9
Plackerei und Scherereien
»Und wieso müssen wir
im Großen Wald von Birnam nach Hexen suchen?«, fragte Kent, während
wir uns einen Weg durchs Moor bahnten. Es wehte nur eine leichte
Brise, und doch war es arschkalt, bei all dem Nebel, der gedrückten
Stimmung und meiner Verzweiflung wegen König Jeff. Fest zog ich das
wollene Cape um meine Schultern.
»Scheißschottland!«,
knurrte ich. »Albany ist bestimmt der feuchteste After in ganz
Engelland. Rockträger, elende.«
»Hexen?«, rief Kent
mir in Erinnerung.
»Weil dieser dämliche
Geist gesagt hat, hier bekäme ich Antworten.«
»Geist?«
»Das Gespenst vom
White Tower! Passt doch mal auf, Kent! Reime und Rätsel und so
Zeug.« Ich erzählte ihm von der »Kränkung
seiner Töchter drei« und dem »Irren,
der den Blinden führt«.
Kent nickte, als
verstünde er. »Und ich bin dabei, weil...«
»Weil es dunkel ist
und ich klein bin.«
»Da hättest du auch
Curan oder einen der anderen bitten können. Ich habe doch gewisse
Vorbehalte gegen Hexen.«
»Quatsch. Die sind
wie Ärzte, nur ohne Blut. Keine Sorge.«
»In den Tagen, als
Lear sich zu den Christen zählte, waren wir den Hexen nicht eben
wohlgesonnen. Man hat mir säckeweise Flüche um die Ohren
gehauen.«
»Die können ja nicht
sonderlich wirkungsvoll gewesen sein, oder? Ihr seid so alt, dass
sich die Kinder vor Euch fürchten – und stark wie ein
Bulle.«
»Ich lebe in der
Verbannung, besitze keinen roten Heller und muss um mein Leben
fürchten, sobald jemand meinen Namen erfährt.«
»Oh, stimmt! Dann war
es mutig von Euch mitzukommen.«
»Aye, danke, Junge,
aber ich fühle mich gar nicht mutig. Was ist das für ein
Licht?«
Im Wald sah ich ein
Feuer. Gestalten liefen darum herum.
»Vorsicht, mein guter
Kent! Schleichen wir uns an und sehen mal, was es da zu sehen gibt,
bevor wir uns zu erkennen geben. Leise, Kent, Ihr großes
Trampeltier! Leise!«
Und nur zwei Schritte
später zeigte meine Strategie ihren ersten Makel.
»Du klingst wie ein
epileptischer Klingelbeutel«, sagte Kent. »So kannst du dich weder
an Taube noch an Tote anschleichen. Bring endlich deine Glöckchen
zum Schweigen, Pocket!«
Ich legte meine
Narrenkappe auf die Erde. »Meine Mütze meinetwegen, aber die Schuhe
ziehe ich nicht aus! Alle Heimlichkeit geht uns perdu, sobald ich
zarten Fußes über Echsen, Dornen, Igel und dergleichen
stapfe.«
»Dann nimm das hier«,
sagte Kent und holte die Reste der Schweineschulter aus seinem
Ranzen. »Dämpfe deine Glöckchen mit dem Fett.«
Verdutzt zog ich eine
Augenbraue hoch, was im Dunkeln eine eher entbehrliche und
übertrieben subtile Geste war, dann zuckte ich mit den Schultern
und schmierte das Fett in die Glöckchen an meinen Zehen und
Knöcheln.
»So!« Ich schüttelte
ein Bein zum Klang von rein gar nichts. »Nun denn!«
Und wir schlichen uns
an, bis wir direkt zum Rand des Feuerscheins kamen. Drei bucklige
Hexen schritten langsam im Kreis um den großen Kessel, warfen
kleine Brocken von diesem und jenem hinein und sprachen dabei
Zaubersprüche vor sich hin.
