valley und suchte sich einen Nachtjob bei Atari , um genug Geld für eine »Reise nach Osten« zusammenzusparen. Steve kam von seiner Reise nach Indien als praktizierender Zen-Buddhist und Frutarier zurück. Er ging wieder zu Atari – soweit ich weiß der einzige Job, bei dem er jemals eine Anstellung bei jemand anderem hatte. Und er kam mit Woz in Kontakt, der tagsüber bei Hewlett Packard in Palo Alto arbeitete und in seiner Freizeit Platinen entwickelte. Woz war Mitglied des legendären Homebrew Computer Club, einer Versammlung junger Technikfreaks, die von Computern besessen waren.

Steve hatte stets eine Nase für Geschäftsgelegenheiten gehabt, die anderen entgingen – möglicherweise wegen seines gegenkulturellen Hintergrunds. Und Steve sah in der Arbeit, die Woz leistete, eine solche Gelegenheit.

Steve hatte früh erkannt, dass wenn man etwas leidenschaftlich will, man eine Kraft anzapfen kann, um andere zu überzeugen. Nur wenige Jahre zuvor hatte seine Familie im Einzugsgebiet einer Schule gewohnt, auf die er nicht gehen wollte. Also verkündete er, dass er dort auf keinen Fall hingehen würde. Schon in diesen frühen Jahren konnte er seine Leute davon überzeugen, die Zelte abzubrechen und in eine andere Gegend zu ziehen, sodass er auf die Schule gehen konnte, auf die er wollte.

Im Homebrew Club fiel Steve auf, dass die Kumpel von Woz zwar die Schemata für Platinen entwarfen, sich aber nicht darum kümmerten, diese dann auch zu bauen. Steve schlug vor, Woz solle die Platinen bauen und sie den Clubmitgliedern verkaufen, die nichts auf die Reihe bekamen.

Woz sah nicht, wie sie damit etwas verdienen sollten. Später erinnert er sich: »Es war nicht so, dass wir gedacht hätten, dass das sehr lange gehen würde. Es war irgendwie so: Wir machen das zum Spaß 21, auch wenn wir wahrscheinlich Geld dabei verlieren. Aber wir werden sagen können, dass wir ein Unternehmen hatten.« Neu inspiriert entschied sich Woz, sich mit Steve zusammenzutun – die Partnerschaft, aus der Apple erwachsen sollte, war geboren.

In seiner Autobiographie enthüllt Woz, warum er den unaufhaltsamen Steve wirklich brauchte. Woz baute etwas, was der Apple I Computer werden sollte, und er wollte dafür DRAM Chips von Intel benutzen, aber diese waren viel zu teuer für ihn. Steve sagte, er würde sich darum kümmern. Er rief bei Intel an und überzeugte dort jemanden im Marketing, ihm die Chips zu geben – kostenlos. Woz war wie vom Donner gerührt und überaus dankbar. »Ich hätte das nie hinbekommen. Ich war einfach zu schüchtern 22.« Aber für Steve war das keine große Sache. Ein paar Jahre zuvor hatte er es sogar geschafft, mit einem Anruf zu William Hewlett, dem Gründer von Hewlett-Packard, durchzukommen. Hewlett war so fasziniert von Steve, dass er sich fast eine halbe Stunde am Telefon mit ihm unterhielt. Am Ende hatte Steve sogar das Angebot eines Sommerjobs in der Tasche.

Leidenschaft ist nicht optional: Eine Lektion in Verkaufskunst 1996, als sowohl NeXT als auch Pixar immer noch Geld kosteten, kam die günstige Gelegenheit für Steve, die ihm den Hals retten und ihn in die Startposition für all das Großartige, das er noch leisten würde, bringen sollte. Diese Gelegenheit kam aus einer Richtung, aus der er sie am wenigsten erwartet hätte.

