Enthüllungen

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16.6.

Die Sonne ging schon fast auf, als ich endlich in mein Bett kroch. Später würde Amma mir weiter die Hölle heißmachen, aber ich hatte das Gefühl, dass mich Marian ohnehin nicht pünktlich zur Arbeit erwartete. Vor Amma hatte selbst sie Respekt. Ich schleuderte die Schuhe von mir und war eingeschlafen, kaum dass ich auf dem Kissen lag.

Gleißende Helligkeit. Das Licht überwältigte mich. Oder war es Dunkelheit?

Meine Augen taten weh, als hätte ich zu lange in die Sonne geblickt, und überall tanzten dunkle Punkte. Alles, was ich sehen konnte, war ein Umriss, der sich vor dem Licht abhob. Ich hatte keine Angst. Ich kannte diese Silhouette ganz genau, die schmale Taille, die feingliedrigen Finger. Jede schwarze Locke, die in der Caster-Brise wehte.

Lena streckte die Hände nach mir aus. Reglos sah ich zu, wie ihre Arme aus der Dunkelheit in das Licht eintauchten, in dem ich stand, wie der helle Schein weiterwanderte bis zu ihren Schultern und dann über Taille und Brust.

Ethan.

Ihr Gesicht lag noch im Schatten, aber jetzt berührten mich ihre Finger, sie glitten über meine Schulter, meinen Nacken, mein Gesicht. Ich führte ihre Hand an meine Wange, sie brannte auf meiner Haut, nicht heiß, sondern kalt.

Ich bin hier, L.

Ich habe dich geliebt, Ethan. Aber jetzt muss ich gehen.

Ich weiß.

Langsam öffnete sie die Augen und ich sah den goldenen Schimmer. Die Augen des Fluchs. Die Augen eines Dunklen Casters.

Ich habe dich auch geliebt, L.

Ich beugte mich zu ihr und schloss ganz sanft ihre Lider. Die Kühle ihrer Hand auf meinem Gesicht war verschwunden. Ich blickte weg und zwang mich aufzuwachen.

Während ich die Treppe hinunterging, machte ich mich auf Ammas Zorn gefasst. Mein Vater war zum Stop&Steal gefahren, um sich eine Zeitung zu kaufen, und wir beide waren allein zu Hause. Wir drei, wenn man Lucille mitzählte, die auf das Trockenfutter in ihrem Napf starrte, etwas, das ihr zuvor wohl noch niemals untergekommen war. Ich glaube, Amma war sogar auf die Katze wütend.

Amma stand am Herd und zog gerade einen Kuchen aus dem Backrohr. Der Tisch war gedeckt, aber von Frühstück war trotzdem keine Spur zu sehen. Kein Speck, keine Eier, nicht einmal eine Scheibe Toast. Es war noch schlimmer als befürchtet. Das letzte Mal, als sie am Morgen gebacken hatte, statt das Frühstück zu machen, war am Tag nach Lenas Geburtstag gewesen, und davor an dem Tag, nachdem meine Mutter gestorben war. Damals hatte Amma den Teig geknetet wie ein Preisboxer. In ihrer Wut hatte sie so viele Kuchen gebacken, dass davon die Baptisten und die Methodisten zusammen hätten satt werden können. Meine einzige Hoffnung war, dass sie sich heute beim Kneten ein bisschen abreagiert hatte.

»Es tut mir leid, Amma. Ich weiß wirklich nicht, was dieses Ding von uns wollte.«

Sie hatte mir den Rücken zugewandt und knallte die Tür des Ofens zu. »Natürlich weißt du das nicht. Du weißt eine ganze Menge nicht, aber das hält dich nicht davon ab, deine Nase in Dinge zu stecken, die dich nichts angehen. Ist es nicht so?« Sie griff nach der Knetschüssel und bearbeitete den Inhalt mit der Einäugigen Drohung, mit der sie erst am Tag zuvor Ridley das Fürchten gelehrt hatte.

»Ich bin nur da runtergegangen, weil ich Lena suchen wollte. Sie ist mit Ridley zusammen, und ich glaube, sie steckt in Schwierigkeiten.«

Amma wirbelte herum. »Du glaubst, sie steckt in Schwierigkeiten? Hast du überhaupt eine Ahnung, was euch da unten aufgelauert hat? Dieses Ding, wie du es nennst, war im Begriff, dich von dieser Welt in die nächste zu befördern.« Sie rührte wie wild in der Schüssel.

