7
Der Kuss begann unschuldig, eine leichte Berührung der Lippen; aber so blieb es höchstens eine Sekunde. Hunger brach sich Bahn, unerwartet und beispiellos, und durchtoste sie beide. Ihre Münder verschmolzen, wurden eins. Sie presste sich enger an ihn, während er sie an sich drückte.
Ihre Lippen teilten sich einladend, lockend. Er begann sie zu erforschen und spürte ihr Entzücken.
Sie schmiegte sich, dem Druck seiner Hände gehorchend, noch enger an ihn, verleitet von dem unverhohlenen Feuer in ihrem Kuss, in der wortlosen, aber beredsamen Einladung, die sie ihm offen präsentierte. Sie wollte ihn wie er sie, mit der gleichen unverkennbaren Zielstrebigkeit, dem gleichen Drängen, dem gleichen Verlangen.
Zum ersten Mal verstand er das Verlangen nicht, das ihn nur aufgrund eines Kusses überwältigte, das sie zu leicht – mühelos – in eine Feuersbrunst riss, die nur eins forderte. Etwas, das sie sich offensichtlich beide wünschten. Sie sank gegen ihn, die Arme um seinen Hals geschlungen, die Finger in seinem Haar, um ihn festzuhalten, ihn zu verführen und sich ihm bereitwillig zu ergeben.
Ihr Wunsch war in jeder Bewegung ihres Körpers zu erkennen, wie sie ihren Körper verführerisch an seinem rieb. Wie sie keuchte, während sie einander küssten, wie sie spielerisch mit ihrer Zunge über seine fuhr. Begehren brandete durch seine Adern, pochte in seinen Fingerspitzen.
Hier. Jetzt.
Er hörte den Ruf deutlich, spürte ihn nicht nur in der pulsierenden Härte seines Körpers, sondern auch in ihrer hitzigen Weichheit.
Aber … dieselben Instinkte, die ihn in dreizehn Jahren in der Fremde am Leben gehalten hatten, waren noch intakt. Es war unwahrscheinlich, dass jemand vorbeikommen würde, aber sie befanden sich im Freien. Sie hier zu nehmen, jetzt … nein.
So eine Vereinigung, wie leidenschaftlich und befriedigend auch immer sie ausfiel, würde durch ihre Kleidung behindert werden, und wenn er sich das erste Mal mit seiner Boudicca vereinte, dann wollte er sie nackt unter sich liegen haben. Wollte selbst ebenfalls nackt sein, ihre Haut an seiner spüren, die seidige Glätte ihrer Schenkel um seine Hüften, während er sie ritt …
Nicht hier, nicht jetzt.
Wenigstens das nicht.
Strategie, taktisches Handeln waren ihm längst zur zweiten Natur geworden; er musste nicht nachdenken, sondern wusste, als er ihr den Hut vom Kopf stieß und sie in das weiche Gras neben dem Weg drückte, das würde für jetzt reichen müssen … und den Weg für später ebnen.
Clarice sank ins Gras, roch den frischen herben Duft, als es unter ihnen niedergedrückt wurde, spürte die Kühle der Erde unter sich, aber nur einen Moment lang, ehe sie sich unter ihr erwärmte. Und ihm. Er war ganz heiß, harte Muskeln, unaufhaltsame Kraft und machtvolle Männlichkeit; aus dieser Nähe war er überwältigend. Sie verspürte einzig und allein den heftigen Wunsch, mit ihren Händen über seine nackte Brust zu streichen.
Aber das sollte nicht sein, jetzt noch nicht.
Er lag neben ihr, auf einen Ellbogen gestützt, eine harte Hand umfing ihr Gesicht, während er sich über sie beugte und erneut ihren Mund erforschte, ihre Sinne bestürmte. Sein Körper war so nahe, aber trotzdem nicht nah genug. Sie sehnte sich beinahe schmerzlich danach, ihn an sich zu spüren; sie versuchte ihn hinabzuziehen, aber er gab nicht nach.
Stattdessen nahm er seine Hand von ihrer Wange und legte sie auf ihre Brust.
Lust, rein und scharf, durchzuckte sie, raubte ihr den Atem, sodass sie sich aufbäumte und ihm dabei ihre Brust entgegenhob, eine unverhohlene Einladung, die er annahm, so wie es sich gehörte. Seine langen Finger festigten ihren Griff, streichelten, liebkosten sie durch den feinen Musselinstoff, fanden die Brustspitze, lockten und neckten sie, zwickten behutsam.
Sie vergaß zu atmen; es schien nicht länger notwendig zu sein. Die Gefühle, die er ihr verschaffte, erforderten ihre ganze Aufmerksamkeit, fesselten ihre Sinne. Ihre Verstand setzte aus, ihr wurde schwindelig, mit lustvollen Gefühlen verwöhnt wie nie zuvor.
Das also war sinnliches Entzücken.
Endlich.
Ihr Körper antwortete, entfaltete sich – oder wenigstens kam es ihr so vor – wie eine Rosenknospe unter der Sonne. Er war Hitze, und sie war Sehnen; er gab und sie nahm. Wenigstens empfand sie es so.
Sie fühlte ein leichtes Zupfen an ihrer Seite, und dann lockerte sich ihr Oberteil.
Sie spürte, wie er den dünnen Musselin des Kleides und das feine Leinen ihres Hemdes beiseiteschob, um seine Hand darunter zu schieben und ihre Brust zu umfassen. Haut an Haut, die empfindsame, seidige Haut an ihrem Busen unter seiner harten Hand. Sie erschauerte, und voller Vorfreude und Staunen nahm sie wahr, was mit ihr geschah.
Tief in ihr regte sich ein bis dahin verborgenes Gefühl. Sie war sich dessen nur vage bewusst und ließ es wachsen, ohne sich zu sorgen, die Neugierde hatte die Oberhand gewonnen.
Dann verließen seine Lippen ihre. Ehe sie genug Entschlossenheit in sich aufbringen konnte, die Augen zu öffnen, spürte sie das leise Streichen seiner Haare über ihre bloße Haut, sogleich gefolgt von der Hitze seines Mundes.
Seine Lippen glitten über die obere Rundung ihres Busens, und ihre Lungen verkrampften sich. Dann senkte er den Kopf. Die sengende Hitze schloss sich um die Spitze ihrer Brust, und sie keuchte, bäumte sich auf und fühlte mehr, als dass sie es hörte, ein männliches Stöhnen tiefster Befriedigung, und innerlich überkam sie eine erneute Welle der Lust, genährt von einer eigenen Befriedigung, die sie nie zu empfinden erwartet hatte.
Ihre Mundwinkel hoben sich; sie fasste seinen Kopf fester, ermutigte ihn, sie zu kosten, sich an ihr zu laben, und schnappte nach Luft, als er es tat, genoss die Lust, die sie dabei durchfuhr, ließ sich von ihr leiten.
