Der Spuk von Ram­min
von
Hanns Heinz Ewers

 

 

Mit wah­rem Fa­na­tis­mus such­te der in Düs­sel­dorf ge­bore­ne Hanns Heinz Ewers (1871-1943) in sei­nen ›selt­sa­men‹ Ge­schich­ten das Ge­spens­ti­sche und Dä­mo­ni­sche, das Gro­tes­ke und Ma­ka­be­re. Die bes­ten die­ser Ge­schich­ten, in der Nach­fol­ge E.A. Poes ge­schrie­ben, sind in den Bän­den ›Das Grau­en‹ und ›Die Be­ses­se­nen‹ ge­sam­melt er­schie­nen und er­reich­ten un­wahr­schein­lich ho­he Auf­la­gen. Um die Be­deu­tung des Ewerss­chen Wer­kes ver­ste­hen zu kön­nen, muß man den Mut ha­ben, sich in je­ne Sphä­re bö­ser Alp­träu­me und sa­ta­ni­scher Fan­tas­ma­go­ri­en hin­ein­zu­wa­gen, in der er mit Vor­lie­be grau­en­haf­te Ein­drücke sam­mel­te und flugs in im­mer neu­en ›seltsa­men‹ Ge­schich­ten zu Pa­pier brach­te. Al­ler­dings zeigt der ›Spuk von Ram­min‹, daß Ewers sei­ner ge­spens­ti­schen Wahn­welt auch hei­te­re Sei­ten ab­zu­trot­zen ver­moch­te.

 

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Als Dr. Hen­ry Frie­del zum Abendes­sen nach Hau­se kam, sah er in den Au­gen sei­ner jun­gen Frau Trä­nen. Er frag­te nach dem Grund, sie zeig­te ihm einen Brief, den sie eben von ih­rer Mut­ter er­hal­ten hat­te:

»Mei­ne lie­be Toch­ter Lot­te!

Lei­der kann ich Dir wie­der nur Schlech­tes be­rich­ten. Die Ver­si­che­rung will den Ha­gel­scha­den nicht be­zah­len, weil der Pa­pa, der sich mit dem In­spek­tor der Ge­sell­schaft über­wor­fen hat­te, die letz­te Prä­mie nicht be­zahlt hat. Die Mam­sell hat ge­kün­digt, sie will sich in die Stadt ver­hei­ra­ten. Der große Brau­ne ist auf dem Fel­de über­an­strengt wor­den und hat sich die Hin­ter­fes­seln ver­letzt, er muß im Stal­le in Bän­dern hän­gen. Da­zu kommt der ewi­ge Re­gen, das Korn liegt fast am Bo­den. Über­all nur Kum­mer und Sor­gen. Mit dem Ver­kauf von Ram­min ist es auch nichts ge­wor­den. Über den Preis wä­ren sie wohl noch ei­nig ge­wor­den, Pa­pa hat­te nur 500 000 Mark ge­for­dert. Aber dann hat­te der Herr na­tür­lich von un­se­rem schreck­li­chen Spuk ge­hört und ver­langt, ei­ne Nacht im Mit­tel­zim­mer zu schla­fen. Am an­de­ren Mor­gen ist er gleich ab­ge­reist und hat an Pa­pa ge­schrie­ben, daß er un­ter kei­nen Um­stän­den mehr auf Ram­min re­flek­tie­re. Das ist nun schon der drit­te! Es ist ein Jam­mer, ich glau­be, wir wer­den nie von Ram­min weg­kom­men! Dein Bru­der Wil­li meint zwar, es sei gut, daß aus dem Kau­fe nichts ge­wor­den ist, da Pa­pa so we­nig ge­for­dert ha­be. Aber ich wä­re zu froh, wenn wir doch end­lich weg­kämen, Pa­pa und ich kön­nen die Sor­gen kaum mehr er­tra­gen. Da­bei braucht Wil­li bei den Kü­ras­sie­ren so viel Geld, wir wis­sen nicht, wo es her­neh­men. Könn­test Du nicht, Lot­te, Dei­nen Mann be­we­gen, auf Ram­min ei­ne neue Hy­po­thek zu ge­ben? nicht viel, et­wa 80 000 Mark. Es steht ja voll­stän­dig si­cher. Bit­te, ver­su­che es doch und schrei­be mir bald, ob es sich ma­chen läßt. Mit vie­len müt­ter­li­chen Grü­ßen an Dich und Dei­nen Mann.

