14
Am nächsten Morgen ging Daisy wie gewohnt zur
Kirche. Sie wusste, dass unter der Woche eine Menge über sie
geredet worden war, was sie Jack und der Kondom-Episode zu
verdanken hatte. In einer Kleinstadt war es unter den gegebenen
Umständen das Beste, so zu tun, als sei überhaupt nichts
geschehen.
Ihr war klar, dass alle Augen auf ihr ruhen würden,
darum gab sie sich besonders viel Mühe mit ihrem Haar und Make-up;
komisch, wie schnell ihr das zur Routine geworden war. Der
Wetterkanal prophezeite einen heißen, feuchten Tag mit
Jahrhundert-Temperaturen, darum zog sie sich so leicht wie möglich
an und ließ sogar die Strumpfhose aus, bevor sie zu guter Letzt
ihre Pumps von innen mit Babypuder bestäubte, damit die Füße nicht
festklebten.
Schon jetzt war es heiß, um die dreißig Grad
Celsius, obwohl es erst kurz vor zehn war, als sie das Haus
verließ. Sie stellte die Aircondition in ihrem Auto auf volle
Kraft, aber die Kirche war nur zwei Meilen entfernt, darum begann
der Luftstrom eben erst abzukühlen, als sie schon wieder aussteigen
musste. Dafür war es in der Kirche angenehm frisch, was ihr einen
erleichterten Seufzer entlockte, sobald sie das Gotteshaus
betrat und ihren Stammplatz neben ihrer Mutter und Tante Jo
einnahm, die Daisy anstrahlten wie zwei Honigkuchenpferdchen. »Du
siehst fantastisch aus«, sagte Tante Jo und beugte sich vor, um
Daisys Hand zu tätscheln. »Wie war’s gestern Abend?«
Daisy seufzte. »Ich habe nur dreimal getanzt«,
flüsterte sie. »Es gab schon wieder eine Schlägerei. Aber ich hatte
nichts damit zu tun«, ergänzte sie hastig, weil die beiden Frauen
sie mit großen Augen ansahen. »Allerdings glaube ich allmählich,
ich sollte mir einen anderen Club suchen.«
»Das will ich hoffen«, bekräftigte ihre Mutter.
»Ständig diese Raufereien!«
Es waren weniger die Raufereien, die Daisy störten,
als vielmehr die Tatsache, dass Jack Russo sich mit Vorliebe im
Buffalo Club herumzutreiben schien. Sie war eine intelligente Frau;
sie war nicht so dumm, sich unnötig Probleme aufzuhalsen. Und nach
dem gestrigen Abend war wohl offensichtlich, dass es äußerst
problematisch war, sich in seiner Nähe aufzuhalten. Wenn er in den
Buffalo Club ging, würde sie eben woanders hingehen. Punktum.
Jemand glitt neben ihr in die Bank, und sie wandte
automatisch den Kopf, um ihn grüßend anzulächeln. Das Lächeln
erstarb ihr auf dem Gesicht. »Was tust du denn hier?«, zischte
sie.
Jack sah erst auf den Altar und den Chor,
anschließend auf die Buntglasfenster, bevor er unschuldig
erwiderte: »Die Messe besuchen?«, und sich danach vorbeugte, um
Evelyn und Tante Jo zu begrüßen. Lächelnd erwiderten beide seinen
Gruß - und gleich darauf lud Evelyn ihn nach dem Gottesdienst zum
Mittagessen ein. Er schob eine anderweitige Verpflichtung vor,
womit er seine Zehen rettete, weil Daisy fest vorgehabt hatte,
ihren Absatz auf seinen Fuß zu rammen, falls er zusagen
sollte.
Daisy meinte die Blicke der gesamten Gemeinde in
ihrem
Rücken zu spüren. »Was willst du hier?«, flüsterte sie noch mal,
diesmal aber deutlich energischer.