Sie bewegte sich unter ihm; sie war sicherlich unerfahren und ahnungslos, aber sie wusste genug, konnte sich alles zusammenreimen. Mit ihrem Körper führte sie ihn in Versuchung, lockte ihn. In ihrem Kopf gab es keinen anderen Gedanken als herauszufinden, wie viel weiter sich die Lust ausdehnen und in die Länge ziehen ließe, wie viel mehr er ihr zeigen würde.
Er antwortete darauf, ganz instinktiv, mit einem zitternden Luftholen, das er nicht unterdrücken konnte, mit einem plötzlichen Anspannen von Muskeln, die bereits straff gespannt waren, mit einem Aufflackern von vollkommen männlichem Verlangen.
Sein steifes Glied rieb sich an ihrem Oberschenkel, beeindruckend, aber nicht in irgendeiner Weise bedrohlich, vielmehr verlockend. Sie sehnte sich danach, die Hand auszustrecken und ihn anzufassen, zu streicheln, seine Erektion in die Hand zu nehmen und zu lernen, was er sie lehrte. Aber sie konnte ihre Arme nicht bewegen, nicht ohne ihn von sich zu wegzudrücken.
Sie öffnete ihre Augen einen Spaltbreit und schaute nach unten, spürte, wie das Verlangen sie erfasste, während sie zusah, was er mit ihr anstellte. Unter halb gesenkten Lidern fand sein Blick ihren, seine Augen blitzten. Er hielt ihren Blick fest, während er sie genüsslich mit Lippen und Zunge liebkoste, dann schließlich die fest gewordene Spitze in den Mund nahm, daran sog.
Ihre Lider senkten sich; ein Stöhnen entwich ihr, einen Laut, den sie nie zuvor in ihrem Leben vernommen hatte. Einen Laut weiblicher Leidenschaft und weiblichen Flehens.
Er hörte es, reagierte aber nicht darauf; alles, was er tat, war seine Aufmerksamkeit ihrer anderen Brust zuzuwenden und sie wieder zum Stöhnen zu bringen.
Sie sehnte sich nach mehr. In ihr pochte ein Verlangen, wie sie es nie zuvor empfunden hatte, aber sie kannte es dennoch. Sie wusste, was sie wollte, war sicher, dass sie es haben konnte, wenn sie es nur wagte. Wenn sie ihm ihre Wünsche klarmachte.
Sie wand sich unter ihm und rieb ein Bein an ihm, liebkoste ihn mit ihren Hüften und Schenkeln und wurde sogleich belohnt. Er schnappte nach Luft und hob den Kopf. Er nahm ihr Gesicht zwischen seine Hände und küsste sie wieder auf den Mund, eroberte ihn mit seiner Zunge.
Ihre Sinne befanden sich in einem schwindelig machenden Taumel, aber sie nahm dennoch wahr, dass kühlere Luft über ihre Beine strich. Er hatte ihre Röcke angehoben und fuhr mit der Hand darunter. Lange Finger glitten aufwärts, streiften ihr Strumpfband und erreichten bloße Haut. Einen Augenblick lang genoss er es, sie zärtlich zu streicheln, dann wanderte er mit seiner Hand höher, berührte sie im Schritt.
Fuhr mit einem Finger in sie.
Es gelang ihr, nicht zu keuchen, nicht unter der unerwarteten Invasion zu erzittern. Einen Moment lang war sie abgelenkt durch den Kampf, jegliche Reaktion zu unterdrücken, die verraten hätte, wie wenig vertraut sie mit solch intimen Zärtlichkeiten war. Dann bewegte er seine Hand, kam tiefer und begann sie zu streicheln.
Ihre Gedanken zerstoben, ihre Sinne gerieten außer Kontrolle und waren gleich darauf gefesselt, als er es wieder tat.
Wieder und wieder.
Plötzlich zählte nichts anderes mehr. Nichts außer der Hitze, die sie durchraste, die Flammen, die sie verzehrten. Die Feuersbrunst loderte heller und heller. Obwohl seine Lippen auf ihren blieben, sein Körper sie wie ein Schutzschild abschirmte, während er ihr Verlangen anfachte, während er ihr etwas von dem gab, was sie sich wünschte, war er mit einem Teil seines Verstandes nicht involviert, konnte beobachten und gab ihr die Möglichkeit, das Gleiche zu tun.
Lust. Für sie körperlich, sinnlich, für ihn ebenso, aber irgendwie anders.
Er wusste, was er tat; daran zweifelte sie keine Sekunde. Er drängte sie nicht, überhastete nichts, aber er trieb sie dennoch stetig zu einem Punkt, an dem die Empfindungen den Gipfel erreichen würden, hielt sie dort, damit sie beide den Augenblick genießen konnten, und dann schubste er sie ruhig, fast kühl über die Klippe.
In ein Meer der Sinnlichkeit, einen Zustand, in dem ihre Empfindungen sich in pures Entzücken auflösten und sie auf Wellen der Seligkeit und goldener Lust trieb.
Jack ließ sie in das beseligende Abklingen gleiten. Er löste seine Lippen von ihren, hob den Kopf, um sie zu betrachten. Er studierte ihr Gesicht – strahlend, mehr als entspannt – und empfand Zufriedenheit. Sie hatten es beide gewollt, sie hatten beide etwas bekommen.
Das war für jetzt genug.
Ohne die Berührung ihrer Lippen begannen seine Gedanken zu wandern. Das hier hatte er nicht vorausgesehen, als er sie auf die »Feier« ihres Triumphes angesprochen hatte. Er hatte seinen Plan weiterverfolgen wollen, aber dabei vergessen, dass Boudicca eigene Pläne haben könnte. Glücklicherweise hatten ihre Pläne eine hohe Übereinstimmung mit seinen aufgewiesen. Als er sie zum Bachlauf gebracht hatte, hatte er jedenfalls nichts im Sinn gehabt, das so weit ging, hatte es nicht für möglich gehalten, dass sie in gegenseitigem Einverständnis die Vorstufen einfach überspringen und eine Hitze entfachen würden, die ausreichte, alle Vernunft zu verbrennen, es nahezu unmöglich zu machen, klar zu denken.
Diese Hitze hatte sich aufgebaut und sie umfangen, ein Verlangen entzündet und durch ihre Adern gesandt, das sie weitertrieb und ihre Sinne mit der Erwartung und der Verheißung höchsten Entzückens peitschte.
Diese Erwartung und Verheißung lockte sie immer noch ungeduldig, ließ sich nicht aufhalten.
Ihre Lider hoben sich flatternd, ihre Augen waren wie dunkler Samt. Ihre Hände, entspannt auf seinen Schultern ruhend, festigten ihren Griff, hielten ihn fest. Sie zog ihn wieder an sich, bot ihm die Lippen und küsste ihn, als er ihrem Drängen nachgab.