Dei­ne trau­ri­ge al­te Mut­ter.«

 

»Willst du hö­ren, Lot­te, was ich von die­sem Brie­fe den­ke?«

Sie nick­te.

»Ers­tens: daß die­ser Herr, der Ram­min kau­fen woll­te, ein großer Esel ist, wenn er 500 000 Mark da­für ge­ben woll­te, daß dein Bru­der Wil­li ein noch grö­ße­rer Esel ist, wenn er sich ein­bil­det, daß das Gut sei­nes Va­ters da­mit zu nied­rig be­zahlt ist, daß ich end­lich der größ­te Esel wä­re, dei­nem Va­ter für sei­nen pom­mer­schen Dreck ei­ne wei­te­re Hy­po­thek von 80 000 Mark zu ge­ben.«

»Hen­ry!«

»Du glaubst mir nicht? – Ich ha­be mich ge­nau nach dem Wer­te Ram­mins er­kun­digt, als ich dei­nem Va­ter vor zwei Jah­ren die Hy­po­thek gab. Es ist – sehr hoch ge­rech­net – kei­ne 100 000 Ta­ler mehr wert, dein Va­ter hat es gründ­lich her­un­ter­ge­wirt­schaf­tet. Da­zu ste­hen et­wa für 200 000 Mark Hy­po­the­ken dar­auf! Blei­ben 100 000 Mark Ver­mö­gen. Und da­bei le­ben dein Va­ter und dein Bru­der, als ob sie min­des­tens 500 000 Mark im Jah­re zu ver­zeh­ren hät­ten!«

Lot­te schluchz­te.

Er strich ihr lei­se übers Haar:

»– Hö­re, Lot­te, wir ha­ben noch 14 Ta­ge Zeit, ehe wir zum Nil fah­ren. Es ist gleich­gül­tig, ob wir die Zeit in Ber­lin oder ir­gend­wo an­ders ver­brin­gen. Sol­len wir nach Ram­min fah­ren? Viel­leicht kön­nen wir dort et­was hel­fen?«

»Wir wol­len gleich te­le­gra­fie­ren!«

 

– Am an­de­ren Abend wa­ren sie dort.

Frau von Ram­min strahl­te; die Hy­po­thek schi­en ihr si­cher.

»Wie lieb, Kin­der, daß ihr her­ge­kom­men seid. Wir ha­ben den gan­zen Tag ge­ar­bei­tet, um euch al­les schön zu ma­chen. Vorn im großen Zim­mer sollt ihr schla­fen –«

»Ver­zei­hen Sie, Schwie­ger­ma­ma, wir möch­ten im Er­ker­zim­mer schla­fen.«

»– Im Er­ker­zim­mer? Da, wo es spukt, das ist nicht Ihr Ernst, Hen­ry!«

»Ge­ra­de da! bit­te, las­sen Sie ge­ra­de das Zim­mer zu­recht­ma­chen, Lot­te und ich möch­ten um nichts ver­mis­sen, den Ram­mi­ner Spuk ken­nen­zu­ler­nen.«

Lot­te faß­te sich ein Herz.

»Ja, Ma­ma, laß das Zim­mer zu­recht­ma­chen.«

– – Nach dem Es­sen zog Frie­del sei­nen Schwa­ger her­aus.