Er neigte den Kopf zu ihr herüber, damit ihn sonst
niemand hören konnte: »Du möchtest doch nicht, dass die Leute
glauben, du hättest die ganzen Kondome für einen One-Night-Stand
besorgt, oder?«
Sie erstarrte. Er hatte Recht. Nachdem er in ihre
Kirche gekommen und neben ihr Platz genommen hatte, würden alle
annehmen, dass sie ein festes Paar waren, weil kein Mann mit einer
Frau in die Kirche ging und sich neben sie setzte, wenn die beiden
keine ernsthafte Beziehung verband. Indem er einen einzigen
Vormittag geopfert hatte, hatte er Daisys moralischen Status von
»Bedenklich« zu »Verständlich« verändert. In der heutigen Zeit galt
es als selbstverständlich, dass zwei gefühlsmäßig verbundene
Erwachsene auch sexuell verbunden waren, selbst wenn die Religion
das offiziell nicht gern sah.
Zwei Stunden später war Daisy ein nervöses Wrack.
Das Wissen, dass der Polizeichef sie nackig sehen wollte, trug
nicht gerade dazu bei, einen friedvollen Vormittag in der Kirche zu
erleben. Sie hatte nach besten Kräften versucht, der Predigt zu
folgen, nur für den Fall, dass der Pfarrer sie ins Visier nahm,
aber ihre Gedanken waren dauernd abgeschweift. Insbesondere zu dem
Mann an ihrer Seite.
Es verblüffte sie, wie nahe sie sich ihm gestern
Abend gefühlt hatte. Obwohl sie lediglich einen Kuss getauscht und
einander in den Armen gehalten hatten, kam es ihr vor, als sei viel
mehr passiert. Sie war in seinen Armen beinahe verglüht, und auch
an seiner Erektion hatte es nichts zu deuteln gegeben. Sie machte
sich nichts vor; wenn sie nicht im letzten Moment einen Rückzieher
gemacht hätte, hätten sie ganz bestimmt miteinander
geschlafen.
Unwillkürlich rätselte sie, was wohl geschehen
wäre, wenn sie ihre Moralvorstellungen vergessen hätte, wenn sie
vergessen hätte, dass er überhaupt nicht ihr Typ war, wenn sie
alles
vergessen hätte außer ihrer Lust. Nein, sie rätselte überhaupt
nicht, sie wusste es - sie fragte sich nur, wie es
wohl gewesen wäre.
Sein Geschmack wollte ihr einfach nicht aus dem
Sinn. Ob er im Bett wohl erfüllte, was seine Küsse versprachen? Er
küsste traumhaft und schmeckte wie ein Honigtopf. Selbst wenn er
der schlechteste Liebhaber der Welt wäre, was sie schwer
bezweifelte, würde sie das beinahe in Kauf nehmen, um sich nur
nicht diese Küsse entgehen zu lassen. Wenn aber andererseits die
Theorie stimmte, dass ein guter Küsser auch ein guter Liebhaber war
- das hatte sie irgendwo gelesen -, dann musste Jack Russo zwischen
den Laken ein einziger Traum sein.
Dies waren keine geziemenden Gedanken während eines
Gottesdienstes. Sie zappelte unruhig herum, wobei ihr Bein bei
jeder Bewegung seines zu streifen schien. Dank der Klimaanlage war
es angenehm kühl in der Kirche, trotzdem hatte sie schon wieder das
Gefühl zu verbrennen und spürte den fast übermächtigen Drang, die
Schuhe von ihren Füßen zu schleudern und sich die Kleider vom Leib
zu reißen. Entweder geriet sie verfrüht in die Wechseljahre, oder
sie hatte Wallungen ganz anderer Art.
Ständig sah sie verstohlen zu ihm hinüber; sie
konnte einfach nicht anders. Er war ordentlich und konservativ
gekleidet. Wichtig war auch, dass seine Schuhe blank waren. Seit
sie in einem Artikel gelesen hatte, dass der Zustand der Schuhe die
Einstellung eines Menschen zu sich selbst und zu seinen Mitmenschen
widerspiegelte, hatte sie peinlichst genau auf die Schuhe geachtet
und war stets darauf bedacht, dass ihr eigenes Schuhwerk sauber und
blank poliert war.
