Produktentscheidungen

Steve hatte die Arbeit, die an der Carnegie Mellon University zu fortgeschrittener Software namens Mach Kernel lief, im Auge behalten. Ein Kernel ist das Kernsegment eines Betriebssystems und Steve hatte genug über die Arbeit an der Carnegie Mellon gelernt, um zu glauben, dass dieses Paket wahrscheinlich die beste erhältliche Software war, um die Grundlage einer neuen Generation von Betriebssystemen für PCs zu bilden. Noch bevor er Apple verlassen hatte, hatte er einen Cray Supercomputer bestellt, der mit der Entwicklung eines Betriebssystems auf der Grundlage von Mach Kernel beginnen sollte (das erzeugte einige Spannungen, denn Steve Ausgabebefugnis endete bei 10 Millionen Dollar und der Cray kostete um die 12.)

Er sollte bei Apple nicht mehr mit dem Mach Kernel arbeiten, aber die Tür, es zur Basis eines Betriebssystems zu machen, das er für den neuen Computer brauchen würde, den er bei NeXT baute, war geöffnet. Er suchte einen der Chefs des MachKernel-Projekts an der Carnegie Mellon, Avadis Tevanian Jr., auf. Avie hatte ein Vordiplom in Mathematik und einen Master-und Doktortitel in Computerwissenschaften und war noch aus seiner Studienzeit als einer der wichtigsten Geister hinter dem MachKernel-Projekt bekannt. Auch Avie sagte, er würde ins Silicon Valley gehen und für Apple arbeiten.

Avie hatte den Grips, die Erfahrung, den Antrieb und den Enthusiasmus für das, was Steve sich vorgenommen hatte. Es stellte sich für beide als gute Entscheidung heraus. Avie wurde das Gehirn der Softwareentwicklung des NeXTStep-Betriebssystems (das auf der MachKernel-Technologie basierte). Diese Software sollte sich als der große Wurf sowohl für NeXT als auch für Steve herausstellen. Später sollte Avie Steve zu Apple folgen, um dort die Leitung bei der Entwicklung einer neuen Betriebssystem-Generation für den Macintosh, das OS X (»OS zehn«), zu übernehmen. Zu dieser Zeit konnte sich niemand, nicht einmal Steve oder Avie, vorstellen, dass eine abgespeckte Version des OS X die Entwicklung des weltweit benutzerfreundlichsten und fortschrittlichsten Handys ermöglichen würde.

Steves Entwickler und Produktteamleiter ziehen jedes Jahr hunderte von Ideen in Betracht, darunter auch mehrere, die brillant erscheinen. Aber für den Moment möchte ich das Augenmerk auf den Ursprung von Steves Entscheidung bei einer bestimmten Idee lenken, die da lautete: »Wir halten uns daran

Indem sie die neueste Technologie immer genau im Auge behalten, sind die Apple-Teams in der Lage, zuzuschlagen, wenn alle Elemente, die es für die Herstellung eines neuen Produktes braucht, erhältlich werden. Es war ganz natürlich, dass Steve, Ruby und seine Teams anfangen würden, sich über ein Wiedergabegerät für Musik Gedanken zu machen, als iTunes so richtig gut lief. Man bräuchte ein MP3-Gerät, das genauso sexy und bahnbrechend wäre wie der ursprüngliche Macintosh. Aber es gab die notwendigen Komponenten einfach noch nicht.

Nachdem er Interims-CEO geworden war, hatte sich Steve gegen die Fortsetzung von Apples bahnbrechendem Organizer, dem Newton, entschieden, weil er erkannte, dass dieser kein Kernprodukt war und keine Version des Apple-Betriebssystems verwendete.