»Doppelt plagt euch, mengt und mischt:
Kessel brodelt, Feuer zischt.«
»Hexen«, flüsterte
Kent und huldigte damit dem Gott des Offensichtlichen.
»Aye«, sagte ich,
statt ihn zu hauen. (Jones war bei meiner Mütze geblieben, um
aufzupassen.)
»Molchesaug und Unkenzehe,
Hundezung und Hirn der Krähe,
Zäher Saft des Bilsenkrauts,
Eidechsbein und Flaum vom Kauz,
Starker Zauber eingemischt,
Höllenbrei im Kessel zischt.«
Sie doppelzischten
den Refrain, und wir machten uns schon für eine weitere Strophe des
Rezepts bereit, als ich spürte, wie etwas an meinem Bein
entlangstrich. Um ein Haar hätte ich aufgeschrien. Ich fühlte Kents
Hand auf meiner Schulter.
»Ruhig, Junge, es ist
nur eine Katze.«
Noch ein Streichen um
die Beine. Jetzt waren sie zu zweit, leckten mir die Glöckchen und
schnurrten. (Es klingt angenehmer als es war.) »Das verdammte
Schweinefett ist schuld«, flüsterte ich.
Ein drittes
Katzentier schloss sich der Bande an. Ich stand auf einem Fuß und
gab mir alle Mühe, den anderen möglichst hoch über ihre Köpfe zu
halten, doch wenn ich auch ein geschickter Akrobat sein mag, blieb
mir die Kunst der Levitation bisher verwehrt. Aus diesem Grunde
wurde mir mein bodenständiger Fuß zur Achillesferse. Eines der
Viecher grub mir seine Zähne in den Knöchel.
»Blöder Mist,
blöder!«, rief ich mit Nachdruck. Ich hüpfte herum, kreiselte um
mich selbst und gab allerlei geringschätzige Bemerkungen über
katzenartigen Kreaturen von mir. Ein Fauchen und Miauen hub an. Als
sich die Katzen schließlich verdrückten, saß ich breitbeinig am
Feuer, Kent stand neben mir, das Schwert gezückt und kampfbereit,
und die drei Vetteln reihten sich hinter dem Kessel
auf.
»Weicht von mir,
Hexenbrut!«, sagte Kent. »Ihr mögt mich in eine Kröte verwandeln,
doch werden es die letzen Worte aus euren Mündern sein, bei denen
Eure Köpfe noch auf den Schultern sitzen.«
»Hexen?«, sagte die
erste Hexe, welche die grünste von den Dreien war. »Was für Hexen?
Waschweiber sind wir, auf dem Weg durch
diesenWald.«
»Wir waschen Euch Wäsche jedweder Gestalt«, sagte
Hexe zwei, die größte.
»Ob’s Wasser auch warm oder kalt«, sagte Hexe drei,
die eine fiese Warze über ihrem rechten Auge hatte.
»Bei Hekates24
nachtgetünchten Nippeln, hört auf zu reimen!«, sagte ich. »Wenn ihr
keine Hexen seid, was sollte dann der Fluch, den ihr da gebrodelt
habt?«
»Süppchen«, sagte Warze.
»Süppchen, Süppchen, gar nicht lau«, sagte
Groß.
»Süppchen beinah blau«, sagte Grün.
»Das ist gar nicht
blau«, sagte Kent mit Blick in den Kessel. »Eher
bräunlich.«
»Ich weiß«, sagte
Grün. »Aber bräunlich reimt sich nicht, oder,
Schätzchen?«
»Ich suche Hexen«,
sagte ich.
»Wirklich?«, sagte
Groß.
»Mich schickt ein
Geist.«
Die Vetteln sahen
sich an, dann mich. »Der Geist hat dir gesagt, du sollst uns deine
Wäsche bringen?«, sagte Warze.