Sein grau meliertes Haar war entschieden zu kurz,
aber es stand ihm gut. Oben deuteten sich ein paar Kringel an, was
sie vermuten ließ, dass er es absichtlich so kurz schneiden ließ,
um seine Locken im Zaum zu halten. Er war groß, wirkte aber kein
bisschen schlaksig; stattdessen bewegte er sich mit einer
beherrschten, animalischen Grazie. Und an ihm war kein Gramm Fett;
das hatte sie gestern Abend feststellen können. Er bestand durch
und durch aus festen Muskeln.
Sie brachte entschieden zu viel Zeit damit zu, über
diesen Mann nachzusinnen, der gar nicht ihr Typ war.
Er ließ die Hand sinken und strich mit den
Fingerrücken ganz beiläufig über ihren Schenkel. Schwer schluckend
starrte Daisy auf Reverend Bridges und versuchte, irgendetwas von
dem mitzubekommen, was er sagte, doch der Reverend hätte genauso
gut Chinesisch sprechen können.
Jack wollte sie verführen, mitten in der Kirche,
daran hatte sie nicht den geringsten Zweifel. Er tat praktisch
nichts - er rieb nur weiter ihren Schenkel -, aber das brauchte er
auch nicht. Es reichte vollkommen, dass er neben ihr war. Sie
schaffte es ausgezeichnet, sich selbst zu verführen: Sie brauchte
nur an gestern Abend zu denken, und schon wurde ihr ganz
anders.
Bestimmt machte sie aus einer Mücke einen
Elefanten, denn ihr gesunder Menschenverstand sagte ihr, dass kein
Kuss auch nur entfernt so mächtig sein konnte, wie sie gestern
Abend geglaubt hatte. Es war nur so, dass Jack der Erste war, der
sie geküsst hatte, seit … ihr wollte nicht mehr einfallen, seit
wann. Seit Jahren. Was ganz allein ihre Schuld gewesen war, weil
sie pausenlos zu Hause gehockt hatte, statt auszugehen und etwas an
ihrem ungeküssten Zustand zu ändern. Trotzdem waren Jahre
vergangen, seit sie geküsst worden war, also hatte sie
infolgedessen einfach überreagiert. Für ihn war das Erlebnis
wahrscheinlich längst nicht so ergreifend gewesen.
Dann fiel ihr wieder ein, wie sein Herz unter ihrer
Hand gehämmert hatte, und die Erektion hätte er höchstens
vortäuschen können, indem er sich eine Taschenlampe in die Hose
stopfte. Eine große Taschenlampe.
Ach du Schreck. Keine geziemenden Gedanken während
einer Predigt.
Endlich, endlich endete die Predigt, und das letzte
Kirchenlied war gesungen. Lächelnd, plaudernd, Hände schüttelnd
schlenderten die Gottesdienstbesucher herum. Jack blieb am Ende der
Kirchenbank stehen und versperrte ihr dadurch den Weg, während
jeder in der Kirche, so hatte sie den Eindruck, vorbeikam, um ihn
persönlich zu begrüßen. Tante Jo und Evelyn machten kehrt und
verließen die Bank am anderen Ende, und Daisy wollte ihnen schon
folgen, da fasste Jack, ohne sich umzudrehen, hinter sich und hielt
sie am Arm fest. »Warte einen Moment«, sagte er und schüttelte
gleich darauf weiter Hände. Die Männer wollten mit ihm über die
Polizei reden und führten sich in seiner Nähe wie Möchtegern-Machos
auf; die Frauen flirteten wie wild drauflos, sogar die
Urgroßmütter. Jack wirkte halt so auf Frauen. Bislang hatte Daisy
geglaubt, immun gegen solche Empfindungen zu sein, inzwischen aber
am eigenen Leib erfahren, dass Hochmut vor dem Fall kommt.