Apple war verzweifelt auf der Suche nach einem neuen Betriebssystem. Microsoft Windows kam trotz all seiner Schwächen in ständig neuen Versionen heraus und lockte die Mac-Kunden weg. In Steves Abwesenheit schien Apple die Fähigkeit eingebüßt zu haben, ein eigenes Betriebssystem zu entwickeln. Ein großes Team von Entwicklern hatte seit Jahren daran gearbeitet, war aber immer noch ganz klar weit von einer arbeitsfähigen Lösung entfernt – was zum Teil daran lag, dass der Mann, der angeblich das Sagen hatte, über keine echte Autorität verfügte.

Das Unternehmen war damals in den Händen eines geschickten Technologen mit Doktortitel, Gil Amelio, der bei dem Chiphersteller National Semiconductor eine bemerkenswerte Wende bewerkstelligt hatte und den man zu Apple geholt hatte, um technologische Führung zu bekommen und finanzielle Probleme zu lösen. Als klar wurde, dass die Apple -Entwickler kein funktionsfähiges Betriebssystem präsentieren konnten, begann Amelio, jenseits der Mauern von One Infinite Loop zu suchen.

Bald gab es einige beeindruckende Kandidaten für die Gesamtaufgabe, ein neues Apple OS zu entwickeln – bemerkenswerterweise auch Microsof t. Bill Gates machte einen breitgefächerten Werbevorstoß, um Amelio davon zu überzeugen, Windows NT könne den Bedürfnissen seines langjährigen Rivalen angepasst werden. Microsof t war ein 500-Tonnen Gorilla, aber die Aussicht, die Softwareentwickler, die Microsoft Windows programmiert hatten, könnten etwas genauso Fehlerhaftes für Apple produzieren, war abschreckend. Und hätte sich nebenbei bei den Scharen von Macintosh-Verehrern als Schuss in den Ofen erwiesen.

Was Amelio betraf, war die naheliegendste Möglichkeit 23, Sun Microsystems eine Version seines eigenen SunOS entwickeln zu lassen, aber Gil war entschlossen, alle vernünftigen Möglichkeiten auszukundschaften. Ein weiterer Kandidat war eine Software mit Namen BeOS, entwickelt vom ehemaligen Apple -Manager Jean-Louis Gassée, der einige Jahre zuvor als Ersatz für Steve die Leitung des Macintosh-Teams übernommen hatte. Gil stellte technische Teams zusammen, die jeden der Kandidaten in Augenschein nahmen, wobei jedes von einem seiner Top-Softwareentwickler angeführt wurde: Eines von Wayne Meretsky, eines von Winston Hendrickson und eines von Kurt Piersol. Jedes Team wurde aufgefordert, eine Evaluation zu Papier zu bringen.

Eines Tages bekam Gils technischer Direktor, Ellen Hancock, in all diesem Trubel einen Anruf von einem NeXT-Entwickler, der sagte, er habe von Apples Suche nach einem neuen Betriebssystem gehört. (Es kann sein, dass es eigentlich Steve war, der im Hintergrund die Fäden gezogen hatte. Er mag angenommen haben, dass ein Anruf von ihm selbst nicht gut ankäme und hatte es so arrangiert, dass stattdessen der Entwickler anrief.) Ellen bat Winston, ein paar Entwickler zusammen zu trommeln und sich mit denen von NeXT zu treffen, um sich die Sache anzuschauen. Das Team nahm sich etwas Zeit, NeXTStep in Augenschein zu nehmen und Winston stufte es als eine Möglichkeit ein, die das Nachdenken lohnte.

Damals hatte Steve bereits erkannt, dass NeXT unbedingt eine Rettungsaktion brauchte und ein Vertrag zur Entwicklung des neuen Apple -Betriebssystems konnte sich genau als solche herausstellen. Und wer wäre besser dafür geeignet, diese Anstrengungen zu leiten, als Steve selbst?

In der Zwischenzeit erlitt Amelio einen Rückschlag. Die technische Evaluation von SunOS war vielversprechend gewesen und Gils Verhandlungen mit dem CEO Scott McNealy waren gut verlaufen. Doch das Board of Directors von Sun hatte den Deal in letzter Minute abgelehnt 24.

Damit blieben nur NeXT und Be für die Endrunde.