»Ihr seid keine
Waschweiber! Ihr seid Hexen! Und das da ist kein Süppchen, und
dieser blöde Geist im White Tower hat gesagt, ich soll hier nach
Antwort suchen. Könnten wir also vielleicht zur Sache kommen, ihr
verhutzelten Brocken kalter Kotze?«
»Oje, gleich sind wir
Kröten«, seufzte Kent.
»Ohne Geister geht’s
wohl nicht, oder?«, sagte Groß.
»Wie sah sie aus?«,
fragte Grün.
»Wer? Der Geist? Ich
hab gar nicht gesagt, dass es eine sie
war...«
»Wie sah sie aus,
Narr?«, knurrte Warze.
»Wahrscheinlich werde
ich auf meine alten Tage Käfer fressen und mich unter Laub
verstecken, bis mich irgendein Weibsbild in den Kessel wirft«,
sinnierte Kent, stand mittlerweile auf sein Schwert gestützt und
betrachtete die Motten, die sich ins Feuer stürzten.
»Sie war gespenstisch
blass«, sagte ich. »Ganz in Weiß – schleierhaft, mit blondem Haar
und...«
»Aber sie war
fesch?«, fragte Groß. »Würde sie als ›liebreizend‹
durchgehen?«
»Etwas
durchsichtiger, als mir meine Weiber lieb sind, aber – aye – sie
war fesch.«
»Aye«, sagte Warze,
sah die anderen an, und sie steckten die Köpfe
zusammen.
Als sie sich
aufrichteten, sagte Grün: »Dann sag, was du zu sagen hast, Narr!
Weshalb hat dich der Geist geschickt?«
»Sie hat gesagt, ihr
könntet mir helfen. Ich bin Narr am Hofe König Lears von
Britannien. Er hat seine jüngste Tochter Cordelia verstoßen, die
mir irgendwie am Herzen liegt. Er hat meinen Narrenlehrling Drool
diesem hinterfotzigen Bastard Edmund von Gloucester geschenkt, und
mein Freund Taster wurde vergiftet und ist vergleichsweise
tot.«
»Und vergiss nicht,
dass sie dich im Morgengrauen aufknüpfen wollen«, fügte Kent
hinzu.
»Macht euch darum
keine Sorgen, meine Damen«, sagte ich. »Demnächst aufgeknüpft zu
werden, ist mein Status quo und keineswegs ein Zustand, der eurer
Instandsetzung bedürfte.«
Wieder steckten die
Vetteln ihre Köpfe zusammen. Es wurde einiges geflüstert und
manches gefaucht. Dann beendeten sie ihre Konferenz, und Warze,
offenbar die Oberhexe, sagte: »Dieser Lear ist die reinste
Plage.«
»Als er das letzte
Mal zum Christentum übertrat, wurden mindesten zwanzig Hexen
ertränkt«, sagte Groß.
Kent nickte und
starrte auf seine Schuhe. »Die ›Petite Inquisition<... nicht
eben ein Ruhmesblatt.«
»Aye, zehn Jahre
haben wir gebraucht, sie zurückzuzaubern, um Rache nehmen zu
können«, sagte Warze.
»An feuchten Tagen
läuft Rosemary immer noch das Wasser aus den Ohren«, sagte
Groß.
»Aye, und die Karpfen
haben mir die kleinen Zehen abgeknabbert, als ich am Grund des
Teiches lag«, sagte Grün.
»Da ihre Zehen derart
gefilt25 waren,
mussten wir einen verzauberten Luchs suchen und zwei von seinen
Krallen als Ersatz nehmen.«
Rosemary (die Grüne)
nickte feierlich.
»Wächst in zwei
Wochen glatt durch den Schuh, aber keine Hexe kann Eichhörnchen
schneller die Bäume raufjagen«, sagte Groß.
»Das stimmt«, sagte
Rosemary.
»Und immer noch
besser, als verbrannt zu werden«, sagte Warze.
