Erste
Szene
11. Januar 3042 a. D. [Erdzeit]
SYSTEM: SIRIUS
PLANET: ARABIAN'S PRIDE II
(IM BESITZ VON IJAS, ARABISCHE EMIRATE)
STADT: ADN, UNTERSTADT
Läuft mir zu schleppend. Faye saß am hintersten Tisch der überfüllten Bar Lobo's und beobachtete gelangweilt die vorüberziehenden Besucher durch die Dunstschwaden aus den Lungen der Wasserpfeifenraucher, den Kippen und dem Kunstnebel, der von der Tanzfläche herüberwaberte. Der aromatisierte Tabak schwängerte die Luft und erschlug die Geruchsnerven regelrecht.
Nach zwei Stunden noch nichts verkauft. Gibt's das? Sie verschränkte die Arme im Nacken, rieb über den ausrasierten Ansatz der kurzen, schwarzen Haare. Dazu kam das leichte Magenzwicken, seit sie auf dem Sukh eine Soroyi-Suppe mit Hummus-Paste gegessen hatte. So sehr sie den scharfwürzigen Geschmack liebte, so wenig vertrug sie das Zeug aus der Einheimischenküche.
Die Musik dröhnte. Huschende Scheinwerferstrahlen erfassten Faye in ihrer Ecke und färbten sie mal rot, mal grün und gelb; der Stein in ihrem für eine Frau sehr dicken Siegelring blinkte auf. Hierher kamen vorwiegend Fremde, raue, grobe Saison-Holzfäller, die sich nach der Arbeit bei einem Glas Bier, einer Shisha und dem Anblick einer sexy tanzenden Frau entspannen wollten. Manche von ihnen verlangten noch mehr: Illegales. Alkohol, Glücksspiel, Sex gegen Geld - in der Unterstadt war es nicht erlaubt, aber geduldet, sofern es nicht zu offensichtlich geschah. Diskrete Gesetzesbrüche gingen in Ordnung, auch seitens der Einheimischen.
In der Oberstadt sah es anders aus. Hier lebten die in Ungnade gefallenen Größen aus den Vorstandsetagen und Reichen, die privaten Besitzer der riesigen Wälder auf Arabian's Pride II, kurz Ape II. Die Sicherheitskräfte, von den Einheimischen Sachbet genannt, gingen gnadenlos gegen jeden Verstoß vor.
In der Unterstadt zeigte sich kein regulärer Sachbet. Stattdessen hetzte der Gouverneur Beta-Einheiten durch die Straßen und ließ die Halbbestien die extrem gefährliche Drecksarbeit erledigen. Die Gerichte wandten bei Unterstadtkriminellen gern die Todesstrafe an, und entsprechend wehrten sich die Verbrecher bei den Festnahmen.
Deswegen hatte sich Faye ins Lobo's verzogen, ihre sichere Basis, auch wenn sie dreißigmal am Abend nach Sex gefragt wurde und jedes Mal Verpiss dich antwortete. Das gänzlich unerotische Outfit rettete sie nicht vor den derben Avancen: klobige Boots mit Stahlkappen, schwarze Cargohosen, ein dunkles Shirt, darüber eine weite, dunkelbraune Lederjacke. Sie verkaufte nicht ihren attraktiven Körper an die Holzbullen, sondern andere Dinge.
Mann, ihr könnt doch eure Löhne nicht schon komplett verzockt und verhurt haben! Die umliegenden dichten Wälder boten allerhand an Beschäftigung für die nahezu zwei Millionen Arbeiter. Sie kamen aus allen Teilen des Systems, um in den harten Zeiten wenigstens ein bisschen Geld für die Familie oder sich selbst zu erwirtschaften. Die Hakima Corporation, welche die Holzfarmen im Auftrag von IJAS bewirtschaftete, bezahlte noch relativ gut. Besser als auf dem Nachbarplaneten Canopus, der United Industries gehörte.
Wohl nicht gut genug. Missmutig schnalzte die gut aussehende junge Frau mit der Zunge und rückte ihren Stuhl so, dass sie nicht mehr von den Strahlern erfasst wurde. Helligkeit war nicht gut fürs Geschäft, Wachsamkeit gehörte allerdings unbedingt dazu.
Alles war anders geplant gewesen.
