Gäste zur
Nacht
von
Alexander Puschkin
Das literarische Werk Alexander Puschkins (1799-1837) ist das tragende Fundament der russischen Literatur, die ohne ihn ebenso wenig denkbar wäre wie ohne die russische Sprache. Puschkin war der erste wirklich nationale Dichter Rußlands. Zunächst noch von Lord Byron beeinflußt, wandte er sich in seiner reiferen Schaffensperiode immer mehr der russischen Volkspoesie zu. Wie er seinen Lenskij in dem Versroman ›Eugen Onegin‹ (1825, vollendet 1830) im Duell mit Onegin hatte sterben lassen, so wurde auch der Dichter selbst viel zu früh in einem Duell getötet.
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Das letzte Gerümpel des Sargtischlers Adrian Prochorow wurde auf den Leichenwagen geladen, und die beiden abgemagerten Gäule schleppten sich zum viertenmal von der Basmannajastraße zur Nikitskajastraße, wohin der alte Meister mit seinem ganzen Haushalt nebst Familie übersiedelte. Er sperrte seinen ausgeräumten Laden zu, brachte an der Tür einen Zettel an, darauf zu lesen war, daß das Haus zu verkaufen oder zu vermieten sei, und machte sich zu Fuß auf den Weg zu seiner neuen Wohnung.
Je mehr er sich dem gelben Häuschen näherte, das schon so lange seine Fantasie beschäftigt und das er schließlich für eine erhebliche Summe erworben hatte, desto stärker wurde ihm zu seinem Erstaunen bewußt, daß ihm der Umzug gar keine Freude bereitete. Als er über die ungewohnte Schwelle trat und in den neuen Räumen ein heilloses Durcheinander vorfand, seufzte er und dachte an seine alte Wohnung zurück, wo achtzehn Jahre lang die strengste Ordnung geherrscht hatte. Er begann, auf seine beiden Töchter und das Dienstmädchen zu schimpfen, und machte sich selbst daran, ihnen zu helfen.
Bald kam wieder alles in Ordnung: Ikonen- und Geschirrschrank, Tisch, Sofa und Bett erhielten die ihnen zugedachten Plätze im hinteren Zimmer; in der Küche und im Wohnzimmer wurden seine Erzeugnisse untergebracht, Särge aller Farben und Größen, ferner die Schränke mit den schwarzen Hüten, Trauermänteln und Fackeln. Über der Haustür hing ein Schild, auf dem ein molliger Amor mit einer umgekehrten Fackel in der Hand gezeichnet war; darunter prangte die Aufschrift: ›Hier werden einfache und angestrichene Särge verkauft und beschlagen, gebrauchte vermietet und repariert‹
Die Mädchen gingen in die Stube, und Adrian machte einen Rundgang durch sein neues Haus. Dann setzte er sich ans Fenster.
Man weiß, das Shakespeare und Walter Scott ihre Totengräber als fidele Possenreißer geschildert haben, um durch diesen Gegensatz unsere Fantasie anzuregen. Aus Respekt vor der Wahrheit können wir jedoch ihrem Beispiel nicht folgen und müssen eingestehen, daß das Wesen unseres Sargtischlers durchweg seinem düsteren Handwerk entsprach. Adrian Prochorow war für gewöhnlich mißgelaunt und wortkarg. Er brach sein Schweigen nur, wenn er seine Töchter anfuhr, die untätig am Fenster saßen und den Vorübergehenden nachgafften, oder wenn er ungebührlich hohe Preise für seine Erzeugnisse von den Kunden verlangte, die das Unglück, oder die Freude hatten, diese dringend zu benötigen.
So saß also Adrian am Fenster und trank die siebente Tasse Tee und war wie gewöhnlich in seine trübseligen Gedankenversunken. Er dachte an das Unwetter, das vor einer Woche auf den Leichenzug des pensionierten Brigadiers niedergegangen war, und an die vielen Trauermäntel und Hüte, die infolge der Nässe verdorben und unbrauchbar geworden waren. Dringende Ausgaben standen bevor, da sich die ohnehin veralteten Artikel seines Geschäfts in einem geradezu kläglichen Zustand befanden. Prochorow hoffte zwar, die Verluste bei der Beerdigung der alten Kaufmannsfrau Trjuchina, die bereits seit einem Jahr im Sterben lag, wieder wettzumachen; aber die Trjuchina kämpfte mit dem Tod am weit entfernten Rasguljai, so daß der Sargtischler befürchtete, ihre Erben könnten einen anderen Unternehmer in ihrer Nähe mit dem Geschäft beauftragen, anstatt, wie sie es ja ausgemacht hatten, zu ihm zu kommen.