»Liv sagte, es sei ein Vex gewesen. Er wird von etwas sehr Mächtigem herbeigerufen.«

»Von jemandem, der Dunkel ist. Von jemandem, der etwas dagegen hat, dass du und deine Freunde in diesen Gängen herumstreunen.«

»Wer sollte ein Interesse daran haben, dass wir uns von den Tunneln fernhalten? Sarafine und Hunting etwa? Aber warum?«

Amma knallte die Schüssel auf die Anrichte. »Warum? Warum willst du immer so viele Sachen wissen, die dich nichts angehen? Ich schätze, daran bin ich schuld. Kaum dass du über die Tischkante schauen konntest, hab ich mir schon den Mund fusselig geredet, um deine Fragen zu beantworten.« Sie schüttelte den Kopf. »Aber das, was jetzt passiert, ist kein Spiel. Dabei gibt es keinen Gewinner.«

Na toll. Noch mehr Rätsel. »Amma, wovon redest du?«

Sie zeigte mit dem Finger auf mich, so wie sie es schon in der vergangenen Nacht gemacht hatte. »Du hast da unten nichts verloren, hörst du? Für Lena sind die Zeiten schwierig, und das tut mir wirklich schrecklich leid, aber sie muss selbst damit klarkommen. Du kannst ihr nicht helfen. Also halte dich von den Tunneln fern, da unten gibt es weitaus Schlimmeres als Vexe, das kann ich dir versichern.« Energisch goss sie den angerührten Teig aus der Schüssel in eine Auflaufform. Die Unterhaltung war beendet. »Und jetzt mach dich an die Arbeit und sieh zu, dass du oberirdisch bleibst.«

»Ja, Ma’am.«

Ich log Amma nicht gerne an und genau genommen tat ich das auch nicht. Wenigstens redete ich mir das ein. Ich würde tatsächlich zur Arbeit gehen – gleich nachdem ich einen Abstecher nach Ravenwood gemacht hatte.

Nach der letzten Nacht gab es eigentlich nichts mehr zu sagen. Aber ich wollte eine Antwort haben. Wie lange hatte Lena mich schon belogen und sich hinter meinem Rücken mit John getroffen? Seit dem Begräbnis, als ich ihn zum ersten Mal gesehen hatte? Seit dem Tag, an dem sie sein Motorrad auf dem Friedhof fotografiert hatte? Ging das seit Tagen, seit Wochen oder seit Monaten so? Für einen Jungen sind solche Einzelheiten wichtig. Solange ich nicht Bescheid wusste, würde diese Frage immer an mir nagen und mir meinen ganzen Stolz rauben.

Dabei war die Sache eigentlich klar. Ich hatte es sie zweimal sagen hören, einmal laut ausgesprochen und noch einmal in meinem Kopf. Ich will nicht, dass du hier bist, Ethan. Und ich hatte sie zusammen mit John gesehen. Es war aus und vorbei. Etwas, das ich niemals für möglich gehalten hätte.

Ich hielt vor den schmiedeeisernen Toren von Ravenwood und stellte den Motor ab. Dann saß ich da, mit hochgekurbelten Seitenfenstern. Draußen flirrte die Hitze. In ein, zwei Minuten würde ich umkommen, so stickig war es, aber ich schaffte es nicht, mich zu bewegen. Ich schloss die Augen und hörte den Grillen zu. Wenn ich nicht aus dem Auto stieg, würde ich es niemals erfahren. Niemand zwang mich dazu, durch das Tor zu gehen. Der Zündschlüssel steckte noch. Ich konnte ihn umdrehen und zur Bibliothek fahren.

Dann würde gar nichts passieren.

Ich drehte den Zündschlüssel und das Autoradio ging an. Als ich den Motor abgestellt hatte, war es nicht eingeschaltet gewesen. Der Empfang im Volvo war nicht viel besser als in der alten Schrottkiste, aber unter dem Rauschen hörte ich etwas.

Seventeen moons, seventeen spheres,

The moon before her time appears,

Hearts will go and stars will follow,

One is broken, one is hollow …

Der Motor erstarb und mit ihm verklang auch das Lied. Was da über den Mond gesagt wurde, verstand ich nicht, außer dass er kommen würde, was ich aber sowieso wusste. Und ich brauchte das Lied auch nicht, um zu wissen, wessen Herz ich verloren hatte.

Als ich schließlich die Wagentür aufmachte, kam mir die lähmende Hitze von Carolina vergleichsweise kühl vor. Die Tore quietschten, als ich sie aufstieß. Je näher ich dem Haus kam, desto trostloser wirkte es jetzt nach Macons Tod. Schlimmer noch als beim letzten Mal.

Ich stieg die Stufen der Veranda hinauf und lauschte auf das Ächzen der Bretter unter meinen Füßen. Wahrscheinlich sah das Haus genauso verwahrlost aus wie der Garten, aber ich nahm es nicht wahr, denn wohin ich auch blickte, ich sah überall nur Lena. Wie sie mich überreden wollte, nach Hause zu gehen in jener Nacht, als ich Macon zum ersten Mal begegnet war; wie sie in ihrem orangefarbenen Gefängnis-Overall auf den Treppen der Veranda gesessen hatte, zwei Tage vor ihrem Geburtstag. Am liebsten wäre ich auch noch den Weg bis nach Greenbrier zu Genevieves Grab weitergegangen, um mich an Lena zu erinnern, wie sie sich mit einem alten Latein-Wörterbuch an mich geschmiegt hatte, während wir versuchten, aus dem Buch der Monde schlau zu werden.

