7
Bruderverräter
Soll ich denn mein
Leben lang allein sein? Die Eremitin meinte, das könne sehr wohl
angehen, als sie mich trösten wollte, weil ich mich von den
Schwestern von Dog Snogging verstoßen fühlte.
»Du hast die Gabe,
Pocket, doch willst du Spott und Häme streuen, musst du dich vom
Objekt deiner Sticheleien distanzieren. Ich fürchte, du könntest
ein einsamer Mann werden, selbst in Gesellschaft
anderer.«
Vielleicht hatte sie
recht. Vielleicht bin ich deshalb ein derart versierter Charmeur
und beherrsche die Kunst der Hahnreierei auf so eloquente Weise.
Ich suche nur Trost und Beistand unter den Röcken der Weichen und
Verständnisvollen. Und so machte ich mich rastlos auf den Weg zur
großen Halle, um bei den schlummernden Burgweibern etwas Erlösung
zu finden.
Das Feuer brannte
noch. Vor dem Schlafengehen hatte man Scheite von der Größe fetter
Ochsen aufgelegt. Meine süße Squeak, die einem heimatlosen Narren
schon oft ihr Herz und alles Mögliche geöffnet hatte, schlief in
den Armen ihres schnarchenden Gatten. Shanker Mary war nicht
aufzutreiben, war sicher andernorts dem Bastard Edmund zu Diensten,
und meine Notnägelchen schliefen zu nah in Reichweite ihrer Väter
oder Männer, als dass sie einen einsamen Narren zu sich lassen
würden.
Ach, aber das neue
Küchenmädchen – Tess oder Kate oder vielleicht Fiona! Ihr Haar war
tintenschwarz und glänzte wie geöltes Eisen. Milchweiße Haut, die
Wangen von Rosen geküsst – sie lächelte über meine Scherze und
hatte Drool unaufgefordert einen Apfel geschenkt. Ich war mir
relativ sicher, dass ich sie anbetete. Auf Zehenspitzen lief ich
durch die Binsen am Boden (ich hatte Jones in meiner Kammer
gelassen, da sein Kappengeläut bei einer heimlichen Romanze keine
große Hilfe war), kroch zu ihr und stellte mich ihr im unteren
Bereich der Decke vor. Ein sanfter Stups an ihre Hüfte weckte
sie.
»Hallo«, sagte
sie.
»Hallo«, sagte ich.
»Du bist doch nicht Papistin, oder, Süße?«
»Himmel, nein!
Druidisch geboren und aufgewachsen.«
»Gott sei
Dank.«
»Was machst du unter
meiner Decke?«
»Aufwärmen. Mir ist
furchtbar kalt.«
»Stimmt doch gar
nicht.«
»Brrrrr.
Arschkalt.«
»Es ist heiß hier
drinnen.«
»Na gut, dann möchte
ich nur nett sein.«
»Könntest du
vielleicht aufhören, mich zu stupsen?«
»Tut mir leid. Das
macht er, wenn er einsam ist. Würdest du ihn unter Umständen
kraulen?«
Und dann – gelobt sei
die gnadenreiche Göttin aller Latten – kraulte sie ihn, zögerlich,
fast ehrerbietig erst, als spürte sie, welch Freude er all jenen
bringen konnte, die Kontakt zu ihm aufnahmen. Eine anpassungsfähige
Maid vom Lande, die sich weder Anfällen von Hysterie noch der
Schamhaftigkeit hingab... Bald schon verriet mir die sanfte
Entschlossenheit ihres Griffs, dass sie einige Erfahrung im Umgang
mit dem männlichen Geschlecht besaß. Einfach süß war
sie!
»Ich hätte gedacht,
er trägt eine kleine Kappe mit Glöckchen.«
»Ah. Nun, an einem
verschwiegenen Ort ließe sich das sicher arrangieren. Unter deinem
Rock vielleicht. Roll herum, Süße! Es fällt nicht so auf, wenn wir
auf der Seite liegen.« Dann befreite ich ihre Brüste aus dem Kleid,
gab die pummeligen, pinknasigen Püppchen der liebevollen Fürsorge
des Meisterjongleurs anheim und wollte mich gerade mit dem Gesicht
darin versenken und sanft blubbern, als der Geist
erschien.