»Sag mal, Wil­li, wie lan­ge spukt es schon in Ram­min?«

»Seit ei­ni­gen Jah­ren!«

»Glaubst du dar­an?«

»Du wirst dich heu­te nacht selbst über­zeu­gen.«

»Ist der Spuk im Er­ker­zim­mer?«

»Nein.«

»Nein? wo dann?«

»Im Zim­mer dar­über! aber nur im Er­ker­zim­mer kann man ihn hö­ren!«

»Hast du dort ein­mal ge­schla­fen?«

»Ja­wohl, zwei­mal. Vor ei­nem Jahr et­wa. Das ers­te­mal al­lein, die fol­gen­de Nacht mit ei­nem Ka­me­ra­den.«

»Hast du die Zim­mer dar­über un­ter­sucht?«

»Bis auf das Kleins­te. Es ist ein Spei­cher­zim­mer. Die üb­ri­gen Zim­mer da oben ste­hen meist leer, oder sind mit al­ten Mö­beln und Ge­rät­schaf­ten an­ge­füllt. Dies Zim­mer ist ganz leer. Frü­her wur­de es wohl zum Wä­sche­trock­nen be­nutzt, es sind von ei­ner Wand zur an­de­ren ei­ni­ge Lat­ten und Lei­nen ge­spannt.«

»Bist du si­cher, daß sich nicht je­mand aus dem Ge­sin­de den Un­fug er­laubt?«

»Ganz si­cher! Am Ta­ge, nach­dem ich zum ers­ten Male im Er­ker­zim­mer ge­schla­fen hat­te, un­ter­such­te ich mit mei­nem Ka­me­ra­den von Hes­sen den gan­zen Spei­cher aufs pein­lichs­te. Dann schloß ich das Zim­mer ab und ließ zum Über­fluß noch einen Rie­gel mit Vor­hän­ge­schloß an die Tü­re na­geln. Über das Schlüs­sel­loch, so­wie über das Vor­hän­ge­schloß kleb­ten wir Pa­pier, das wir bei­de mit un­se­ren Wap­pen­rin­gen be­sie­gel­ten. Die­sel­be Pro­ze­dur wie­der­hol­ten wir an der Trep­pen­tü­re, die zum Spei­cher hin­auf­führt. Es war un­mög­lich ein­zu­drin­gen, oh­ne daß wir es ge­merkt hät­ten!«

»Ist es nicht denk­bar, daß man durch das Fens­ter hät­te ein­drin­gen kön­nen?«

»Nein! Die Wand ist ganz glatt, und ei­ne solch ho­he Lei­ter ist auf ganz Ram­min nicht zu fin­den. Über­dies hät­ten wir das von dem Er­ker­zim­mer be­mer­ken müs­sen, die Fens­ter lie­gen ge­nau über­ein­an­der. – Willst du viel­leicht selbst ein­mal hin­auf­ge­hen?«

»Ist nicht nö­tig; ich glau­be, ich wür­de nicht mehr fin­den als du! Noch et­was: ist der Spuk im­mer da?«

»Nicht im­mer, man­che ha­ben ihn nicht ge­hört. Viel­leicht ha­ben sie nur zu fest ge­schla­fen. Ich hof­fe, ihr wer­det Glück ha­ben!«

– Hen­ry und Lot­te gin­gen früh zu Bett. Mü­de von der Ei­sen­bahn- und der Wa­gen­fahrt, schlief er bald ein.

Plötz­lich wur­de er wach, sei­ne Frau hat­te ihn ge­weckt. Sie saß auf­recht im Bett, der Mond, der voll durchs Fens­ter schi­en, be­leuch­te­te ihr blei­ches Ge­sicht.

»Hörst du nichts?«

Er setz­te sich eben­falls auf, rieb sich den Schlaf aus den Au­gen, dann horch­te er.

Einen Mo­ment war es still. Dann drang ein zi­schen­der, sau­sen­der Klang an sein Ohr.

»Zwei­fel­los«, sag­te er, »das ist über uns. Wil­li hat recht.«

Wie­der war es einen Mo­ment still. Und dann drang wie­der der ei­gen­tüm­li­che sau­sen­de Ton und ein Strei­fen, als ob zwei schlei­fen­de Ge­wän­der rasch an­ein­an­der vor­über­rausch­ten. Und plötz­lich da­zwi­schen ein ge­dämpf­ter kur­z­er, aber nach­klin­gen­der Ton.

Das Schlei­fen und Zi­schen wur­de im­mer stär­ker, aber es schi­en nicht den Bo­den zu be­rüh­ren. Im­mer durch die Luft, in ra­sen­der Ge­schwin­dig­keit.