Aber das waren die Geister der Vergangenheit.

Ich betrachtete das Schnitzwerk über der Tür mit dem Caster-Mond in der Mitte. Zögernd tastete ich über das gesplitterte Holz des Türsturzes. Ich war mir nicht sicher, ob ich willkommen war, aber ich drückte trotzdem auf den Balken.

Die Tür sprang auf und Tante Del sah mir lächelnd entgegen. »Ethan! Ich hatte gehofft, dass du vorbeikommen würdest, ehe wir abreisen.« Sie zog mich an sich und umarmte mich.

Drinnen war es dunkel. An der Treppe türmten sich Koffer. Die meisten Möbel waren mit Laken abgedeckt, die Fensterläden waren geschlossen. Es stimmte wirklich. Sie verließen das Haus. Seit dem letzten Schultag hatte Lena kein Wort mehr darüber verloren, und bei allem, was in der Zwischenzeit passiert war, hatte ich es beinahe vergessen. Zumindest wollte ich es vergessen. Lena hatte es nicht für nötig gehalten, mir zu erzählen, dass sie schon gepackt hatten. Es gab vieles, was sie mir nicht mehr erzählte.

»Deshalb bist du doch gekommen, nicht wahr?«, fragte Tante Del und blinzelte verwirrt. »Um Auf Wiedersehen zu sagen.« Sie war ein Palimpsest und konnte die verschiedenen Zeiten, in denen sie lebte, nicht auseinanderhalten, deshalb war sie immer etwas unsicher. Sie sah, was in einem Raum geschehen war und noch geschehen würde, und das alles zur gleichen Zeit. Manchmal überlegte ich, was sie wohl gerade sah, aber im Grunde wollte ich es gar nicht so genau wissen.

»Ja. Ich wollte Auf Wiedersehen sagen. Wann reist ihr ab?«

Mit gewohnt mürrischer Miene blätterte Reece im Esszimmer Bücher durch. Unwillkürlich drehte ich den Kopf weg. Was ich jetzt am allerwenigsten brauchen konnte, war Reece, die auf den ersten Blick alles, was in der vergangenen Nacht geschehen war, in meinem Gesicht las.

»Frühestens am Sonntag«, rief sie mir zu und beantwortete damit meine Frage. »Aber Lena hat mit dem Packen noch gar nicht angefangen, also stör sie nicht.«

Noch zwei Tage. In zwei Tagen reiste sie ab und ich wusste nichts davon. Hatte sie überhaupt vorgehabt, sich von mir zu verabschieden?

Ich zog den Kopf ein und ging ins Wohnzimmer, um Gramma zu begrüßen. Sie war die Ruhe selbst. In der Hand eine Tasse Tee, saß sie in ihrem Schaukelstuhl und las die Zeitung, als ginge sie das ganze Gewusele um sie herum nichts an. Sie lächelte freundlich und faltete die Zeitung zusammen. Ich hätte gewettet, dass sie die Stars and Stripes las, aber die Zeitung war in einer Sprache, die ich nicht kannte.

»Ethan. Ich wünschte, du würdest uns begleiten. Du wirst mir fehlen, und ich bin sicher, Lena wird die Tage zählen, bis wir wiederkommen.« Sie stand auf und umarmte mich.

Vielleicht zählte Lena die Tage ja wirklich, aber nicht aus dem Grund, den Gramma vermutete. Ihre Familie machte sich offenbar keine Vorstellung davon, was mit uns, genauer gesagt mit Lena, los war. Anscheinend ahnten sie nicht einmal, dass Lena ihre Zeit in Caster-Clubs wie dem Exil verbrachte oder auf dem Rücksitz einer Harley mitfuhr. Vielleicht wussten sie auch von John Breed gar nichts.

Ich dachte daran, wie Lena von den vielen Orten erzählt hatte, an denen sie schon gewohnt hatte, von den Freunden, die sie niemals gehabt hatte, von den Schulen, die sie nicht besuchen durfte. Ich fragte mich, ob sie jetzt in dieses alte Leben zurückkehren würde.

Gramma musterte mich neugierig und legte mir ihre Hand auf die Wange. Sie war weich wie die Sonntagshandschuhe der drei Schwestern. »Du hast dich verändert, Ethan.«

»Tatsächlich, Ma’am?«

»Ich weiß nicht genau, was, aber etwas an dir ist anders.«

Ich blickte weg. Es hatte keinen Sinn, ihr etwas vorzumachen. Sie würde es spüren, dass Lena und ich nicht mehr zusammen waren, wenn sie es nicht sowieso längst wusste. Gramma war wie Amma. Jemand, dessen bloße Anwesenheit in einem Raum die Atmosphäre beherrschte, allein aufgrund seiner Willensstärke. »Ich bin nicht derjenige, der sich verändert hat, Ma’am.«

Gramma setzte sich wieder und nahm die Zeitung zur Hand. »Unsinn. Jeder verändert sich, Ethan. So ist das Leben. Jetzt geh und sag meiner Enkelin, dass sie packen soll. Wir müssen los, ehe die Flut kommt und wir für immer hier eingeschlossen sind.« Sie lachte, als hätte sie einen Scherz gemacht. Aber mir war nicht nach Lachen zumute.