»Aye, allerdings«,
sagte Groß. »Da helfen auch keine Katzenpfötchen mehr, wenn dir
alles abgebrannt ist. Lear hat sich auch ein paar Scheiterhaufen
gegönnt.«
»Ich bin nicht in
Lears Namen hier«, sagte ich. »Ich bin gekommen, um den Wahnsinn,
den er angerichtet hat, wiedergutzumachen.«
»Und warum hast du
das nicht gleich gesagt?«, sagte Rosemary.
»Wir waren schon
immer darauf erpicht, Lear ein wenig Ungemach zu bereiten«, sagte
Warze. »Wollen wir ihm die Pest an den Hals hexen?«
»Mit eurer Erlaubnis,
meine Damen: Ich möchte nicht den alten Mann ungeschehen machen,
nur seine Taten.«
»Ein simpler Fluch
wäre einfacher«, sagte Groß. »Ein Spritzer Fledermausspucke in den
Kessel, und wir könnten dafür sorgen, dass er noch vor dem
Frühstück auf Entenbeinen herumwatschelt. Und wir könnten ihn
quaken lassen, wenn ihr einen Schilling oder ein frisch
stranguliertes Kleinkind zur Hand habt.«
»Ich will einfach nur
meine Freunde und mein Zuhause wiederhaben«, sagte
ich.
»Nun, wenn du nicht
zu überreden bist, müssen wir uns beraten«, sagte Rosemary.
»Parsley, Sage, kommt ihr mal eben?« Sie winkte die anderen Hexen
zu einer alten Eiche, wo sie flüsterten.
»Parsley, Sage und
Rosemary?«, sagte Kent. »Und was ist mit Thyme?«
Rosemary sah herüber:
»Oh, Zeit hätten wir, wenn du noch etwas bleiben möchtest,
Hübscher.«
»Gut gebrüllt,
Vettel!«, sagte ich. Ich mochte die alten Weiber. Die hatten
Biss.
Rosemary warf dem
Grafen einen Blick mit ihrem einen Auge zu, hob ihre Röcke,
richtete den welken Hintern auf Kent und strich mit ihrer lahmen
Klaue darüber. »Rund und fest, mein guter Ritter. Rund und
fest.«
Kent würgte kurz und
wich ein paar Schritte zurück. »Gott schütze uns! Hinfort mit dir,
garstig furunkelige Schachtel!«
Ich hätte mich
abgewendet – hätte mich abwenden sollen, aber eine Grüne hatte ich noch nie gesehen.
Ein schwächerer Mann als ich hätte sich vielleicht die Augäpfel
herausgerissen, doch Philosoph, der ich war, wusste ich, dass
dieser Anblick niemals ungesehen bleiben konnte, also hielt ich
stand.
»Springt auf, Kent«,
sagte ich. »Vetteln vögeln ist doch Eure Berufung... Und
offensichtlich kommt Ihr wie gerufen.«
Kent wich zurück und
stieß sich den Kopf an einem Baum. Benommen rutschte er am Stamm
herunter.
Rosemary ließ ihre
Röcke fallen. »Hab Euch nur veräppelt.« Die Vetteln gackerten,
während sie einmal mehr die Köpfe zusammensteckten. »Aber wir
hätten eine hübsche Krötung für Euch, wenn Ihr mit Eurer Narretei
fertig seid. Moment mal eben...«
Die Hexen flüsterten
einen Augenblick, dann nahmen sie ihren Marsch um den Kessel wieder
auf.
»Türkennas’ und Tartarzunge,
Greifenwichs und Affenzahn,
Alraunenwurzel nicht zu wenig
Für den Sturz des irren Königs.«
»Ach, Mist!«, sagte
Sage. »Wir haben keine Affenzähne mehr.«
Parsley warf einen
Blick in den Kessel und rührte um. »Es ginge auch ohne. Du könntest
einen Narrenfinger nehmen.«
»Nein«, sagte
ich.