Mit einer durch und durch weiblichen Zuversicht. Nie war eine Einladung zu Intimität so unzweideutig ausgesprochen worden. Er spürte es bis in sein Innerstes, die machtvolle Wirkung, der er sich nicht entziehen konnte und auch nicht wollte. Trotzdem versuchte er zu widerstehen. Nicht hier, nicht jetzt.
Sie hatte nicht dieselben Vorbehalte. Sie löste sich gerade weit genug von ihm, um an seinen Lippen zu flüstern:
»Komm zu mir … jetzt.«
Das letzte Wort war pure Versuchung. Er spürte, wie er hart wurde, Muskeln sich verspannten unter der Anstrengung, sich zurückzuhalten. Mit einer zärtlichen Liebkosung ihres Mundes antwortete er ihr, ließ sich nicht wieder in den Taumel ziehen und murmelte:
»Nicht hier, nicht jetzt.«
Sie öffnete die Augen und schaute ihn forschend an. Dann fragte sie:
»Wann dann? Und wo?«
Die einfache, offene und so direkte Frage sandte eine neuerliche Welle der Lust durch ihn. Keine Ausflüchte, keine Vernebelung, keine Verstellung. Sie wollte ihn und wusste, er wollte sie. Er verlagerte sein Gewicht in dem vergeblichen Versuch, das Ziehen in seinen Lenden zu lindern.
»Bald.« Sein knapper Ton lockte ein Lächeln auf ihre Lippen. Er erwiderte ihren Blick einen Moment lang, dann schlug er vor: »Heute Nacht?«
Sie nickte nicht, aber ihre Augen, der Ausdruck darin verrieten ihre uneingeschränkte Zustimmung.
»Wo?«
Das war schon schwerer. Sich zu konzentrieren war schwierig. Die Wärme, die sie erzeugt hatten, stieg wie Parfüm von ihrer Haut auf, von ihren herrlichen Brüsten, immer noch entblößt und leicht geschwollen, unendlich verführerisch. Zusammen mit dem berauschenden Duft, den seine Zärtlichkeiten ihr entlockt hatten, war es eine noch unverhohlenere Einladung, sich in ihr zu versenken. Es war eigentlich kein Wunder, dass er nicht klar denken konnte.
»Hmm …« Widerstrebend zog er seine Hand aus der himmlischen Hitze zwischen ihren Schenkeln.
»Nicht im Pfarrhaus und auch nicht im Herrenhaus.« Es war hilfreich, dass sie das Offensichtliche aussprach.
Er konnte sich nicht dazu durchringen, sich zu erheben, sich von dem Versprechen, das sie verkörperte, zu lösen.
»Die Laube auf dem Hügel – gibt es die noch?«
Ihre Lippen verzogen sich zu einem Lächeln.
»Ja. Und ja, das wird sehr gut gehen.«
Er musterte ihr Lächeln, war versucht zu fragen, warum es so gut passte, aber die Antwort darauf würde er ohnehin bald genug erfahren.
»Heute Nacht in der Laube, nach Einbruch der Dunkelheit.«
Ihr Lächeln vertiefte sich. Sie schaute ihn offen an, aber gleichzeitig war ihr Blick unergründlich. Nach einem Moment wanderten ihre Augen zu seinen Lippen.
»Lässt du mich aufstehen?«
Ihr Tonfall verriet, dass sie sich nicht gänzlich klar war, welche Antwort sie hören wollte.
Daher antwortete er, was ihnen beiden gefiel:
»Irgendwann.«
Dann beugte er sich wieder zu ihr und küsste sie erneut auf den Mund.
Das Zwielicht schwand gerade, und der Himmel hatte ein tiefes Indigoblau angenommen, durchsetzt mit glitzernden Sternen, als Clarice aus dem Pfarrhaus schlüpfte. Sie blieb unter dem Vordach stehen und holte tief Luft, um den süßen Duft der nachtblühenden Blumen zu genießen, dann legte sie sich mit ruhigen Bewegungen den Schal um die Schultern und ging die Auffahrt hinunter.
Die Frühlingsnacht umfing sie, vertraut, aber heute auch ein wenig exotisch, gewürzt mit der Aufregung bevorstehender Abenteuer. Sie ging oft abends noch spazieren; niemand würde sie bis zum Morgen vermissen, und sie würde lange vorher wieder zurück sein.
Ihre Nerven waren bis zum Zerreißen gespannt. Das, was sie in den kommenden Stunden erwarten würde, erfüllte sie mit Aufregung. Gewöhnlich unternahm sie ausgedehnte Spaziergänge, um die Energie, die sich in ihr angestaut hatte, abzuarbeiten. Heute Nacht ließ sie das Tor hinter sich, in der Erwartung, dass sie, wenn sie nachher heimkehrte, möglicherweise erschöpft wäre.
Sie wusste nicht genau, was sie erwartete. Wusste nicht einmal, ob sie es genießen würde, aber sie wollte es herausfinden.
Mit Jack Warnefleet konnte sie das. Mit ihm würde sie endlich mehr über ihre sinnliche, weibliche Seite herausfinden, von der sie geglaubt hatte, sie würde ihr für immer verschlossen bleiben.
Sie hatte sich von ihm verabschiedet, als sie zum Pfarrhaus kamen. Er war gegangen, um mit James zu sprechen, während sie sich um die Haushaltsangelegenheiten kümmerte, die ihrer Entscheidung harrten. Mehrere Male in den vergangenen Stunden hatte sie sich gefragt, ob sie verrückt oder es ihr Hang zu unbedachtem Handeln und der Drang war, sich den Sinneserfahrungen hinzugeben, ein Drang, der, wie ihre Stiefmutter häufig genug beklagt hatte, zu oft die Oberhand über ihren gesunden Menschenverstand gewann.
Wenn sie die Frage leidenschaftslos betrachtete, traf Letzteres zu. Aber sie konnte nicht ganz fassen, warum, nach all den Jahren eines ruhigen, ereignislosen Daseins, Jack Warnefleet keine vierundzwanzig Stunden benötigt hatte, diese lang verdrängte Seite von ihr mit voller Macht wieder an die Oberfläche zu holen.
Er war mit einer innerlich gereiften Stärke zurückgekehrt. Sie verspürte ein wesentlich heftigeres Verlangen als jemals zuvor, das zu tun, das zu ergreifen und dem Leben zu entringen, was sie wollte.
Sie überquerte den Bach auf der Steinbrücke, dann verließ sie die Landstraße. Sie kletterte über einen Zaunübertritt und folgte unbeirrt dem Weg durch die untere Wiese den Hügel hinauf, der sich über dem Tal erhob. Auf Stelzen erbaut, befand sich die Laube in einem Wäldchen unterhalb der Anhöhe, direkt unter der Krone eines Baumes. Von dem Tal aus war die Laube praktisch nicht zu sehen, aber der erhöhte Aussichtspunkt in dem einzigen Raum der Laube, hoch oben im Geäst, bot eine herrliche, fast unwirkliche Aussicht auf das stille Tal und die in der Ferne plätschernden Bäche, den Wald, die Obstgärten und grünen Weiden.
