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Inzwischen mussten Paul und Michael feststellen, dass sich Gleisinger nicht im Casino aufhielt. Unverrichteter Dinge fuhren sie zurück ins Präsidium. Dort gab es neue Informationen von der KTU. Auf Wellners Rechner hatten die Kollegen kürzlich gelöschte E-Mails wieder zutage befördert. Bei der Durchsicht entdeckte Michael auch die von Anja Schulte, mit der sie den Arzt an ihrem Todestag um ein Treffen an der Eisernen Hand gebeten hatte.

»Hat der Sack doch gelogen«, kommentierte er den Fund.

»Das war ja zu erwarten«, sagte Paul.

»Ich bin gespannt, was er dazu sagt.« Michael wählte die Nummer der Klinik und erkundigte sich nach Dr. Wellners Aufenthaltsort. Dann stand er auf und schnappte sich die Jacke. »Los, lass uns dem Chef eine Freude machen und den Herrn Doktor abholen.«

»Gute Idee.«

 

Unter großem Protest erklärte sich der Arzt schließlich bereit mitzukommen und saß eine halbe Stunde später im Vernehmungszimmer. Als Martin eintraf, hielt Paul ihm die E-Mail unter die Nase.

»Seine Weste ist also nicht so weiß wie sein Kittel«, sagte Martin. »Dann statten wir ihm mal einen Besuch ab.«

Paul und Michael machten keine Anstalten, sich in Bewegung zu setzen, und grinsten.

»Was ist?« Martin hatte schon die Jacke in der Hand. »Es gibt noch keinen Feierabend.«

»Dr. Wellner sitzt im Vernehmungszimmer und erwartet dich.«

Martin zog die Augenbrauen hoch. »Ist das mein Weihnachtsgeschenk von euch?«

»Nur nicht sentimental werden«, sagte Michael und hielt Martin die Tür auf.

 

Als Martin den Raum betrat, drehte sich Steffen Wellner ruckartig zu ihm um.

»Schön, dass der Herr Kommissar sich doch noch bequemt, mit mir zu sprechen«, sagte er herablassend und blickte demonstrativ auf die Uhr.

»Aber natürlich. Für Sie habe ich doch immer Zeit«, entgegnete Martin überfreundlich.

»Ihre Lakaien haben mir nicht mal gesagt, was ich hier soll.«

»Sollten Sie Kriminalhauptmeister Pichlbauer und Kriminalobermeister Fischer meinen, so haben die Kollegen mir freundlicherweise die Überbringung der Neuigkeiten überlassen.«

»Von was reden Sie eigentlich?«

»Herr Wellner, setzen Sie sich bitte.« Martin wies auf einen Stuhl am Tisch.

»Nein, danke. Ich stehe lieber.« Herausfordernd verschränkte er die Arme vor der Brust.

»Gut, kommen wir gleich zur Sache. Ihr Versuch, die E-Mail von Anja Schulte zu löschen, ist fehlgeschlagen. Soll heißen, Sie müssen nächstes Mal beim Beseitigen von Spuren etwas gründlicher vorgehen. Das war ziemlich leichte Beute für unsere Fachleute.« Martin bedachte den Arzt mit einem triumphierenden Blick.

»Und?«

»Eine Erklärung wäre angebracht.«

Wellner wandte sich wieder dem Fenster zu und überlegte, ob er seinen Anwalt herzitieren sollte. Er entschied sich dagegen. Das würde ihn vor den Augen dieses unangenehmen Polizisten nur verdächtig machen.

»Also schön«, begann er. »Frau Schulte hat mich um dieses Treffen gebeten.«

»Dann kannten Sie sie näher?«

»Nein. Wie schon neulich gesagt, habe ich mit ihr nur im Zusammenhang mit Tobias’ Erkrankung zu tun gehabt.«

»Haben Sie sich schon mal mit ihr privat getroffen?«

»Zwei-, dreimal vielleicht. Sie hat sich immer an mich gewandt, wenn sie mit den Nerven fertig war.« Wellner zuckte mit den Schultern und setzte sich nun doch an den Tisch. »Sie brauchte einfach jemanden, der kompetent ist und ihr die Ängste bezüglich Tobias’ nehmen konnte.«

»Und dieser jemand waren Sie.«

»Wir hatten einen guten Draht zueinander.« Er lächelte selbstgefällig. »Ich mochte sie.«

»Kümmern Sie sich um alle Angehörigen Ihrer Patienten so intensiv?«

»Nein, du lieber Himmel. Da würde ich ja nicht mehr fertig werden.«

»Warum also um sie?«

»Vielleicht, weil sie sich so besonders für ihren Sohn eingesetzt hat. Das hat mich gerührt.«

Gerührt, dachte Martin verächtlich. Konnte diesen Menschen überhaupt etwas rühren? Oder sollte er sich gänzlich in ihm geirrt haben?

