Kapitel XLIII
Eine Gruppe junger Wölfe und Vampire saßen auf dem Dach des neu gegründeten Gemeinschaftshauses. Seit sie zusammen gerückt waren, wurde die Freundschaft zwischen ihnen tiefer und sie verbrachten viel Zeit miteinander.
Versteckspiele erreichten eine neue Dimension und die Kämpfe machten noch viel mehr Spaß. Es wurden neue Regeln aufgestellt, die auf die Bedürfnisse der beiden abgestimmt waren und man dachte über eine gemeinsame Schule nach.
Emily schaute sich nach Jaden, ihrem Bruder um, und als sie ihn nicht auf dem Dach sah, suchte sie die Umgebung ab und entdeckte ihm zusammengekauert an einem Baum gelehnt.
„Was machst du da?“, fragte sie ihm einen Augenblick später und kauerte sich zu ihm.
„Und du fragst noch?“, schmollte er.
Jetzt waren auf alle um ihn herum.
„Schau mich an Emily. Ich bin älter als du, zwei Köpfe kleiner. Du kannst dich beamen, mit den anderen in die Nacht hinaus, kämpfen und noch viel viel mehr. Ich sollte auf dich aufpassen, stattdessen passt ihr alle auf mich auf und müsst Rücksicht nehmen.
Ich bin der einzige Mensch und jetzt fühle ich mich noch anders, da die Wölfe dazu gekommen sind. Auch da komme ich nicht mit, kann noch nicht mal halb so schnell rennen wie sie.
Ich bin unglücklich ich darf mich nicht umwandeln, Mom sagt nein, sie hat zu viel Angst um mich.“
Er redete und redete immer lauter und gestikulierte stark.
Die anderen versuchten ihn zu beschwichtigen und redeten alle durcheinander.
„Freunde ich habe eine Idee!“ Mitten in das Chaos sprach Shawn, ein junger Vamm, so laut dass es sofort still wurde und ihn alle anschauten.
„Was für eine Idee?“, fragte Emily als erste.
„Wisst ihr noch? Als die Königin und deine Mom die Umwandlung durch machten, mussten sie Blut trinken.“
„Ja, ich weiß, wenn man unser Blut trinkt, muss unbedingt die Wandlung stattfinden, sonst stirbt man“, sagte ein anderer.
„Und?“, fragte ein anderer.
„Wo sollen wir Blut hernehmen?“, fragten mehrere gleichzeitig.
„Von uns natürlich. Wenn du unser Blut trinkst, muss deine Mom der Umwandlung zustimmen oder du stirbst“, sagte Shawn.
„Sie würde nie zulassen, dass er stirbt“, sagte Emily.
„Also möchtest du ein Vamm werden, willst du, dass wir dir helfen?“, fragte Shawn.
„Ja oh ja?“, sagte Jaden und konnte sein Glück nicht glauben.
„Und wer schneidet sich freiwillig?“, fragte Nandi eine Wölfin.
„Ich kann es tun, wenn du möchtest. Trinkst du mein Blut?“, fragte Shawn und schaute zu Jaden herunter.
„Ja, ich würde gern dein Blut trinken. Das hieße auch dass wir zu Brüdern werden“, sagte Jaden.
„Wann?“, fragte Emily.
„Von mir aus sofort“, antwortete Shawn.
„Dann lass es uns tun. Brüder und Freunde fürs Leben“, sagte Jaden und besiegelte es mit Shawn durch einen Handschlag.
Shawn holte ein Messer heraus und während er sich in eine Pulsader schnitt, sagte er:
„Ja, Brüder und Freunde für die Ewigkeit. Schnell trink.“
Das Blut floss und Jaden wurde bei diesem Anblick schlecht, aber er trank schnell einige Schlucke, wollte nicht im letzten Augenblick kneifen. Sein Wunsch ein Vampir zu werden, ließ ihm dieses Gefühl überwinden.
Er hatte nicht mit der Wirkung des Blutes in seinem Magen gerechnet, sofort wurde ihm schlecht und er übergab sich leicht.
„Das ist normal, ist auch den anderen passiert“, sagte Emily.
Wieder trank er einen kleinen Schluck und auch wenn es ihm schlecht ging, übergab er sich nicht mehr.
„Morgen und die nächsten Tage werden wir uns um die gleiche Uhrzeit am See treffen, so dass du deine Portion Blut bekommst“, sagte Shawn.
„Wie lange müssen wir das machen?“, fragte Jaden.
„Weiß nicht, zwei Wochen oder so, ich weiß dass es eine ganze Zeit ging, bevor die Umwandlung vor sich ging. Niemand sagt ein Wort zu keinem.
Es ist unser Geheimnis“, ermahnte Shawn die anderen.