Die Laube gehörte zum Herrensitz von Avening Manor, aber niemand von dort kam noch dorthin. Sie hatte sie etwa einen Monat nach ihrer Ankunft auf einem ihrer ersten Abendspaziergänge entdeckt. Die Laube war dem Verfall anheimgefallen, sodass sie sie mit Beschlag belegt hatte, und niemandem aus dem Herrenhaus oder im Pfarrhaus war ihr Verhalten seltsam vorgekommen, niemand hatte es hinterfragt. Mit ihrem eigenen Geld hatte sie die Dachschindeln bezahlt, hatte die Löcher im Dach abdichten und die Fenster und den Boden erneuern lassen. Howlett hatte Möbel vom Dachboden von Avening Manor beigesteuert. Mrs. Connimore hatte alle paar Wochen zwei Zimmermädchen zum Staubwischen und Fegen hergeschickt, und sie selbst hatte für all die anderen Annehmlichkeiten gesorgt, die sie sich wünschte – einen Teppich, Bücher, Kissen, alles stammte aus dem Pfarrhaus.
Sie trat in die dunkleren kühleren Schatten der Bäume um die Laube, schaute nach vorn und schärfte die Sinne und verspürte einen Anflug von Vorfreude.
Er würde über den anderen Weg kommen, der direkt vom Herrenhaus herführte. Beide Wege verliefen durch den Wald, bevor sie sich vor der Laube vereinigten; sie trat aus den Schatten auf die kleine Lichtung und bemerkte, dass die Tür am oberen Ende der hölzernen Treppe weit offen stand.
Keine Kerze brannte, kein Schatten regte sich hinter den breiten Fenstern in dem Zimmer dort oben, aber sie war die Einzige, die je herkam; er war bereits da und wartete auf sie.
Sie stieg die Stufen hoch. Sie knarrten immer noch, ein auf seltsame Weise beruhigendes Geräusch. Durch die Tür kam man direkt in den einzigen Raum, aus dem die Laube bestand. Sie ging hinein und erkannte ihn im Dunkeln.
Er saß in einem Polstersessel, einen Stiefel auf dem Knie, den Ellbogen auf den Armlehnen, das Kinn in die Hand gestützt und den Blick auf die Türöffnung gerichtet, auf sie.
Der schöne Tag war in einen milden Abend übergegangen. Er hatte seinen Rock ausgezogen und seine Weste aufgeknöpft. Das Weiß seines Hemdes zog das wenige Licht auf sich.
In seiner unbeweglichen und unendlich männlichen Pose strahlte er eine machtvolle Aura gezügelter Kraft aus. Da sie nicht durch seine eleganten lässigen Bewegungen abgelenkt wurde, spürte sie diese Kraft umso deutlicher.
Einen Moment lang betrachtete sie das Bild, prägte es sich ein und griff dann hinter sich, um die Tür zu schließen.
Er beobachtete sie reglos, aber sie konnte spüren, wie er sich beherrschen musste, während er sie genau studierte und einzuschätzen versuchte. Für diesen Augenblick war es an ihr, die Initiative zu ergreifen. Und die Klugheit riet ihr, genau das zu tun.
Dank der breiten Fenster, die die gesamte Vorderseite der Laube einnahmen und die Aussicht gewissermaßen einrahmten, hatte sie genug Licht, um etwas erkennen zu können. Sie trat zu der Kommode, ließ den Schal von ihren Schultern gleiten, faltete ihn und legte ihn weg.
Dann ging sie an dem breiten Ruhebett vor den Fenstern vorbei, auf dessen dicker Matratze bunte Überwürfe lagen und einladend verstreute Kissen. Ein Fenster war geöffnet. Sie stieß es weiter auf und schaute hinaus, atmete die Abendluft ein. Der Duft des Holzes vermischt mit dem der Apfelblüten aus den Obstgärten stieg ihr in die Nase.
»Apropos.« Ihre Stimme klang ruhig. Sie drehte sich um und schaute ihm ins Gesicht. »Ehe wir anfangen, möchte ich einen Punkt klarstellen.«
Wenn sie ihn dort so abwartend sitzen sah, so selbstsicher, ja fast arrogant, obwohl er es geschickt verbarg, erkannte sie, wie groß die Gefahr war, die er darstellte – darstellen konnte, und welche Form diese Gefahr annehmen könnte. Er war die Verkörperung eines Gentlemans ihrer Klasse, und auch wenn sie nicht glaubte, dass er etwas in der Richtung vorhatte, sie würde so jemandem nicht zum Opfer fallen. Nicht noch einmal. Nie wieder.
»Ich möchte, dass du weißt und dich einverstanden erklärst, dass egal was zwischen uns geschieht, hier oder anderswo, es nichts weiter als eine zeitlich begrenzte Affäre ist.« Sie verließ den Platz am Fenster, ging durch das Zimmer und kam in einem weiten Bogen auf ihn zu, ohne ihn aus den Augen zu lassen. »Was auch immer geschehen mag, es ist nur eine vorübergehende Beziehung, die so lange dauert, wie wir beide es wünschen.«
Sie blieb neben ihm stehen, schaute ihm im Dämmerlicht tief in die Augen. »Uns sollte beiden klar sein, dass die Affäre irgendwann enden wird, und zwar ohne jegliche Konsequenzen. Keine Verpflichtungen, kein unausgesprochenes Einvernehmen, keine Erwartungen.«
Sein Blick wich ihr nicht aus.
»Der Augenblick und sonst nichts?«
»Genau.« Sie erwiderte seinen Blick noch für einen Moment. »Das ist mein Preis. Bist du bereit, ihn zu akzeptieren?«
Er erhob sich mit einer kraftvollen Bewegung und stand unmittelbar vor ihr.
Sie musste plötzlich nach oben sehen, kam sich klein und zerbrechlich vor.
Jack blickte in ihr Gesicht hinab, war sich überdeutlich des sich regenden Verlangens bewusst, das Gefühl, das sie so mühelos in ihm weckte, indem sie einfach mit ihm im selben Zimmer war, in Reichweite. Ihr Preis war der Traum eines jeden Wüstlings, garantiert keine Nachwehen. Ein sauberer Beginn und ein sauberes Ende. Wenn er gefragt worden wäre, welche Regeln für eine Affäre ihm am liebsten wären, hätte er genau das Gleiche gesagt.
Warum lösten die von ihr festgelegten Regeln, die er selbst gewöhnlich bevorzugte, bei ihm eine derart gegenläufige Reaktion?