Die Bühne war frei für einen Kampf der Giganten, besonders nachdem Steve gelesen hatte, dass Gassée bereits Verhandlungen mit Apple aufgenommen hatte – eine Nachricht, von der Gil annahm, dass sie ihren Ursprung in einem gewollten Leck auf Seiten Gassées hatte.

Man hatte den 10. Dezember 1996 als den Tag für die große Schießerei am O.K. Corral festgesetzt. Steve und Jean-Louis wurden eingeladen, ihre jeweiligen Positionen einer nach dem anderen vorzutragen. Das ganze fand im Garden Court Hotel in Palo Alto statt, einem unwahrscheinlichen Ort für dieses Treffen, um Reporter zu täuschen.

Steve kam mit seinem Genie für Betriebssysteme, Avie Tevanian, herein und saß am Kopf eines u-förmigen Tisches, Gil und Ellen am anderen Ende zugewandt. Der Apple-Software Experte Wayne Meretsky, der etwa in der Mitte des Seitentisches saß, beschreibt das Szenario so: »Steves Präsentation war komplett auf Gil ausgerichtet, so, als ob es niemanden sonst im Raum gäbe. Steve war, wie man erwarten konnte, ruhig«, als er »die Vorzüge des Betriebssystems darlegte« und die essentiellen Merkmale, die es für Apple geeignet machten, abhakte. Dann zeigte er auf einem Laptop, wie das NeXTStep Betriebssystem gleichzeitig zwei Filme abspielte und dann noch drei zusätzlich startete, also fünf Filme auf einem Computer ausführen konnte. Jeder Anwesende sah, wie wertvoll sich eine Software, die eine solche Verarbeitungskapazität hatte, für Apple erweisen konnte.

Wayne erzählt weiter: »Steve ging wirklich aufs Ganze und seine Präsentation, die er zusammen mit Avie abhielt, bewies zumindest einmal mehr, dass er, abgesehen von allem anderen, der Top-Verkäufer und Redner im Technologiegeschäft ist. Gassée war allein und ohne eine Rede vorbereitet zu haben. Lediglich zum Beantworten von Fragen war er bereit.« Er hatte sich verrechnet, war davon ausgegangen, Apple stünde keine andere realistische Wahl als sein BeOS zur Verfügung. Er legte keinen echten Grund vor, warum BeOS und nur BeOS die Lösung war, die Apple brauchte.

Wayne Meretsky beschreibt es so: »Die Entscheidung für NeXT statt für Be Inc. verstand sich somit von selbst.«

Ohne bereits Apples Entscheidung mitzuteilen, kontaktierte CEO Amelio Steve, um zu sehen, was für einen Deal er aushandeln konnte. Sie trafen sich bei Steve zu Hause, wiederum um zu verhindern, dass die Ergebnisse der Presse zugespielt wurden. Gil erinnert sich, dass »Steve ein begabter Redner ist, was sich auch bei Verhandlungen, die er führt, niederschlägt«, aber »er verspricht mehr, als er halten kann, um dich zum Zustimmen zu bewegen.« Was war nun Gils eigene Verhandlungsposition? Er variierte die Taktik, die berühmt geworden war, als Steve sie bei John Sculley angewandt hatte und fragte ihn: »Willst du weiter mit NeXT herumpfuschen oder die Welt verändern?«

Das Ende vom Lied war, dass Apple keinen Vertrag mit NeXT zur Entwicklung eines neuen Macintosh schloss, sondern stattdessen das gesamte Unternehmen kaufte und sich so nicht nur alle Rechte an NeXTStep sicherte, sondern auch viele der besten Talente von NeXT … und Steve Jobs, in der Rolle des Beraters des CEO. Die Leute warnten Gil, dass Steve ihm, wenn er ihn zu Apple zurückholte, das Unternehmen wegnehmen würde. Gil antwortete, er träfe die Entscheidung, die für das Unternehmen am besten sei.