Als sich die Menge schließlich zerstreut hatte und
sie aus der Kirchenbank rutschen konnten, trat Jack beiseite und
ließ Daisy, eine Hand auf ihre Taille gelegt, den Vortritt. Bei
seiner Berührung geriet ihr Herz aus dem Takt. Er spielte allen
anderen mit echter Inbrunst den »Wir-sind-ein-Paar«-Part vor,
während er im Grunde nur darauf aus war, sie nackt zu sehen; Paar
hin oder her. Mit Heiraten oder Kindern hatte er nichts im Sinn -
wenn sie es recht bedachte, war er schon einmal verheiratet
gewesen, also hatte er vielleicht auch schon Kinder.
Es gab nur eine Möglichkeit, das herauszufinden.
Sie beugte sich zur Seite und flüsterte: »Hast du Kinder?«
Er musterte sie konsterniert. »Zum Teufel, nein!«
Dann fiel ihm wieder ein, wo er sich befand, und er murmelte:
»Nichts wie raus hier.«
Das war leichter gesagt als getan. Reverend Bridges
stand nach wie vor an der Tür, wo er mit jedem, der aus der Kirche
kam, ein paar Worte wechselte, und es sah so aus, als hätte er mit
Jack eine Menge zu bereden. Nichts davon erschien Daisy,
die geduldig darauf wartete, dass sie an die Reihe kam, wirklich
wichtig, aber der Reverend war schließlich auch nur ein Mann und
wollte gern ein wenig mit dem Polizeichef schwatzen. Sie fragte
sich, ob Jack das auf die Nerven ging. Ihr kroch niemand
wegen ihres Jobs in den Allerwertesten, und sie war keineswegs
traurig darüber. Ob es wohl allen Bullen so ging wie ihm?
Endlich wurde auch ihre Hand geschüttelt, und ein
paar Floskeln wurden ausgetauscht; Reverend Bridges sah ihr derart
tief in die Augen, dass sie sich zu fragen begann, ob die Predigt
möglicherweise doch auf sie gezielt hatte, was, nach all dem Gerede
während der vergangenen Woche, durchaus möglich war. Sie durfte
nicht vergessen, ihre Mutter danach zu fragen.
Die Hitze war fast unerträglich, vom Asphalt
stiegen schon Hitzeschwaden auf. Die Männer, Jack eingeschlossen,
schlüpften aus ihren Sakkos und lockerten die Krawatten, sobald sie
die Kirche verlassen hatten; die Frauen dagegen steckten in ihren
BHs und Strumpfhosen wie in einem Gefängnis, weshalb Daisy froh
war, dass ihre Beine nackt waren. Die leichte Brise war zwar heiß,
trotzdem war sie dankbar über den Luftzug.
Er zerrte sich die Krawatte vom Hals und stopfte
sie in seine Anzugtasche. »Ich fahre dir nach.«
»Wohin fahren wir denn?«, fragte sie
fassungslos.
»Zu dir nach Hause.«
Wieder machte ihr Herz einen Satz. »Sonntags esse
ich immer mit Mutter und Tante Jo zu Mittag.«
»Ruf sie an und sag ab. Du bist gerade erst
umgezogen; du hast alle Hände voll zu tun.«
Einiges davon mit ihm, wenn sie seinen bohrenden
Blick richtig deutete. Sie räusperte sich. »Ich glaube, das wäre
keine gute Idee.«
»Ich glaube, es ist verdammt noch mal die beste
Idee, die ich seit Jahren hatte.«
Hastig sah sie sich um. Mittlerweile war der
Parkplatz vor der Kirche praktisch menschenleer, weil niemand
länger als unbedingt nötig in der Hitze schmoren wollte. Trotzdem
beugte sie sich vor, damit sie auf keinen Fall belauscht werden
konnte. »Du weißt genau, was passieren würde!«
»Ich baue darauf!«
»Ich will keine Affäre!«, zischte sie ihn an. »Ich
will eine Beziehung, und du bist mir dabei im Weg.«
»Wie wär’s mit einer Affäre mit mir, bis sich eine
Beziehung findet?« Er rückte näher an sie heran, bis er über ihr
aufragte. Der Tag war zwar heiß, doch er war noch heißer; seine
Hitze hüllte sie ein. Seine graugrünen Augen loderten. »Ich bin
gesund, ich bin halbwegs normal, nicht allzu abgedreht. Ich werde
versuchen, dich nicht zu schwängern.«
»Versuchen?«, wiederholte sie erbost.