Warum war er sich mit einem Mal absolut sicher – ja, wild entschlossen –, mehr zu bekommen, sich mehr zu nehmen?
Es musste eine Form vorübergehenden Wahnsinns sein. Er schüttelte ihn ab und griff nach ihr.
»Ja.«
Er zog sie an sich, senkte den Kopf, wartete gerade lange genug, um zu sehen, wie sie die Augen schloss, die Lippen öffnete, und dann küsste er sie.
Er sank in ihren Mund, merkte, wie sie willig in seine Arme kam, von dem Wunsch getrieben, ihm ganz nahe zu sein, ihren unverhohlen weiblichen Körper an seinen harten männlichen zu drücken, ihn zu verführen und in Brand zu setzen.
Ihre Münder verschmolzen, ihre Zungen umtanzten sich spielerisch, sie legte ihm wortlos fordernd die gespreizten Hände auf die Brust. Er hielt sie fest, drückte sie an sich, dann glitten seine Hände über ihren Rücken nach unten, über ihre Taille und ihre Hüften, um sich verwegen auf ihren Hintern zu legen und sie ganz an sich zu ziehen.
Sie war groß genug, dass sein Glied sich gegen ihr Schambein presste; er rieb sich daran und spürte den Schauer, der sie durchlief.
Sie waren beide erwachsen, reif und erfahren, sodass sie es nicht sonderlich eilig hatten, andererseits gab es keinen Grund, besonders langsam vorzugehen, sich für ein ausgedehntes Vorspiel Zeit zu nehmen, besonders nicht beim ersten Mal. Das Verlangen war übermächtig, ein tiefsitzender unbezwingbarer Hunger hielt sie gefangen. Sie ergaben sich ihm kampflos, mehr noch, sie hießen ihn willkommen und ließen sich von ihm fortreißen. Er spürte ihre Hingabe, den Moment, als sie alle Zurückhaltung aufgab und sich ihrer Leidenschaft ergab. Er tat es ihr nach, ohne lange zu überlegen.
Er hob den Kopf, unterbrach den Kuss, der ihren Puls schon zum Rasen gebracht hatte, drängte sie rückwärts zum Ruhebett. Sie tat, was er verlangte, ließ sich von ihm lenken, knöpfte sein Hemd auf. Als sie mit den Kniekehlen gegen den Rand der Liege stieß, glitt gerade der letzte Knopf aus dem letzten Knopfloch. Sie öffnete das Hemd, wartete einen Moment, während sie ihn mit den Augen verschlang, dann begann sie mit den Händen ihre Erkundungsreise.
Seine Reaktion erschreckte ihn, denn der Moment erschütterte ihn bis ins Innerste; die Berührung keiner anderen Frau hatte je dazu geführt, dass er sich schwach vorkam. Aber dann kratzte sie mit ihren Nägeln leicht über seine Haut, und das Verlangen kehrte mit Macht zurück, fordernder, herrischer als zuvor.
Er fasste nach den Bändern ihres Kleides.
Sie standen neben dem Ruhebett, küssten einander immer wieder, während sie sich gegenseitig beim Ausziehen halfen. Hände streckten sich aus, berührten sich und fassten zu. Finger streichelten, schoben etwas beiseite und streiften etwas ab.
Schatten fielen über sie, willkommen heißend, hüllten sie ein. Sie hatte einen Verlobten in den Krieg geschickt, war bereit gewesen, mit einem weiteren fortzulaufen. Sie war umworben und umschwärmt worden von zahllosen Männern seines Schlages, von wie vielen, das wusste er nicht.
Er wusste jedoch, welche Sorte Mann sie anziehen würde: Männer wie er. Männer, die sich nicht mit einem Kuss abspeisen lassen würden, wie intim auch immer, sondern mehr wollten und einforderten. Daher war er nicht überrascht von ihrer Ruhe und Gelassenheit, ihrer Kühnheit, mit der sie danach griff, was sie wollte, wonach sie offensichtlich verlangte. Er war nicht überrascht, dass sie keine Anzeichen von Scheu, Schamhaftigkeit zeigte oder zögerte, als er ihr das Unterhemd über den Kopf zog.
Stattdessen bestaunte sie ihn, während er locker die Arme um sie legte. Damit hatte er nun wiederum nicht gerechnet. Das Unterhemd entglitt seinen Fingern, fiel unbeachtet zu Boden, während er beobachtete, wie sie ihn mit den Augen verschlang.
Er war nackt. Sie hatte ihm geholfen, sich seiner Stiefel und seiner Hosen zu entledigen, während er mit den kleinen Knöpfen an ihrer Unterwäsche beschäftigt gewesen war, daher hatte er sie gewähren lassen. Und jetzt standen sie sich gegenüber, nackt in der sanften Dunkelheit. Ihre Augen hatten sich an die Nacht gewöhnt.
Sie berührte ihn verwundert und erkundete ihn vorsichtig. Sie war eine Frau, aber sie herrschte und bestimmte. Ihre Miene war nicht unbeteiligt, sondern beherrscht. Er sehnte sich danach, diese Selbstbeherrschung zu zerstören, die Barrikaden zu durchbrechen und zu der sinnlichen Frau vorzudringen, die sie, wie er wusste, war, sie zu streicheln und zu liebkosen, um ihr die Kontrolle zu entreißen und sie in zügellose Ekstase zu versetzen.
Sie zu erobern, sie am Ende zu der Seinen zu machen.
Solch ein besitzergreifender Drang war ihm fremd und neu. Doch im Dunkeln nackt vor ihr stehend, wurde ihm klar, dass sie beide im Grunde ihres Herzens heidnische Krieger waren.
Sie bestätigte ihm das, als sie den Blick hob und ihm in die Augen sah. Sie sah ihn einen Moment lang forschend an, dann machte sie entschlossen einen Schritt auf ihn zu, in seine Arme, die sich sogleich um sie schlossen, sie festhielten, in seinem Kuss, als er den Kopf neigte und ihre Lippen mit seinen bedeckte.
Es war keine Frage, was sie wollten.
Er drückte sie rückwärts auf die Liege, bis sie auf den seidenen Bezügen lag, folgte ihr. Spreizte ihre Schenkel mit seinen und legte sich dazwischen; er verschränkte seine Finger mit ihren und presste ihre Hände in die Kissen zu beiden Seiten ihres Kopfes. Er erforschte ihren Mund und erhob Anspruch auf sie, ließ alle Zurückhaltung fahren und nahm sich von ihr, was er wollte, was der Mann hinter seiner charmanten Maske, der von Urinstinkten getriebene Krieger, wollte.
Vielleicht auch brauchte.
All seine Sinne waren auf die heiße seidige Frauengestalt unter ihm gerichtet, und seine Raubtierinstinkte waren vollends erwacht, verfolgten ihre Reaktionen, nahmen mit wachsender Befriedigung zur Kenntnis, wie zügellos, wie schamlos sie wurden.