»Nun denn, dann nimm
einen Finger von diesem ansehnlichen Mannsbild mit der schwarzen
Schuhcreme im Bart. Der scheint mir närrisch genug.«
»Nein«, sagte Kent
noch immer ein wenig benommen. »Und das ist keine Schuhcreme … Das
ist eine geniale Tarnung.«
Die Hexen sahen zu
mir herüber. »Ohne Affenzahn oder Narrenfinger ist kein Verlass auf
die Treffsicherheit.«
Ich sagte: »Geben wir
uns damit zufrieden und sehen zu, dass wir zu Potte kommen. Was
halten die Damen davon?«
»Na, gut«, sagte
Parsley, »aber macht uns keinen Vorwurf, wenn wir euch die Zukunft
vermasseln.«
Dann folgte weiteres
Rumgerenne und Gemurmel in toten Sprachen und ein nicht
unerhebliches Maß an Gejammer, und endlich – als ich schon eindösen
wollte – stieg eine gewaltige Blase im Kessel auf, und als diese
platzte, entließ sie eine Wolke aus Dampf, die zu einem monströsen
Gesicht wurde, nicht unähnlich der Trauermaske, wie reisende
Schauspieler sie benutzen. Es leuchtete in nebliger
Nacht.
»’allo«, sagte das
große Gesicht leicht angetrunken.
»Hallo, großes,
rauchendes Gesicht«, sagte ich.
»Rette Drool, du armerWicht!
Gen Gloucester zieh, verweile nicht!«
»Ach du Scheiße, der
reimt auch?«, sagte ich zu den Hexen. »Gibt es denn heutzutage
keine ganz normalen, prosaischen Gespenster mehr?«
»Schweig, Narr!«,
fuhr Sage mich an, die ich mittlerweile im Stillen wieder Warze
nannte. Zu dem Gesicht gewandt, sagte sie: »Du Schemen der
finstersten Mächte, das mit dem Wo und
Was haben wir geklärt, aber der Narr
hatte auf einen Hinweis zum Wie
gehofft.«
»Aye.’tschuldigung«,
sagte das Dampfgesicht. »Wisst ihr, es liegt nicht an mir. Bei
euren Zutaten fehlte Affenzahn.«
»Nächstes Mal nehmen
wir zwei«, sagte Sage.
»Na gut, dann
…
»DenWunsch des flüchtgen Königs brich!
Nimm alle Ritter diesemWüterich!
Den Töchtern als Mitgift sollst sie
zuschlagen,
Und bald schon hat ein Narr das
Sagen.«
Das dampfende Gesicht
grinste.
Ich sah die Hexen an.
»Ich soll also irgendwie Goneril und Regan dazu bewegen, Lear bei
allem, was sie ihm schon genommen haben, nun auch noch die Ritter
zu nehmen?«
»Er lügt nie«, sagte
Rosemary.
»Er ist oft Scheiße
unpräzise«, sagte Parsley, »aber kein Lügner.
»Noch mal...«, sagte
ich zu der Erscheinung. »Schön zu wissen, was zu tun ist und so,
aber eine Methode gegen den Wahnsinn wäre mir willkommen. So was
wie eine Strategie.«
»Dreister kleiner
Schlingel, wie?«, sagte die Schwade zu den Hexen.
»Möchtest du, dass
wir ihn mit einem Fluch belegen?«, sagte Sage.
»Nein, nein. Der
Bursche hat auch so schon einen steinigen Weg vor sich.« Die
Erscheinung räusperte sich (oder gab zumindest ein räusperndes
Geräusch von sich, da sie ja – genau genommen – gar nichts zum
Räuspern hatte).
»Deinem Willen wird sich die Prinzessin
beugen,
Wenn du im Brief ihr Liebe kannst
bezeugen.
Königs und Königinnen Schicksal werde
offenbar,
Bannt man die Leidenschaften ganz und
gar.«
Damit verblasste die
Erscheinung.