Nur ein paar Monate später sollte sich Gil Amelio in einer Situation wiederfinden, in der er es bereute, dass er nicht auf eine Zusatzklausel in seinem Arbeitsvertrag mit Apple bestanden hatte: Dass er für drei oder sogar fünf Jahre CEO bleiben würde – lang genug, um das Unternehmen auf einen völlig neuen Kurs zu bringen, auf dem gesunde finanzielle Bedingungen sowie solide Produkte und ein starker Cash-Flow wiederhergestellt sein würden. Er wusste, dass es Zeit brauchen würde, dem Unternehmen wieder Leben einzuhauchen. Er nahm an, das Board würde ihm die Chance geben, all das zu verwirklichen.

Natürlich hatte er, als man ihm den Posten als CEO anbot, nicht voraussehen können, dass Steve Jobs in die Lage kommen könnte, ihm all das wegzunehmen.

Niemand, der Steve kannte, hätte jedoch etwas anderes von ihm erwartet.

Der hervorstechende, zuhöchst respektierte Wirtschaftsautor Brent Schlender riss das Zündholz mit einem zeitlich perfekt abgestimmten Artikel in Fortune an, und zwar unter der aufhetzenden Schlagzeile: »DA IST WAS FAUL IN CUPERTINO25«.

Die Schlagzeile ging in Auszügen folgendermaßen weiter: »STEVE JOBS IST ZURÜCK, UND DABEI IST SEINE STRATEGIE EINE KEHRTWENDE, DIE DAZU FÜHREN KÖNNTE, DASS APPLE WIEDER IHM GEHÖRT.«

Es war unmöglich, diesen Artikel zu lesen, ohne das Gefühl zu bekommen, dass Schlender das Schicksal von Apple zutiefst am Herzen lag und er überzeugt war, dass Steve genau die Medizin war, die das Unternehmen brauchte. Er schrieb, es sei »ein Machtkampf … im Gange, der infrage stellt, wer das Unternehmen eigentlich leitet.«

Obwohl er Steve als den »Svengali von Silicon Valley« bezeichnete, schien er dennoch beeindruckt von den Bedingungen des Aufkaufs von NeXT, bei dem Steve 100 Millionen Dollar und 1,5 Millionen Apple-Aktien einstrich. Und sein Einfluss wurde bereits spürbar. »[S]eine Fingerabdrücke finden sich überall auf Amelios jüngstem Reorganisationsplan und seiner Produktstrategie – und das obwohl Jobs nicht mal eine aktive Rolle, ja nicht einmal einen Vorstandsposten hat.«

Die Krönung des Ganzen war Schlenders Vorhersage, Steve könnte »intrigieren«, um Apple zu übernehmen. Dabei zitierte er Steves besten Freund, den CEO von Oracle, Larry Ellison, der gesagt haben soll: »Steve ist der einzige, der Apple retten kann. Wir haben darüber vielfach und sehr ernsthaft geredet.«

Ob Steve nun Schlender für diesen Artikel mit Material versorgt hat oder nicht, er hätte sich jedoch keine bessere Unterstützung für seine Kampagne wünschen können. Steve fing an, sich im Geheimen mit Mitgliedern des Boards zu unterhalten, wobei er sich besonders auf Ed Woolard konzentrierte, dem Vorsitzenden von DuPont und ehemaligen Vorstandsmitglied von IBM. Obwohl Woolard von Gil für das Board of Directors von Apple rekrutiert worden war, war er angesichts einiger Entscheidungen von Gil ungehalten geworden. Es muss schwer auf Woolard gelastet haben, dass man Steve bei Apple als unfähig angesehen hatte, eine einzige Operation zu leiten – die Macintosh-Gruppe – und dass er es nicht geschafft hatte, NeXT in ein funktionsfähiges Unternehmen zu verwandeln. Doch hier kam wieder einmal Steves gut geschulte Überzeugungskraft ins Spiel. Es dauerte nicht lange, bis Woolard mit anderen Mitgliedern des Boards telefonierte, ihnen seine Gedanken erklärte und sie nach ihrer Meinung fragte. Es brauchte einiges an Überzeugungsarbeit, aber innerhalb von Wochen nach dem Fortune-Artikel, waren zwei Mitglieder des Boards, darunter Mike Markkula, dafür, Gil weitermachen zu lassen … gegenüber drei anderen, die sich auf Woolards Seite geschlagen hatten. Das Beil war kurz davor, zu fallen.