Er zuckte mit den Achseln. »Es kann immer was
passieren. Kondome können reißen.«
Das hätte eigentlich eine niederschmetternde
Vorstellung sein müssen. War es aber nicht. Die Tatsache, dass
Daisy sie nicht so empfand, zeigte ihr, wie gefährdet sie war, wenn
noch nicht einmal der Gedanke an eine ungewollte Schwangerschaft
sie abkühlen konnte. Und was war eigentlich -
»Was ist denn allzu abgedreht?«, flüsterte
sie.
Ein Grinsen blitzte in seinem markanten Gesicht
auf. »Wart’s ab.«
Die alte Daisy wäre mit fliegenden Fahnen
abgerauscht. Na ja, vielleicht auch nicht, weil die alte Daisy die
Versuchung ebenso stark gespürt hätte wie die neue. Aber die alte
Daisy hätte bestimmt nicht die Nerven gehabt, einen Mann mit nach
Hause zu nehmen, nur um Sex mit ihm zu haben, während die neue
Daisy an nichts anderes denken konnte. Sie wollte diesen Mann
haben, und sie fürchtete, dass sie einen anderen, falls wirklich
einer auftauchen sollte, gar nicht bemerken würde, weil sie so
besessen von Jack war.
»Na los, greif schon zu«, murmelte er. »Du traust
dich ja doch nicht.«
Nicht seine Provokation gab den Ausschlag; sondern
die Vorstellung zuzugreifen.
»Wenn ich schwanger werde«, warnte sie, »musst du
mich heiraten.«
»Abgemacht«, sagte er, dann stiegen sie beide in
ihre Autos und fuhren in die Lassiter Avenue, wobei er ihr in
respektvollem Abstand folgte.
Eigentlich hätte sie zittern müssen wie Espenlaub,
dachte sie wenig später, als sie den Schlüssel ins Schloss schob,
aber ihre Hände waren ganz ruhig. Sie bebte nur innerlich, und das
zählte nicht.
Jack stand mitten in ihrem gemütlichen kleinen
Wohnzimmer und sah sich um, während sie ihre Mutter anrief. Wie
üblich brachte Daisy keine glaubhafte Lüge zustande, und als ihre
Mutter fragte, warum sie nicht zum Essen kommen wollte, sah sie ihn
hilflos an und platzte dann heraus: »Jack ist da.«
Er grinste.
»Ach!«, sagte ihre Mutter und kicherte. Ihre Mutter
kicherte! »Ich verstehe. Amüsiert euch gut, ihr beiden.«
Daisy hoffte inständig, dass ihre Mutter gar nichts
verstand; aber so wie sich die Dinge in letzter Zeit entwickelten,
verstand sie vielleicht doch. Sie stellte das Telefon wieder hin
und sagte: »Sie hat gemeint, wir sollen uns gut amüsieren.«
»Das habe ich fest vor.« Er stand mitten im Raum,
der dadurch noch kleiner wirkte. »Hast du Hunger? Auf was zu essen,
meine ich«, ergänzte er, weil er das Gefühl hatte, deutlicher
werden zu müssen.
Sie schüttelte den Kopf.
»Gut«, befand er und packte sie.