Sie besiegelten es mit einem Handschlag, bevor es für sie Zeit war das Mitternachtsmahl ein zu nehmen.
Sade schaute ihren Sohn besorgt an.
„Du bist seit einigen Tagen so blass, schlapp und isst kaum was. Was ist los, wirst du krank?“, fragte sie ihn und legte ihre Hand auf seine Stirn, die sich nicht heiß anfühlte.
„Nein, nein mach dir keine Sorgen, Mom, alles ist in Ordnung. Krieg eine Erkältung.“ Er hustete und deckte sich das Gesicht zu, er musste nur noch zwei Tage aushalten.
„Ich werde, den Doc kommen lassen, er wird dir was geben.“ Schon sendete Sade einige Gedanken zu dem Doc, der sofort versprach, zu kommen.
„Es geht schon, ich brauch keinen Arzt.“ Panik stieg in ihm auf. Aber kaum sprach er es aus, schon stand der Doc vor seinem Bett.
„Es geht mir gut, ich brauch nichts“, jammerte er und verkroch sich noch mehr in sein Bett.
„Also wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen dass du Angst vor mir hast.“ Der Doc runzelte die Stirn.
„Also du siehst extrem blass aus. Lass mir doch mal deinen Puls fühlen.“
Doch Jaden zog sich nur noch mehr in sein Bett zurück, anstatt ihm seine Hand zu reichen.
„Also, wo drückt der Schuh mein Junge, was ist los mit dir?“ Der Doc schaute Sade an, die jetzt erschrocken wirkte.
Auf einmal fing Jaden leise zu weinen an und Emily kam ins Zimmer hereingestürmt:
„Mom, Doc wir müssen euch was sagen.“ Emilys ernster Gesichtsausdruck ließ die beiden aufhorchen.
„Nein, sag es nicht. Es ist zu früh“, jammerte Jaden.
„Er hat Blut getrunken... Vampirblut“, sagte sie.
„Was?“ Alle schauten Jaden an.
„Seit wann?“, fragte der Doc.
„Seit acht Tagen“, antwortete Emily.
„Oh Gott!!“ Sade fasste sich am Hals.
„Ich bin der einzige Mensch hier, es ist so ungerecht, ich will sein wie ihr.
Mom, und wenn du es mir nicht erlaubst, dann will ich weg von hier.“
Jaden konnte vor Schwäche nicht mehr sprechen.
„Es tut mir leid mein Sohn, ich wollte dir dieselben Qualen, die wir erlitten haben, ersparen und warten bis du älter bist. Ich wusste nicht, dass dieser Wunsch so stark in dir ist. Ich wollte dich nicht verlieren.“ Sade weinte leise.
In diesem Moment materialisierte sich Okey und einen Moment später das Königspaar.
„Wir haben keine Zeit zu verlieren. Lass und runter gehen“, sagte der König. Okey nahm Jaden auf seinen Armen, da er zu schwach war zu laufen und einige Minuten später lag er auf dem Altar.
„So Junge, jetzt sehen wir zu, dass dein Wunsch sich erfüllt. Es ist knapp, ich hoffe es klappt, denn du bist einen Tag drüber, noch einige Stunden mehr und du wärst kein Mensch mehr aber auch kein Vampir“, sagte Okey zu ihm.
„Heißt das, ich werde ein Vampir wie du?“, fragte Jaden
„Wir hoffen es.“ Okey drückte seine Schulter und überließ seinen Platz dem Doktor.
Alles wiederholte sich. Und der Kampf um Jadens Überleben hatte begonnen. Sade hielt sich krampfhaft an Revel fest.
Die Angst schnürte ihr die Kehle zu. Doch es gab keine Komplikationen, alles ging gut.
Er ertrug die Umwandlung ohne zu jammern, sich nur auf das Ziel konzentrierend. Sade war die einzige, die ihn in diesen Tagen sehen konnte.
Nach einer Woche, die für ihn eine Ewigkeit dauerte, präsentierte er sich stolz der Welt. Er war um mehr als zehn Zentimeter in die Länge geschossen und es zeigten sich die Anzeichen von gut ausgebildeten Muskeln. Man konnte den Vampir in ihm erkennen, jetzt brauchte er niemandem mit Neid nachschauen, jetzt endlich war er einer von ihnen.
Nie wieder mit dem Auto den anderen nach fahren , nie wieder die Nacht verschlafen während die anderen los zogen.
Jetzt endlich war er einer von ihnen. Jetzt bekam er seinen rechtmäßigen Platz als Erstgeborenen wieder.
Er war der ältere und er konnte sich nun um die Schwester kümmern und nicht umgekehrt. Er gab ein Fest für all seine Freunde. Seine Freude kannte keine Grenzen und seine Freunde bewunderten seinen Mut und empfingen
ihn mit Jubelrufen. Vergessen waren die Tage der Angst.