Seine Überlegungen wurden plötzlich durch ein dreimaliges Klopfen unterbrochen. »Wer ist da?« rief Prochorow.
Die Tür ging auf, und ein Mann, in dem er auf den ersten Blick einen deutschen Handwerker erkannte, trat ein und kam mit heiterer Miene auf ihn zu.
»Entschuldigen Sie, verehrter Nachbar«, sagte er auf russisch mit einer Aussprache, die wir bis auf den heutigen Tag nicht hören können, ohne dabei zu lächeln, »entschuldigen Sie, wenn ich störe. Ich wollte mich mit Ihnen bekanntmachen. Mein Name ist Gottlieb Schulze, ich bin der Schuhmacher von gegenüber. Morgen habe ich meine silberne Hochzeit. Wollen Sie und Ihre Töchter die Güte haben, an unserem Festessen teilzunehmen?«
Die Einladung wurde bereitwillig angenommen. Der Sargtischler forderte Gottlieb Schulze auf, Platz zu nehmen und mit ihm eine Tasse Tee zu trinken. Dank der Unbefangenheit des Schusters entwickelte sich bald ein freundschaftliches Gespräch.
»Wie gehen die Geschäfte?« fragte Adrian.
»He, he, he«, lachte Schulze, »na ja, mal so, mal so. Ich kann mich nicht beklagen. Meine Ware ist natürlich nicht das, was Ihre ist: Lebende können auf Stiefel verzichten, Tote aber nicht auf den Sarg.«
»Sehr wahr«, stimmte Adrian zu, »indes, wenn der Lebende nicht das Geld dazu hat, Stiefel zu kaufen, so läuft er eben – nichts für ungut – barfuß herum, aber der tote Bettler beschafft sich einen Sarg umsonst.«
Auf diese und ähnliche Weise unterhielten sich die beiden noch eine Weile, bis der Schuster schließlich aufstand und sich von dem Sargtischler verabschiedete, nicht ohne seine Einladung zu wiederholen.
Am anderen Tag pünktlich zwölf Uhr ging der Sargtischler mit seinen beiden Töchtern durch die Gartenpforte zu seinem Nachbarn. Ich verzichte darauf, Adrians russischen Kaftan und die europäischen Kleider Akuljas und Darjas ausführlich zu beschreiben. Trotzdem halte ich die Bemerkung nicht für überflüssig, daß beide Damen gelbe Hüte und rote Schuhe trugen, wie immer bei feierlichen Gelegenheiten.
In den engen Zimmern der Schuhmacherwohnung drängten sich die Gäste; deutsche Handwerker mit ihren Frauen und ihren Gesellen. Von den Einheimischen war nur ein Este namens Jurko zugegen, der es trotz seiner untergeordneten Stellung – er war städtischer Straßenaufseher – verstanden hatte, sich die Gunst des Gastgebers zu erwerben. Fünfundzwanzig Jahre lang hatte er seinen Dienst brav und gewissenhaft erfüllt. Der große Brand von 1812, der Moskau, die erste Reichshauptstadt, zum größten Teil in Schutt und Asche verwandelt hatte, vernichtete auch sein gelb angemaltes Wächterhäuschen. Aber nachdem die Feinde verjagt worden waren, hatte man gleich ein neues, diesmal grau gestrichenes und mit weißen dorischen Säulchen verziertes Häuschen errichtet, und Jurko patrouillierte wie einst mit Hellebarde und im Harnisch aus grobem Bauerntuch in seinem Bezirk. Die meisten Deutschen, die in der Nähe des Nikitskij-Tores wohnten, kannten ihn recht gut, denn nicht selten mußten sie die Nacht vom Sonntag auf den Montag in seiner Bude verbringen. Adrian stellte sich ihm sogleich vor als einem Menschen, den man früher oder später würde brauchen können, und als man sich zu Tisch setzte, nahmen sie nebeneinander Platz.