Gil hielt am Wochenende des 4. Juli ein Familientreffen in seinem Ferienhaus am Ufer des Lake Tahoe ab, als das Telefon klingelte. Es war Ed Woolard, der sagte, er riefe an, weil er »schlechte Neuigkeiten« für ihn hätte. Er sagte zu Gil: »Du hast viel getan, um dem Unternehmen zu helfen, aber der Absatz ist nicht wieder auf die Füße gekommen. Wir sind der Meinung, dass du zurücktreten musst.« Gil wies darauf hin, dass Apple gerade verkündet hatte, die vierteljährlichen Ergebnisse hätten die Voraussagen der Analysten übertroffen und fragte: »Ihr wollt, dass ich gerade dann zurücktrete, wenn die Dinge anfangen, besser auszusehen?«

Woolard antwortete, das Board wolle »einen CEO finden, der eine hervorragende Führungsperson des Unternehmens sein kann, sowohl im Marketing wie in Absatzfragen«. Er erwähnte nicht, dass er schon zugestimmt hatte, Steve als »Interims-CEO« das Unternehmen leiten zu lassen. Aber für Gil war es kaum nötig, dass man ihm sagte, dass Steve ihn ersetzen würde. Er war gewarnt worden.

Steve Jobs war zurück und zum ersten Mal in der Geschichte des Unternehmens hatte er allein das Kommando. Der Fortune-Berichterstatter Peter Elkind beschrieb aufs Schönste den »Neuen Steve«, den Manager-und Machtübernahme-Steve: »Steve Jobs begann sofort damit, in den schmutzigen Details des Geschäfts zu wühlen26 und ein Gefühl der Dringlichkeit zu erzeugen, was ihn radikal die Angebotspalette von Apple verkleinern und umfassende Sparmaßnahmen durchführen ließ, die das Unternehmen wieder auf ein profitables Maß einschrumpfen sollten. Jobs hat sich zu einem erheblich besseren Chef gemausert und ist nun weniger ein Fahr-zur-Hölle-Ästhet, den nur das Erschaffen schöner Objekte interessierte. Jetzt ist er ein Fahr-zur-Hölle-Ästhet, dem etwas daran liegt, schöne Objekte zu schaffen, mit denen man Geld verdienen kann. Kein Fleckchen in der Entwicklung, kein Schnörkel im Design ist klein genug, um seiner Aufmerksamkeit zu entgehen.«

Diese Beobachtung traf nur teilweise zu. Für Steve ging es niemals wirklich darum, Geld zu verdienen, aber das erste Gebot des Geschäftslebens verlangte, Apple auf schmerzhafte Art umzumodeln, wollte man es vor dem Scherbenhaufen gescheiterter Technologieunternehmen bewahren. Alle Produkte und Projekte im Unternehmen fanden sich seinem strengen Blick ausgesetzt. Dem leitenden Wissenschaftler in Fragen der Softwareentwicklung Alex Fielding zufolge waren »die Meetings mit Jobs praktisch Pitch Sessions darüber, warum Projekte überleben sollten. Wenn ihm das, was er hörte, nicht gefiel oder es nicht zu seiner Vision passte, sich auf einige Kernprodukte zu beschränken, dann warst du dein Projekt los und deinen Job gleich mit.«

Alex sagt weiter: »Gil Amelio hatte eine Kampagne, bei der es hieß ›Ich war dabei, als das Comeback begann.‹ Ironischerweise hatte er auf gewisse Art Recht, wenn man bedenkt, dass die Fusion mit NeXT Steve Jobs zurückbrachte. Aber viele Angestellte nahmen damals die ›Ich war dabei, als das Comeback begann‹-Autoaufkleber und verbesserten sie zu ›Ich war dabei, als das Comeback die Entlassungen begannen.‹«

Winston Hendrickson, der Softwareentwickler, der ursprünglich von NeXT mit einem positiven Bericht über das NeXT-Betriebssystem zurückgekommen war, war immer noch bei Apple. Er erinnerte sich, dass man im ersten Halbjahr von 1997 neugierig war, was es für Steve bedeutete Gils »Berater« zu sein. Es gab Spekulationen darüber, dass die Übertragung der Leitung der Forschungs-und Entwicklungsabteilung an NeXT-Manager darauf hindeutete, dass Steve mehr Tat als nur zu beraten. Doch Steve war, wie Winston sagt, »relativ unsichtbar«.