Doch einige Jahre später, als sich Apple in einer finanziell solideren Position befand, hatte sich das Bild geändert. Der Markt für Organizer wuchs rapide. Der Umsatz bei tragbaren Musikwiedergabegeräten dagegen war lahm. Organizer erschienen einfach als die bessere Gelegenheit im Vergleich zu Playern. Aber noch lange, bevor der Smartphone-Markt richtig im Kommen war, spürte Steve, dass Handys in der Lage sein würden, alles zu tun, was damals die Organizer konnten. Er erwartete mehr und mehr eine Erosion des Organizer-Marktes. Er kehrte daher diesem Feld den Rücken und lies seinen Blick in eine andere Richtung schweifen.

Steve und Jon Rubinstein sahen, als sie sich nach dem nächsten Produkt umschauten, dass sich im Bereich des kreativen Designs mit digitalen Foto-und Videokameras, mit Organizern und mit Handys einiges abspielte. Einfach nur um zu sehen, wohin dies führen könnte, ließ Ruby einige Teams an einer Evaluation der Hardware und Software, die die unterschiedlichsten Unternehmen für diese Geräte verwendeten, vornehmen. So brachte er in Erfahrung, dass die Software der Kameras recht brauchbar war, aber bei digitalen Musikwiedergabegeräten »das im Umlauf befindliche Material grässlich war33«, wie Ruby dem Cornell Engineering Magazine sagte. »Sie waren groß und sie waren schwer. Die Benutzeroberflächen waren schrecklich.«

In der Zwischenzeit hatte Steve ein Gefühl für die Dimension des Musikplayer-Markts bekommen. Und was noch besser war: Dieser Markt war attraktiv, weil der Wettbewerb nicht sonderlich bedrohlich war und er reif für die Beherrschung durch ein Produkt schien, das die Benutzererfahrung revolutionieren würde.

Manchmal scheinen alle Zeichen günstig dafür, dass sich eine Idee in ein aktives Entwicklungsprojekt verwandelt, gäbe es da nicht noch einige technologische Lücken oder ein oder zwei kritische Fragen, die den Standards von Apple nicht entsprechen. Aber dieses Mal standen die Sterne günstig.

Bei einem Besuch bei Toshiba in Japan nicht lange zuvor hatte Ruby die Festplatten diskutiert, die das Unternehmen für verschiedene Apple-Produkte zur Verfügung stellte, als eine flüchtige Bemerkung zu einem in der Entwicklung befindlichen Produkt gemacht wurde, eine winzige, nur 1,8 Inch große Festplatte. Doch noch hatte man keinen Markt dafür gefunden. Ob Rubinstein-san etwas damit anfangen könne?

Diese winzige Festplatte würde, wie Ruby erfuhr, fünf Gigabyte an Daten speichern können. Zum damaligen Zeitpunkt war das einfach umwerfend. Nun schloss Apple einen Exklusivdeal mit Toshiba über diese Festplatte ab.

Mittlerweile gab es auch Miniaturbatterien, die das Gerät lange genug mit Saft versorgen würden, sodass der Kunde nicht gezwungen war, das Gerät ständig neu einzustecken, nachdem er sich erst ein paar Lieder angehört hatte.

Und dann gab es noch ein weiteres, ebenso entscheidendes Element, ein Stück Technologie, dessen sich wenige Leute bis dahin bewusst waren, das jedoch von allen gefeiert werden würde. Bei den bestehenden MP3Playern dauerte es Stunden, bis man seine Musikbibliothek auf sie aufgespielt hatte. Die »FireWire«-Technologie, bei deren Entwicklung Apple eine entscheidende Rolle gespielt hatte, machte diesen Vorgang nun innerhalb von Minuten möglich. Zusammen würden diese Elemente die Entwicklung eines kleinen, eleganten iPods Wirklichkeit werden lassen.

Die Software-Expertise von Apple würde ein dramatisch überlegenes, tragbares Musikwiedergabegerät ermöglichen. Zusätzlich verfügte das Unternehmen über großartige industrielle Designerfahrung und Brillanz in Sachen Miniaturisierung.

»Also bat mich Steve, einen Musik-Player zu machen«, sagt Ruby.