Dann schien sie ihre Kräfte zu sammeln; ihre Finger schlossen sich um seine, und sie küsste ihn.
Tat es ihm gleich, forderte ihn heraus.
Der Kuss wurde leidenschaftlich, Flammen zuckten durch seinen Kopf, seinen Körper, leckten an seiner Seele. Ihre Hüften hoben sich unter seinen, lockten ihn …
Mit einem Keuchen riss er sich zurück, stützte sich auf seine Ellbogen und schaute auf ihren Busen, dann senkte er den Kopf und begann sie zu verwöhnen, sich an ihr zu laben.
Wie ein Verhungernder.
Clarice entfuhr ein Schrei. Ihr Kopf war leer, alles, was sie empfand, war reine Lust. Gefühle erfassten sie mit jeder Bewegung seiner Lippen und seiner Zunge, mit jedem Reiben seiner festen, leicht behaarten Brust auf ihrer empfindlichen Haut.
Sie trank von ihm, umarmte ihn und öffnete diesem Ansturm Herz und Seele. Spürte es bis in ihr Innerstes und genoss es.
Genoss es, eine Frau zu sein, sie selbst zu sein.
Dann bewegte er sich wieder, ließ eine ihrer Hände los und fasste zwischen ihre Körper, fand sie. Er berührte sie wieder dort, wo sie heiß und feucht war. Sie raffte ihre Sinne zusammen, wappnete sich, den erschütternden Empfindungen standzuhalten, wenn seine Finger kühn in sie drangen.
Doch das geschah nicht. Er ließ eine Brust los, schob sich nach oben und küsste sie wieder auf den Mund, während er ihr Bein oberhalb des Knies zur Seite drückte, sie weiter öffnete, dann bewegte er seine Hüften, kam näher und sie spürte die Spitze seines Gliedes – dort.
Und dann glitt er in sie hinein.
Ihre Sinne entglitten ihr. Sie versuchte zu atmen, sich zu entspannen, es geschehen zu lassen, ihn gewähren zu lassen. Er kam tiefer. Die körperliche Wirkung war übermächtig. Der Ansturm von Gefühlen, Wahrnehmungen, überdeutlich und neu, heiß und aufregend, überwältigte sie und hielt sie in Bann. Ihr ganzes Sein war auf das langsame, schwere und unaufhaltsame Eindringen seines Körpers konzentriert.
Die langsame, stetige und unaufhaltsame Inbesitznahme. Die Erkenntnis durchzuckte sie, ließ sie erbeben und bewirkte, dass sie sich an ihn klammerte, die Fingernägel in seine Oberarme grub, während sie sich unter seinem Körper aufbäumte. Sie wehrte sich nicht, sondern versuchte mitzukommen, sich zurückzuhalten …
Seine Hand war an ihrem Oberschenkel, glitt aufwärts und dann unter sie, umfasste ihren Hintern, hob ihre Hüften ein wenig an und hielt sie so, um sein langsames Vordringen zu erleichtern.
Und dann, mit einem letzten Stoß, war er da, tief in ihr, und sie konnte nicht mehr atmen. Sie hatte nur ein scharfes Brennen gespürt. Sie hatte auch nicht mehr erwartet, aber ihre Lungen verkrampften sich. Das bisschen Luft, was sie bekam, kam von ihm, durch den Kuss, der mit einem Mal der einzige Anker in einer völlig veränderten Welt zu sein schien. Einer Welt, in der Gefühle regierten, wo Lust der König war, wo Empfindungen durcheinanderwirbelten und sich umschlangen, aufbauten und höher stiegen … und sie mit sich zogen.
In eine Welt, die nur aus ihm und ihr bestand, intim miteinander vereint im Mondschein auf dem Ruhebett.
Er war hart und schwer und mächtig, so männlich und fremd in ihr. Mit geschlossenen Augen hielt sie sich an ihm fest, als er sich langsam zurückzog, dann machtvoll zurückkam, tief eindrang und noch ein wenig tiefer stieß. Ein Laut entrang ihrer Kehle, ein Wimmern der Lust. Er wiederholte seine Bewegung, diesmal kräftiger, und der Laut kam wieder, eindeutiger, verräterischer.
Sie spürte seine Befriedigung, seine Entschlossenheit, sie weiterzutreiben, als wäre es etwas Greifbares, etwas, das sie berühren konnte.
Dann senkte er sich mit seinem ganzen Körper auf sie. Sie spürte sein Gewicht, seine harte Brust mit den rauen Härchen an ihrem Busen, ihre quälend empfindsamen Brustspitzen, während er sich zurückzog und wieder kam, das Tempo für einen langen Ritt bestimmte.
Die Arme, an die sie sich klammerte, waren wie warmer Stahl, spannten sich mit den Bewegungen seiner Hüften, blieben sonst aber fest und unbeweglich. Sie hielt sich fest, während die Gefühle sich steigerten, Empfindungen aufwallten und schließlich der Damm brach, sie sich von der Leidenschaft fortreißen, sich davon verzehren ließ. Bis ihr Körper sich wie von allein mit seinem in einem uralten Tanz vereinte, wieder und wieder in den fordernden Rhythmus verfiel.
Die Wirklichkeit zerbarst. Es gab nichts jenseits ihres sich mischenden Atems, dem Tanz von Vordringen und Zurückziehen, von Hinnahme und Erleichterung, von Verlangen und Feuer, und den Flammen der Leidenschaft, die aufloderten, sie weiter erfassten und vor sich hertrieben.
Weiter. Unnachgiebig, fordernd. Nicht nur er, sondern auch sie. Ihr eigenes Verlangen wuchs und erfüllte sie. Sie befreite ihren Körper von allen Zügeln, gewährte ihm die Freiheit, die er wollte, und er gab sich hin und nahm sie.
Sie waren wie füreinander geschaffen. Trotz des unnachgiebig harten Körpers, der sie unter sich gefangen hielt und immer wieder füllte, trotz des Umstandes, dass sie sich angesichts seiner körperlichen Stärke so viel schwächer fühlte, trotz all der Trümpfe, die er in der Hand hielt, wusste sie, dass auch sie Asse besaß.
Ihre Macht zeigte sich in seiner Berührung, die nicht ehrfürchtig, sondern begehrend war, in dem Hunger, der ihn antrieb und aus seiner Seele zu strömen schien, während er sich in sie stieß. Als müsse er einfach dort sein, tief in ihr, und dieses Muss war nicht allein körperlich.