Lenas Tür stand einen Spaltbreit offen. Die Wände, die Decke, die Möbel – alles war pechschwarz. Die Gedichte waren nun nicht mehr mit Filzstift an die Wände gekritzelt, sondern mit weißer Kreide. Die Schranktüren waren von oben bis unten mit dem immer gleichen Satz beschrieben: runningtostandstillrunningtostandstillrunningtostandstill. Ich starrte auf die Buchstabenreihe, versuchte, die einzelnen Worte auseinanderzunehmen, wie schon so oft, wenn ich Lenas Handschrift zu entziffern versucht hatte. Als ich es geschafft hatte, begriff ich, dass die Zeilen aus einem alten Song von U2 stammten. Laufen, um still zu stehen.

Es stimmte. Seit Macons Tod hatte Lena genau das getan.

Sie lag auf ihrem Futon, ihre kleine Cousine Ryan saß neben ihr und hatte ihre Hände um Lenas Gesicht gelegt. Ryan war eine Thaumaturgin, aber sie benutzte ihre heilenden Kräfte nur dann, wenn jemand Qualen litt. Bisher war immer ich es gewesen, der ihre Hilfe brauchte, heute aber war es Lena.

Ich erkannte sie kaum wieder. Sie sah aus, als hätte sie in der vergangenen Nacht kein Auge zugetan. Statt eines Nachthemds trug sie ein viel zu großes schwarzes T-Shirt. Ihre Haare waren ungekämmt, ihre Augen rot verschwollen.

»Ethan!« Kaum hatte Ryan mich gesehen, wurde aus der Thaumaturgin ein übermütiges kleines Mädchen. Sie warf sich in meine Arme, und ich fing sie auf und schwang sie im Kreis, dass ihre Beine durch die Luft flogen. »Warum kommst du nicht mit uns? Es wird so langweilig werden. Reece wird mich den ganze Sommer lang herumkommandieren und Lena bläst nur Trübsal.«

»Ich muss hierbleiben und mich um Amma und meinen Dad kümmern, Kleines.« Vorsichtig setzte ich Ryan wieder ab.

Schlecht gelaunt setzte Lena sich in ihrem zerwühlten Bett auf, schlug die Beine unter und hockte sich auf die Fersen. »Raus jetzt, bitte«, scheuchte sie Ryan aus dem Zimmer.

Ryan zog eine Schnute. »Wenn ihr beiden etwas Widerliches tut und mich braucht, ich bin unten.« Ryan hatte mir mehr als einmal das Leben gerettet, wenn Lena und ich zu weit gegangen waren und mein Herzschlag auszusetzen drohte, weil die Spannung zwischen uns beiden zu stark gewesen war.

Mit John Breed hatte Lena dieses Problem wohl nie. War es etwa sein T-Shirt, das sie anhatte?

»Was willst du hier, Ethan?« Lena hatte den Blick zur Decke gerichtet, wo auch etwas geschrieben stand. Es tat mir weh, die Worte zu lesen. Wenn du emporschaust / Siehst du den blauen Himmel der Möglichkeiten / Oder die schwarze Nacht der Unmöglichkeiten? / Siehst du mich?

»Ich möchte mit dir über gestern Abend reden.«

»Du meinst, du möchtest mir erklären, warum du mir hinterhergelaufen bist?« Ihre Stimme war barsch und das machte mich sauer.

»Ich bin dir nicht hinterhergelaufen. Ich habe dich gesucht, weil ich mir Sorgen gemacht habe. Inzwischen ist mir allerdings klar, wie lästig dir das gewesen sein muss, weil du dich ja offensichtlich lieber von John Breed abschleppen lässt.«

Mit versteinerter Miene stand Lena auf. Das weite T-Shirt reichte ihr bis über die Knie. »John und ich sind Freunde. Er hat mich nicht abgeschleppt.«

»Wirfst du dich allen deinen Freunden so an den Hals wie ihm?«

Lena kam auf mich zu, die Spitzen ihrer zerzausten Haare hoben sich leicht von ihren Schultern. Der Kerzenleuchter an der Decke begann zu schwanken. »Und versuchst du, alle deine Freundinnen zu küssen?«, fragte sie zurück.

Es gab einen grellen Blitz, Funken stoben, dann war es dunkel. Die Glühbirnen des Leuchters waren geplatzt und ein Schauer aus Glassplittern ging auf das Bett nieder. Draußen auf dem Dach hörte ich die Regentropfen trommeln.

»Wie kommst du darauf …«

»Du brauchst mich nicht anzulügen, Ethan. Ich weiß, was du und deine Bibliothekskollegin vor dem Exil gemacht habt.«

Die Stimme in meinem Kopf klang scharf und bitter. Ich habe dich gehört, denn du hattest dich aufs Kelting verlegt. »Blaue Augen und blonde Haare« – kommt dir das bekannt vor?