»Das war’s?«, fragte
ich. »Zwei, drei Reime, mehr nicht? Ich hab keine Ahnung, was ich
machen soll.«
»Bist wohl nicht der
Hellste, was?«, sagte Sage. »Du sollst nach Gloucester reiten. Du
sollst Lear von seinen Rittern trennen und dafür sorgen, dass sie
unter das Kommando seiner Töchter kommen. Dann sollst du
Liebesbriefe an die Prinzessinnen schreiben und deren Leidenschaft
mit einem Zauber bannen. Gereimt hätte es auch nicht klarer sein
können.«
Kent nickte und
zuckte mit den Schultern, als hätte die gottverdammte
Offensichtlichkeit mit erhellender Woge den Wald geflutet und ich
sei der Einzige, der dabei trocken geblieben war.
»Du kannst mich mal,
graubärtiger Trunkenbold. Woher soll ich denn bitte einen
Zauberspruch nehmen, der die Liebe der Biester bannt?«
»Von denen da!«,
sagte Kent und deutete rüde auf die Vetteln.
»Von uns«, trällerten
die Vetteln im Chor.
»Oh«, sagte ich und
ließ die Flutwelle über mich hinweggehen. »Natürlich.«
Rosemary trat vor und
hielt mir drei schrumpelige, graue Kugeln hin, alle etwa von der
Größe eines Menschenauges. Ich nahm sie nicht, aus Furcht, sie
könnten so eklig sein, wie sie aussahen – gedörrte Elfenhoden oder
so was in der Art.
»Wolfsfurz. Ein Pilz,
der tief im Wald wächst«, sagte Rosemary.
»Liebesatem sich entfaltet mit Hilfe dieser
Sporen.
Ein Zauber bannt den Menschen, der dafür
auserkoren.
Leidenschaft an allen Tagen -
Du musst nur einen Namen sagen.«
»Also, kurze
Zusammenfassung, ohne Reim?«
»Zerdrücke eine
dieser Kugeln unter der Nase deiner Angebeteten, dann sag deinen
Namen. Sie wird deinem Charme verfallen und sich vor Sehnsucht nach
dir verzehren«, erklärte Sage.
»Im Grunde also
überflüssig, oder?«, sagte ich grinsend.
Die Vetteln lachten
sich in einen röchelnden Ringelreihen, dann gab Rosemary die
Wolfsfürze in einen kleinen Seidenbeutel und reichte ihn
mir.
»Dann bliebe da noch
die Frage der Entlohnung«, sagte sie, als ich nach dem Beutel
griff.
»Ich bin ein armer
Narr«, sagte ich. »Wir beide besitzen nur mein Zepter und eine
gebrauchte Schweineschulter. Aber, ich könnte auch warten, bis ihr
der Reihe nach mit Kent durchs Heu gerollt seid, falls Euch das
genügt.«
»Das könntest du
nicht!«, sagte Kent.
Die Vettel hob die
Hand. »Der Preis wird später festgelegt«, sagte sie. »Wann immer
wir ihn nennen.«
»Also gut«, sagte ich
und riss ihr den Beutel aus der Hand.
»Schwör es!«, sagte
sie.
»Ich schwöre«, sagte
ich.
»Mit
Blut.«
»Aber …« Schnell wie
eine Katze kratzte sie mit ihrer schartigen Klaue über meinen
Handrücken. »Autsch!« Blut quoll aus der Wunde.
»Lass es in den
Kessel tropfen und schwöre«, sagte die Hexe.
Ich tat, wie mir
geheißen. »Da ich schon mal hier bin: Könnte ich vielleicht ein
Äffchen bekommen?«
»Nein«, sagte
Sage.
»Nein«, sagte
Parsley.
»Nein«, sagte
Rosemary. »Äffchen sind aus, aber wir rüschen deinen Kumpel ein
bisschen auf, damit seine Verkleidung nicht so kläglich
aussieht.«
»Dann macht mal!«,
sagte ich. »Wir müssen los.«