In diesem frühen Stadium, so erinnert sich Winston, schien Steve »auf Distanz zu bleiben, und zwar als Versicherung gegen das noch immer wahrscheinliche Scheitern von Apple. Die Fühler vieler Leute zuckten bei dem Gefühl, dass undurchsichtige Vorgänge stattfanden, aber die Reorganisation im Zuge der Post-Akquisition und die sich nach wie vor fortsetzende Zermürbung der Talente überschattete die Vorgänge in der Führungsetage.«

Als Steve nach und nach sichtbarer wurde, sorgte das für eine Mischung aus Aufregung und Zittern, was irgendwie typisch für jede Transformation ist, aber gleichzeitig lag das unangenehme Gefühl von »Was kommt als nächstes?« in der Luft, wie sich Winston erinnert. Endlich passierte etwas – es wurden Entscheidungen gefällt und Änderungen vorgenommen – und das in einer für Apple ungewöhnlichen Geschwindigkeit. Das führte natürlich zu einem hohen Grad an Aufregung, teilweise aufgrund der Tatsache, dass »das Ausmaß und die Geschwindigkeit dieser Maßnahmen es stets deutlicher werden ließen, dass die Stadt einen neuen Sheriff hatte.«

Gils Abschied brachte gemischte Reaktionen hervor und ließ »keinen Zweifel daran, dass NeXT in Wahrheit Apple gekauft hatte« und nicht umgekehrt. Kurioserweise ist Winston der Meinung, dass die Apple-Angestellten – oder doch zumindest die Entwickler – »nach Führung dürsteten« und das sogar »vom Gespenst eines Autokraten, nach dem man sich in den frühen 90er Jahren, während der langen Jahre der Unentschiedenheit, gesehnt hatte die Rede war.«

Bald nachdem er Interims-CEO geworden war, stürzte sich Steve auf die Hardware-Teams und »beschnitt diese deutlich – von hunderten ging es hinunter in den zweistelligen Bereich.« Bei einem Treffen der Top-100-Manager abseits des Firmengeländes in Pajaro Dunes rührte Steve für die Hardware-Pläne die Trommel und enthüllte das Projekt, das der iMac werden sollte. Winston hatte beim Dinner-Empfang die Gelegenheit, sich allein mit Steve zu unterhalten und »hatte das Gefühl, gemustert zu werden.«

Aber aus der Beobachtung der NeXT-Leute hatte er gelernt, dass man anderer Meinung sein konnte als Steve, wenn man sie mit Bedacht und guten Gründen vorbrachte: »Ich war bei einem seiner Gründe für den iMac anderer Meinung als er und bekam gesagt, dass ich falsch lag und auch warum, statt ›gegrillt‹ zu werden, was die meisten Leute wohl erwartet hatten. (Winston fand mit der Zeit heraus, dass er tatsächlich falsch lag und Steve, der ja kein Entwickler war, Recht hatte.) Steve hat mir einmal gesagt, eines seiner Ziele sei es, Apple zu einem Milliarden-Dollar-Unternehmen mit weniger als 5.000 Mitarbeitern zu machen. Er sagte, er habe sich dieses Ziel gesetzt, weil Apple damit das produktivste und lukrativste – oder doch zumindest eines der lukrativsten und produktivsten – Unternehmen der Vereinigten Staates sein würde. Es ist kaum überraschend, dass er es nicht geschafft hat, die Zahl der Angestellten in diesen Grenzen zu halten – allein in den Läden arbeiten um die 1.500 Angestellte – aber sein Marktkapitalisierungsziel hat er ganz bestimmt überboten. Der Marktwert des Unternehmens beträgt zum Zeitpunkt, da dies geschrieben wird, mehr als 280 Milliarden Dollar.

