Einige Lektionen in Sachen Innovation

Die frühe iMac-Geschichte liefert drei Lektionen darüber, wie sich Innovation vollzieht – eine über Zusammenarbeit, eine über Kontrolle und eine über das Inspirieren von Mitarbeitern.

Die Angestellten von Apple reden ständig von »Tiefenzusammenarbeit« und »Fremdbestäubung« oder »simultaner Entwicklung«. Damit meinen sie, dass es keine separaten, linearen Entwicklungsstadien gibt, sondern sich Produktentwicklung simultan und holistisch vollzieht. Alle Abteilungen arbeiten parallel an den Produkten – Design, Hardware und Software –, gleichzeitig in endlosen Runden interdisziplinärer Besprechungen. Die Produkte wandern nicht von Team zu Team. Jeder, der etwas investiert hat, bleibt involviert. Man vertreibt niemanden von dem, in das er bereits involviert ist.

Manager in anderen Unternehmen prahlen damit, wie wenig Zeit sie auf Meetings verschwenden. Bei Apple werden die Meetings groß geschrieben und man ist stolz darauf. »Die konventionelle Art der Produktentwicklung funktioniert einfach nicht, wenn man so ehrgeizig ist wie wir«, sagt der außerordentliche Designer Jonathan Ive. »Wenn die Herausforderungen komplex sind, muss man das Produkt mit mehr Zusammenarbeit und Integration30 entwickeln.«

Die zweite Lektion bei diesem Beispiel ist die Kontrolle. Natürlich steht fest, dass Steve seine Autorität einsetzte und darauf beharrte, dass der iMac geschaffen würde, aber sich daran festzubeißen würde übersehen, wie seine Entschlossenheit den Weg für Innovationen geebnet hat. Nichts führt in Unternehmen so sehr zu Verblendung wie eine Strategie, ein Ansatz oder eine Produktlinie, die früher schon einmal funktioniert hat. Erfolg kann sich selbst matt setzen, wenn er einen dazu verführt, sich selbst zu wiederholen. Allzu oft können wir uns eine neue Welt deshalb nicht vorstellen, weil wir es uns angewöhnt haben, die aktuelle mit einer Geisteshaltung zu betrachten, die sich bewährt hat.

Als Steve Apple auf den neuen iMac-Prototypen festlegte, bestand er darauf, dass das Unternehmen sich geistig öffnete und eine Bereitschaft zum Neuen und Experimentellen an den Tag legte. Die Dinge anders zu machen oder andere Dinge zu machen statt nur Wiederholungen des Bewährten zu liefern, ist oft genau das, was eine überzeugende und verlockende Vision auf den Plan ruft. Das ist die Kraft des Neuen. Es kann uns in eine Welt entführen, wo der Horizont uns in verheißungsvolle Gefilde zieht und sich Kreativität manifestieren kann. Als Steve darauf bestand, dass Apple diesen wilden, verspielt aussehenden Computer schuf, tilgte er damit jegliche Reglementierung.

Und was sogar noch wichtiger ist: Indem er das Unternehmen auf diesen neuen iMac festlegte, bot er damit implizit dem gesamten Unternehmen einen erstaunlichen, ermächtigenden Anreiz. Er sagte, dass bei Apple das, was man sich vorstellen kann, auch umsetzbar ist. Gute Angestellte finden das ungeheuer inspirierend.

Das ist die dritte Lektion.

Natürlich müssen Sie auch all die anderen altehrwürdigen Dinge tun, die Angestellte herausfordern und zufriedenstellen. Sie müssen eine offene Tür für sie haben, sie kennenlernen und herausfinden, was sie motiviert. Sie müssen zuhören. Und Sie müssen ihre Ideen wertschätzen – selbst jene, bei denen es um die Verpackung oder Dokumentation geht. (Kleine Details wie die Verpackung eines Produkts oder Gebrauchsanweisungen können auf den Erfolg eines Produkts großen Einfluss haben. Wie oft haben Sie etwas gekauft, bei dem die Gebrauchsanweisung so kompliziert war, dass Sie Stunden damit zugebracht haben herauszubekommen, wie man das Produkt zusammensetzt oder benutzt?)

Wenn Sie von Anfang an die richtigen Leute eingestellt haben, ist die Kernzutat die Schaffung einer Kultur, in der ihre Ideen mit hoher Wahrscheinlichkeit umgesetzt werden. Eines der radioaktivsten Isotope bei Steves machtvollem Charisma ist die Tatsache, dass er seine Mitarbeiter von seinem Bekenntnis zur Innovation überzeugt hat. Das ist es, was Innovation hervorruft und eine Kultur der Innovation erzeugt.

2010 bei der All Things Digital-Konferenz sagte Jobs: »Apple ist ein ungeheuer kooperatives Unternehmen. Wissen Sie, wie viele Komitees wir bei Apple haben? Keines. Wir haben die Struktur eines neu gegründeten Unternehmens. Wir sind der größte Start-Up der Welt. Den ganzen Tag treffe ich mich mit Gruppen von Leuten und arbeite an Ideen und neuen Problemen, um neue Produkte hervorzubringen.«

Im Gegensatz dazu sind einige Unternehmen das Pendant zu einer Innovationsdeponie. Sie sind Müllkippen, wo sich große Ideen zum Sterben hinlegen. Bei PARC hörten die Schlüsselfiguren der Entwicklungsabteilung nicht auf zu kündigen, weil sie niemals erlebten, wie ihre Produkte auf den Markt kamen. Sie wollten das innovative Produkt, das sie entwickelt hatten, ihren Stolz und ihre Freude, in den Händen der Kunden sehen. Aber das passierte nicht. Darum hatte PARC so eine große Fluktuationsrate.

Hervorragend hat es der Journalist Lev Grossman im Time Magazine beschrieben: »Wenn Sie Microsoft, Dell und Sony zu einem Unternehmen zusammenmanschen würden, dann hätten Sie damit etwas, das der Vielfalt der technologischen Biosphäre von Apple entspricht31

 

27 Lev Grossman, »How Apple Does It,« Time, 16. Oktober 2005.

28 Peter Burrows and Ronald Grover, »Steve Jobs’ Magic Kingdom,« BusinessWeek, 6. Februar 2006.

29 Ebd.

30 Grossman, »How Apple Does It.«

31 Ebd.

Steve Jobs - iLeadership - Mit Charisma und Coolness an die Spitze
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