Die Gastgeber und ihre Tochter, das siebzehnjährige Lottchen, ermunterten sie zuzulangen und halfen der Köchin beim Bedienen. Jurko aß für vier, und Adrian hielt eifrig mit; nur seine Töchter zierten sich. Die deutsch geführten Gespräche wurden von Stunde zu Stunde lebhafter. Plötzlich meldete sich der Hausherr zu Wort. Er öffnete eine versiegelte Flasche und rief mit lauter Stimme auf russisch: »Auf das Wohl meiner lieben Luise!« Das etwas champagnerähnliche Getränk schäumte in den Gläsern. Herr Schulze küßte zärtlich das frische Gesicht seiner vierzigjährigen Gefährtin, und die Gäste tranken lärmend auf die Gesundheit der braven Luise.
»Auf das Wohl meiner lieben Gäste!« ließ sich der Hausherr abermals hören und öffnete die nächste Flasche. Die Anwesenden dankten und leerten zum zweitenmal ihre Gläser. Nun folgte ein Trinkspruch dem anderen. Man trank auf die Gesundheit jedes einzelnen, brachte ein Hoch auf Moskau aus, gedachte eines ganzen Dutzends deutscher Städte und Städtchen, stieß auf die Zünfte im allgemeinen und im besonderen an und trank schließlich auf die Gesundheit der Meister und ihrer Gesellen.
Adrian trank tüchtig mit und war zu guter Letzt so in Stimmung, daß auch er ein scherzhaftes Hoch ausbrachte. Darauf erhob ein dicker Bäckermeister sein Glas und rief: »Auf das Wohl derer, für die wir arbeiten! Hoch lebe unsere Kundschaft!« Einmütig willigte man ein und begann sich nun gegenseitig zuzutrinken: der Schneider dem Schuster, der Schuster dem Schneider, der Bäckermeister diesen beiden, allesamt wiederum dem Bäcker und so fort. Auf dem Höhepunkt des fröhlichen Durcheinanders wandte sich plötzlich Jurko zu seinem Tischnachbarn und schrie aus voller Kehle: »Wie wär’s, Tischler, erheb dein Glas auf das Wohl deiner Toten!« Alle brachen in ein brüllendes Gelächter aus, aber der Sargtischler fühlte sich beleidigt und verzog sein Gesicht. Niemand hatte es bemerkt, man trank fröhlich weiter, und erst als zur Abendmesse geläutet wurde, erhoben sich die Gäste von ihren Plätzen.
Erst spät und mehr oder weniger betrunken, ging man auseinander. Der dicke Bäckermeister und der Buchbinder, dessen Gesicht lebhaft an einen roten Saffianeinband erinnerte, hatten Jurko unter die Arme gefaßt und brachten ihn so ohne Zwischenfälle in seine Bude zurück, eingedenk des russischen Sprichworts: Wer seine Schuld bezahlt, vermehrt sein Gut.
Betrunken und verärgert kam der Sargtischler nach Hause. »Was soll das heißen?« murmelte er vor sich hin. »Ist denn mein Handwerk weniger achtbar als jedes andere? Will man es etwa dem eines Henkers gleichsetzen? Worüber machen sich eigentlich diese Ausländer lustig? Bin ich in ihren Augen vielleicht ein Hanswurst? Ich hatte vor, sie alle zur Einweihung meines neuen Hauses einzuladen und ihnen ein üppiges Festmahl vorzusetzen. Doch das ist jetzt vorbei! Diese Ketzer kommen mir nicht ins Haus. Ich lade die ein, für die ich arbeite: die in Christus Verschiedenen!«
»Was hast du denn, Vater?« fragte die Magd, die ihm die Stiefel auszog. »Du sprichst ja lauter wirres Zeug. Bekreuzige dich! Die Toten herbeirufen, welch ein grauenhafter Einfall!«
»Bei Gott, ich lade sie morgen zu mir ein. Ja, meine Wohltäter, kommt nur, erweist mir die Ehre, morgen abend! Ich bewirte euch mit allem, was Gott gibt.« Und Adrian warf sich auf sein Bett; er schlief sofort ein.