Weit weg von ihrer psychopathischen Schwester endlich ein neues Leben anfangen, ein guter und legaler Job mit angemessener Bezahlung - so ähnlich hatte Faye sich das gedacht, als sie vor knapp einem halben Jahr auf Ape II angekommen war. Als einzige gewerkschaftslose Fahrerin eines LCV-Trucks hatte sie ihre Tois verdienen wollen. Doch nach wenigen Tagen hatte ihr der Vorarbeiter ihrer Kutscher-Truppe verkündet: »Entweder du schläfst mit mir, oder du fliegst raus.«
Pisser. Faye grinste breit. Sie erinnerte sich noch ganz genau an das verzerrte Gesicht des Mannes, als sie ihm mit den Stahlkappenboots zwischen die Beine getreten hatte. Job weg plus Verurteilung wegen vorsätzlicher Körperverletzung. Dreitausend Tois Schmerzensgeld hatte sie bezahlen müssen. Das war es dennoch wert gewesen.
Inzwischen wusste Faye, dass ihr eigentlicher Fehler darin gelegen hatte, nicht Mitglied der Gewerkschaft geworden zu sein, denn diese nette Organisation sorgte dafür, dass niemand Arbeit bekam, der sich ihr nicht anschloss. Aber ihr Stolz verbot es ihr, das Versäumnis nachzuholen.
Der Job, den sie jetzt hatte, war zwar gefährlicher, als Langholz zu transportieren, aber dreimal besser bezahlt. Seit zwei Wochen verkaufte sie für Mister Hundred, ein in der Szene bekannter Großdealer, das Zeug, was manche Drogen nannten, sie selbst aber lieber als »Lebensversüßer« bezeichnete. Die Arbeiter lechzten danach. Normalerweise.
Fayes reichhaltiges Angebot reichte von einfachen Beruhigungsmitteln bis hin zu der neuesten Sache: Equillizza. Das Zeug war ein synthetisches Rauschgift, das angeblich sogar Tote wieder zum Leben erwecken konnte. Dass einige der Männer dabei allerdings ins Gras gebissen hatten, wurde verständlicherweise verschwiegen. Und es ging die Mär um, dass die Collectors keine Planeten unter ihre Obhut nahmen, deren Bewohner harte Drogen einwarfen.
Faye fand, dass es ein exzellentes Verkaufsargument war, auch wenn sie selbst diese Gerüchte als Unsinn betrachtete und die Collies weit weg von Ape II operierten. Ganz weit weg.
So soll es bleiben. Die Musik dröhnte ohrenbetäubend laut durch die Bar. Zu ihrem Rhythmus bewegten sich jetzt einige bauchtanzende Stripperinnen gekonnt und aufreizend auf dem Tresen und in kleinen Wandnischen. Schleiertanz mal anders. Besoffene Arbeiter grölten und pfiffen, quittierten jedes fallende Kleidungsstück der Frauen mit anfeuernden Rufen.
Faye überlegte, ob sie offensiver vorgehen und die Männer anquatschen sollte. Was sage ich? Wollt ihr was zum Einschmeißen? Sie trank wieder von ihrem Bier, das allmählich Raumtemperatur bekam, und irgendwie fühlte sich der Tag nicht gut an. Wie mein Magen.
Ein paar Betas am Nachbartisch lachten in ihrer seltsamen, kehligen Weise. Da die Sprechorgane nicht ganz so perfekt ausgebildet waren wie bei normalen Menschen, klang es bei den meisten rau und sehr durchdringend.
Eklig. Faye verzog angewidert das Gesicht und sah nicht hin. Sie wollte nicht wissen, welches Vieh die Wissenschaftler mit menschlicher DNA gekreuzt hatten. Verdammter Abschaum! Ihre Toleranz hinsichtlich dieser Dinger war eher gering, und eigentlich mochte sie schon gar keine in ihrer Nähe. Das sichtbar Animalische stieß sie ab. Aber der Besitzer vom Lobo's fand die Betas »niedlich«, also durften sie bei ihm rein. Als Maskottchen.
Sie hob die Hand und winkte der Bedienung zu, ein dürres, blondes Ding, das jünger als sie und für diese Kneipe erstaunlich vollständig bekleidet war. Sie zeigte nicht einmal Dekollete, was ihr sicher ein üppiges Trinkgeld verschafft hätte. Zu viel Textilien. Faye runzelte die Stirn. Die Wachsamkeit regte sich.
Die Kellnerin schlenderte an ihren Tisch und setzte sich unaufgefordert.