Diesmal war die weiße
Frau leibhaftiger, und man sah, wie ungemein ansehnlich sie einst
gewesen sein musste, bevor man sie in unbekannte Gefilde verbannte,
zweifellos auf Betreiben eines Anverwandten, der ihres
enervierenden Wesens müde war. Sie schwebte über der schlafenden
Gestalt der Köchin Bubble und schaukelte auf ihrem schnarchenden
Atem auf und ab.
»Tut mir leid, dich
heimsuchen zu müssen, während du die Küchenhilfe vögelst«, sagte
der Geist.
»Bis zum Vögeln sind
wir noch gar nicht vorgedrungen, Wölkchen. Noch habe ich das Pferd
kaum für meinen derben Ritt gesattelt. Mach dich
hinfort!«
»Nun gut.
Entschuldige, dass ich dich bei deinem Vögelversuch gestört
habe.«
»Bezeichnest du mich
etwa als Pferd?«, fragte Vielleicht Fiona.
»Bestimmt nicht,
Liebes. Kraul du nur meinen kleinen Narren, ich kümmere mich um den
Geist.«
»Ohne Geist geht’s
wohl nicht, oder?«, meinte Vielleicht Fiona und drückte zur
Betonung meinen Schwanz.
»Wenn man in einem
Bergfried wohnt, in dem blaues Blut herrscht und Mord der liebste
Zeitvertreib ist, ja«, sagte der Geist.
»Sei so nett und
verpiss dich!«, sagte ich. »Du sichtbarer Mief, du dampfendes
Ärgernis, du nebelhafte Nervensäge! Ich bin traurig und einsam und
versuche gerade, ein Quentchen Trost und Vergessen zu finden, hier
in den Armen von, äh...«
»Kate«, sagte
Vielleicht Fiona.
»Tatsächlich?«
Sie
nickte.
»Nicht
Fiona?«
»Kate. Seit dem Tag,
an dem mich mein Dad mit der Nabelschnur an einen Baum geknotet
hat.«
»Schade eigentlich.
Tut mir leid. Pocket mein Name, genannt der Schwarze Narr. Ist mir
vermutlich ein Vergnügen. Soll ich dir die Hand
küssen?«
»Wir sind ganz schön
gelenkig, was?«, sagte Kate und zwickte meinen Zwack, um ihren
Worten Nachdruck zu verleihen.
»Könntet ihr zwei
vielleicht auch mal die Klappe halten?«, sagte der Geist. »Ich bin
hier am Spuken.«
»Kann losgehen!«,
sagten wir.
Die Geisterfrau ließ ihre Brust anschwellen
und räusperte sich, spie einen winzigen Geisterfrosch aus, der im
Feuerschein zischend verdampfte, dann sagte sie:
»Wenn aus der zweiten Schwester Spott dann quellen
Lügen, die den Blick verstellen,
Und zerschneiden Bande, die Familien binden,
Steht ein Irrer auf und führt den Blinden.«
»Bitte?«, sagte die
ehemalige Fiona.
»Bitte?«, sagte
ich.
»Schicksalsprophezeiung«, sagte der Geist. »Das gute
alte Orakel aus dem Jenseits. Kennt ihr nicht?«
»Noch mal können wir
sie wohl nicht umbringen, oder?«, fragte die falsche
Fiona.
»Ehrenwertes
Gespenst...«, sagte ich. »Wenn du uns eine Warnung bringst, so sag
es frei heraus! Wenn Taten nötig sind, so sei ganz offen! Wenn du
musizieren musst, spiel auf! Doch bei den weinfleckigen Eiern des
Bacchus, sag, was du zu sagen hast, klar und deutlich, und dann
mach dich hinfort, bevor die eiserne Zunge der Zeit mir diesen
Gnadenfick vergällt, weil ein gewisser Jemand es sich anders
überlegt!«
»Du bist der
Heimgesuchte, Narr. Um deine Sache geht’s. Was willst du
eigentlich?«
»Ich will, dass du
verschwindest. Ich will, dass Fiona unauffällig mitmacht, und ich
will, dass Cordelia, Drool und Taster wiederkommen... Nun, kannst
du mir sagen, wie all das möglich sein soll, du nebelndes
Horn?«
»Das ließe sich
machen«, sagte der Geist. »Antwort findest du bei den Hexen im
Großen Wald von Birnam.«
»Du könntest es mir
auch schlicht und einfach verraten«, sagte ich.
