Kapitel XX
Skye lag in der Sonne und genoss den Tag. Es war nicht mehr viel, was sie in ihrem Zustand machen konnte und sie freute sich, endlich ihr Baby in den Armen zu halten. Ihre Freundin und Hebamme war abrufbereit und Marvin war mit ihrem Opa unterwegs. Sie wusste, das er ihn mit Absicht mitgenommen hatte, denn Marvin war ein absolutes Nervenbündel und
überfürsorglich. Er nahm ihr alles ab und benahm sich,
als wäre sie die einzige Frau, die ein Baby bekommt.
Sie lächelte, sie liebte diesen Mann, er hatte sich sehr gut in der Gemeinschaft eingefügt und seine Meinung war gefragt. Als Computerexperte konnte er wichtige Informationen herbeischaffen, schneller als sie es konnten.
Als Skye aufstehen wollte, überrollte sie die erste Wehe.
Oh Gott, sie hatte überhaupt nicht mit diesem starken Schmerz gerechnet. Als der Schmerz nachließ, stand sie auf, um ihre Freundin anzurufen.
„Mach dir keine Sorgen Skye, ich bin gleich bei dir. Es wird noch eine Weile dauern bis das Baby da sein wird. Melly wird in 2 Minuten bei dir sein, damit du nicht allein bleibst.
Bis gleich“, verabschiedete sie die Freundin.
Nicht nur Melly kam, sondern noch sechs andere Frauen.
Die älteren setzten sich draußen und stimmten alte Lieder in einer noch älteren Sprache an und die anderen kümmerten sich um Skye.
Sie wurde unruhig und konnte auf einmal Marvin verstehen.
Der alte Roy lachte als Marvin ihm sagte, dass er genau wusste, warum er ihn gerade heute von zu Hause wegführte.
„Ja, meine Enkelin hat den richtigen Mann gefunden, schlau, stark und mitfühlend. Am Anfang, bevor ich dich gesehen hatte, war ich dagegen, denn ich wollte für sie nur das Beste und ein Mensch? Entschuldige, aber euch fehlt es einfach an unserer Stärke. Das soll nichts Negatives sein, das liegt in der Natur der Sache. Deine Stärken liegen woanders, auch wenn ich sagen muss, du bist ein starker Mann für einen Menschen. Auch im Kampf gegen die Slaatsch hast du dich bewährt.
Sie hat es erkannt und sie ist glücklich, das ist mir das Wichtigste. Wenn man ohne Eltern aufwächst, hat man später wenigstens ein Anrecht auf Familie und auf Glück“, sagte der alte Roy.
„Was ist mit ihren Eltern passiert, oder darf ich nicht fragen?“ Marvin wollte alles über seine geliebte Skye wissen.
„Sie sind gestorben, da war Skye erst drei Jahre alt.
Sie kann sich nicht mehr erinnern, was ich persönlich als gut empfinde. Sie hat Sehnsucht nach einer Familie, nach Eltern, manchmal ist sie wütend, aber das sind normale Gefühle.
Sie vermisst keine Person an sich, nicht ihre Mutter, ihren Vater, ihre Oma.“
Seine Gedanken schweiften in Erinnerungen ab.
„So wie du“, holte Marvin ihn zurück.
„So wie ich. Ich vermisse sie und es tut weh und es wird ein Leben lang wehtun. Ich lebe damit, Skye hat mir geholfen über deren Verlust hinweg zu kommen.
Sie war so klein und hilfsbedürftig, durch sie musste ich meinen Schmerz verarbeiten sie hat mich wieder ins Leben gebracht und jeden Tag bin ich dankbar dass sie da ist.
Und ich kann mich bald zu meiner Frau zurückziehen. Sie wird mich dann nicht mehr vermissen, denn sie ist nicht mehr alleine.“
„Was ist geschehen? Skye sagte, dass es ein Unfall war“, fragte Marvin weiter.
„Ein Unfall von den Slaatsch provoziert. Diese Kreaturen, die alles Leben auslöschen, haben meine Familie gelöscht.
Sie haben uns in einen Hinterhalt geführt. Ich habe mich täuschen lassen, das Einzige was ich noch konnte, war Skye zu retten.“
Roy gab Marvin ein Zeichen ruhig zu sein und schaute zu seiner linken Seite. Marvin hörte nichts, plötzlich mit einem lauten Grollen stand ein Grizzlybär vor ihnen. Er zuckte, verhielt sich sofort ruhig, als er ein weiteres Zeichen von Roy bekam. Roy schaute seelenruhig den Bären an, dessen
Grölen immer leiser wurde und der beide Männer anschaute. Auf einmal schüttelte der Bär den Kopf und verschwand zwischen den Bäumen, genauso wie er gekommen war.