Es war noch dunkel, als Adrian geweckt wurde. Die Kaufmannsfrau Trjuchina war in der Nacht gestorben; ihr Geschäftsführer hatte einen reitenden Boten gesandt, um den Sargtischler zu benachrichtigen. Adrian gab ihm dafür ein silbernes Zehnkopekenstück Trinkgeld und zog sich eiligst an. Er nahm eine Droschke und fuhr auf den Rasguljai.
Vor dem Haus der Verstorbenen standen bereits Polizisten, und Kaufleute schnüffelten herum wie Krähen, die sich um ein Aas versammelt haben. Die Verschiedene lag auf einem Tisch, gelb wie Wachs und von Angehörigen, Nachbarn und Dienern umringt. Alle Fenster waren geöffnet. Kerzen brannten, und Geistliche lasen Gebete.
Adrian ging auf den Neffen der Trjuchina zu, einen jungen und nach der neuesten Mode gekleideten Kaufmann, und versicherte ihm, daß Sarg, Kerzen, Sargdecke und alles, was dazugehörte, unverzüglich geliefert werden würden. Der Erbe dankte ihm zerstreut und fügte hinzu, daß der Preis dabei keine Rolle spiele und er selber sich ganz auf die Gewissenhaftigkeit Prochorows verlasse. Der Sargtischler beteuerte wie immer in solchen Fällen, daß er nicht mehr verlangen werde, als angemessen sei. Dann wechselte er einen vielsagenden Blick mit dem Geschäftsführer und ging nach Hause, um die entsprechenden Maßnahmen zu treffen.
Den ganzen Tag über fuhr er zwischen dem Rasguljai und dem Nikitskij-Tor hin und her. Erst am späten Abend war alles in Ordnung gebracht; er entließ den Kutscher und ging wieder zu Fuß nach Hause. Vor der Himmelfahrtskirche am Nikitskij-Tor wurde er von unserem Bekannten Jurko angerufen. Dieser hatte ihn erkannt und wünschte ihm eine gute Nacht.
Es war schon spät. Als der Sargtischler an sein Haus kam, bemerkte er plötzlich, daß jemand seine Gartenpforte öffnete und hinter der Tür verschwand. Was soll das heißen, dachte er, braucht mich denn wieder jemand? Oder ist es ein Einbrecher, vielleicht gar ein Schürzenjäger, der bei meinen närrischen Töchtern einsteigen will? Etwas Gutes ist es bestimmt nicht! Während er noch überlegte, ob er seinen Freund Jurko rufen sollte, tauchte eine neue Gestalt auf und schien gleichfalls ins Haus eintreten zu wollen. Als diese aber den Sargtischler herbeilaufen sah, blieb sie stehen und nahm den dreieckigen Hut ab. Das Gesicht kam Adrian bekannt vor, doch konnte er sich im Augenblick nicht genau erinnern, wo er es schon mal gesehen hatte.
»Sie wollen wohl zu mir«, sagte Adrian mit stockendem Atem, »bitte, treten Sie ruhig ein, erweisen Sie mir die Ehre.«
»Keine leeren Phrasen, mein Lieber«, entgegnete der Fremde mit hohler Stimme. »Geh voran und zeig deinen Gästen den Weg!«
Dem Sargtischler blieb nichts anderes übrig, als der Aufforderung zu folgen. Er ging durch das offene Gartentor, den Unbekannten hinter sich, dann durch die ebenfalls geöffnete Haustür und begann die Treppe hinaufzusteigen. Dabei hatte er das Gefühl, als gingen viele Leute in seinem Haus umher. Welch ein Teufelsspuk! dachte er und beeilte sich hinaufzugelangen.