»Niemaaaaaals«,
heulte die Spukgestalt gruselig gespenstisch und ätherisch, und
damit löste sie sich auf.
»Es wird irgendwie
kühl, wenn sie verschwindet, oder?«, sagte die frühere Fiona. »Mir
scheint, sie hat deine Standhaftigkeit erweicht, wenn ich so sagen
darf.«
»Sie hat mir gestern
Abend das Leben gerettet«, sagte ich und gab mir alle Mühe, dem
allgemeinen Erschlaffen entgegenzuwirken.
»Hat dem Kleinen
glatt den Garaus gemacht. Ab in dein Bett, Narr! Der König geht am
Morgen auf Reisen, und vorher ist noch schrecklich viel zu
tun.«
Traurig stopfte ich
mein Gebimsel weg und kehrte schmollend in meine Kammer zurück, um
meine Sachen zu packen, weil ich den White Tower für immer
verlassen musste.
Also, eines kann ich
euch sagen: Die behämmerten Trompeten im Morgengrauen werde ich
nicht vermissen. Und auf die Ketten der Zugbrücke, die schon vor
dem ersten Hahnenschrei durch meine Kammer rasselten, kann ich auch
verzichten. Es war, als zögen wir in den Krieg, bei alldem, was zum
Sonnenaufgang los war. Durch die Schießscharte sah ich, wie
Cordelia mit Frankreich und Burgund hinausritt, wobei sie wie ein
Mann in den Steigbügeln stand, als wollte sie zur Jagd und nicht
auf immerdar das Heim ihrer Ahnen verlassen. Zugutehalten muss man
ihr, dass sie sich nicht umsah, und ich winkte ihr auch nicht,
selbst als sie den Fluss überquerte und nicht mehr zu erkennen
war.
Drool war nicht so
wetterwendisch, und als man ihn mit einem Strick um den Hals aus
der Burg führte, blieb er mehrmals stehen und sah sich um, bis der
Soldat, an welchen er gefesselt war, ihn mit einem Ruck zum
Weitergehen zwang. Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, dass er
mich sehen sollte, also trat ich nicht auf die Mauer hinaus.
Stattdessen schlich ich zu meiner Pritsche und lag da, presste
meine Stirn an den kalten Stein der Mauer und lauschte, wie der
Rest der königlichen Familie mit ihrem Gefolge unter mir über die
Zugbrücke rumpelte. Elender Lear, elende Königsfamilie, elender,
verfluchter White Tower! Alles, was mir etwas bedeutete, war nun
fort oder läge bald schon hinter mir, und alles, was mir gehörte,
steckte in einem Knappsack und hing an meinem Haken. Jones ragte
oben heraus, verhöhnte mich mit seinem Puppengrinsen.
Da klopfte es an
meiner Tür. Ich schleppte mich hinüber, als stiege ich aus dem
Grab. Dort stand sie, frisch und drall, mit einem Korb in
Händen.
»Fiona!«
»Kate«, sagte
Fiona.
»Aye, dein Starrsinn
steht dir, selbst bei Tageslicht.«
»Bubble sendet dir
ihr Beileid – wegen Taster und Drool, und schickt dir diese beiden
Kuchen und Milch zum Trost. Ich soll sagen, dass du die Burg auf
keinen Fall verlassen darfst, ohne Abschied zu nehmen, und
fürderhin, dass du ein Hundsfott, ein Schurke und ein juckender
Ausschlag bist.«
»Ach, die gute
Bubble... als die Güte einen Oger fickte, da wurde sie
gezeugt.«
»Und ich bin
gekommen, um selbst Trost anzubieten und zu vollenden, was wir
letzte Nacht in der Großen Halle begonnen hatten. Squeak sagt, ich
soll dich nach einem kleinen Kerl im Kanu fragen.«
»Mannomann, Fi... du
bist ein ganz schönes Flittchen, oder?«
»Druidisch, Süßer.
