Zweiundzwanzig
Sebastian ist ein kleines Wunder, so zufrieden, so fröhlich.
Am Anfang war er so einsam in seinem Bettchen, da habe ich ihn einfach mit in mein Bett genommen, das war für uns beide schön. Aber jetzt ist er schon fast ein Jahr alt, ich stille ihn nicht mehr, und es wird Zeit, dass er in einem eigenen Bett in seinem eigenen Zimmer schläft. Ich will nicht, dass er ein hilfloses Muttersöhnchen wird.
Wir gehen schon lange regelmäßig zum Babyschwimmen. Basti liebt Wasser, er paddelt munter herum wie ein kleiner Hund. Es ist wichtig, dass er früh schwimmen lernt, damit ihm nichts passiert, wo wir doch so nah am Baggerloch wohnen.
Aber zu einer von diesen Krabbelgruppen, die es überall gibt, gehe ich nicht. Ich glaube, da geht es gar nicht um die Kinder, sondern darum, dass die Mütter mal so richtig tratschen können. Und das kann ich wirklich nicht gebrauchen.
Mein Sohn hatte von seinem ersten Lebenstag an viel Abwechslung, denn ich nehme ihn ja überallhin mit, zum Einkaufen, zu den Gruppentreffen, aber auch beim Melken, Stallausmisten und bei der Arbeit im Garten ist er dabei. Und er ist immer so süß und brav, guckt sich alles genau an, und irgendwann steckt er den Daumen in den Mund und schläft ein.
Sebastian liebt Tiere, aber er mag auch Menschen. Jetzt ist er schon zwei Jahre alt, und am allermeisten mag er andere Kinder. Die ganze kleine Bagage aus dem Dorf kommt zu uns, jetzt im Sommer fast jeden Tag. Wir haben das große Planschbecken im Obsthof eine Schaukel, ich habe einen Sandkasten gebaut und eine Matschecke angelegt. Da sind die Wiesen zum Rennen, und da ist der Garten, wo wir zusammen pflanzen und ernten, da sind die Tiere. Wenn es regnet, nehme ich sie alle mit in die Küche und backe Brot, Kuchen und Plätzchen mit ihnen zusammen. Oder ich flechte ihnen bunte Perlenschnüre in die Haare und schminke ihnen lustige Tiergesichter. Wenn es heiß ist, nehme ich sie alle mit zum Baggersee und gebe ihnen gesundes Obst und Gemüse aus meinem Garten zu essen.
Kinder sind wunderbar. Man kann mit ihnen toben, und man kann ganz leise mit ihnen sein, vor allem kann man mit ihnen schmusen.
Im Dorf hat sich für mich nicht viel geändert.
Ich weiß, dass die Alten mich heimlich »Kinderhex« nennen. Weil die Kleinen sich so wohl bei uns fühlen, dass sie oft gar nicht nach Hause wollen.
Die jungen Mütter lächeln falsch. Sie verachten mich, aber sie sind trotzdem froh, dass ich ihnen ihre Kinder abnehme und sie Zeit für sich selbst haben.
Kostenloser Babysitter, Kinderhexe, es ist mir egal.
Die Kleinen sind so gerne bei uns, und Basti und ich haben Spaß daran.
Was war ich nicht schon alles in diesem Dorf! Erst ein braves Mädchen, plötzlich ein tragischer Fall, um den man sich kümmern muss. Dann wollte man mich vergasen, hat mich Kommunistin geschimpft. Und Nutte. Eine, die es nicht besser verdient hat.
Jetzt eine Hexe, die die Kinder betört.
Vielleicht eine Gefahr? Denn Sebastian sieht nicht mir ähnlich.