»Warum ist sie nicht einfach zu Ihnen ins Krankenhaus gekommen?«

»Sie hat schon so viel Zeit im Krankenhaus verbracht, dass sie lieber woanders reden wollte.«

»Sie sagen, Sie mochten sie, haben aber keine Miene verzogen, als ich Ihnen von ihrem Tod erzählte.«

»Jeder verarbeitet solche Nachrichten auf seine Weise.«

»Hat sie Ihnen immer E-Mails geschickt, um sich mit Ihnen zu verabreden?«

»Nein. Für gewöhnlich rief sie an.«

»Haben Sie sich gewundert, dass das diesmal anders war?«

»Ein wenig schon.«

»Was wollte sie am Samstag von Ihnen?«

»Ich habe keine Ahnung. Ich habe sie ja nicht getroffen. Unterwegs hatte ich eine Panne und bin dann mit dem Taxi nach Hause gefahren.«

»Warum sind Sie nicht mit dem Taxi zur Eisernen Hand gefahren?«

»Ich hab in der Saukälte eine Viertelstunde lang versucht, den verdammten Reifen zu wechseln. Aber die Schrauben ließen sich nicht lösen. Meine Finger waren steif gefroren, ich war sauer und hatte keine Lust mehr auf ein Date, bei dem ich sowieso nur den Psychologen spielen soll.« Er rieb sich das Genick. »Jetzt mache ich mir natürlich Vorwürfe, dass ich nicht doch hingefahren bin. Vielleicht hätte ich dieses schreckliche Unglück verhindern können.«

»Schildern Sie mir doch mal den zeitlichen Ablauf ab dem Moment, wo Sie zu Hause losfuhren.«

»Kurz nach neun bin ich zu Hause weg. Die Panne hatte ich auf der Aarstraße gleich hinter dem Abzweig zur Fischzucht. Das muss so viertel nach gewesen sein. Dann hab ich versucht, den Reifen zu wechseln. Um halb zehn hab ich mir ein Taxi bestellt. Das kam zehn Minuten später. Dann war ich etwa um zehn zu Hause.«

»Haben Sie ihr abgesagt?«

»Ich hab’s versucht, aber sie ist nicht an ihr Handy gegangen.«

»Warum haben Sie uns nicht gleich von Ihrer Verabredung erzählt, als wir Sie danach gefragt haben?«

»Ich hatte Angst, verdächtigt zu werden.«

»Verstehe.« Martin glaubte nicht, dass er sich in Steffen Wellner geirrt hatte. Dieser Mann wirkte unnatürlich und kalt.

»Sagen Sie, wissen Sie, welchen Wagen Anja Schulte gefahren hat?«

»Ich glaube einen Toyota. Warum?«

»Haben Sie sie nie in einem Saab gesehen?«

»Ich habe sie nur selten im Auto gesehen. Aber ein Saab?« Wellner zog für eine Sekunde die Nasenflügel hoch. Für Martin ein eindeutiges Zeichen, dass dem Arzt das Thema unangenehm war. Martin beobachtete ihn interessiert, während Wellner sich bemühte, seine Gefühle zu verbergen. Er legte den Zeigefinger auf seinen Mund und blickte nachdenklich in die Luft. »Nein«, sagte er schließlich. »Ich kenne nur diesen Toyota. Sind Sie sicher, dass sie einen Saab fuhr?«

»Das war wohl ihr Zweitwagen.«

»Wenn Sie jetzt keine Fragen mehr haben, würde ich gerne gehen. Meine Patienten warten.«

»Apropos Patienten. Ich habe da doch noch eine Frage. Wie viel verdienen Sie an einer Nierentransplantation?«

»Warum wollen Sie das wissen?« Misstrauisch betrachtete Wellner den Kommissar.