Mein Volk verbrennt jeden Herbst eine Jungfrau – man kann gar nicht
vorsichtig genug sein.«
»Na gut, meinetwegen,
aber ich bin zu Tode betrübt und werde keine Freude daran
haben.«
»Dann werden wir eben
gemeinsam leiden. Wohlan! Herunter mit dem Zeug,
Narr!«
Manchmal frage ich
mich, was ich an mir habe, das den Tyrannen in den Frauen
weckt.
Aus dem »nächsten
Morgen« wurde eine ganze Woche der Vorbereitungen für den Auszug
aus dem White Tower. Als Lear erklärte, er wolle von hundert
Rittern begleitet werden, war es nicht so, als könnten hundert Mann
aufsitzen und bei Sonnenaufgang aus der Burg reiten. Jeder Ritter –
landlose zweite oder dritte Söhne von Adligen – hatte mindestens
einen Knappen, einen Pagen, gewöhnlich jemanden, der für seine
Pferde sorgte, und manchmal noch einen Soldaten dabei. Jeder hatte
mindestens ein Streitross, ein mächtiges, gepanzertes Vieh, und
zwei, manchmal auch drei Tiere, welche Rüstung, Waffen und
Verpflegung transportierten. Und Albany lag immerhin drei Wochen
gen Norden, Nähe Aberdeen. Bei der Geschwindigkeit, die der greise
König und das vielköpfige Fußvolk vorgaben, würden wir einen ganzen
Arsch voll Proviant brauchen. Gegen Ende der Woche maß unsere
Marschkolonne über fünfhundert Mann mit fast ebenso vielen Pferden.
Wir hätten einen ganzen Wagen voller Münzen gebraucht, um alle zu
bezahlen, hätte Lear nicht Albany und Cornwall dazu verpflichtet,
für seine Ritter aufzukommen.
Ich sah mir an, wie
Lear am Kopf der Kolonne unterhalb meiner Schießscharte ritt, bevor
ich hinunterlief und mein eigenes Pferd erklomm, eine durchhängende
Stute namens Rose.
»Kein Schmutz soll
das Kleid meines Schwarzen Narren besudeln, damit auch sein Witz
keinen Schaden nimmt«, hatte Lear an jenem Tag gesagt, als er mir
das Pferd vorführte. Das Tier gehörte mir natürlich nicht. Es
gehörte dem König... oder jetzt wahrscheinlich seinen
Töchtern.
Ich ließ mich ans
Ende der Kolonne fallen, hinter Hunter mit seiner Hundemeute und
dem Wagen mit dem Käfig für die acht königlichen
Falken.
»Wir müssen
Bauernhöfe plündern, noch bevor wir in Leeds sind«, sagte Hunter,
ein stämmiger Mann, in Leder gekleidet, mit dreißig Jahren auf dem
Buckel. »Ich kann so viele Mäuler nicht stopfen – und die Männer
haben nicht so viel auf den Rippen, als dass sie eine Woche
durchhalten könnten.«
»Du hast leicht
jammern, Hunter. Ich muss sie bei Laune halten, wenn ihre Mägen
leer sind.«
»Aye, ich beneide
dich nicht, Narr. Reitest du deshalb hier hinten bei den
Staubschluckern und nicht an des Königs Seite?«
»Ich möchte nur ein
derbes Lied zum Abendbrot ersinnen, ohne das Geklapper der
Rüstungen im Ohr, mein braver Hunter.«
Gern hätte ich Hunter
erzählt, dass nicht meine Pflichten mich belasteten, sondern meine
Verachtung für den senilen König, der meine Prinzessin
fortgeschickt hatte. Und ich brauchte Zeit, um über die Warnungen
des Geistes nachzudenken. Die Sache mit den drei Töchtern und dass
der König sich zum Narren machte, war bereits eingetroffen oder
zumindest auf dem besten Wege dorthin. Der Geist hatte also die
»Kränkung« der »Töchter drei« vorhergesagt, auch wenn noch nicht
alle Töchter eine Kränkung erfahren hatten... wenn Lear mit seinem
ungehobelten Gefolge in Albany eintraf, würde diese Kränkung sicher
nicht mehr lange auf sich warten lassen. Und was sollte das
bedeuten: »Wenn aus der zweiten Schwester
Spott dann quellen Lügen, die den Blick
verstellen«?