Hat sie Langeweile und sucht jemanden zum Quatschen? Faye musterte sie argwöhnisch und dachte an die Hakima S-Crack, eine halbautomatische Pistole, die im Schulterhalfter steckte, wo sie beruhigend an ihre Rippen drückte; die für Privatpersonen verbotene Waffe vermittelte durch die bloße Anwesenheit eine gewisse Sicherheit. »Ich wollte ein neues Bier. Keine Gesellschaft.«
»Hallo«, grüßte die bis zur Unkenntlichkeit geschminkte Frau und grinste breit, wodurch sie an einen Clown erinnerte. »Ich habe gehört, bei dir kann man interessante Dinge kaufen?«
Du wirst gar nichts bei mir kaufen. Faye lächelte abweisend. »Von was redest du?«
Das falsche Clowngrinsen blieb. »Der dicke Kerl hat es mir gesagt, der da drüben am Tresen steht. Er meinte, er kommt auch gleich rüber.«
Borlaine. Fetter Idiot! Faye mochte es nicht, wenn sie von neuen Kunden angesprochen wurde. Sie lieferte nur an jemanden, der ihr persönlich von einem alten Kunden vorgestellt worden war. Ohne Bürgschaft lief nichts. Das Parfüm, das die Fremde benutzte, kannte sie: Quarante hieß es, und es kostete viel. Nichts, was sich eine Gläserschlepperin ohne tiefen Ausschnitt leisten konnte.
»Ich bin Darryl«, sagte die Kellnerin, weil ihr das Warten auf eine Antwort zu lange dauerte.
»Natürlich bist du das. Niemand außer dir könnte diesen Namen tragen.«
»Verarschst du mich?«
»Schön, dass du es gemerkt hast.«
Das Grinsen wich, der Ausdruck in den blauen Augen veränderte sich. »Ich hätte gerne von diesem Equillizza. Sagen wir vier Kapseln?«
Faye zog die Nase hoch und verschränkte die Arme vor der Brust. Das wirkte erstens ablehnend, zweitens bekam sie die Hand so näher an ihre Waffe. »Seit wann arbeitest du bei Lobo?«
Schweigend zählte Darryl vierhundert Tois in Form von vier quadratischen, gelben Chips auf die Tischplatte und legte ihr Tablett darauf. »Spielt das 'ne Rolle? Kriege ich die Kapseln jetzt, oder willst du nichts verdienen?«, meinte sie leise und blickte sich schnell um.
Benimmt sich beim Kauf wie ein Anfänger. Faye konnte das ungute Gefühl in ihrer Magengegend ebenso wenig ignorieren wie das Geld. Was soll schon passieren? Sie sah zu Borlaine, der den Daumen hob und auf Darryl zeigte. Fernbürgschaft. Lobo hat ständig Aushilfen. Das schlechte Gefühl schob sie auf Soroyi-Suppe und Hummus-Paste.
Faye nahm die Hände nach vorne und betätigte mit einer geübten Bewegung den verborgenen Schließmechanismus ihres martialischen Siegelrings, der Fingerabdruckscanner im Stein trat innerhalb von Sekunden in Aktion. Der Deckel sprang mit leisem Zischen auf. Sie entnahm vier der Pillen, die jeweils nicht größer als eine Süßstofftablette waren, und verschluss das Versteck wieder.
»Sehr netter Trick.« Darryl hielt erwartungsvoll die Hand auf.
Faye zögerte für einen Moment, als sie das gespannte Blitzen in den Augen der Kellnerin sah. Da war ein lauernder Ausdruck, der nicht zum Gehabe einer herkömmlichen Bedienung oder eines Junkies passte. Sie kannte ihn. Von früher. Ich hätte auf mein Bauchgefühl hören sollen.
Langsam glitt Fayes Linke unter die schwere Lederjacke, während sie mit der anderen die Kapseln an der ausgestreckten Hand vorbei auf den Boden fallen ließ. »Ups.« Mit der frei gewordenen Rechten nahm Faye die Ohrenstöpsel aus der Hosentasche und setzte sie schnell ein; die Geräusche um sie herum wurden dumpfer. Na, was tust du jetzt? Traust du dich, mich aus den Augen zu lassen?
Darryl zögerte, dann sprang sie auf und zog triumphierend eine Behörden-IC, auf der fett DEA geprägt stand. »Okay, das war's für dich! IJAS-Anti-Drogendezernat! Du bist festgenommen wegen...«
Faye zog die S-Crack und feuerte eiskalt in Richtung der Ermittlerin, zielte aber über sie hinweg. Sie setzte auf die Nebenwirkung der Pistole, bei der das »S« für sonic stand: Schall.
Der Lauf der Halbautomatik besaß kleine Bohrungen, die nicht dazu gedacht waren, das Mündungsfeuer zu verringern, sondern ein grelles Pfeifen zu verursachen. Zusätzlich war die Munition speziell, das Knallen der Treibladung überlaut. Die S-Crack konnte töten und kostete die Leute vor der Mündung wenn nicht das Leben, dann mitunter das Trommelfell. Eine sehr unangenehme Waffe, die beim Einsatz immer Aufsehen erregte.