Sie hatte sich schon beinahe eingeredet, dass sie
sich den fantastischen Geschmack nur eingebildet hatte, als er sie
erneut küsste. Sie gab ein leises Summen von sich, schlang die
Arme um seinen Hals und stellte sich auf die Zehenspitzen, um sich
so eng wie möglich an ihn zu schmiegen und seinem fordernden Mund
mit ihren eigenen Forderungen begegnen zu können.
Wieder breitete sich dieses eigenartige schmelzende
Gefühl in ihr aus, unter dem ihr die Knie weich wurden, bis sie
sich an ihn lehnen musste, ihr ganzes Gewicht von ihm tragen lassen
musste, wodurch sich das Schmelzgefühl noch schneller ausbreitete.
O Gott, fühlte er sich gut an. Ihr ganzer Körper begann bei der
bloßen Berührung zu pulsieren. Die unglaubliche Härte seiner
Muskeln, die glühende Hitze, die von ihm ausstrahlte, woben sie in
ein Kokon sinnlicher Lust ein, in dem sie ihre gesamte Kraft verlor
und vollkommen gefügig wurde.
Sein Griff verstärkte sich, er drückte sie noch
fester, bis ihre weichen Kurven mit den festen Flächen seines
Körpers verschmolzen, dann beugte er sie nach hinten, sodass ihr
Becken die harte Wölbung seiner Erektion umschmiegte. Wieder entkam
ihr ein leises Stöhnen, woraufhin er seinen Kuss vertiefte, bis ihr
Atem nicht mehr ihr selbst gehörte, bis es gleichgültig war, ob sie
atmete oder nicht.
Dies war Lust. Dies. Die Hitze, das Verlangen, das
tiefe Pulsieren, das Gefühl von Leere, die Spannung, die
Mattigkeit, das scharfe Kribbeln. Dies.
Sie stöhnte auf und ließ den Kopf nach hinten
fallen. Er nutzte die Gelegenheit und fuhr mit seinem heißen Mund
ihren Hals entlang, bis seine Lippen die so köstlich empfindsame
Stelle zwischen Hals und Schulter erfasst hatten, wo er mit den
Zähnen an ihren Sehnen knabberte und ihre Haut kostete. Ihr ganzer
Körper bäumte sich in wilder, ungehemmter Lust auf; ihre Knie gaben
vollkommen nach, was aber nicht weiter schlimm war, weil er sie
sicher und fest in seinen Armen hielt.
Mit zielstrebigen, langsamen Bewegungen, die sie
zum Wahnsinn trieben, wanderten seine Hände über ihren Leib,
streichelten ihre Brüste, öffneten den Reißverschluss ihres
Kleides,
zogen es nach unten und über ihre Arme, um schließlich den BH
aufzuhaken und zu lösen. Das Kleid sammelte sich um ihre Taille, wo
es nicht weiter sinken konnte, weil nicht einmal ein Atemzug
zwischen ihre Hüften gepasst hätte. Endlich berührten seine Hände
nackte Haut, und er massierte ihre Brustwarzen in harte,
schmerzende Spitzen, bevor er Daisy schließlich über seinen Arm
nach hinten beugte und mit gesenktem Kopf an ihren Brustwarzen
nuckelte. Er ging nicht gerade sanft mit ihr um, aber das brauchte
er auch nicht. Sie umfasste seinen Kopf mit beiden Händen und hielt
ihn unter keuchenden, lüsternen Seufzern fest, weil der feste Druck
seiner Lippen sie auf ständig zunehmend höhere Ebenen der
Sinnenlust katapultierte.
Sie konnte es nicht mehr erwarten, seine Haut zu
spüren, und zerrte an seinem Hemd, um es möglichst unaufgeknöpft
über seinen Kopf zu ziehen. Er sah lang genug auf, um ihr
behilflich zu sein, wenn auch nur mit einer Hand, weil er sie
keinesfalls freigeben wollte. Beide rangen mit dem Kleidungsstück,
bis am Ende ein paar Knöpfe auf den Teppich purzelten; dann war es
aus dem Weg, und erneut wurde sie von beiden Armen getragen,
während ihre Brüste gegen das raue Haar gepresst wurden, das ihre
Nippel beinahe so erregend streichelte wie seine Daumen. Alles in
ihr verzehrte sich nach ihm, es war das heißeste, wunderbarste
Verlangen, das sie in ihrem gesamten Leben empfunden hatte. Es war,
als würde ihr gesamter Körper vor Begierde, vor Erregung und Lust
pulsieren, sogar zwischen ihren Beinen.