War damit die zweite
Tochter gemeint? Regan? War es nicht egal, ob ihre Lügen Lears
Blick vernebelten? Der König war auch so fast blind, die Augen
milchig vom Grauen Star. Ich war dazu übergegangen, meine
Pantomimen zu beschreiben, während ich sie aufführte, damit dem
alten Herrn die Pointe nicht entging. Und ohne Macht... Welches
Band konnte da zerschnitten werden? Ein Krieg zwischen den beiden
Herzögen? Wenn es nicht um mich ging, was hatte es mich da zu
interessieren?
Warum aber sollte der
Geist einem belanglosen Narren wie mir erscheinen? Ich sinnierte
darüber nach und fiel weit hinter die Kolonne zurück, und als ich
eine Pinkelpause einlegte, wurde ich von einem Räuber
angepöbelt.
Er kam hinter einem
umgestürzten Baum hervor, ein großer Bär von einem Kerl, sein Bart
verfilzt und besudelt von Speisen und Kletten, ein Malstrom von
grauem Haar wehte unter einem schwarzen Hut mit breiter Krempe
hervor. Ich mag vor Schreck geschrien haben, und ein ungeschultes
Ohr mag mein Kreischen mit dem eines kleinen Mädchens verwechselt
haben, doch seid versichert, dass es ausgesprochen männlich war und
in erster Linie eine Warnung für meinen Angreifer, denn einen
Moment später hatte ich ein Messer aus meinem Rücken gezückt und
schickte es schon auf die Reise. Er rettete sein elendes Leben nur,
weil ich mich hinsichtlich der Entfernung leicht verrechnet hatte
und der Griff meiner Klinge mit dumpfem Schlag von seiner behüteten
Birne abprallte.
»Autsch! Arsch und
Zwirn, Narr. Spinnst du?«
»Halt inne,
Schurke!«, rief ich. »Ich habe noch zwei Messer im Köcher, und die
werfe ich mit der Spitze voran. Meine Bereitschaft, Gnade walten zu
lassen, hat schwer gelitten, und mein Zorn ist geweckt, nachdem ich
mir irgendwie auf die Schuhe gepinkelt habe!« Das hielt ich für
eine brauchbare Drohung.
»Zügle deine Klingen,
Pocket! Ich will dir doch nichts tun!«, hörte ich die Stimme unter
der Hutkrempe. Dann: »Y Ddraig Goch ddyry
gychwyn19.«
Ich machte mich
bereit, dem Schurken meinen zweiten Dolch ins Herz zu bohren. »Du
magst ja meinen Namen kennen, doch deine Katzenkotzegurgelei wird
mich nicht daran hindern, dich niederzustrecken.«
»Ydych ch’n cymryd cerdynnau credid?«20, sagte der
Strauchdieb, zweifellos in dem Versuch, mich fürderhin zu
schrecken, indem er seine Konsonanten wie eine Kette von Analkugeln
aus dem Arsch der Hölle zog.
»Ich mag ja klein
sein, doch ich bin kein Kind und fürchte mich vor niemandem, der
sich als Dämon ausgibt und in fremden Zungen spricht. Als
abtrünniger Christ und Heide aus Bequemlichkeit kann meinem
Gewissen nichts Schlimmeres passieren, als dass ich dir die Kehle
durchschneide und den Wald bitte, dich als Opfer für das nächste
Weihnachtsfest zu akzeptieren, also lass den Quatsch und sag, woher
du meinen Namen kennst!«
»Das ist kein
Quatsch, das ist Walisisch«, sagte der Räuber. Er klappte seine
Hutkrempe zurück und zwinkerte mir zu. »Was hieltest du davon, dir
deine Bosheit für einen wahren Widersacher aufzusparen? Ich bin’s:
Kent! Verkleidet!«
Tatsächlich: Es war
des Königs verbannter, alter Freund – ohne alle Rangabzeichen, bis
auf sein Schwert. Er sah aus, als hätte er im Wald geschlafen, seit
ich ihn vor einer Woche zuletzt gesehen hatte.