Frie­del war aus dem Bett ge­sprun­gen; er be­gann sich an­zu­klei­den. Da klang auf ein­mal ein lau­tes, schril­les La­chen an sein Ohr, und noch ein­mal und wie­der, es war, als ob ei­ne Men­ge klei­ner Kin­der sich schüt­tel­ten vor La­chen. Da­zwi­schen wie­der kla­gen­de, seuf­zen­de, schrei­en­de Tö­ne, ein Schlei­fen, Zi­schen, Mur­ren, Rau­schen.

Und nun, ganz deut­lich, ein lau­ter Kuß, dann hel­les Ge­läch­ter! –

»Das ist ja der rei­ne He­xensab­bat!« rief er, »bun­ter kann es wirk­lich nicht wer­den!«

Und der Lärm wuchs mit je­der Mi­nu­te, Ki­chern, La­chen, Seuf­zen, Kla­gen, Sprin­gen und Tan­zen laut durch­ein­an­der.

»Merk­wür­dig, daß man kei­ne Schrit­te hört«, mein­te Frie­del. Er war völ­lig an­ge­zo­gen; er er­griff nun das Licht und den Stie­fel­knecht.

»Wo willst du hin?«

Sie zit­ter­te.

»Nimm we­nigs­tens den Re­vol­ver mit!«

»Wo­zu? – für die­se lus­ti­ge Ge­sell­schaft ge­nügt der Stie­fel­knecht voll­kom­men!«

»Hen­ry, bleib da!«

»Närr­chen!«

Er ging hin­aus.

Sie hör­te ihn die Trep­pe hin­auf­ge­hen, jetzt schloß er die Tü­re zur Spei­cher­trep­pe auf. Tapp, tapp, tapp, der Klang sei­ner Schrit­te ent­fern­te sich. – Nun hör­te sie wie­der deut­lich, oben – er muß­te vor der Tür ste­hen. Sie hör­te, wie er an der Tür tas­te­te, er such­te den Schlüs­sel –

Der Angst­schweiß trat ihr auf die Stirn. Im­mer lau­ter, im­mer wüs­ter wur­de der Tanz dort oben. Im­mer wil­der, im­mer tol­ler. Wenn er nur wie­der­käme, wenn er nur wie­der­käme.

Sie ver­such­te zu be­ten, doch konn­te sie kei­ne Wor­te fin­den.

»Hen­ry, Hen­ry!«

Sie sprang aus dem Bett, woll­te zur Tür, hin­auf, ih­ren Mann her­un­ter­ho­len.

Aber ih­re Fü­ße tru­gen sie nicht, sie fiel zu­sam­men, sie muß­te sich auf einen Stuhl set­zen.

Bauz! da hör­te sie einen lau­ten Krach.

Er trat ge­wiß vor die Tür, da er den Schlüs­sel nicht fin­den konn­te. Bauz, bauz, sie hör­te sei­ne schwe­ren Trit­te.

Wenn er nur wie­der­käme.

Krach, jetzt flog die Tü­re auf. Und jetzt hör­te sie sei­ne Schrit­te ge­ra­de über sich. Und rings um ihn her­um die­ses schreck­li­che To­sen – an al­len, al­len Sei­ten!

Er war ver­lo­ren – – –

Sie hielt sich die Oh­ren zu, schluchz­te, wein­te, jam­mer­te. –

 – Als sie auf­sah, stand ihr Mann vor ihr:

»Was machst du denn, Närr­chen?«

Sie stand auf, um­hals­te ihn, woll­te ihn fast er­drücken mit ih­ren Küs­sen!

»Nicht so stür­misch, Lot­te, du zer­drückst mein Ge­spenst­chen. Ich hab’ dir eins mit­ge­bracht, hier un­term Rock, eins von den Haupt­spaß­ma­chern!«

Er zog ei­ne große, graue Lach­tau­be her­aus.