»Ich dachte immer, sie würden lügen«, keuchte sie,
ohne wirklich mitzubekommen, was sie da sagte.
»Wer?«, hauchte er gegen ihre Kehle.
»Die Frauen. Deswegen.«
»Deswegen?« Er hörte sich nicht besonders
interessiert an. Er hatte die empfindliche Stelle an ihrem Hals
wieder gefunden und bearbeitete sie erneut.
»Wie es sich anfühlt. Das hier.«
»Wie fühlt es sich denn an?«, flüsterte er.
»Ich … poche.« Sie stieß die Worte mit letzter
Kraft aus. »Zwischen den Beinen.«
Ein unbezähmbarer Laut brach sich aus seiner Kehle
Bahn, und ein Schauer überlief ihn, unter dem sein erigiertes Glied
gegen ihren Leib klopfte. »Ich sorge dafür, dass es aufhört«,
versprach er so leise und heiser, dass sie ihn kaum verstand.
Seine Hände glitten an ihren Beinen aufwärts und
zupften das eng anliegende Kleid nach oben, bis der gesamte Stoff
über seinen Unterarmen lag und seine Hände in ihrem Höschen
verschwanden, wo seine heißen Handflächen kurz ihre Pobacken
umfassten, ganz kurz nur; dann schob er sie langsam weiter nach
unten, bis sein Finger sich in ihre geschlossene Furche senkte und
ihre Öffnung ertastete. Daisy schnappte nach Luft, doch der Laut
verfing sich in ihrer Kehle, weil anscheinend ihr ganzer Körper
seine Fingerkuppe festzuhalten versuchte und wie erstarrt auf seine
nächste Bewegung wartete. Plötzlich schob er zwei feste Finger in
ihr Inneres. Ihre sämtlichen Nervenenden sprühten Funken, bis Daisy
sich, unfähig, noch einen rationalen Gedanken zu fassen, an ihn
drängte, um ihn ganz und gar in sich aufzunehmen. O Gott. Sie wurde
gedehnt, durchbohrt - und es genügte ihr immer noch nicht.
Ihre Hüften begannen sich zu bewegen, zu wogen wie
die Gezeiten. »Mehr«, stammelte sie mühsam, bettelnd, wimmernd.
»Mehr.«
Sie war allem Anschein nach zu nichts weiter fähig,
als sich an ihn zu klammern, während er das Höschen an ihren Beinen
hinunter- und abstreifte, ein Kondom aus seiner Tasche zauberte,
die Schuhe von seinen Füßen trat und sich danach aus seinen
restlichen Kleidern kämpfte. Splitternackt und sie in seinen Armen
haltend stolperte er rückwärts, um sich schließlich auf die Couch
fallen zu lassen und sie auf seinen Bauch zu ziehen, wo er ihre
Beine so ordnete, dass sie rittlings auf ihm zu
sitzen kam. Mit schnellen, hektischen Bewegungen streifte er das
Kondom über, dann griff er Daisy an beiden Hüften und brachte sie
in Position.
Mit einem Schlag dehnte sich die Zeit ins
Unendliche. Sie packte ihn an den Schultern, als sie seinen Penis
zwischen ihren Beinen spürte, noch nicht in ihr, aber behutsam
drängend, so als wollte er sie verlocken, sich ihm zu öffnen und
ihn einzulassen.