»Reine Neugier.«

»Sie haben doch alle Unterlagen gestern einkassiert. Schauen Sie doch da nach.«

»Für die Überprüfung Ihrer Abrechnungen sind andere zuständig. Also, beantworten Sie bitte meine Frage.«

Wellner seufzte laut. »Die Krankenkasse bezahlt zwanzigtausend Euro für die Standard-OP.«

»Wenn man bedenkt, dass diese OP etwa zwei Stunden dauert, ist das ein netter Stundenlohn.«

»Man merkt, dass Sie nicht in der freien Wirtschaft tätig sind, sonst wüssten Sie, dass von diesem Geld alle Kosten gedeckt werden müssen. Und die sind alles andere als gering. Wissen Sie überhaupt, wie viele Leute ich von dem Geld bezahlen muss, wie viele Apparate und wie viel Kohle das Gebäude schluckt?«

»Soll ich Sie etwa bedauern?«

»Ach, Sie haben ja keine Ahnung«, sagte Wellner abfällig. »Sie sollten sich mit der Wirtschaft auseinandersetzen, wenn Sie hier mitreden wollen. Schon mal was von der Unternehmensberatung Esnik gehört? Die haben Kliniken untersucht und berechnet, dass jede dritte davon ihre Kosten nach der Anpassungsphase an das neue Vergütungssystem mit Fallpauschalen nicht mehr decken kann.« Wellner lehnte sich zurück. »Für Ärzte sind das keine rosigen Zeiten. So sieht’s aus Herr Kommissar.«

»Wenn Sie der Firma Esnik Glauben schenken, dann nagen Sie bestimmt bald am Hungertuch. Meines Wissens denken sich diese Ratgeber-Typen nicht besonders intensiv in die Situation des Unternehmens hinein. Die wenden stereotype Beratungsmuster an und machen manchmal die abstrusesten Vorschläge. Beispiel gefällig?« Martin wartete keine Antwort ab und fuhr fort: »Für einige Kliniken schlug Esnik vor, die Reinigung zu reduzieren, die Rettungsstelle auszudünnen und Ähnliches. Finden Sie das kompetent? Außerdem scheint es mir sehr merkwürdig, dass Sie hier sitzen und den Eindruck vermitteln wollen, dass von Ihren Einnahmen kaum etwas übrig bleibt, während vor der Tür Ihrer Villa ein Ferrari und ein Jaguar stehen. Da drängt sich mir die Frage auf, woher haben Sie das viele Geld, um sich so etwas leisten zu können, wenn nicht aus Ihrer Tätigkeit als Chefarzt?«

»Mein Geld kommt ausschließlich daher. Und ich muss viel und verantwortungsbewusst dafür arbeiten.«

»Verstehe, dann jammern Sie eben nur gerne auf hohem Niveau. Aber«, Martin streckte die Beine lang von sich und verschränkte die Arme, »diese Diskussion führen wir vielleicht ein anderes Mal weiter. Mich interessiert noch, wie viele Nieren transplantieren Sie von Familienangehörigen? Und wie hoch sind die Kosten für deren Entnahme?«

»Mein Gott, was Sie alles wissen wollen. Glauben Sie, ich habe alle Zahlen im Kopf?«

»Eine ungefähre Auskunft reicht mir schon.«

»Lebendspenden sind relativ selten«, gab Wellner missmutig von sich. »Bei uns vielleicht eine, maximal zwei pro Jahr. Für die Entnahme beim Spender zahlt die Kasse sechstausendfünfhundert Euro. Sind Sie jetzt zufrieden?«

»Noch nicht ganz. Gibt es in Ihrer Klinik einen Transplantationsbeauftragten?«

»Nein. Für so einen überflüssigen Posten geben wir nicht auch noch Geld aus.«

»Kommen Sie denn der Meldepflicht von Hirntoten bei Eurotransplant nach?«

»Sicher. Wenn Ihre Kollegen sich durch meine Bücher gewälzt haben, werden Sie feststellen, dass alles korrekt ist.«

»Ich danke Ihnen für das informative Gespräch. Sie können jetzt gehen.«

Steffen Wellner erhob sich und verließ den Raum ohne ein weiteres Wort. Martin blieb noch einen Augenblick sitzen und dachte nach.