»Die an­dern mö­gen wei­ter Mu­sik ma­chen, die da kann bei uns blei­ben. Eu­re Ram­mi­ner Ge­spens­ter sind mond­süch­tig, Lot­te, das ist ih­re gan­ze Ei­gen­tüm­lich­keit. Dein Herr Pa­pa wird die Tau­ben­schlä­ge drau­ßen ha­ben ver­fal­len las­sen und da ist ein be­son­ders klu­ger Tau­be­rich auf den Ge­dan­ken ge­kom­men, sich da oben im Wä­sche­zim­mer häus­lich nie­der­zu­las­sen. Es paß­te ja fa­mos da­zu mit den Lei­nen und Lat­ten quer von Wand zu Wand. Aber sie hat­ten ih­re Rech­nung oh­ne den Mond ge­macht. Wenn der da hin­ein­scheint, wer­den die ar­men Tie­re wach und flat­tern und la­chen und gur­ren – na, du hörst sie ja, Lot­te?«

Ehe sie am an­de­ren Mor­gen zum Früh­stück gin­gen, lach­te sie:

»Wie wird sich Ma­ma freu­en, daß wir den Spuk ge­fun­den ha­ben. Nun kön­nen sie Ram­min ver­kau­fen!«

Er sann einen Au­gen­blick nach:

»Lot­te, ich bit­te dich, er­wäh­ne nichts da­von: er­zählst du, so weiß mor­gen die gan­ze Nach­bar­schaft, wie es mit dem Ram­mi­ner Spuk be­stellt ist. Und der Spuk ist das Bes­te in Ram­min. Mit dem Spuk kann dein Va­ter Ram­min viel­leicht los­wer­den, oh­ne ihn wür­de ich kei­nen Gro­schen da­für ge­ben.«

– Die an­de­ren wa­ren schon beim Früh­stück.

»Na, habt ihr den Spuk ge­hört?«

»Ja«, sag­te Lot­te.

»Bist du über­zeugt?«

»Es ist ge­nau­so, wie du mir er­zählt hast.«

Dann brach er ab.

»Schwie­ger­va­ter, ich hö­re, Sie wol­len Ram­min ver­kau­fen!«

»Wenn ich einen Käu­fer fän­de!«

»Pa­pa will nur 500 000 Mark ha­ben«, mein­te Frau von Ram­min zag­haft.

»Ver­dammt we­nig!« mein­te Wil­li.

»Ich ge­be 800 000 Mark! Da­von geht mei­ne Hy­po­thek ab, macht 720 000 Mark. – Wenn Sie da­mit ein­ver­stan­den sind, bit­te ich zum No­tar zu schi­cken, da ich so­fort in den Be­sitz zu tre­ten wün­sche, auch die üb­ri­gen Hy­po­the­ken gleich lö­schen las­sen möch­te.«

Frau v. Ram­min küß­te ih­re Toch­ter, dann ih­ren Schwie­ger­sohn. Der Al­te schüt­tel­te ihm die Hand.

»Zu viel ist’s nicht«, sag­te Wil­li.

Als Frie­del mit sei­ner Frau al­lein war, sag­te sie:

»Es war sehr edel von dir – aber was willst du mit Ram­min ma­chen? – Du ver­stehst –«

»– Nichts von der Land­wirt­schaft, hast auch nicht die ge­rings­te Lust da­zu – willst du sa­gen? – Frei­lich hab’ ich kei­ne Lust da­zu und frei­lich ver­ste­he ich nichts da­von, bei­na­he so we­nig wie dein Va­ter. Ich den­ke auch Ram­min nicht vier­zehn Ta­ge zu be­hal­ten!«

»Du willst es ver­kau­fen? Aber du sagst selbst, daß Ram­min für 100 000 Ta­ler kei­nen Käu­fer fin­den wür­de, und du willst 800000 Mark da­für ge­ben?«

»Ja – und ich wer­de mehr da­für wie­der be­kom­men. Was ich ver­die­ne, ge­hört dir, Lot­te, du kannst da­für Tau­ben züch­ten, wenn du Lust hast. – Willst du mir ein paar Brie­fe schrei­ben, die ich dik­tie­re?«

»Ger­ne!«

»So schrei­be: ›Rit­ter­gut Ram­min! Haun­ted‹

Al­tes Fa­mi­li­en­gut in Pom­mern ist zu ver­kau­fen. Große Wal­dun­gen, Tei­che, Park­an­la­ge. Bes­ter Bo­den, schö­ne Jagd. Das Gut wur­de von dem In­ha­ber, in des­sen Fa­mi­lie es über 400 Jah­re ge­we­sen ist, ver­kauft, weil er es in dem Schlos­se, in wel­chem es spukt, nicht mehr aus­hal­ten konn­te. In­se­rent die­ses er­stand es, da sich kein an­de­rer Käu­fer aus an­ge­ge­be­nen Grün­den fin­den woll­te, schul­den­frei zu dem fa­bel­haft nie­de­ren Prei­se von nur 800 000 Mark.