Ihr Atem kam in schnellen, panischen Stößen; seiner
stieg schwer rasselnd aus der Tiefe seiner Lungen hervor. Er hatte
das Kinn vorgeschoben, und sein Nacken schien sich vor Anstrengung
zu versteifen, aber trotzdem verhielt er sich ganz ruhig und
überließ es ihr, das Tempo zu bestimmen. Sie schwebte im siebten
Himmel. Mit langsamen, kleinen Bewegungen rutschte sie vor und
zurück, um sein hartes, mächtiges Geschlecht zu liebkosen, hob
dabei ihren Unterleib an, schob ihn ein wenig vor und - ah. Er
drang in sie, nur mit der Spitze, doch immerhin so weit, dass er
die Zähne zusammenbeißen musste und ein heiseres Keuchen von sich
gab. Seine Finger bohrten sich in ihre Hinterbacken und entspannten
sich wieder.
Wie in Trance, den Blick in die Ferne gerichtet und
ganz und gar auf das warme Gefühl konzentriert, auf das Gefühl,
gedehnt zu werden, ganz und gar ausgefüllt zu sein, hob Daisy
erneut ihren Unterleib an, senkte sich dann wieder und nahm den
breiten Kopf ganz und gar auf. Jack stöhnte und verzog das Gesicht
wie unter Schmerzen. Er rutschte ein Stück nach unten, bis seine
Hüften auf dem Polsterrand zu liegen kamen, und streckte die Beine
aus, damit sie ihn in einem steileren Winkel aufnehmen konnte. Sie
hob und senkte sich, mit geschlossenen Augen, in dem Gefühl
schwelgend, unerträglich langsam durchbohrt zu werden, sich biegend
und zurechtrückend, bis er endlich, endlich ganz und gar in ihr
verschwunden war.
Magie.
Genauso fühlte es sich an, so als würde ihr Körper
nicht
mehr ihr gehören, sondern sich aus eigenem Antrieb bewegen, sich
winden, suchen. Sie ließ sich von seiner Größe und Nacktheit
verzaubern, von dem Gefühl, ihn tief in ihrem Inneren zu spüren, wo
noch kein Mann sie je berührt hatte. Sie liebte die rauen Laute,
die er von sich gab, die wachsende Gier in seinem Griff, die immer
stärker werdende Spannung und Hitze, die ihr eigener Körper
ausstrahlte, je stärker sich ihre Empfindungen steigerten, und
beugte sich vor, um ihn zu küssen, als plötzlich der kritische
Punkt erreicht war und ihre Sinne explodierten. Die Welt verschwamm
um sie herum. Sie hörte sich kreischen und schluchzen, sie spürte
ihre Hüften hektisch gegen seine schlagen; dann lag sie
unvermittelt auf dem Rücken, während er in sie stieß und sie ein
zweites Mal zum Höhepunkt brachte, Sekunden bevor er innehielt und
sich dann in seinem eigenen Orgasmus verlor.
Als die Wogen sich geglättet hatten, lag sie
schlaff unter seinem schweren Leib, halb versunken in den flauschig
aufgepolsterten Rosenkissen. Kühle Luft wehte an ihre Flanken,
während der Schweiß ihre Bäuche zu verschmelzen schien. Sie barg
ihr Gesicht an seinem Hals und inhalierte seinen erdigen Duft, der
sie halb zum Wahnsinn trieb. Er drückte ihr einen Kuss auf die
Schläfe.
»Du bist mit einem Kondom in der Tasche in die
Kirche gegangen«, brachte sie mit schwacher Stimme vor, weil ihr
das plötzlich befremdlich erschien.
»Stimmt. Ich habe die ganze Zeit darauf gewartet,
dass ein Blitz auf mich niederfährt.« Seine Stimme klang heiser, so
als könnte er kaum sprechen.
Sie strich mit der Hand über seinen muskulösen
Rücken, über seine kühlen Hinterbacken. »Hattest du nur eins
dabei?«, flüsterte sie.
Er hob den Kopf und lächelte sie an, unter schweren
Lidern und seinen dunklen, verschwitzten Haaren hervor. »Du hast
doch noch den Partypack, oder?«