Sie wusste es einfach instinktiv, denn zu Überlegungen war sie nicht in der Lage. Die Flammen loderten höher und höher; Gefühle und Empfindungen stauten sich auf, Nerven spannten sich straffer und straffer. Heiß und heißer. Ein Kaleidoskop aus Leidenschaft und Verlangen wirbelte um sie herum, erfasste sie und riss sie mit sich zu dem Gipfel irdischer Seligkeit, hielt sie dort einen strahlend hellen, unbeschreiblich eindringlichen Moment lang und schleuderte sie wieder hinab.
Ließ sie los.
Und ihre Sinne barsten in dieser Erfüllung.
Leerten sie.
Von allen Gedanken, jedem Wollen und Fühlen.
Der kleine Tod, so nannte man es; jetzt begriff sie warum. Aber anders, als wenn man tot war, kam danach noch etwas … keine neuen Empfindungen, sondern ein warmes Meer aus Gefühlen überschwemmte sie, füllte sie aus und hielt sie über Wasser.
Blindlings bewegte sie eine Hand, berührte seinen Kopf an ihrer Schulter und fuhr ihm leicht durchs weiche Haar. Er war zusammengebrochen und lag schwer auf ihr, drückte sie in die Matratze, verhinderte, dass sie sich rühren konnte.
Aber das war nicht weiter schlimm; sie konnte sich nicht bewegen, und sein Gewicht fühlte sich seltsam richtig an.
Genauso, wie sich alles insgesamt, von Anfang bis Ende, schlicht angefühlt hatte, als sei es so … vorherbestimmt.
So leicht.
So … wunderbar.
Sie spürte, wie ihre Lippen sich verzogen. Die Augen immer noch geschlossen, lag sie da, gab sich dem beseligenden Wunder hin, das immer noch in ihr nachklang, ließ sich von dem Frieden und dem Gefühl der Erfüllung umfangen, hieß es willkommen.
Jack regte sich. Aber nicht etwa, weil er es gewollt hätte, er hätte noch ewig so liegen bleiben können, sie weich und befriedigt unter sich, immer noch mit ihr vereint.
Aber obwohl sie völlig entspannt war, machte er sich Sorgen, sein Gewicht könne für sie zu schwer sein. Er war fest entschlossen, sie dazu zu überreden, das Ganze zu wiederholen, nicht nur heute Nacht … Darum schien es nur angeraten, sich zurückzunehmen und sein Glück nicht zu überanstrengen.
Außerdem …
Er rollte sich auf den Rücken, hob sie halb auf sich und legte ihre Arme und Beine über sich, hielt sie in seinen Armen sicher und geborgen.
Dort, wo sie hingehörte.
Ein Gedanke, den zu denken er nicht beabsichtigt hatte, aber er konnte nicht abstreiten, was er empfand. Das jedoch war nur eines der beunruhigenden Rätsel, die ihr Tun in der vergangenen halben Stunde ans Licht gebracht hatte.
Den Kopf auf den Kissen blickte er zur Decke, zu dem Schattenmuster, das sich jedes Mal änderte, wenn ein Luftzug durch die Äste strich. Er starrte blicklos darauf, während er überlegte, was er wusste und was er noch nicht verstand.
Minuten vergingen, dann regte sie sich. Er spürte, wie ihre Muskeln sich wieder anspannten, der Rhythmus ihres Atems sich änderte, während sie aufwachte. Er bewegte sich nicht. Eine Weile lag sie in seine Arme geschmiegt, dann legte sie ihm eine Hand auf die Brust, stützte sich ab und setzte sich hin. Er ließ seinen Arm von ihren Schultern gleiten, erlaubte ihr gewissermaßen, sich von ihm wegzubewegen. Ohne ihn anzusehen, schwang sie die Beine vom Bett und stand auf.
Er musste den Drang bezähmen, die Hand auszustrecken und sie zurückzuziehen. Er beobachtete, wie sie durch das Zimmer ging, nicht dahin, wo ihre Kleider lagen, sondern zum Fenster. Sie schaute hinaus. Der Mond war aufgegangen; er stand halb voll am Himmel und vergoss sein mildes Licht, in dem ihre helle Haut überirdisch strahlte und schimmerte, wie mit Perlmutt überzogen. Ihr Haar … es war ihm gelungen, es nicht restlos durcheinanderzubringen, und so hing es jetzt in einem schweren Knoten tief in ihrem Nacken, aber während ihres Liebesspiels hatten sich einige Strähnen gelöst, die ihr nun neckend auf die Schultern und über ihren langen, unendlich liebreizenden Rücken fielen.
Sie stand aufrecht da, und ihre Haltung gab keinen Hinweis darauf, dass sie sich in ihrer Nacktheit unwohl fühlte. Sie hatte das Zimmer mit ihrer gewohnten Anmut durchquert.
Er rollte sich auf die Seite und stützte sich auf einen Ellbogen.
»Du warst Jungfrau.«
Clarice wandte den Kopf und schaute ihn an, betrachtete den Körper, der sich vor Kurzem erst mit ihrem vereint hatte. »Stimmt. ›War‹ ist hier das entscheidende Wort.« Sie hatte diese Bemerkung natürlich erwartet. Deswegen hatte sie unter anderem vorab ihre Bedingungen für diese Affäre genannt. »Das war ich, aber jetzt bin ich es nicht mehr. Das ist alles, was es dazu zu sagen gibt.«
Sie konnte nicht sehen, dass er die Stirn runzelte, aber sie wusste trotzdem, dass er es tat.
»Du hättest es mir sagen sollen – ich hätte dir wehtun können.«
Sie hob leicht skeptisch die Brauen.
»Ich bin neunundzwanzig. Ich reite fast mein ganzes Leben lang. Es war sehr unwahrscheinlich, dass es sehr wehtun würde.« Es war nur ein leichtes Brennen gewesen, und sie hatte gehofft, dass er es gar nicht bemerken würde. Sie hielt den Blick weiter auf sein Gesicht gerichtet. »Auf meine Jungfräulichkeit habe ich keinen besonderen Wert gelegt. Sie war ein überflüssiges Relikt. Bitte nimm meinen Dank an, mir dabei geholfen zu haben, sie zu beseitigen.«
Ein leichter Schauer schien ihn zu durchlaufen, aber sie konnte nichts in seinem im Schatten liegenden Gesicht erkennen. Er lag da, unverhohlen männlich und stark; seine Brust, dieser herrlich breite Brustkorb, der sie so faszinierte, mit den kräftigen Muskeln, der harte muskulöse Bauch darunter, der in schmale Hüften und schließlich kräftige Beine überging. Sein nackter Körper, ihr dargeboten, um sich an ihm sattzusehen.
Moment… war es Einbildung oder hatte sich gerade etwas Gefährliches, das sie nicht näher benennen konnte, in ihm geregt, seine Körperhaltung verändert, etwas, das zwar keine Bedrohung war, aber … ein Anflug von Unmut?
»Deinen Dank…« Seine Stimme war leise; ihr war vorher gar nicht aufgefallen, wie tief sie war. Jetzt spürte sie seine Worte fast und musste bewusst ein Erschauern unterdrücken.