Sie hatte recht. Natürlich hatte sie jedes Wort gehört.

Es ist nichts passiert.

Der Leuchter krachte auf ihr Bett und verfehlte mich um Haaresbreite. Der Boden schien unter mir nachzugeben.

Ach ja? Es ist also nichts passiert? Meinst du, ich weiß es nicht? Meinst du, ich fühle es nicht?

Es war schlimmer, als Reece in die Augen zu schauen. Lena sah alles und sie brauchte nicht einmal ihre Caster-Kräfte dazu.

»Ich bin ausgerastet, als ich dich mit diesem Typen gesehen habe. Ich stand einfach neben mir.«

»Das kannst du dir selbst einreden, aber glaub mir, nichts geschieht ohne Grund. Du hättest sie beinahe geküsst, und zwar weil du sie küssen wolltest.«

Vielleicht wollte ich dich nur wütend machen, weil ich dich mit einem anderen zusammen gesehen habe.

Sei vorsichtig mit dem, was du dir wünschst.

Ich betrachtete ihr Gesicht, die dunklen Ringe unter den Augen, ihre Traurigkeit.

Die grüne Farbe ihrer Augen, die ich so sehr geliebt hatte, war verschwunden – jetzt hatte sie die goldenen Augen eines Dunklen Casters.

Was machst du nur mit mir, Ethan?

Ich weiß es nicht.

Lena verlor einen Moment lang die Fassung, aber sie fing sich schnell wieder. »Du warst ganz versessen darauf, das rauszukriegen, stimmt’s? Jetzt kannst du ganz ohne schlechtes Gewissen mit deiner kleinen Freundin abhauen. Mit einer Sterblichen.« Das letzte Wort brachte sie kaum über die Lippen. »Ich wette, du kannst es gar nicht mehr erwarten, am See mit ihr herumzuhängen.« Lena redete sich immer mehr in Rage. An der Stelle, wo der Leuchter gehangen hatte, lösten sich Teile der Zimmerdecke ab.

Egal wie groß ihr Kummer auch war, er wurde übertroffen von ihrer Wut. »Wenn die Schule anfängt, wirst du wieder im Basketball-Team sein, und sie kann ja bei den Cheerleadern mitmachen. Emily und Savannah werden sie mögen.«

Es knackte und ein weiteres Stück Putz fiel neben mir herunter.

Ich fühlte mich schlecht. Es war nicht so, wie Lena sagte, trotzdem konnte ich den Gedanken nicht abschütteln, wie einfach es wäre, sich mit einem ganz normalen Mädchen zu treffen, mit einem sterblichen Mädchen.

Ich habe schon immer gewusst, dass du das wolltest. Jetzt kannst du es haben.

Wieder knirschte es laut und wieder bröckelte der Putz. Ich war mit weißem Staub überzogen, um mich herum lagen Teile der Decke.

Das habe ich nicht so gemeint und das weißt du auch.

Tatsächlich? Alles, was ich weiß, ist, dass es nicht so schwer sein sollte. Jemanden zu lieben, sollte nicht so schwer sein.

Das hat mich bisher nie daran gehindert.

Ich spürte, wie sie mir entglitt, wie sie mich aus ihren Gedanken verbannte und aus ihrem Herzen.

»Du gehörst zu deinesgleichen und ich gehöre zu meinesgleichen – zu jemandem, der versteht, was ich gerade durchmache. Ich bin nicht mehr die, die ich vor ein paar Monaten gewesen bin, und das wissen wir beide.«

Warum kannst du nicht endlich aufhören, dich selbst zu bestrafen, Lena? Es war doch nicht deine Schuld. Du hättest ihn nicht retten können.

Du weißt nicht, wovon du redest.

Ich weiß, dass du dich schuldig an Macons Tod fühlst, und dass es für dich eine Art Buße ist, wenn du dich selbst quälst.

Für das, was ich getan habe, gibt es keine Buße.

Sie drehte sich um und wollte weg.

Lauf nicht davon.

Ich laufe nicht davon. Ich bin schon längst weg.

Die Stimme in meinem Kopf war sehr leise. Ich machte einen Schritt auf Lena zu. Es war mir egal, was sie getan hatte oder ob alles zwischen uns beiden aus war. Aber ich konnte nicht zusehen, wie sie sich selbst zerstörte.

Ich zog sie an mich und schlang meine Arme um sie, als wollte ich eine Ertrinkende aus dem Wasser ziehen. Sofort fühlte ich wieder diese unglaublich brennende Kälte auf meiner Haut. Ihre Fingerspitzen streiften meine. Dort wo ihr Kopf an meiner Brust lag, verspürte ich ein taubes Gefühl.

Es ist egal, ob wir beide zusammen sind, L. Aber zu ihnen gehörst du nicht.

Ich gehöre auch nicht zu euch.