Er war unschlüssig, was er von der ganzen Sache halten sollte. Wellner war auf jeden Fall verdächtig. Fragte sich nur, wessen er sich schuldig gemacht hatte. Für beide Fälle hatte er ein Alibi, wenn auch kein wasserdichtes für Bielmann. Wenn Wellner etwas mit den Fällen zu tun hatte, war sich Martin sicher, dass ein Typ wie er Drecksarbeit nicht selbst erledigte. Außerdem blieb noch das Mordmotiv zu klären. Bisher war keins in Sicht und das machte Martin nervös.

Er rappelte sich auf und ging zu den Kollegen nach nebenan. Alle hatten das Gespräch von dort mitverfolgt und diskutierten nun darüber. Auch Dieter war inzwischen zurückgekommen.

»Also, Wellners Zeitangaben stimmen mit der Auskunft vom Taxiunternehmen überein«, sagte Paul.

»Aber das bedeutet nicht, dass er zu Hause geblieben ist«, spekulierte Michael. »Er könnte mit dem Ferrari doch noch zum Treffpunkt gefahren sein. Dann würde auch der Todeszeitpunkt passen. Und das mit der Panne und dem Taxi hat er zwecks Alibi nur vorgetäuscht.«

»Zutrauen würd ich ihm das.« Martin setzte sich auf die Kante des Schreibtisches. »Wir sollten den Ferrari von der Spusi checken lassen. Vielleicht finden sich Spuren aus dem Wald.«

»Wenn Wellner die Panne geplant hat, ist er sicher nicht so dumm und hinterlässt Spuren am Wagen«, gab Dieter zu bedenken.

»Wir versuchen es trotzdem. Immerhin hat er die E-Mail auch nicht besonders erfolgreich gelöscht. Ich veranlasse das gleich noch. Aber jetzt sagt mir mal, wo ihr den Gleisinger versteckt habt. Den wollten wir uns doch auch noch zur Brust nehmen.«

»War nicht aufzutreiben. Sorry, Chef!«

»Na gut! Heben wir uns den für morgen auf.« Martin nickte und gähnte. »Und du, Dieter, hast du was rausgekriegt?«

»Allerdings.« Er richtete sich auf und kramte seinen Block hervor. »Ich hab eine nette Dame in der Verwaltung gefunden, die mir bereitwillig Auskunft gegeben hat. Die Anzahl der Hirntoten in der Humboldt-Klinik beträgt im Jahr durchschnittlich neun, was ziemlich viel ist. Denn laut Statistik aller Kliniken in Deutschland gibt es insgesamt zirka viertausend Hirntote im Jahr, was im Durchschnitt zwei pro Klinik bedeuten würde. Dann habe ich mich erkundigt, wie viele davon in Wellners Klinik Organspender wurden.« Er blickte von einem zum anderen, bevor er weitersprach. Das tat er immer, wenn eine interessante Erkenntnis folgte. »Es waren acht. Das fand ich zunächst sehr viel, aber es scheint wohl so zu sein, dass grundsätzlich etwa neunzig Prozent der Angehörigen der Organspende zustimmen, wenn sie im Krankenhaus gefragt werden. Das konnte ich gar nicht glauben, denn nur fünfundzwanzig Prozent aller Deutschen haben einen Organspendeausweis.«

»Und was sagt uns das jetzt?«, fragte Paul.

»Hirntote werden so oft zu Spendern, weil die Angehörigen von den Ärzten schlicht und ergreifend überredet werden. Den Hinterbliebenen, die sowieso noch unter Schock stehen und zu so einer Entscheidung in dem Augenblick gar nicht in der Lage sind, wird dann was von moralischer Verpflichtung erzählt und was weiß ich noch alles.«

»Aber warum gibt es in der Humboldt-Klinik so viele Hirntote? Das ist doch merkwürdig.«

»Das hab ich mich auch gefragt und mich informiert. Es sieht wohl so aus, dass Patienten, bei denen der Verdacht besteht, dass sie hirntot sind, von zwei unabhängigen Ärzten untersucht werden, die gegebenenfalls den Hirntod diagnostizieren. Dafür gibt es eine genaue Vorgehensweise, die von der Bundesärztekammer festgelegt ist. Interessant ist, dass die untersuchenden Ärzte nicht an der Transplantation beteiligt sein dürfen und keinem Transplantationschirurgen unterstehen.«