Darryl schrie ebenso wie die Hälfte der Bargäste auf, presste sich die Hände gegen die Ohren, taumelte rückwärts und stürzte gegen den Tresen. Die Betas brüllten lauter als die Menschen, ihr Gehör war empfindlicher.
Raus hier, bevor ihre Kollegen eingreifen! Faye flankte elegant über den Tisch, rannte los. Sie wusste, was ihr blühte, falls man sie schnappte. Als Kleindealerin: Arbeitsknast der härtesten Sorte. Ich habe mich zu sicher gefühlt.
Während Faye versuchte, den Notausgang der Kneipe zu erreichen, tauchte plötzlich ein Mann vor ihr auf, der ihr eine DEA-IC entgegenhielt, mit einer Pistole auf sie anlegte und ebenfalls etwas von Anti-Drogendezernat rief.
Noch ein Sachbet. Ich werde unaufmerksam, dachte sie verärgert über sich selbst. Sie riss im Laufen die Halbautomatik hoch und zog zweimal durch. Sie zielte auf die Brust, weil sie annahm, dass der Mann eine Panzerweste unter dem karierten Hemd trug. Es ging ihr nicht ums Töten.
Hilflos mit den Armen rudernd ging der Gegner zu Boden und verstummte.
Wer hat mich verpfiffen? Faye sprang über ihn hinweg, fegte den stinkenden, schwarzen Vorhang vor dem Notausgang zur Seite - und sah in die Mündung eines automatischen Schrotgewehrs, das auf ihre Nase gerichtet war. Das lange Stangenmagazin hatte genug Schuss, um ihren Körper in Einzelteile zu zerlegen.
»Einen Schritt weiter, Mädchen, und dein Kopf ist verschwunden! Weg mit der Waffe!« Der ältere Sachbet mit dem Dienstausweis vor der Brust wirkte nicht im mindesten aufgeregt. Er schien solche Aktionen öfter mitgemacht zu haben. Sein Name war Forest, sein Akzent verriet, dass er nicht von Ape II stammte.
Shit. Sie ließ die S-Crack fallen. »Schon in Ordnung. Sie sind mit der Waffe eindeutig in der Überzahl.«
»Hände an die Wand, Beine auseinander«, befahl er ruhig.
»Hatte ich den richtigen Riecher. Die jungen Kollegen lassen sich noch gerne austricksen.«
»Ich hätte die Frischlinge auch abknallen können«, sagte Faye. »Hab ich aber nicht. Nur damit Sie es wissen. Das gibt bestimmt Strafmilderung.« Gehorsam befolgte sie seine Anordnungen und überlegte fieberhaft. Waren das alle, oder stehen noch mehr verkleidete Sachbets herum?
»Tinman hatte eine Weste an, Mädchen, sonst hättest du ihn erledigt«, gab Forest zurück und setzte ihr den Lauf auf den Rücken. »Das wird dich bei den Richtern nicht beliebter machen.«
Lenk ihn mit Fragen ab. Mach ihn nachlässig. »Seit wann kommt die DEA in die Unterstadt?«
»Weil Mister Hundred damit nicht gerechnet hat. Wir reißen deinem Boss heute Nacht gehörig den Arsch auf«, sagte er lachend und tastete sie nach versteckten Waffen ab. »Mit seinen Dealern fangen wir an. Ach ja: Wen sollen wir verständigen?«
»Warum verkaufe ich wohl Drogen? Ich kann mir keinen Anwalt leisten.« Faye sah, dass die Besucher des Lobo's so gut wie verschwunden waren. Der Sachbet ist allein. Gut!
»Das meinte ich nicht. Nach dem Urteil«, präzisierte Forest. Als er ihr Stutzen bemerkte, fügte er ungläubig hinzu: »Du weißt nicht, wie das Dealen mit Equillizza seit Jahresbeginn bestraft wird?«
Die haben das Gesetz geändert? »Arbeitsknast. Ein paar Jahre, denke ich. Oder?« Sie machte sich bereit.
Er lachte. »Nein. Nicht mehr. Equillizza ist zusammen mit fünfzig anderen Drogen aufgestiegen und gehört seit dem 1.1. zur stärksten Substanzkategorie.«
»Klar.« Zuerst dachte Faye, er wolle ihr Angst machen, damit sie ein Geständnis ablegte und gegen ihren Boss aussagte. Die Hardliner in der IJAS für islamisch geführte Planeten hatten die Todesstrafe für Dealer mit harten Drogen eingeführt. Und Ape II wird von einem arabischen Hardliner-Gouverneur gelenkt!