Der CEO und das Board of Directors

Eine Lektion, die Steve aus der quälenden Erfahrung seiner Verbannung gelernt hatte, war die Bedeutsamkeit eines Board of Directors, das die Strategie des Firmenchefs nachvollziehen kann. Rückblickend hätte er die Vorzeichen wohl schon erkennen können, als das Apple-Board dem »1984«-Spot einen so kühlen Empfang bereitete.

Jeder weiß, dass »ein gutes Board of Directors« für den Erfolg eines Unternehmens entscheidend ist. Aber was bedeutet »ein gutes Board of Directors« eigentlich? Mehr als alles andere bedeutet es, dass seine Mitglieder das Unternehmen, seine Vision und seinen CEO verstehen. Selbst wenn der CEO nicht an der Auswahl der Mitglieder des Boards beteiligt war, sollte er oder sie die Vorgeschichte und die Qualifikationen aller Mitglieder kennen, wissen, welche Rolle jeder spielt und wer die Vision des Unternehmens mitträgt und wer nicht.

Das ideale Board of Directors ist eine Gruppe von Menschen mit unterschiedlichen Geschäftserfahrungen, die aus der Benutzung des Produkts eine Religion machen und ein klares Verständnis dafür besitzen, wer ihr Kunde ist und wo das Geschäft in fünf Jahren sein sollte.

Ist Ihnen aufgefallen, dass ich den Profit gar nicht erwähnt habe? Profit ist das Ergebnis des Produkts und der Leute, die das Unternehmen führen. Wie bereits erwähnt, ist das Herz des Unternehmens das Produkt.

Als Steve bei Apple die Zügel in die Hand nahm, schuf er ein neues Board und schickte bis auf zwei alle bisherigen Mitglieder in die Wüste. Einer, an dem er festhielt, war natürlich Ed Woolard, der eine solche Schlüsselrolle bei Steves Rückkehr gespielt hatte. Der andere war Gareth Chang, ein Senior Vice President von Hugh Electronics. Steve fügte dem Board noch seinen engen Freund Larry Ellison und den früheren Apple-Manager Bill Campbell (manchmal auch »Coach« genannt, weil er einst, so unwahrscheinlich das auch klingen mag, der Football Coach an der Columbia University gewesen war) hinzu. Steves Motive lagen deutlich auf der Hand: Das war kein Board aus »Jasagern«, sondern aus Leuten, die wie Steve dachten, ihm vertrauten und ihn in seinen Bemühungen unterstützen würden, das Unternehmen zu retten und wieder aufzubauen.

Ich habe das mit dem Board auf die harte Tour gelernt. In einem meiner Start-Up-Unternehmen musste ich, um das Unternehmen finanziert zu bekommen, Manager und Mitglieder des Boards akzeptieren, die von den Lehman Brothers handverlesen wurden. Diese Typen hatten zwar die nötigen Qualifikationen, aber es ging ihnen um die Zahlen. Wenn mir jemand gesagt hätte, die wüssten nicht einmal, was das Produkt war, hätte mich das nicht überrascht. Keiner von ihnen benutzte das Produkt, ein verräterisches Zeichen, dass sie weder die Vision noch die Richtung, die das Unternehmen einschlug, verstanden.

Aber Steve hatte zusammen mit seinem neuen Board auch eine neue Überzeugung mitgebracht, eine, die zu ignorieren sich die meisten Unternehmen nicht leisten können: Ein Unternehmen kann seinem Kerngeschäft treu bleiben und trotzdem mehr als eine Art von Produkt herstellen. Das war die Richtung, die er nun einschlug.

21 Triumph of the Nerds.

22 Ebd.

23 E-mail von Gil Amelio an den Autor, 7. November 2010.

24 Ebd.

25 Brent Schlender, Fortune , 3. März 1997.

26 Peter Elkind, das Apple Profil in »America’s Most Admired Companies,« Fortune, 5. März 2008.

Steve Jobs - iLeadership - Mit Charisma und Coolness an die Spitze
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