No­ta­ri­el­ler Kau­fakt liegt zur Ein­sicht vor. In­se­rent zieht je­doch selbst, nach­dem er nur we­ni­ge Näch­te in dem Schlos­se ge­schla­fen hat, vor, sei­nen Be­sitz wie­der zu ver­kau­fen, even­tu­ell un­ter Selbst­kos­ten­preis.

Ge­fl. Of­fer­ten an Herrn Dr. Frie­del.

Ram­min, Pom­mern.‹

 

So, Lot­te! du mußt es noch zwei­mal ab­schrei­ben! Und dann die Adres­sen: Ti­mes, Lon­don; Fi­ga­ro, Pa­ris; New York He­rald, Neu-York.« –

Dr. Frie­del be­stand dar­auf, daß sei­ne Schwie­ger­el­tern und Schwa­ger so­fort nach der Tä­ti­gung des no­ta­ri­el­len Ak­tes nach Ber­lin fuh­ren, auch Lot­te muß­te mit. Ei­ne klei­ne Aus­span­nung könn­te nichts scha­den, sag­te er. –

Et­wa vier­zehn Ta­ge spä­ter er­hielt Lot­te von ih­rem Man­ne fol­gen­den Brief:

 

»Lie­bes, klei­nes Frau­chen!

Mor­gen kom­me ich selbst zu Dir, jetzt nur in Ei­le die Haupt­sa­che. Mei­ne Rol­le als Be­sit­zer von Ram­min ist aus­ge­spielt, so­eben ha­be ich das Gut für ei­ne Mil­li­on ver­kauft. Der jet­zi­ge Be­sit­zer, Dr. Mc. Culloch, ist ein Schot­te. – Auf un­se­re An­non­cen be­kam ich et­wa 15 Ant­wor­ten, Mc. Culloch kam gleich selbst hier­her. Ram­min hat er sich gar nicht an­ge­se­hen, doch woll­te er gleich im Er­ker­zim­mer schla­fen. Er war ent­zückt. Ich hat­te al­les so ge­las­sen, wie es war, nur den Tau­ben­dreck ha­be ich da oben höchst ei­gen­hän­dig ein we­nig auf­ge­kehrt. Ich hät­te Mc. Culloch, der so­fort 750 000 Mark bot, gleich zu­ge­schla­gen, je­doch ka­men am fol­gen­den Ta­ge noch zwei Ame­ri­ka­ner. Sie schlie­fen eben­falls im Er­ker­zim­mer: der Er­folg war der­sel­be. Sie bo­ten 800 000 Mark, wor­auf Mc Culloch 50 000 Mark hö­her ging. So stei­ger­ten sie sich ge­gen­sei­tig, bis der Schot­te mit ei­ner Mil­li­on 15 000 Mark Sie­ger blieb! Er ist so­fort in den Be­sitz von Ram­min ge­tre­ten, ich bin heu­te sein Gast. Er hat schon An­ord­nun­gen ge­trof­fen, die Tü­re zur Spei­cher­trep­pe ver­mau­ern zu las­sen, da­mit der Spuk nicht doch ein­mal her­un­ter­käme! Das Er­ker­zim­mer will er als Frem­den­zim­mer her­rich­ten las­sen, er läßt schon an al­le sei­ne Freun­de Ein­la­dun­gen er­ge­hen und freut sich schon im vor­aus, wenn er an die Er­fol­ge denkt, die er er­zie­len wird! – Ich wün­sche ihm al­les Glück.

Ich kom­me 1.28 Uhr mor­gen mit­tag; wirst Du an der Bahn sein?

Grü­ße für Dei­ne El­tern und Dei­nen Bru­der und einen Kuß für Dich.

Hen­ry.«