Sein Blick war immer noch auf sie gerichtet, er fühlte sich wie eine Flamme an. Langsam ließ er ihn über ihren Körper wandern, eine intime und offen besitzergreifende Liebkosung.
Oh ja, es war wirklich richtig gewesen, ihre Bedingungen vorab darzulegen und an ihnen keinen Zweifel aufkommen zu lassen.
Langsam kehrte sein Blick zu ihrem Gesicht zurück.
»Vielleicht solltest du deinen Dank anders als nur mit Worten zum Ausdruck bringen?«
Sie konnte nicht umhin, die Herausforderung in seiner Stimme zu hören, seine männliche Körperhaltung zu bemerken. Kühl hob sie die Brauen.
Absichtlich langsam streckte er ihr die Hand entgegen. »Komm her.«
Einen Moment betrachtete sie ihn, dann stieß sie sich vom Fenster ab, durchquerte ohne jegliche Eile das Zimmer und legte ihre Hand in seine.
Den Heimweg in den letzten Stunden vor dem Morgengrauen nahm Jack über die Felder und machte einen Umweg über den Rosengarten. Dort setzte er sich auf die alte Steinbank in der Mauernische und blickte auf den stillen Teich, nahm sich die Zeit, damit seine Gedanken – verdammt, sein Körper – ihr Gleichgewicht wiederfinden konnten.
Sie hatte ihn aus der Bahn geworfen. Nicht nur aus dem Gleichgewicht gebracht, sondern geradewegs in eine Wirklichkeit befördert, in der er nicht wusste, was normal war.
Anfangs war er sich sicher gewesen, dass er alles unter Kontrolle hatte, dass er die Zügel bei ihrer Affäre – so nannte er ihre Beziehung in Gedanken – in den Händen hielt. Selbst nachdem sie ihn mit ihrer unerwartet geradlinigen Sicht der Dinge überrascht hatte, hatte er geglaubt, dass alles mehr oder weniger seinen Erwartungen entsprach. Obwohl er nicht zu denjenigen gehörte, die auf weibliche Vorschläge automatisch mit Abwehr reagierten, schien der Drang in ihm, ihr zu widersprechen und ihre Regeln zu ändern, genau darauf hinauszulaufen.
Er war sich nicht länger sicher.
Nicht nach ihrer Bemerkung über ihre Jungfräulichkeit, die ihn völlig unvorbereitet getroffen und ihn großzügig von jeglicher Verantwortung freigesprochen hatte, dass er sie ihr genommen hatte.
Nicht nach dem, was darauf gefolgt war.
Er verstand auch jetzt noch nicht seine Reaktion. Es war eine ehrliche Reaktion, verbunden mit einem fundamentalen Teil seiner selbst, die etwas tief Verwurzeltes in ihm zum Ausdruck brachte, ihn als den Mann zeigte, der er war, und das konnte er nicht einfach ignorieren. Dass er ihr die Jungfräulichkeit genommen hatte, bedeutete ihr vielleicht nichts, aber ihm bedeutete es eine Menge.
Sie hatte ihre Jungfräulichkeit als wertlos abgetan und behauptet, dass es keine Rolle spiele, dass er sie ihr genommen habe, und genau diese Bemerkung hatte die Reaktion in ihm hervorgerufen. Als sie so gelassen ihre Hand in seine gelegt hatte, war er nicht in der Lage gewesen, es zu unterdrücken, was für ein Gefühl sich auch immer dahinter verbergen mochte. Es war keine Wut. Eher etwas wie ein unstillbares Verlangen, sie mit Haut und Haaren zu erobern.
Die Leidenschaft, die sie in ihm entfesselt hatte, war Angst einflößend gewesen. Es hatte ihn dazu getrieben, sich mit ihr auf unbekanntes Terrain zu begeben, wo sie auf völlig neue sinnliche Genüsse stieß, die sie hätten schockieren müssen. Letztlich hätte sie davor zurückschrecken, wenn nicht gar die Flucht ergreifen müssen.
Stattdessen war sie ihm auf Augenhöhe begegnet und hatte sich jeder Herausforderung gestellt, hatte sie und alles gemeistert, was er von ihr verlangt hatte, und noch mehr.
Eine Sache war klar: Die Herren, die sie als Eisberg bezeichnet hatten, hatten absolut keine Ahnung, wie sie in Wahrheit war. Sicher, sie war keine Frau, die in den Armen eines Mannes dahinschmolz. Boudicca schmolz nicht dahin – im Griff der Leidenschaft war sie mehr wie glühender Stahl, heiß, versengend, formbar, auf ihre Weise nachgiebig, aber nicht schwach. Niemals schwach.
Er hatte sie erobern wollen, aber am Ende hatte sie sich ihm ergeben, ja ihn besänftigt, aber er hatte Grund zu befürchten, dass sie sich revanchieren wollte.
In seinem Kopf drehte sich immer noch alles, was wenig überraschend war. Denn er erkannte, dass genau die Frau, die auf ihn eine so starke Wirkung ausübte, dies nicht mit Absicht tat.
Sie hatte keinerlei Interesse an einer länger währenden Beziehung. Und auch wenn er sich innerlich noch gegen ihr Beharren darauf auflehnte, hatte er verstanden, warum sie das tat, warum sie daran keinen Zweifel gelassen hatte.
Aber das war gewesen, ehe er sie sich genommen und das verräterische Nachgeben gespürt hatte, fast unbemerkbar. Hätte er sich nicht so stark auf ihre körperliche Reaktion konzentriert, hätte er diesen flüchtigen Augenblick des Schmerzes nicht bemerkt.
Und das Wissen gab ihm das Gefühl … als sei er ein Eroberer, der seine rechtmäßige Königin gefunden hatte.
Er stützte den Kopf in die Hände, raufte sich das Haar und stöhnte.
Er hatte sich von der Ehe abgewendet, in voller Absicht und unwiderruflich, und daher hatte das Schicksal ihm eine Geliebte geschickt, die die Fähigkeit besaß, ihn so zu befriedigen, wie es keine vor ihr getan hatte, die aber von einer Ehe ebenso wenig wissen wollte wie er …
Es hätte perfekt sein müssen. Er hätte außer sich vor Glück sein müssen.
Stattdessen saß er hier auf einer kalten Steinbank, sexuell bis ins Innerste befriedigt, und versuchte nicht darüber nachzudenken, wie sein ganzes Leben sich in einer Nacht komplett auf den Kopf gestellt hatte, sodass seine Zukunft – jedes Maß an zukünftiger Zufriedenheit – nun davon abhing, dass er sich einer Aufgabe stellte, die so gut wie nicht zu bewältigen war.
Er musste Boudicca dazu bringen, ihre Meinung zu ändern.