Stellen Sie sich vor, Sie arbeiten an einem Produkt, das so begehrenswert ist, dass die Mitglieder des Entwicklungsteams es kaum erwarten können, fertig zu werden, weil jeder selbst ein Exemplar sein eigen nennen möchte. Denn genau das war bei dem Gerät der Fall, das als der iPod bekannt werden sollte. In der Lage zu sein, einen Großteil der eigenen Musikbibliothek mit sich herumzutragen, war einfach unwiderstehlich.

Jonathan Ive beschrieb es so: »Wie jeder andere bei dem Projekt, legte ich mich echt ins Zeug, nicht so sehr, weil es eine Herausforderung war – und das war es – sondern weil ich so ein Ding haben wollte34.« Und weiter: »Ich kann mich nicht erinnern, wann wir alle zusammen so nach einem Produkt gegiert haben35, wie nach dem iPod.«

Aber Steve hatte gefordert, dass das Produkt für die Markteinführung fertig gemacht würde, sodass es im Weihnachtsgeschäft 2001 in den Läden war. Das gab den iPod-Teams nur zehn Monate, um den iPod zu verwirklichen, was eine unglaublich kurze Frist ist.

Die Design-Herausforderung für Apple bestand darin, eine erheblich bessere Performance zu erzielen, während man die Schaltkreise in einem Gehäuse, das nicht viel größer war als eine Packung Zigaretten, unterzubringen hatte.

Die Grundkonzepte richtig anzuordnen dauerte nicht lang, aber Apple brauchte Hilfe beim Design. Einem Teammitglied zufolge, das nah am Geschehen war, machte Ruby einige Anrufe in seinem Bekanntenkreis. Ein aussichtsreicher Kandidat hatte gerade woanders einen Job angenommen, schlug aber vor, Ruby solle sich mit Tony Fadell unterhalten. Ruby machte ein paar Anrufe und fand ihn schließlich auf einem Skiausflug. Er kam zu einem Gespräch vorbei. Tony erzählte später, Ruby hätte ihm nicht gesagt, woran er arbeiten würde und ihn anfangs nur als Berater eingestellt.

Wie bei allen Apple-Projekten veranstalteten die Schlüsselfiguren des Teams, in diesem Fall Steve, Ruby, Jeff Robbins und Phil Schiller, ständig Brainstormings zu der Frage, wie man alles zusammenbekommen sollte.

Aber natürlich war Steve hierbei nicht der passive Manager, der in seinem Büro saß und darauf wartete, dass das Team mit dem fertigen Produkt aufkreuzte. Angesichts dessen, was Sie auf diese Seiten bereits gelesen haben, wissen Sie über Steve, dass er bei der Entwicklung des iPods ständig eng am Ball war. Er trieb das Team mit seinem intuitiven Verständnis der Marketing-Notwendigkeiten und seiner Forderung nach verblüffendem Design an. Auch an dieses Projekt stellte er seine bewährte Forderung: das Produkt sollte bemerkenswert leicht bedienbar sein. Er wurde grantig, wenn man drei Knopfdrucke brauchte, um an den gewünschten Song zu kommen, kochte, wenn das Menü nicht schnell genug auftauchte und wurde fordernd, wenn die Klangtreue der Musik nicht hervorragend war.

Obwohl das Projekt im Zeitplan lag, entdeckte die Gruppe erst spät in der Entwicklungsphase des iPods einen möglicherweise fatalen Defekt. Das Gerät entzog der Batterie sogar dann Strom, wenn es ausgeschaltet war. Bereits drei Stunden nach dem Aufladen war die Batterie schon wieder entladen. Die Entdeckung erfolgte, als die elektronischen Schaltkreise für fertig erklärt worden waren und man die Fließbänder einrichtete. Es brauchte Wochen, bis man eine Lösung für das Problem gefunden hatte. Eine der Schlüsselfiguren aus einem externen Unternehmen erinnert sich: »Für acht Wochen dachte man, sie hätten einen drei-Stunden MP3Player36

Steve Jobs - iLeadership - Mit Charisma und Coolness an die Spitze
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