»Kent, was treibt Ihr
hier? Wenn Euch der König sieht, seid Ihr so gut wie tot. Ich
dachte, Ihr seid längst in Frankreich.«
»Ich weiß nicht,
wohin. Land und Titel sind verwirkt. Wer von meiner Familie übrig
ist, würde sein Leben riskieren, wenn er mich aufnähme. Vierzig
Jahre habe ich Lear gedient, ich bin ihm treu und kann auch gar
nichts anderes. Ich dachte mir, ich täusche einen Akzent vor und
verberge mein Gesicht, bis er es sich anders
überlegt.«
»Ist denn Treue eine
Tugend, wenn man sie einem gewährt, dem Treue fremd ist? Ich glaube
nicht. Lear hat Euch missbraucht. Ihr müsst verrückt sein oder
dumm, oder Ihr sehnt Euch nach dem Grabe. Für Euch, mein guter
Graubart, ist kein Platz im Gefolge des Königs.«
»Für dich denn? Habe
ich nicht mit eigenen Augen gesehen, wie du wegen desselben
Vergehens ergriffen und aus der Halle geschleift wurdest? Weil du
kühn die Wahrheit sagtest? Predige mir nicht Tugend, Narr! Du
darfst furchtlos den König der Torheit bezichtigen, und nun stehst
du da, mit vollgepissten Schuhen, zwei Stunden hinter der
Kolonne.«
Verdammt, die
Wahrheit ist eine griesgrämige Xanthippe! Da hatte er natürlich
recht, der alte Ochse mit dem großen Maul. »Habt Ihr etwas
gegessen?«
»Seit drei Tagen
nicht.«
Ich ging zu meinem
Pferd und suchte im Ranzen nach etwas hartem Käse und einem Apfel,
die noch von Bubbles Abschiedsgaben übrig waren. Beides gab ich
Kent. »Kommt nicht zu früh!«, sagte ich. »Lear schäumt noch immer
ob Cordelias argloser Kränkung und Eures vorgeblichen Verrates.
Folgt uns zu Albanys Burg! Ich will Euch von Hunter täglich einen
Hasen oder eine Ente an der Straße hinterlegen lassen. Habt Ihr
Feuerstein und Klinge?«
»Aye, und
Zunder.«
Ich fand den Stummel
einer Kerze am Boden meiner Tasche und reichte ihn dem Ritter.
»Brennt sie an und fangt den Ruß mit Eurem Schwert, dann reibt das
Schwarz in Euren Bart. Schneidet Euch das Haar und schwärzt es
ebenso. Lear kann kaum ein paar Schritte weit klar sehen, also
haltet Abstand! Und bleibt bei Eurem schauderhaften
Kauderwelsch!«
»Den alten Mann kann
ich vielleicht noch täuschen, doch was ist mit den
anderen?«
»Kein Rechtschaffener
hält Euch für einen Verräter, Kent, nur kenne ich nicht alle Ritter
und weiß nicht, wer Euch dem König melden könnte. Haltet Euch
einfach bedeckt! Bis wir die Burg von Albany erreichen, habe ich
alle Lumpen aufgespürt, die Euch denunzieren könnten.«
»Du bist ein feiner
Kerl, Pocket. Sollte ich es dir gegenüber in der Vergangenheit an
Respekt habe mangeln lassen, so tut es mir von Herzen
leid.«
»Kriecht nur nicht zu
Kreuze, Kent! Das steht den Alten nicht zu Gesicht. Ein flinkes
Schwert und ein starker Schild sind Verbündete, die ich gut
brauchen kann – gegen Verleumder und Wegelagerer, die Intrigen
spinnen wie die Gift spritzende Spinnenhure von
Kilarny.«
»Die Spinnenhure von
Kilarny? Von der habe ich noch nie gehört.«
»Aye, nun, setzt Euch
dort auf den gefällten Baum und esst Euer Mittagsmahl! Ich spinne
Euch den Faden der Geschichte, als käme er direkt aus ihrem
Spinnenafter.«
»Du fällst weit
hinter die Kolonne zurück.«
»Scheiß auf die
Kolonne! Der alte Spucknapf hält sie so sehr auf, dass sie die
Schleimspur einer Schnecke hinterlässt. Setzt Euch und lauscht mir,
Graubart! Habt Ihr übrigens schon mal vom großen Wald von Birnam
gehört?«
»Aye, der liegt keine
zwei Meilen von Albany entfernt.«
»Tatsächlich? Wie
steht Ihr eigentlich zu Hexen?«