Ihre letzten Worte waren kaum mehr als ein Flüstern. Ich krallte meine Finger in ihre Haare. Jede Faser in mir schrie danach, sie für immer festzuhalten. Sie schien zu weinen, aber ich war mir nicht sicher. Ich sah zur Zimmerdecke, dort zersprang der Putz an den Rändern des großen Lochs in der Mitte. Jeden Augenblick konnte der Rest der Decke auf uns stürzen.

War es das also?

Das war es, aber ich wollte trotzdem nicht, dass sie mir eine Antwort darauf gab. Ich wollte, dass dieser Augenblick noch anhielt. Ich wollte bei ihr sein und so tun, als wäre ich noch immer derjenige, der sie in den Armen halten durfte.

»Meine Familie verlässt Ravenwood in zwei Tagen. Wenn sie morgen aufwachen, dann werde ich schon weg sein.«

»L, das darfst du nicht …«

Sie legte mir einen Finger auf den Mund. »Wenn du mich je geliebt hast, und ich weiß, du hast mich geliebt, dann behalte es für dich. Ich lasse es nicht zu, dass meinetwegen noch jemand sterben muss, der mir etwas bedeutet.«

»Lena …«

»Das ist der Fluch, der auf mir lastet. Es ist mein Fluch. Und ich muss damit fertig werden.«

»Und wenn ich es den anderen sage?«

Sie sah mich an, ihr Gesicht verdüsterte sich, bis es nur noch ein dunkler Schatten war. »Du hast gar keine Wahl. Wenn du morgen nach Ravenwood kommen solltest, dann, das verspreche ich dir, wird dir nicht nach Reden zumute sein. Und du wirst es auch gar nicht können.«

»Soll das heißen, du belegst mich mit einem Bannspruch?« Das war eine unausgesprochene Grenze zwischen uns beiden, die sie bisher nie übertreten hatte.

Sie lächelte und legte mir wieder die Finger auf die Lippen. »Silentium. Das ist Latein und bedeutet Stille. Und genau das wird dir passieren, falls du irgendjemandem sagen willst, was ich vorhabe.«

»Das wirst du nicht tun.«

»Gerade habe ich es getan.«

So weit war es also gekommen. Das Einzige, was sie niemals getan hatte, nämlich ihre unvorstellbaren Kräfte gegen mich einzusetzen, war jetzt geschehen. Ihre Augen blitzten hellgolden. Von Grün kein Spur. Ich wusste, sie meinte es genau so, wie sie es gesagt hatte.

»Schwöre, dass du nicht mehr nach Ravenwood kommst.« Lena machte sich aus meiner Umarmung frei und wandte sich ab. Sie wollte nicht, dass ich ihre Augen sah, und ich konnte den Anblick auch nicht mehr ertragen.

»Ich schwöre es.«

Sie sagte kein Wort, sondern nickte stumm und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Als ich wegging, prasselte die Decke in Stücken herab.

Ich wanderte ein letztes Mal durch Ravenwood. Bei jedem Schritt wurde es dunkler um mich. Lena ging weg. Macon war gestorben. Alle gingen fort und auch das Haus schien zu sterben. Ich ließ die Finger über das polierte Treppengeländer gleiten. Ich wollte mir den Firnisgeruch einprägen, die Glätte des alten Mahagoniholzes, vielleicht auch noch den letzten Duft von Macons Importzigarren, von Sternjasmin, Blutorangen und Büchern.

Vor Macons Zimmertür blieb ich stehen. Mattschwarz war sie gestrichen und es hätte eine ganz beliebige Tür in diesem Haus sein können. Aber es war keine beliebige Tür, denn Boo schlief davor, er wartete auf seinen Herrn, der nie wieder kommen würde. Boo sah nicht mehr aus wie ein Wolf, sondern wie ein gewöhnlicher Hund. Ohne Macon war er genauso verloren wie Lena. Er sah zu mir hoch, fast ohne den Kopf zu bewegen.

Ich legte die Hand auf den Knauf und öffnete die Tür. Macons Zimmer war noch genau so, wie ich es in Erinnerung hatte. Niemand hatte es gewagt, die Möbel mit einem Tuch abzudecken. Das Himmelbett aus Ebenholz, das in der Mitte des Zimmers stand, glänzte, als wäre es von Ravenwoods dienstbaren Geistern unzählige Male poliert worden. Schwere schwarze Vorhänge verdunkelten den Raum so, dass man nicht zwischen Tag und Nacht unterscheiden konnte. In den Kerzenhaltern steckten schwarze Kerzen und von der Decke hing ein schwarzer schmiedeeiserner Leuchter. Das ins Metall geprägte Caster-Muster kam mir bekannt vor. Zuerst konnte ich es nicht genau zuordnen, dann fiel es mir wieder ein.

Ich hatte das Muster im Exil gesehen, bei Ridley und John Breed. Es war das Zeichen eines Dunklen Casters. An diesem Tattoo konnte man sie erkennen. Zwar sah jedes ein bisschen anders aus, aber im Grunde ähnelten sich alle. Vielleicht war es auch gar kein Tattoo, sondern eine Art Brandmal.