Forest lachte noch immer. »Du bist schon der vierte Dealer, den wir hochnehmen und der es nicht mitbekommen hat. Gut für uns, sonst würdet ihr bei der Festnahme nur wild herumballern. Okay, umdrehen. Ich taste dich jetzt vorne ab.«
Nein! Ihr wurde eiskalt. Kaum fühlte Faye eine Hand des Agenten an ihrer Taille, trat sie nach hinten und traf ihn in den Unterleib; der Schuss aus dem Gewehr schlug dicht neben ihr in die Wand. Sie wirbelte herum und schlug mit der Handkante kraftvoll auf die Schläfe des überraschten Mannes. Es gab ein knackendes Geräusch, und Forest stürzte mit der Waffe zur Seite.
Raus, raus, raus! Sie hob das Schrotgewehr auf, lud durch, steckte die S-Crack ein und verließ das Lobo's hastig durch die hintere Tür. Hundred, dieses Arschloch! Das hätte er ruhig sagen können! Nie im Leben hätte ich diese Scheiße für ihn weitervertickt!
Die dunkle, regennasse Gasse versprach ihr ersten Schutz und die Aussicht zu entkommen.
Faye rannte los. Todesstrafe. Das glaube ich nicht! Sie hetzte vorwärts, ohne zu wissen, was sie als Nächstes tun sollte. Die DEA hob das gesamte Dealer-Netzwerk aus, und ihr brachen sowohl Anlaufstellen als auch der Schutz weg.
Da hätte ich auch bei meiner kaputten Schwester bleiben können. Die vierhundert Tois der falschen Kellnerin hatte sie auch noch in der Kneipe liegen lassen. Fuck!
Sie war fast bis ans Ende der schmalen Straße gelaufen, als sie in das grelle Licht eines Scheinwerfers getaucht wurde, der schräg von oben auf sie niederstrahlte und sie blendete.
»Bleiben Sie stehen, oder wir eröffnen das Feuer«, hallte eine weibliche Lautsprecherstimme durch die Nacht. »Wenn Sie uns unbedingt Arbeit ersparen wollen, rennen Sie einfach weiter.«
Faye zögerte, ahnte aber, dass sie dieses Mal einer wirklichen Übermacht gegenüber stand. »Eins...«
»Okay, okay!« Sie warf die Waffen auf den Boden und hielt die Arme schützend vors Gesicht. Sie würde sich auf jeden Deal einlassen, den ihr der Richter vorschlug. Das wusste sie. Ich will nicht sterben! »Ich will gegen Hundred aussagen...«
»Hinlegen!«, bekam sie die harsche Anweisung.
Faye legte sich zu Boden und landete wegen des Gegenlichts mitten in einer Pfütze, die ihren Oberkörper durchnässte. Fluchend fügte sie sich in ihr Schicksal. Passt zu dem beschissenen Tag!
Schritte eilten auf sie zu. Sie sah tropfnasse schwarze Kampfstiefel vor sich. Kräftige Hände drückten ihr Gesicht schmerzhaft in den Schmutz der Seitenstraße, zerrten ihr die Arme hoch und fesselten die Gelenke mit FerroPlastriemen. Ein harter Fußtritt in die Seite rollte sie auf den Rücken.
Vier Männer in Kampfpanzerungen, mit Sturmmasken und Helmen standen um sie herum. Sie trugen DEA-Abzeichen und das Emblem der IJAS. Einer hielt einen Hand-Partikelstrahlenwerfer auf ihren Kopf gerichtet und gab ihr mit einer Geste zu verstehen, sich nicht zu rühren oder zu sprechen. Hinter ihnen standen hünenhafte Silhouetten mit Echsenköpfen und übergroßen Gewehren in den Händen. Beta-Humanoide als Rückendeckung.
Ein Mann kniete sich neben sie, streifte ihren Ärmel hoch und setzte einen Gen-Tester an. Auf ihrem Arm ziepte es. Das Gerät nahm Hautzellen auf, analysierte sie in zwei Sekunden und glich die Ergebnisse mit der Datenbank ab.
»Wen haben wir denn da? Faye Durrick! Das gibt für jeden von uns fünfhundert Tois extra«, sagte er zufrieden und erhob sich. »Gebt ihr ein Milligramm Sensuscain II, dann werft die Fotze in den Wagen, und weg hier. Wir haben noch mehr Kundschaft auf der Liste.«
Faye bekam eine Injektion, deren Substanzen unverzüglich Sehnerven und Sprachzentrum blockierten, dann wurde sie blind und stumm weggeschleift. Dabei hätte sie gern losgebrüllt.