»Unterstehen nicht alle Ärzte in der Klinik dem Wellner?«

»Eigentlich schon.« Dieter schob seine Brille auf dem Nasenrücken nach oben. »Ich habe nachgesehen, wer diese Untersuchungen in der Regel macht. Und es sind immer die gleichen Ärzte: Dr. Beate Kunze, Neurologin, und Dr. Katharina Kleinbeck, Intensivmedizinerin. Ich habe mit beiden gesprochen. Sie erklären die Anzahl der Hirntoten damit, dass in der Klinik viele Bluthochdruckpatienten behandelt werden. Die meisten Hirntoten sterben an Hirnblutungen, Schlaganfällen und so was. Das hörte sich alles ganz logisch an, aber dann habe ich sie mit gleichartigen Kliniken verglichen. Und siehe da, die hatten komischerweise nur zwei bis drei Hirntote im Jahr.«

»Das stinkt doch zum Himmel!« rief Martin.

»Wenn die Ärzte sich einig sind, können sie jedem im Koma liegenden Patienten den Hirntod bescheinigen«, überlegte Michael. »Wer kontrolliert das? Im Nachhinein lässt sich ein Fehler mit oder ohne Absicht nicht beweisen. Keiner von denen kann zur Rechenschaft gezogen werden.«

»Stell dir mal vor, du liegst da, kannst dich nicht wehren und wirst für hirntot erklärt, obwohl du noch gar nicht richtig tot bist!«, ereiferte sich auch Paul.

»Das nennt man dann Mord!«

»Und bevor du dich versiehst, wirst du ausgeschlachtet, damit andere in den Genuss deiner Organe kommen.«

Bei dem Wort »Genuss« musste Martin wieder an die Nierenspieße denken und Ekel überkam ihn. Schnell versuchte er, das Bild vor seinem inneren Auge zu verdrängen.

»O.k., o.k.!« Martin rutschte vom Schreibtisch. »Ich denke wie ihr, aber das ist eine Sache, die wir nie beweisen können, solange nicht einer auspackt. Vielleicht ist es auch tatsächlich Zufall.«

»Das glaubst du doch wohl selber nicht.«

»Nein, natürlich nicht. Das passt viel zu gut zu dem Bild, das ich vom Wellner habe.«

»Wir sollten diese Ärztinnen, die den Hirntod diagnostizieren, mal in die Mangel nehmen«, schlug Paul vor.

»Das können wir gerne machen, wenn wir irgendwann Zeit übrig haben, denn das ist sicher ein Fall für sich«, sagte Martin und ging hinüber zu der Wand, an der Zettel und Fotos als Informationen zu den Fällen aufgehängt waren. Er betrachtete die Bilder von Anja Schulte und Peter Bielmann. »Morgen ist Weihnachten und ich bin fast sicher, dass ich es nicht besonders genießen kann.«

»Klar kannst du.« Dieter trat zu ihm und schlug ihm auf die Schulter. »Karla wird schon dafür sorgen.«

Martin lächelte dankbar und kehrte zum Schreibtisch zurück. »Morgen früh sehen wir uns nochmal alle hier, aber ab Mittag ist Schluss. Über die Feiertage machen die Kollegen Dienst.«

Kurz darauf verabschiedeten sich die Männer.

»Was wollte eigentlich die Klärfrau von dir?«, fragte Paul auf dem Weg zum Parkplatz.

»Neugierig, was?« Amüsiert betrachtete Michael den Kollegen, der nur mit den Schultern zuckte. »Georgia hat mich für den zweiten Weihnachtsfeiertag zum Brunch eingeladen, den sie für ihre Freunde veranstaltet.«

»Die kennt dich doch kaum.«

»Aber offensichtlich habe ich einen bleibenden Eindruck hinterlassen.«

»Und, gehst du hin?«

»Klar. Ich absolviere das Familien-Pflichtprogramm morgen, dann hab ich die Feiertage für mich.«

»Magst du sie?«

Michael dachte einen Moment über die Frage nach. »Ja, ich glaube schon.«

»Sie ist auch wirklich nett. Mal was anderes. Nicht eine von diesen oberflächlichen Dingern, die du sonst so im Schlepptau hast.«

»… sprach Paul Fischer, der Frauenkenner, und verschwand in den Feierabend«, kommentierte Michael das Gesagte.