Bei dem Gedanken schauderte es mich. Ich ging zu der schwarzen Kommode und nahm ein gerahmtes Foto in die Hand, das Macon und eine Frau zeigte. Ich konnte ihre Konturen nur vage erkennen, ein auf Fotopapier gebannter Schattenriss, und ich fragte mich, ob es Jane war.

Wie viele Geheimnisse hatte Macon wohl mit ins Grab genommen? Ich wollte das Foto zurückstellen, aber weil es so dunkel war, schätzte ich die Entfernung falsch ein, und das Bild fiel zu Boden. Als ich mich bückte, um es aufzuheben, bemerkte ich, dass die Ecke des Teppichs zurückgeschlagen war. Er sah genauso aus wie der in Macons Zimmer im Caster-Labyrinth.

Ich hob den Teppich an, und darunter kam ein Rechteck zum Vorschein, eine in den Dielenboden eingelassene Klappe, groß genug, dass ein Mensch hindurchsteigen konnte. Es war eine Tür in die unterirdischen Gänge.

Als ich an der Klappe zog, ging sie sofort auf. Ich konnte zwar in Macons Arbeitszimmer hinuntersehen, aber es führten keine Stufen dorthin. Es war so tief, dass man nicht hinunter auf den Steinfußboden springen konnte, ohne sich zu verletzen.

Ich dachte an die verborgene Tür, die in die Lunae Libri führte. Vielleicht funktionierte dieser Zugang ganz ähnlich. Es gab nur eine Möglichkeit, es herauszufinden: Ich musste es ausprobieren. Ich hielt mich an der Bettkante fest und streckte den Fuß vorsichtig durch die Öffnung. Einen Moment lang fand ich keinen Halt, dann fühlte ich etwas Festes. Eine Stufe. Obwohl ich sie nicht sehen konnte, spürte ich doch, dass ich auf einer ausgetretenen Holztreppe stand. Sekunden später befand ich mich in Macons unterirdischem Zimmer.

Er hatte also doch nicht den lieben langen Tag geschlafen. Er hatte die Zeit in den unterirdischen Gängen verbracht, vermutlich zusammen mit Marian. Ich stellte mir die beiden vor, wie sie nach geheimnisvollen alten Caster-Legenden suchten, über den Gartenbau vor dem Bürgerkrieg debattierten und Tee tranken. Wahrscheinlich hatte Marian mehr Zeit mit Macon verbracht als jeder andere, Lena ausgenommen.

Ich überlegte, ob nicht vielleicht Marian die Frau auf dem Foto war und sie mit richtigem Namen Jane hieß. Daran hatte ich vorher noch gar nicht gedacht, aber es würde eine Menge erklären. Zum Beispiel warum zahllose in braunes Papier geschlagene Pakete der Bibliothek säuberlich aufgestapelt in Macons Arbeitszimmer lagen. Oder warum sich eine angesehene Professorin der Duke University mit einer Stelle als Bibliothekarin in Gatlin zufriedengab, auch wenn sie eine Hüterin war. Warum Marian und Macon so gut wie unzertrennlich gewesen waren, was man bei einem zurückgezogen lebenden Inkubus, der nie das Haus verließ, nicht unbedingt erwartet hätte.

Vielleicht hatten sie sich all diese Jahre lang geliebt.

Ich sah mich im Raum um und entdeckte die Holzkiste, in der Macon seine Gedanken und Geheimnisse aufbewahrt hatte. Noch während ich mich wunderte, wie sie hierhergekommen war, ging ich zu dem Regal, in dem sie stand.

Ich schloss die Augen und griff nach ihr …

Ein letztes Treffen mit Jane – das war es, was sich Macon am meisten wünschte und was er zugleich am meisten fürchtete. Er hatte sie schon seit Wochen nicht mehr gesehen, wenn man die Nächte nicht rechnete, in denen er ihr heimlich von der Bibliothek bis nach Hause gefolgt war, sie aus der Ferne beobachtet und sich danach gesehnt hatte, sie zu berühren.

Allerdings nicht gerade jetzt, da seine Verwandlung unmittelbar bevorstand. Aber sie war da, obwohl er es ihr verboten hatte. »Jane, du kannst hier nicht bleiben. Es ist zu gefährlich.«

Sie kam langsam durchs Zimmer auf ihn zu. »Verstehst du denn nicht? Ich muss hier sein.«

»Ich weiß.« Macon zog sie an sich und küsste sie ein letztes Mal.