Als er die Tür zu seiner Wohnstube aufmachte, schlotterten ihm die Knie: Im Zimmer waren lauter Tote. Der Mond schien durchs Fenster und erhellte die gelben, blau angelaufenen Gesichter, die eingefallenen Lippen, die trüben, halbgeschlossenen Augen und die scharf hervortretenden Nasen. Panische Angst bemächtigte sich seiner. Er erkannte in ihnen die Toten, die durch sein Dazutun begraben worden waren; derjenige, der mit ihm hereinkam, war der vor einer Woche beerdigte Brigadier, dessen Leichenzug vom Unwetter überrascht worden war. Sie alle, Damen wie Herren, begrüßten ihn mit tiefen Verbeugungen, Kratzfüßen und Glückwünschen, ausgenommen ein armer Schlucker, der umsonst begraben werden mußte und sich dessen ebenso schämte wie seines groben Hemdes. Er drückte sich als einziger in der Ecke herum. Alle übrigen waren sehr vornehm angezogen: Die Frauen trugen hübsche Hauben, die Männer waren je nach Rang und Würden in Uniform gekleidet, obgleich unrasiert, die Kaufleute hatten ihre Sonntagskleider an.
»Prochorow«, meldete sich der Brigadier im Namen aller Versammelten, »wie du siehst, sind wir alle deiner Einladung gefolgt; zu Hause sind nur die geblieben, die es beim besten Willen nicht mehr schaffen konnten, da sie entweder schon völlig zerfallen oder von ihnen nichts als blanke Knochen übriggeblieben sind. Aber selbst von denen hat es einer nicht über sein ehemaliges Herz bringen können wegzubleiben.«
Im selben Augenblick drängte sich ein kleines Skelett nach vorn und trat auf Adrian zu. Mit einem einnehmenden Grinsen blickte sein Schädel zu dem Sargtischler auf. An dem Gerippe hafteten noch einige Fetzen grünen und roten Stoffs und fadenscheiniger Leinwand, während die Beinknochen in den hohen Reitstiefeln klapperten wie Keulen in einem Mörser.
»Natürlich kennst du mich nicht, Prochorow«, sagte das Skelett, »aber du erinnerst dich gewiß noch an den verabschiedeten Gardesergeanten Pjotr Petrowitsch Kurilkin, dem du im Jahre 1799 deinen allerersten Sarg verkauftest, der im übrigen statt aus Eiche nur aus Tannenholz war!«
Bei diesen Worten schickte sich das Gerippe an, Adrian zu umarmen; aber Prochorow nahm alle Kräfte zusammen, schrie auf und stieß es von sich. Pjotr Petrowitsch taumelte, schlug hin und brach in lauter Stücke auseinander. Die Toten waren empört. Wie ein Mann traten sie für die Ehre ihres Kollegen ein und warfen sich schimpfend und drohend Adrian entgegen. Der arme Hausherr, von ihrem Lärm wie betäubt und fast zu Tode gedrückt, verlor seine Fassung, fiel nun über die Knochen des Gardesergeanten und blieb besinnungslos am Boden liegen.
Die Sonne schien längst auf das Bett, in dem der Sargtischler schnarchte. Endlich erwachte er und gewahrte die Magd, die den Samowar aufstellte. Mit Schrecken erinnerte sich Adrian, was gestern geschehen war. Wie in einem Nebel sah er die Trjuchina, den Brigadier und den Sergeanten Kurilkin vor sich. Schweigend wartete er darauf, daß die Magd anfangen würde, von den gestrigen Begebenheiten zu erzählen.
»Du hast aber ganz schön verschlafen, Vater Adrian Prochorow«, sagte Aksinja und reichte ihm den Schlafrock. »Der Schneider von nebenan hat schon nach dir gefragt, und der Schutzmann war ebenfalls da und sagte, daß der Polizeiaufseher heute Namenstag habe; du aber beliebtest immer noch zu schlafen, und wir trauten uns nicht, dich zu wecken.«
»War jemand von der verstorbenen Trjuchina da?«
»Von wem? Von der verstorbenen Trjuchina? Seit wann ist sie denn tot?«
»Dumme Gans! Hast du mir nicht selber gestern bei den Vorbereitungen für ihre Beisetzung geholfen?«
»Was sagst du da, Vater? Bist du nicht ganz beisammen oder immer noch betrunken? Von welcher Beisetzung redest du denn? Du warst doch den ganzen Tag bei diesen Deutschen; bist betrunken nach Hause gekommen, in dein Bett geschlichen und erst aufgewacht, als es bereits längst zur Mittagsmesse geläutet hat.«
»Ist das denn wahr?« fragte der Vater.
»Aber natürlich«, versicherte die Magd.
»Nun, dann gib mir schnell den Tee und ruf die Töchter herein!«