„Was hast du gemacht Roy?“ Marvin war sich sicher, dass Roy den Bären auf ihn zu gehen sah. Er wusste, dass die Werwölfe andere Kräfte hatten als ihm bekannt war, doch bisher hatte er wenig mitbekommen.
„Nichts, ich habe nur mit ihm gesprochen und gesagt dass dein Fleisch nicht bekömmlich ist, im Gegenteil es würde ihm nur Magenschmerzen verursachen. Und er hat mir zugestimmt, er sagte du siehst nicht sehr appetitlich aus.
Er geht lieber fischen, dafür verbraucht er keine Energien.“
„Ich? Was ist mit dir?“ fragte er
„Ich, mein Lieber, gehöre nicht in seinem Speiseplan. Ich bin ein Werwolf.“
Beide Männer lachten und machten sich unter Scherzen und Gelächter auf den Weg zurück.
Die Geburt verlief ohne Komplikationen und Skye hielt einen wunderhübschen Jungen im Arm. Sie wünschte sich, dass die beiden Männer, die sie über alles liebte, hier wären, mussten aber noch zwei Stunden auf ihr Kommen warten.
Vom Weiten sahen Roy und Marvin eine kleine Gruppe Wolfsmenschen vor dem Haus versammelt. Bei dem Gedanken an einen Sohn und Enkel beeilten sich die beiden Männer, so schnell wie möglich die letzten Meter zurück zu legen.
Roy hätte sich mit Leichtigkeit in einen Wolf verwandeln können und so in Windeseile zu Hause sein können, doch er wollte dass Marvin als erster bei seiner Frau ankam.
Andächtig fast scheu hielt Marvin das winzige Wesen im Arm und eine Welle der Liebe hinderte ihn für einen Augenblick am Sprechen. Er übergab Roy seinen Sohn, der ihn mit Tränen in den Augen entgegen nahm und mit ihm nach draußen ging.
Die Abenddämmerung zog schon auf und kleine Lichter brannten, um den Wolfsmenschen Licht zu spenden, die draußen lachten, sangen und kleine Häppchen aßen, die von den Frauen zubereitet worden waren.
Als sie Roy mit dem Baby sahen, verstummten alle und manche standen auf.
Er zeigte das Baby herum, um dann in der Mitte stehen zu bleiben und das Baby in die Höhe zu halten. Laut und klar klang seine Stimme in der hereinbrechenden Nacht.
„Siehe Mond, siehe Sterne, hier ist dein neugeborener Sohn, der Sohn unserer Ahnen. Ich übergebe ihn euch zu seinem Schutze und zu unserem Schutze. Dunkelheit, Mond, Sterne. Gebt ihm eure Kraft und euer Wissen.
Hier ist der Sohn der Nacht. Hiermit geloben wir, auf ihn zu achten und ihm all das Wissen der Ahnen zu vermitteln.
Mond, Sterne, dieser Sohn erhält den Namen LeeRoy.
Lee steht für die Gegenwart, Roy für die Alten und Vergangenheit.“ Klar und laut klangen seine Worte in die Nacht hinein.
„Normalerweise wird das in der antiken Sprache übermittelt, doch auf Rücksicht zu dir, damit du es verstehst, ist es in deiner Sprache gesprochen worden.“ Eine alte Frau stand hinter Marvin, der ergriffen das Ritual anschaute.
Er nickte dankbar.
Langsam stimmte eine der Frauen ein Lied an und nach und nach erhob sich ein antikes Lied in einer alten und fremden Sprache, den Menschen nicht zugänglich.
Einzelne gingen zu dem Kind hin, machten ein Zeichen und gingen in die nun hereingebrochene Nacht hinaus. Andere blieben die ganze Nacht und sangen leise Wiegenlieder.
Sobald die Sonne aufging, nahm Roy das Baby wieder an sich und ging nach draußen, wo sich alle wieder zusammen fanden und hielt das Baby mit seinen Armen nach oben:
„Sonne, aufgehender Tag, hier ist dein Sohn, gib ihm die Klarheit des Tages, dein Wissen und deine Kraft. Sei jeden Tag von Anfang bis zum Ende gesegnet. Amen.“
Danach übergab er das Baby seinem Vater.
Wieder stimmten die alten Lieder ein und bis zum Nachmittag wurde gesungen und gefeiert, bis man den Eltern endlich die verdiente Ruhe gönnte.