Dann öffnete er die kleine Schachtel, die hinten in seinem Schrank lag. Er entnahm ihr etwas, legte es Jane in die Hand und schloss ihre Finger darum. Es war eine perfekte Kugel, rund und glatt. Er nahm ihre Hände in die seinen und sagte feierlich: »Nach meiner Verwandlung kann ich dich nicht mehr beschützen vor dem, was die größte Gefahr für dich ist: vor mir.« Er blickte auf ihrer beider Hände, die gemeinsam den Gegenstand umschlossen, den er so sorgsam aufbewahrt hatte. »Wenn etwas passiert und du in Gefahr schwebst … dann benutze dies.«

Jane öffnete ihre Hand. Die Kugel war schwarz und schimmerte wie eine dunkle Perle. Aber noch während sie sie betrachtete, veränderte sich die Kugel und begann zu leuchten. Jane spürte, wie die Kugel ganz leicht vibrierte. »Was ist das?«

Macon wich einen Schritt zurück, als fürchte er die Kugel, die nun zum Leben erwacht war. »Es ist ein Bogenlicht.«

»Wozu ist es gut?«

»Wenn es so weit ist und ich eine Gefahr für dich geworden bin, dann wirst du mir gegenüber schutzlos sein. Dann kannst du mich weder töten noch mir Schmerz zufügen. Das vermag nur ein anderer Inkubus.«

Janes Miene verdüsterte sich. »Ich könnte dir ohnehin nie etwas zuleide tun«, flüsterte sie.

Macon beugte sich vor und strich ihr zärtlich über die Wange. »Ich weiß, aber selbst wenn du es wolltest, könntest du es nicht. Kein Sterblicher kann einen Inkubus töten. Deshalb brauchst du das Bogenlicht. Es ist das einzige Mittel, um einen wie mich einzufangen. Das einzige Mittel, mit dem du mich aufhalten könntest, falls ich«

»Was meinst du mit einfangen?«

Macon wandte sich ab. »Es ist eine Art Käfig, Jane. Es ist der einzige Käfig, aus dem wir nicht ausbrechen können.«

Jane betrachtete die dunkel schimmernde Kugel. Jetzt da sie wusste, wozu sie diente, schien sie ihr ein Loch in Hand und Herz zu brennen. Jane ließ die seltsame Kugel auf Macons Schreibtisch fallen und sie rollte über die Tischplatte. Das Glühen erlosch und die Kugel war wieder tiefschwarz. »Glaubst du wirklich, ich würde dich in dieses Ding einsperren wie ein Tier?«

»Es wird schlimmer sein als bei einem Tier.«

Tränen liefen über ihr Gesicht, benetzten ihre Lippen. Sie fasste Macon am Arm, zwang ihn, ihr ins Gesicht zu sehen. »Wie lange müsstest du in der Kugel bleiben?«

»Ich nehme an, für immer.«

Sie schüttelte den Kopf. »Das ist völlig ausgeschlossen. Wie könnte ich dich zu so einem entsetzlichen Schicksal verdammen?«

Macons Augen schimmerten feucht. Waren es Tränen? Jane wusste, dass das unmöglich war. Er hatte keine Tränen, die er vergießen konnte, und doch hätte sie schwören mögen, dass Tränen in seinen Augen blitzten.

»Wenn dir etwas zustoßen würde, wenn ich dir etwas zuleide täte, dann würdest du mich zu einem Schicksal verdammen, zu einer ewigen Qual, die weit schlimmer ist als alles, was mich in der Kugel erwartet.« Macon nahm das Bogenlicht und hielt es zwischen sie beide. »Schwöre mir, dass du es benutzt, wenn es sein muss.«

Jane unterdrückte ihre Tränen. Mit zittriger Stimme sagte sie: »Ich weiß nicht, ob ich«

Zärtlich legte Macon seine Stirn an ihre. »Versprich es mir, Jane. Wenn du mich liebst, dann versprich es.«

Jane presste ihr Gesicht an seinen Hals, holte tief Luft und sagte: »Ich verspreche es.«

Macon hob den Kopf und blickte über ihre Schulter. »Ein Versprechen ist ein Versprechen, Ethan.«

Als ich aufwachte, lag ich in einem Bett. Durch ein Fenster fiel Licht herein, daher wusste ich sofort, dass ich nicht mehr in Macons unterirdischem Zimmer war. Ich blickte zur Decke, aber da hing kein schwarzer Leuchter, also war ich auch nicht in seinem Zimmer in Ravenwood.

Ich fühlte mich wie zerschlagen. Verwirrt setzte ich mich auf. Ich lag in meinem eigenen Bett, in meinem eigenen Zimmer. Das Fenster stand offen und die Morgensonne schien mir in die Augen. Wie kam es, dass ich ganz woanders die Sinne verloren hatte und Stunden später hier aufwachte? Was war in der Zwischenzeit mit Raum und Zeit und sämtlichen Gesetzen der Physik passiert? Welcher Caster, welcher Inkubus hatte die Macht, so etwas zu bewirken?

Früher hatten die Visionen keine derartige Wirkung auf mich gehabt. Sowohl Abraham als auch Macon hatten mich gesehen. Wie konnte das sein? Und was wollte Macon mir sagen? Warum wollte er, dass ich diese Visionen erlebte? Ich konnte mir einfach keinen Reim darauf machen. Aber eines war klar: Entweder die Visionen waren dabei, sich zu verändern, oder ich. Dafür hatte Lena gesorgt.